Privacy Policy Cookie Policy Terms and Conditions Wikipedia:WikiReader/Wissen.ungewöhnlich./Alle Artikel - Wikipedia

Wikipedia:WikiReader/Wissen.ungewöhnlich./Alle Artikel

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

INHALTSVERZEICHNIS

1 Milbenkäse 2 Kugelfische 3 OpenCola 4 Die Große Tulpenmanie 5 Die Bestie von Gévaudan 6 Riesenalk 7 Joshua Norton 8 Neutral-Moresnet 10 Pornokratie 11 Schafsbrief 12 Historische Maße und Gewichte 13 Onoda Hiro 14 Yokoi Shoichi 15 Johannes Bückler 16 Oscar, die Bordkatze der Bismarck 17 Gerrymandering 18 Toiletten in Japan 19 Chewbacca-Verteidigung 19.1 Weblinks 20 Towel Day 21 Lachclub 22 Kranzgeld 23 Trierer Weinversteigerungsfall 24 Haakjöringsköd-Fall 25 Stromdiebstahlsfall 26 Schwelle zum „jetzt geht es los“ 27 Unvordenkliche Verjährung 28 Jungbullenfall 29 Sexismus-Klage 30 Kancho 31 Biotic Baking Brigade 32 Gesömmertes Höhenfleckvieh 33 Bethel-Euro 34 Unendlich-viele-Affen-Theorem 35 Skurrile wissenschaftliche Namen aus Biologie und Medizin 36 Spureinlauf 37 Stage migration 38 Ziegenproblem 39 Benfordsches Gesetz 40 kollektiver Intelligenz 41 Quastenflosser 42 Dihydrogenmonooxid 43 Matthäus-Effekt 44 Hemerochorie 45 Gefangenschaftsflüchtling 46 Milgram-Experiment 47 Mondtäuschung 48 Kleinsche Flasche 49 Sounds of Earth 50 globale Verdunkelung 51 Lichtverschmutzung 52 Zahlenverständnis bei Tieren 53 Menschenfressende Pflanze 54 Maxwellscher Dämon 55 Betrug und Fälschung in der Wissenschaft 56 Archaeoraptor 57 Paluxy-River-Fußspuren 58 Kalte Fusion 59 Jan Hendrik Schön 60 Sokal-Affäre 61 Trepanation 62 Madentherapie 63 Eigenharnbehandlung 64 Projekt Blinkenlights 65 Dümmster anzunehmender User 66 Esoterische Programmiersprache 67 Shakespeare (Programmiersprache) 68 Brainfuck 69 Godwins Gesetz 70 Lena (Testbild) 71 Utah-Teekanne 72 Bastard Operator From Hell 73 Blue Screen Of Death 74 Engrish 74.2 Weblinks 75 Fnord 76 Heavy-Metal-Umlaut 77 Nihilartikel 78 Rosa Elefant 79 Plansprache 80 Schibboleth 81 Apostrophitis 82 Übersetzungsfalle 83 Rekursives Akronym 84 Redundantes Akronym 85 Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz 86 Ghoti 87 Baldwin Street 88 Hewitt (Hügel) 89 Planstadt 90 Inversionsweltbild 91 Bant 92 Brennender Berg 93 Magic Roundabout 94 Ich bin ein Berliner 95 MacGuffin 96 Sebastian Sailer 97 Sebastian Sailer 98 Mehran Karimi Nasseri 99 Nipper 100 Erhu 101 John Titor 102 Official Monster Raving Loony Party 103 Banksy 104 Jackalope 105 Wolpertinger 106 Elwetritsch 107 Society for the Prevention of Calling Sleeping Car Porters "George" 108 David Rice Atchison 109 Mill Ends Park 109.1 Weblinks 110 Arschleder


Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Milbenkäse

Ein Laib Milbenkäse
vergrößern
Ein Laib Milbenkäse

Der Milbenkäse (auch Spinnenkäse und mundartlich Mellnkase genannt) ist eine lokale Spezialität aus dem Dorf Würchwitz im sachsen-anhaltischen Burgenlandkreis.

Zur Herstellung wird ein gründlich entwässerter und einige Tage im Kühlen getrockneter Labquark zunächst gewürzt (vor allem mit Salz und Kümmel), anschließend geformt (z.B. zu Stangen, handtellergroßen Kugeln oder wie hier im Bild zu kreisrunden Laiben von etwa 15 cm Durchmesser) und dann ein bis zwölf Monate in einer Kiste gelagert, in der sich mehrere Millionen Käsemilben (Tyroglyphus casei L.) befinden. Zur Ernährung der Milben wird Roggenmehl verwendet. Dies verhindert auch, dass die Milben den Käse selbst fressen. Die Ausscheidungen tragen dabei zur Reifung des Käses bei und bewirken auch, dass er länger haltbar ist. Im Verlaufe des von außen nach innen ablaufenden Reifungsprozesses färbt sich das Äußere des Käses nach etwa vier Wochen gelb, bis es nach drei Monaten in ein rötliches Braun und nach einem Jahr schließlich in eine schwärzliche Färbung übergeht. Die Milben werden beim Verzehr des Käses mitgegessen und oft auch ohne Käse z. B. als Brotbelag verwendet.

Gesundheitlich ist der Käse absolut förderlich, so ist er nicht nur beim Kampf gegen Hausstaubmilbenallergien ein anerkannter Helfer, sondern fördert auch Verdauungsaktivität und die Gesunderhaltung der Darmflora. Bei einer Untersuchung von Milbenkäseproben im biologisch-chemischen Institut Hoppegarten in Dahlwitz-Hoppegarten im Januar 1996 wurden weder Schimmelpilze noch schädliche Keime gefunden. Der Milbenkäse soll traditioneller Auffassung gemäß zudem die Verdauung anregen. Milbenallergiker berichteten in jüngster Zeit, dass ihre Allergie durch regelmäßigen Verzehr des Käses verschwunden sei.

Der Milbenkäse gehört zur Gruppe der Sauermilchkäse. Der Fettgehalt in der Trockenmasse liegt bei etwa 1%. Sein Geschmack erinnert an einen leicht bitteren Harzer Käse mit einem leicht prickelnden Nachgeschmack, der wohl von den Ausscheidungen der Milben herrührt.

Siehe auch: Mimolette

[Bearbeiten] Historisches

Das Käsemilbenmonument in Würchwitz
vergrößern
Das Käsemilbenmonument in Würchwitz

Bereits seit dem Mittelalter wurden in Würchwitz Käsemilben gezüchtet. Da in früheren Zeiten Milbenbefall ein bekanntes Risiko bei der Käselagerung darstellte, wurde mit der Milbenkäseherstellung gewissermaßen aus der Not eine Tugend gemacht, indem die eigentlich Schädlinge darstellenden Milben als Nutztiere in den Produktionsprozess einbezogen wurden. Ende des 20. Jahrhunderts drohte die Tradition verloren zu gehen, da nur noch eine einzige ältere Frau – Liesbeth Brauer – in dem Dorf Milbenkäse herstellte. Der dort ansässige Biologie- und Chemielehrer Helmut Pöschel begann daraufhin selbst mit der Milbenzucht und engagierte sich für die Wiederbelebung der Tradition, indem er Öffentlichkeitsarbeit betrieb und verschiedene Veranstaltungen ins Leben rief. Vor wenigen Jahren wurde anlässlich des traditionellen Kleefestes auf dem Dorfplatz in Würchwitz der Käsemilbe ein Denkmal errichtet, welches an seinem Hinterteil eine kleine Öffnung mit einem Stück Käse für Touristen besitzt.

[Bearbeiten] Literatur

  • Jahns, Horst: Der Milbenkäse und Europa. In: ders.: Ostbrötchen und Troddeldatschen, Halle (Saale): Mitteldeutscher Verlag, 2002, S. 45-54. ISBN 3-89812-138-0
  • Thurm, Volker: Der lebendigste Käse der Welt – Würchwitzer Milbenkäse: eine deutsche Spezialität (2. bearb. u. erw. Aufl.). Kayna u.a.: Kleefestverein Würchwitz 1851 e.V., 2002.

[Bearbeiten] Weblinks

Kategorie:Käse Kategorie:Deutsche Küche

[Bearbeiten] Kugelfische

Kugelfische
Schwarzflecken-Kugelfisch (Arothron nigropunctatus)
vergrößern
Schwarzflecken-Kugelfisch (Arothron nigropunctatus)
Systematik
Reihe: Fische (Pisces)
Klasse: Knochenfische (Osteichthyes)
Unterklasse: Strahlenflosser (Arcinopterygii)
Teilklasse: Echte Knochenfische (Teleostei)
Überordnung: Stachelflosser (Acanthopterygii)
Ordnung: Haftkiefer (Tetraodontiformes)
Familie: Kugelfische
Wissenschaftlicher Name
Tetraodontidae
Gattungen
  • Amblyrhynchotes
  • Arothron
  • Auriglobus
  • Canthigaster
  • Carinotetraodon
  • Chelonodon
  • Colomesus
  • Contusus
  • Ephippion
  • Feroxodon
  • Fugu
  • Gastrophysus
  • Javichthys
  • Lagocephalus
  • Liosaccus
  • Marilyna
  • Monotretus
  • Omegaphora
  • Pelagocephalus
  • Polyspina
  • Reicheltia
  • Sphoeroides
  • Takifugu
  • Tetractenos
  • Tetraodon
  • Torquigener
  • Tylerius
  • Xenopterus

Die Familie Kugelfische (Tetraodontidae) (= Vierzähner) gehört zu der Unterordnung der Kugelfischähnlichen (Tetraodontidei) in die Ordnung Kugelfischartige oder Haftkiefer (Tetraodontiformes). Ihr gehören etwa 120 Arten an. Die Größe variiert zwischen 6 und 90 Zentimetern.

Ihr bekanntester Vertreter ist der Fugu, der in Japan eine Spezialität darstellt, obwohl viele Körperteile giftig sind. Daher wird Fugu oft auch als Synonym für Kugelfisch gebraucht.

Kugelfische können sich bei Gefahr in Sekundenschnelle mit Wasser aufpumpen, indem eine kräftige Muskulatur ruckweise Wasser aus der Mundhöhle in eine bauchseitige, sackartige Erweiterung des Magens presst, um auf Angreifer abschreckend zu wirken. Starke Ringmuskeln am Übergang zum Magen und Mageneingang verhindern das Rückfließen des Wassers. Die Stacheln, die sonst eng am Körper anliegen, stehen nun nach außen und fungieren als eine Art Widerhaken. Dadurch und durch die enorme Volumenvergrößerung ist es einem Raubtier fast unmöglich, den Kugelfisch zu verschlingen. Außerdem imponiert das Männchen dem Weibchen mit dem Aufblähen beim Balzspiel.

Die Körperform von Kugelfischen weicht stark von der typischen Fischgestalt ab, er hat eine rundliche, gedrungene Gestalt und Kopf und Augen sind stark ausgebildet. Der schnabelähnlicher Beißapparat besteht aus zu Zahnleisten verwachsenen Zähnen, wobei je zwei Zahnleisten oben und unten stehen. Daher kommt auch sein Name Tetraodontidae = Vierzähner. Seine lederartige, widerstandsfähige Haut ist nackt, seine Schuppen sind auf kurze Stacheln reduziert.

Der Antrieb erfolgt überwiegend durch die Brustflossen, Rückenflosse und Afterflosse schwirren nur zur Unterstützung mit, Schwanzstiel und Schwanzflosse dienen als Steuerruder. Dadurch ist der Kugelfisch zwar recht langsam, aber äußerst wendig, er kann sowohl vorwärts als auch rückwärts schwimmen und aufwärts und abwärts steigen.

[Bearbeiten] Verbreitung

Der Kugelfisch kommt weltweit in einem Gürtel von ca. 47 Grad nördlicher- bis 47 Grad südlicher Breite in tropischen und warmen Meeren vor, zumeist in Salzwasser, Küstengebieten, Korallenbänken oder Seegraswiesen. Manche Arten kommen auch in Süß- und Brackwasser vor.

[Bearbeiten] Giftiger Fugu

Bei den Giftstoffen der Kugelfisch-Gattungen Diodontidae und Sphaeroides handelt es sich nach dem heutigen Wissensstand um das Gift Tetrodotoxin, das sich besonders in Haut, Leber und Eierstöcken des Fisches befindet, aber nicht im Muskelfleisch.

Arothron hispidus
vergrößern
Arothron hispidus

Dieses Nervengift ist eines der stärksten bekannten nicht proteinartigen Gifte: die tödliche Dosis beträgt nur etwa 10 µg/kg Körpergewicht. Es wirkt nur auf die Körpernerven, nicht auf das Gehirn -- die Opfer werden vollständig gelähmt und können sich weder bewegen noch sprechen, bleiben aber bei Bewusstsein. Sie sterben an durch die Lähmung bedingtem Atemstillstand und folgender Erstickung, oder an Herzstillstand. Wenn Atmung und Kreislauf schnell genug durch Notfallmaßnahmen in Gang gehalten werden, klingt die Giftwirkung innerhalb etwa 24 Stunden ab, und die Opfer erleiden keinen bleibenden Schaden.

Das Nervengift wird nicht vom Fisch selbst synthetisiert, sondern von in ihm lebenden PseudomonasBakterien. Es gibt auch in Gefangenschaft gezüchteten Fugu, welcher kein Gift enthält, da er nicht mit den entsprechenden Mikroorganismen gefüttert wird, die dieses Gift eigentlich produzieren. In Freiheit frisst der Fisch diese Bakterien gezielt, um durch deren Gift Fressfeinde abzuschrecken; er selbst ist durch den speziellen Aufbau seiner Nervenzellen gegen das Gift resistent.

Dieses Gift wird laut manchen Wissenschaftlern angeblich auch im Voodoo-Kult verwendet, um Menschen scheintot und dann zu "Zombies" zu machen, andere Wissenschaftler bestreiten dies aber.

[Bearbeiten] Delikatesse mit Kick

Die Wirkung wie auch die Gefährlichkeit der Kugelfische werden bereits im ältesten chinesischen Kräuterbuch (Pen tsao chin) erwähnt. In Japan gab es bis in die sechziger Jahre bis zu 150 Tote im Jahr durch den Verzehr von Kugelfischen. Daher muss heute in Japan jeder, der mit Fang, Handel oder Zubereitung zu tun hat, eine spezielle Lizenz besitzen. In Deutschland ist die Zubereitung von Fugu verboten.

Die durchschnittlich fünf Japaner im Jahr, die auch heute noch nach Kontakt mit Fugu-Innereien sterben, sind ausnahmslos Privatleute, die ohne Lizenz mit dem Fisch arbeiteten oder bewusst die gifthaltige Leber als Rauschmittel konsumierten (seit 1983 eigentlich verboten). Fugu ist auch das einzige Nahrungsmittel, das den Mitgliedern der kaiserlichen Familie nicht aufgetischt werden darf. Eine moderne Legende ist, dass Fugu-Köche, in deren Restaurant Leute vergiftet wurden, ins Ausland gehen müssen und dort weiterarbeiten.

Liebhaber bezeichnen den Fugu als ein besonderes Geschmackserlebnis; vor allem sein Sashimi sei zart und fest, sahnig und würzig zugleich. In Japan wird er traditionell als Statussymbol verspeist – er ist wegen der nötigen Sicherheitsmaßnahmen und der Spezialausbildung der Köche sehr teuer. Sein Fleisch – nur das ungiftige Filet findet logischerweise Verwendung – wird in Restaurants angeboten, die sich zumeist auf das Zubereiten von Kugelfischen spezialisiert haben. Sie erkennt man oft an einem getrockneten und aufgeblasenen Kugelfisch am Eingang. Es wird zumeist roh, als Sashimi in hauchdünne Scheiben zerlegt, verzehrt (um den Geschmack wahrzunehmen, werden traditionell zwei bis drei Scheiben übereinandergelegt in den Mund gesteckt) oder als Suppe gereicht. Fugu ist die Spezialität der japanischen Hafenstadt Shimonoseki.

Einige in Japan gegessene Fugu-Arten sind Fugu pardalis, Fugu rubripes rubripes, Fugu vermicularis, Fugu vermicularis prophyreus, Sphaeroides

Nach deutschem Recht darf ein Fugu nicht zum Verzehr nach Deutschland importiert werden.

[Bearbeiten] Kugelfische fürs Aquarium

Assel-Kugelfisch (Colomesus asellus)
vergrößern
Assel-Kugelfisch (Colomesus asellus)

Einige Süß- bzw. Brackwasserkugelfische sind recht attraktiv und können als Aquarienfische gehalten werden, wo sie außerdem zur biologischen Bekämpfung von Wasserschnecken dienen können. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass irgendwann einmal sämtliche Schnecken verspeist sind. Werden dann keine Schnecken von außen zugeführt, wachsen die Zähne des Fisches, bis er u.U. nicht mehr in der Lage ist, Nahrung zu sich zu nehmen, und in Folge dessen verhungert. Es ist somit dringend anzuraten, dass eine Schneckenzucht angelegt wird. Einige Arten attackieren zudem auch andere Fische und sind sogar innerartlich aggressiv, so dass in jedem Fall genau geprüft werden muss, ob eine Haltung im jeweiligen Gesellschaftsbecken problemlos möglich ist. Als relativ unproblematisch gelten beispielsweise der in Südostasien beheimatete Palembang-Kugelfisch (Tetraodon biocellatus), der Zwerg-Kugelfisch (Carinotetraodon travancoricus) und der Assel-Kugelfisch (Colomesus alellus), die allerdings auch, z.B. im Gerangel um Futter, mal nach den Flossen anderer Fische schnappen können. Generell sollten Kugelfische aber wenn möglich in Artbecken oder Einzelhaltung gehalten werden.

Falls doch mal ein Kugelfisch eingehen sollte, ist es ratsam den toten Fisch so schnell wie möglich aus dem Aquarium zu entfernen da dieser ein sehr starkes Gift absondert. Dieses Gift führt innerhalb von ein bis zwei Stunden (hängt von der Grösse des Aquariums ab) sehr schnell zu Lähmungen und/oder zum Tod der anderen Aquarienbewohner.

[Bearbeiten] Fugu rubripes als Forschungsobjekt in der Genetik

Die Art Fugu rubripes wird in einigen biologischen Laboren als Forschungsobjekt genutzt. Die Sequenzierung seines Genoms wurde 2002 abgeschlossen. Es hat eine Größe von 365 Megabasen und ist damit das kleinste bekannte Genom eines Wirbeltiers.

[Bearbeiten] Trivia

Das OpenBSD-Projekt hat einen Kugelfish als Maskottchen gewählt: Puffy.

[Bearbeiten] Weblinks

Commons: Fugu – Bilder, Videos und/oder Audiodateien

Kategorie:Haftkiefer Kategorie:Japanische Küche

[Bearbeiten] OpenCola

OpenCola ist ein Cola-Getränk mit einer einzigartigen Eigenschaft: Das Rezept zur Herstellung ist frei verfügbar und von jedem modifizierbar. Jeder darf das Getränk herstellen und lizenzkostenfrei vertreiben. Solange man sich an die Vorgaben der GNU General Public License hält, darf man das Rezept auch verändern.

Derzeit liegt OpenCola in der Version 1.1.3 vor. Ein Blick auf die OpenCola-Historie zeigt jedoch, dass sich am Rezept selbst nicht viel verändert hat, sondern lediglich die Dokumentation zum Rezept. Dies ist verständlich, weil OpenCola ursprünglich nur ein Versuchsballon war, um das Prinzip Open Source zu erklären. Bereits im August 2004 waren immerhin schon 150.000 Dosen verkauft worden. Hergestellt wurden die Dosen von der in Toronto ansässigen OpenCola Company.

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Weblinks

Kategorie:Limonade Kategorie:Freie Projekte

[Bearbeiten] Die Große Tulpenmanie

Broschüre von der Tulpenmanie in den Niederlanden, gedruckt 1637
vergrößern
Broschüre von der Tulpenmanie in den Niederlanden, gedruckt 1637
Abbildung einer Semper Augustus, welche den höchsten Preis erzielte. (17. Jahrhundert)
vergrößern
Abbildung einer Semper Augustus, welche den höchsten Preis erzielte. (17. Jahrhundert)

Bei der Großen Tulpenmanie (auch Tulipomanie, Tulpenwahn oder Tulpenhysterie) in Holland im 17. Jahrhundert wurden Tulpenzwiebeln zum Spekulationsobjekt.

Tulpen stammen ursprünglich aus dem asiatischen Raum, wo sie traditionell als Lieblingsblume der Sultane gelten. Von dort aus gelangten sie um 1560 erstmals von Konstantinopel (heute Istanbul) nach Wien. Der Botaniker Carolus Clusius, Leiter des kaiserlichen Botanischen Gartens in Wien sah die Tulpen, konnte sich sehr für die exotische Pflanze begeistern und ließ sie in der Folge von einem bekannten flämischen Edelmann importieren. Clusius kultivierte die Tulpe auf europäischem Boden erstmals 1573 in großem Stile, indem er 1.500 der importierten Samen im Botanischen Garten Kaiser Maximiliams II. anpflanzen ließ. Als Clusius 1593 Österreich verließ und eine Stelle als Professor für Botanik in Leiden annahm, führte er die ihn so faszinierenden Tulpen-Pflanzen auch in den Niederlanden ein. Die fremdartige Blume faszinierte viele Bürger und wurde bald zum Statussymbol. Prachtgärten entstanden nach italienischem Vorbild, die weibliche Oberschicht trug die Tulpe zu gesellschaftlichen Anlässen als Schmuck im Haar oder am Busen und viele Künstler zogen in die Niederlande, das damalige wirtschaftliche Zentrum Europas.

Schon bald wurden immer neue Tulpensorten gezüchtet. Dabei half den Züchtern unwissenderweise ein Mosaikvirus, wie Wissenschaftler 1924 herausfanden. Dieses Virus erzeugte gemusterte Blütenblätter und wurde von Blattläusen übertragen. Als die Nachfrage nach Tulpenzwiebeln das Angebot überstieg, stiegen die Preise kräftig an. Tulpenzwiebeln wurden schon bald auf Auktionen versteigert und zu einem beliebten Diebesgut. Der Handel fand weniger an der Börse statt, sondern mehr in den Kneipen und Wirtshäusern, die zu damaliger Zeit überaus zahlreich waren. Hierbei hatte der Verkäufer die Möglichkeit einer Auktion oder aber beide Seiten schrieben ihren Preiswunsch auf einen Zettel und zwei jeweils gewählte Unterhändler einigten sich dann auf einen Preis. Dies alles geschah in alkoholisierter Kneipenatmosphäre. Zudem kam der Käufer für Speis, Trank und Tabak des Verkäufers auf.

Zunächst wurden die Zwiebeln nur während der Pflanzzeit gehandelt. Da sich die Nachfrage jedoch ganzjährig ausdehnte, wurden später auch solche Zwiebeln verkauft, die noch in der Erde waren. Als Konsequenz wurde der Tulpenhandel zum Spekulationsgeschäft, da niemand wusste, wie die Tulpe wirklich aussehen würde. Zu dem Zweck der Veranschaulichung, wie sie später aussehen sollten, wurden Bilder in Auftrag gegeben. Kostbare Gemälde entstanden während dieser Zeit vor allem in Utrecht, das damals für etwa 400 Maler Europas Anziehungspunkt war.

In den 1630er Jahren überschlug sich die Entwicklung. Es konnten jetzt auch Optionsscheine auf Tulpenzwiebelnanteile gekauft werden. Die Preise explodierten und stiegen von 1634 bis 1637 auf das über 50-fache an. In Amsterdam wurde ein komplettes Haus für drei Tulpenzwiebeln verkauft. Viele Zwiebeln kosteten mehrere tausend Gulden, der höchste Preis für die wertvollste Tulpensorte, Semper Augustus, lag Anfang 1637 bei 10.000 Gulden für eine einzige Zwiebel, zu einer Zeit, als ein Zimmermann rund 250 Gulden im Jahr verdiente. Die Spekulation war zur Spekulationsblase gediehen.

Im Januar hatten sich die Preise bereits mehr als verdoppelt. Noch am 6. Februar 1637 wurden bei einer Versteigerung von 100 Tulpenzwiebeln fast 100.000 Gulden erzielt, das entspricht heute ca. 10 Mio. Euro. Doch dann kam am 7. Februar 1637 das Ende der Tulpenmanie. Bei der jährlichen Versteigerung in Alkmaar gab es nicht mehr genug Käufer. Die Preise fielen um über 95 Prozent. Viele Bürger verloren ihr ganzes Vermögen, das sie in Tulpenzwiebeln investiert hatten. Am 27. April wurde von der holländischen Regierung schließlich verfügt, dass Tulpen gewöhnliche Waren seien und als solche zu behandeln waren, also z.B. bar bezahlt werden mussten.

Kurios: Die damals wertvollste Tulpe Semper Augustus gibt es heute nicht mehr.

[Bearbeiten] Literatur

  • Anna Pavord; Die Tulpe - Eine Kulturgeschichte, Frankfurt 2003
  • Mike Dash; Tulpenwahn - die verrückteste Spekulation der Geschichte, Claasen Verlag, München 1999, ISBN 3-546-00177-X
  • Otto Rombach, Adrian der Tulpendieb, DTV, München 1990, ISBN 342301329X (Original: Dt. Verl.-Anst., 1948, ISBN B0000BMZJW )

[Bearbeiten] Weblinks


Tulpenmanie

[Bearbeiten] Die Bestie von Gévaudan

Als Bestie von Gévaudan (frz. La bête du Gévaudan) bezeichnet man den Urheber einer Serie von mörderischen Überfällen mit rund 100 Opfern, die von 1764 bis 1767 in der Gegend des Gévaudan, des heutigen Départements de la Lozère im Westen der Haute-Loire (Frankreich) stattfanden. Wer oder was die Bestie von Gévaudan genau war, konnte bis heute nicht endgültig geklärt werden.

Eine der vielen „Vorstellungen“ vom Aussehen der „Bestie“
vergrößern
Eine der vielen „Vorstellungen“ vom Aussehen der „Bestie“

[Bearbeiten] Geschichten oder Geschichte

Bei der Bestie von Gévaudan handelt es sich nicht um eine Legende, sondern um nachweisbare Tatsachen. Einige zeitgenössische Dokumente erlauben, die rätselhaften Ereignisse zum Teil nachzuvollziehen und zu verstehen:

  • Die Pfarrregister aller Pfarreien, in denen das Biest wütete, welche die Namen der etwa 100 Opfer verzeichnen.
  • Der Briefverkehr zwischen den Polizeiverantwortlichen der Auvergne in Clermont und des Languedoc in Montpellier mit ihren Stellvertretern im Gévaudan.
  • Zahlreiche Berichte über die vom König befohlenen Treibjagden.
  • Zeitungsartikel und Zeichnungen.

[Bearbeiten] Überblick

Auf das Jahr 1764 gehen die ersten Berichte zurück, die von einem „Tier“ berichten, das im zentral-südfranzösischen Gévaudan Menschen angefallen und zum Teil getötet hat.

[Bearbeiten] Die Protagonisten

  • Der Bischof: Seine Exzellenz Gabriel Florent de Choiseul Beaupré, Bischof von Mende.
  • Die Wolfsjäger des Königs: Die Herren Denneval, Vater und Sohn.
    • Herr Antoine: Monsieur François Antoine, königlicher Armbrustträger, großer Wolfsjäger des Königtums, Ritter des Ordens des Heiligen Ludwig;
    • und sein Sohn Antoine von Beauterne.
  • Der Naturwissenschaftler: Monsieur Georges Louis Leclerc, Comte (Graf) de Buffon, Konservator des Botanischen Gartens von Paris, Mitglied des Institut.
  • Der Marquis: Messire Jean Joseph de Chateauneuf-Randon, Marquis d’Apcher, Baron de la Garde, de Thoras, Cénaretet de La Clause, Seigneur de la Besque, de Verdun, de la Clavière, Colonel de la Gendarmerie Royale, Maréchal de Camp du Roy (des Königs) et Chevalier (Ritter) de l’Ordre de Saint Louis.
  • Die Familie Chastel, bestehend aus dem Vater Jean, genannt „Die Maske“, und seinen Söhnen Pierre und Antoine Chastel.

[Bearbeiten] Die ersten Überfälle

Der erste offiziell registrierte Überfall fand am 30. Juni 1764 statt. Die vierzehnjährige Jeanne Boulet aus der Pfarrei von Saint Etienne de Lugdarès wurde entsetzlich zugerichtet tot aufgefunden. Nach diesem Überfall suchte das „Monster“ vornehmlich Kinder, Heranwachsende und Frauen heim, die dann grausam verwundet aufgefunden wurden. Es gibt allerdings Dokumente, die belegen, dass Fälle von schwerer Körperverletzung, die vorher stattfanden, möglicherweise durch das „Tier“ verursacht wurden. Dann verlagerten sich die Fälle in die Umgebung des Mercoire-Waldes südlich Langognes, wo im August in Masméjean ein 15-jähriges Mädchen und kurz danach ein Knabe aus Cheylard l’Eveque zerfetzt wurden. Im September starben eine 36-jährige Frau, dann ein Junge und ein kleines Mädchen. Und wieder wanderte das Biest. Diesmal in nord-westlicher Richtung, wo es bis Ende 1764 weiter mordete, diesmal nur Frauen und Kinder.

[Bearbeiten] Der Bischof aus Mende erklärte dem Volk die Hintergründe

Nachdem die Erzählungen die Runde gemacht hatten, mischte sich der Bischof von Mende ein. Monseigneur Gabriel-Florent de Choiseul Beaupré lässt in seiner Diözese ein Hirtenschreiben vorlesen, das den Grund der Schreckensplage erklärt. Ursache sei der Zorn Gottes: „Die Gerechtigkeit Gottes, sagt der heilige Augustinus, kann nicht hinnehmen, dass die Unschuld unglücklich ist. Die Strafe, die er verhängt, setzt immer eine Verfehlung dessen voraus, der sie sich zugezogen hat. Aus diesem Prinzip heraus wird es für euch einfach sein, zu verstehen, dass euer Unglück nur aus euren Sünden entstanden sein kann.“ Der Kirchenmann zitiert sogar noch aus dem Buch Deuteronomium 32, 24: „Den Zahn der Raubtiere lasse ich auf sie los“ und für die besonders „Ungehorsamen“ aus Leviticus::„… werde ich noch weitere Schläge über euch kommen lassen.“

Die Bauern der Umgebung konnten sich der Bestie schwer erwehren. Auf Grund des Aufstands der Camisards hatte der König alle Schusswaffen und lange Hieb- und Stichwaffen beschlagnahmen lassen. So befestigten die Bauern in dieser Gegend ihre Taschenmesser an langen Holzstangen, um sich überhaupt verteidigen zu können.

[Bearbeiten] Die Jäger

Nach einer Reihe dieser Vorfälle, deren Kunde bis an den Königshof gedrungen war, stationierte König Ludwig XV. ein Dragonerregiment unter Captain Duhamel in der Gegend, das den Auftrag hatte, das Tier aufzustöbern und zu töten. So ergab es sich auch, dass der König den Kampf der Jesuiten gegen die Hugenotten, die sich in bergige Gegenden geflüchtet hatten, unauffällig unterstützen konnte. Und die königlichen Befürchtungen, die Hugenotten könnten sich bewaffnen, konnten in diesen vorrevolutionären Zeiten beruhigt werden.

Drei Mannschaften beteiligten sich an den Jagden:

  • Vom September 1764 bis April 1765 waren Kapitän Duhamel mit seinen 50 Dragonern in Saint-Chély-d’Apcher stationiert.
  • Im ersten Halbjahr 1765 ließen sich die bekannten normannischen Wolfjäger Denneval, Vater und Sohn, in Malzieu nieder. Die beiden hatten bereits über 1.200 Wölfe abgeschossen.
  • Im Sommer 1765 logierte François Antoine, der königliche Armbrustträger und Zweiter Jäger des Königs im Schloss Besset. Monsieur Antoine war begleitet von einigen Dutzend Hunden, 14 Jagdhütern und vier großen Hunden, die schon einige Wölfe getötet hatten.

Am 16. August beschuldigten zwei königlich vereidigte Wildhüter die beiden Brüder Chastel, sie in ein Schlammloch geführt zu haben, wo sie fast den Tod gefunden hätten; die beiden Chastel standen dabei und hätten nichts unternommen. So wurden sie Ende August eingesperrt. Erstaunlicherweise war das Biest während der Haft untätig. Doch schon nach 12 Tagen kamen die beiden frei. Da sie in den Diensten von Madame d’Apcher de Chateauneuf standen, musste wohl eine „höhere“ Kraft mitgewirkt haben.

Bei der größten Treibjagd waren im Februar 1765 über 20.000 Mann beteiligt. Sogar während dieser Treibjagden wurden weitere tödliche Überfälle etwas außerhalb des bejagten Gebietes ausgeführt.

[Bearbeiten] Kopfgeld auf die Bestie

Über 9.000 livres wurden auf das Monster ausgesetzt. Der König steuerte 6.000 davon bei, der Bischof deren 1.000. Die Gesamtsumme entsprach dem Wert von 100 Pferden.

[Bearbeiten] Das Mördertier wird zum ersten Mal erlegt

Im September 1765 erschoss der persönliche Beauftragte des Königs einen stattlichen Wolf. Antoine, der wegen des Kopfgeldes sicher sein wollte, wartete einige Wochen ab. Als die Gerüchte aufhörten, reiste er ab, um sich in Paris feiern und belohnen zu lassen.

[Bearbeiten] Das Morden geht weiter

Am Südhang des Mouchet-Berges wurden am 2. Dezember 1765 zwei Kinder angefallen. Da aber die Belohnungen ausbezahlt worden waren, wollte von den offiziellen Stellen niemand mehr etwas davon wissen. Was in den folgenden Monaten dort geschah, ist sehr schwach dokumentiert, da die Jäger und ihre Chronisten sich zurückgezogen hatten. Und so fanden zahlreiche Pilgerzüge zur Kirche am Fuß des Chauvet-Berges statt. Dort ließ ein gewisser Jean Chastel de la Besseyre Saint Mary seine Kugeln segnen.

[Bearbeiten] Der zweite Tod des Monsters

Auch der junge Marquis d’Apcher hatte seine Probleme mit den Unruhen. Und so veranstaltete er seinerseits regelmäßig Jagden mit den Bauern, die sein Land beackerten. Am 19. Juni 1767, „um 10 Uhr 15“ erlegte Jean Chastel das Biest. Der königliche Notar aus Langeac, Maître Marin, beschreibt die Kreatur wie folgt: „Länge: 1,50 m; Schulterhöhe 0,77 m; Maulspannweite 19 cm.“

[Bearbeiten] Auszüge aus dem Marin-Bericht

Der Rapport Marin wurde am 20. Juni 1767 vom Notar Roch Etienne Marin im Schloss von Besques angefertigt. Erst 1958 wurde er in den Archives Nationales wiederentdeckt: Bündel F 10-476, Sammlung: Landwirtschaft: Zerstörung schädlicher Tiere.

„(…) Herr Marquis hatte dieses Tier in sein Schloss in Besques, Pfarrei Charraix tragen lassen. So haben wir uns entschlossen, uns dorthin zu begeben, um es dort zu untersuchen. (…) Herr Marquis ließ uns dieses Tier vorführen. Es schien ein Wolf zu sein, doch ein sehr außergewöhnlicher und sehr verschieden von den anderen Wölfen dieser Gegend. Das haben uns mehr als 300 Personen, aus der Umgegend bezeugt. Einige Jäger und viele Fachleute haben ausgesagt, dass dieses Tier nur durch den Schwanz und dem Hinterteil dem Wolf ähnelt. Sein Kopf ist ungeheuerlich. (…) Sein Hals ist bedeckt von einem sehr dichten Fell von einem rötlichen Grau, durchzogen von einigen schwarzen Streifen; es hat auf der Brust einen großen weißen Fleck in Form eines Herzens. Die Pfoten sind bestückt mit vier Krallen, die viel mächtiger sind als die anderer Wölfe; besonders die Vorderbeine sind sehr dick und haben die Farbe des Rehbocks, eine Farbe, die Fachleute noch nie bei einem Wolf sehen konnten. Die Maße, die wir feststellen konnten: Länge Schwanzwurzel bis zum Kopfoberteil: 99 cm, (…) Schulterbreite:30 cm, Durchmesser des Schwanzes: 9,5 cm (…)“

Dann folgt eine längere Aufzählung der weiteren Körpermaße und eine genaue Beschreibung des Gebisses. Es folgt eine Liste mit 26 Namen der Personen, die dem Tier bereits begegnet waren und mit dem Leben davon gekommen waren und so bezeugen konnten, dass es wirklich dieses Tier war, mit dem sie es zu tun gehabt hatten.

Eine andere Vorstellung von der Bestie
vergrößern
Eine andere Vorstellung von der Bestie

[Bearbeiten] Abschluss

Da der verwesende Körper nicht nach Paris mitgenommen werden konnte, begnügte sich Chastel mit einer Pfote. Sogar der französische Naturforscher Buffon (Georges Louis Leclerc, Graf von Buffon) gab sich ziemlich unbeeindruckt.

Es wäre möglich, dass die Bestie von Gévaudan eine Kreuzung zwischen Hund und Wolf war. Ob sich jemand dieses Tieres als Angriffswaffe bediente, ob Chastel etwas mit dem Monster zu tun gehabt hatte oder ob Trittbrettfahrer sich im Schatten des Biestes betätigten, konnte nie ermittelt werden.

[Bearbeiten] Vielleicht doch ein Mensch ?

Da Menschen mit körperlichen Behinderungen und Krankheiten oft von der Gemeinde ausgeschlossen wurden, gehen jüngste Theorien davon aus, daß es sich bei der Bestie von Gévaudan um einen jungen Mann mit starker Hypertrichose im Gesicht und einer geistigen Behinderung handelte, welcher ebenfalls von der Gemeinde verstoßen worden war. Eben dieser soll dann die Menschen auf Grund seines geistigen Zustandes angegriffen und so hingerichtet haben.

[Bearbeiten] Literatur

  • Abbé Pourcher: Histoire de la Bête du Gévaudan. (Eigenverlag) 1889
    Der Klassiker des Themas wurde 1998 von Laffitte Reprints in einer sehr kleinen Auflage wiederveröffentlicht. Das Buch enthält viele Dokumente und liest sich wie ein Polizeibericht.
  • Pascal Cazottes: La Bête du Gévaudan : Enfin démasquée? Les 3 Spirales, 2004, ISBN 2-847-730-24-9 (Etwas reißerisch)
  • Michel Louis: La bête du Gévaudan. Perrin, 2003, ISBN 2-262-020-54-X (Taschenbuchausgabe des 2001 erschienenen Buches, M. Louis ist Zoodirektor in Amneville)
    Der Tierfreund Louis vertritt unterschwellig die These von einem Wolf-Hund, der von Chastel abgerichtet worden sei.
  • Henri Pourrat: Histoire fidèle de la bête du Gévaudan. Jeanne Laffitte, 1999, ISBN 2-734-806-46-0
  • Richard H. Thompson: Wolf-Hunting in France in the Reign of Louis XV: The Beast of the Gevaudan. Edwin Mellen Press, 1992, ISBN 0-889-467-46-3
  • Michael Schneider: Spuren des Unbekannten – Kryptozoologie. BOD 2002, ISBN 3831145962


Sebastian Sperling: Es soll ein Mischling zwischen Dogge und Wolf sein.

[Bearbeiten] Kinofilm

Die Geschichte der Bestie von Gévaudan wurde als Pakt der Wölfe (franz. Le Pacte des loups) mit Samuel Le Bihan, Monica Bellucci und Vincent Cassel in den Hauptrollen verfilmt.

Im Frühjahr 2000 begann der französische Regisseur Christophe Gans in Esparros im französischen Departement Hautes-Pyrénées mit den Dreharbeiten zu diesem groß angelegten Film (30.000.000 Euro), der die Ereignisse im Gévaudan zum Thema hat. Gans, der Mitautor des Drehbuchs, hatte sich intensiv mit den Dokumenten auseinander gesetzt. In der Rahmengeschichte schreibt der alte Marquis d'Apcher an seinen Memoiren, die in den Film hineingleiten. Die einzige wirklich erfundene Figur im Film ist der Indianer Mani (dargestellt von Mark Dacascos), der Wegbegleiter des Protagonisten. Es gelingt Gans auf eine sehr spektakuläre Weise, die geheimnisvollen Entwicklungen aufzuschlüsseln und die Hintergründe der Affäre zu deuten. Sogar das Biest wird überzeugend präsentiert. Der Film lief im Januar 2001 in Frankreich an.

[Bearbeiten] Kommentare zum Film

Roger Ebert: „Der Film begreift Quasi-Werwölfe, Französische Aristokraten, Geheimgesellschaften, Irokesen-Indianer, Kampfarten, okkulte Zeremonien, heilige Pilze, Prahlhänse, inzestuöses Verlangen, politische Unterwanderung, tierische Geister, blutige Schlachtszenen, und Bordelle,“ „(…) The one thing you don’t want to do is take this movie seriously. (…) Its heart is in the horror-monster-sex-fantasy-special effects tradition.“

[Bearbeiten] Fernsehverfilmung

Eine weitere Verfilmung des Stoffes erfolgte unter dem Titel „Die Bestie der alten Berge“ (La bête du Gévaudan) als Fernsehfilm, Frankreich 2003, mit einer Erstausstrahlung auf ARTE am 7. Januar 2005. Regie: Patrick Volson mit Sagamore Stévenin (Pierre Rampal), Léa Bosco (Françounette), Jean-François Stévenin (Jean Chastel), Guillaume Gallienne (Abbé Pourcher), Vincent Winterhalter (Comte de Morangie) und Louise Szpindel (Judith).

[Bearbeiten] Kommentar zur Verfilmung

Zitat von der ARTE-Homepage:
„Die neue Verfilmung der in Frankreich sprichwörtlich bekannten Legende der Bestie von Gévaudan besticht durch ihre überraschenden Wendungen und wirft zudem die Frage auf, wie viel Wahrheit in jeder Sage steckt. Mit einer brillanten Fotografie, prächtigen Kostümen und Kulissen sowie packenden Aktionsszenen verführt sie in ferne Zeiten und beeindruckt durch Schauspielleistungen wie dem erstmalig gemeinsamen Auftritt von Vater und Sohn Stévenin.“

„Ein schauspielerisches Glanzstück liefert Jean-François Stévenin in „Die Bestie der alten Berge“. Facettenreich moduliert er seine Rolle des verleumdeten Jean Chastel vom abgeklärten Außenseiter zu einem Mann, der nach dem Tod seiner Frau den Verstand verliert.“

[Bearbeiten] Webseiten

{{Exzellent}}

Kategorie:Literarische Figur

[Bearbeiten] Riesenalk

Riesenalk
Systematik
Klasse: Vögel (Aves)
Unterklasse: Neukiefervögel (Neognathae)
Ordnung: Regenpfeiferartige
(Charadriiformes)
Familie: Alkenvögel (Alcidae)
Gattung: Alca
Art: Riesenalk
Wissenschaftlicher Name
Alca impennis
(Linnaeus, 1758)
aus der Sammlung Leipzig
vergrößern
aus der Sammlung Leipzig

Der Riesenalk (Alca impennis, ehem. Pinguinus impennis) ist ein ausgestorbener Seevogel.

Er war der größte flugunfähige Vogel der Nordhalbkugel. Der Riesenalk kam früher auf Inseln vor Neufundland, Grönland, Island, Schottland und Norwegen in großer Zahl vor, wurde aber letztlich bis zum Aussterben bejagt. Der veraltete Name "pinguinus" verrät, dass es sich um den Vogel handelt, den man ursprünglich als Pinguin bezeichnete, um dann den Namen auf die nicht verwandten Pinguine der Südhalbkugel zu übertragen. Der Ursprung des Namens Pinguin ist wahrscheinlich Walisisch: pen bedeutet Kopf, und gwyn bedeutet weiß. Der Vogel hatte in der Tat einen auffallenden großen Fleck weißer Federn auf seinem Vorderschnabel. Auch sein Bauch war weiß, der Rücken hingegen schwarz, so dass eine gewisse Ähnlichkeit zu Pinguinen bestand.

Der Riesenalk war etwa 70 bis 85 cm groß. Sein Körper war an den Aufenthalt in kaltem Wasser angepasst. Das Federkleid war dicht, die kurzen Flügel und die mit Schwimmhäuten versehenen Füße zeigen, dass die Riesenalke elegante Schwimmer und Taucher waren. Der lange spitze Schnabel war für den Fischfang optimiert. Seine Füße saßen hinten am Körper und auch das kam dem Tauchen zu Gute, nur konnte er sich auf dem Land nur mühsam fortbewegen. Dieser Vogel hatte also seine Möglichkeiten der Fortbewegung sowohl in der Luft als auch auf dem Lande größenteils geopfert, um völlig unter Wasser in seinem Element zu sein. Der Riesenalk legte jedes Jahr nur ein Ei. Er kam im ganzen Nordatlantik und ursprünglich auch in der Nordsee vor. Leider ist diese prächtige Vogelart nun ausgestorben.

Seine größte Schwäche war nämlich die Tatsache, dass er zu Lande brüten musste. Kliffe, wo andere Alke oft brüten, waren für ihn unzugänglich. Er musste darum mit kahlen, ziemlich flachen Inselchen weit vor dem Festland vorlieb nehmen, damit Beutegreifer, zum Beispiel Eisbären, ihm nicht gefährlich werden konnten. Solche Stellen sind selten. Er brütete darum nur an wenigen Stellen in enormen Kolonien, unter anderem an der Küste von Neufundland, auf den Îles de la Madeleine im Sankt-Lorenz-Golf und an ein paar Stellen an der grönländischen und isländischen Küste, vor allem auf der Insel Geirfuglasker (vgl. isländisch geirfugl für den Riesenalk), wörtlich: Speervogel.

Die kanadischen Brutplätze wurden erst durch hungrige Matrosen geplündert, später im 18. Jahrhundert etablierten sich Menschen auf den Inseln, um die Vögel niederzuknüppeln, zu blanchieren und dann von ihnen Daunen zu gewinnen. Die fetten Gebeine wurden als Brennstoff gebraucht. 1785 war die Abschlachtung durch das Daunensammeln so weit, dass Kapitän George Cartwright vor dem Aussterben der Art warnte. 1808 wurde das letzte Exemplar auf den Färöern gesichtet, als Vogelfänger Stóra Dímun besuchten. Dort war er allerdings nur ein Invasionsvogel.

Im 19. Jahrhundert war dann die Geirfuglschären der letzte Zufluchtsort der Art. Leider verschwand 1830 durch einen Vulkanausbruch das Eiland vom Erdboden. Im selben Zeitraum töteten Jäger 27 Riesenalke von den Geirfuglschären und den anderen Schären im Eldeygebiet. Weitere 10 Vögel wurden zwischen 1831 bis 1840 getötet. Der letzte bekannte Brutplatz war der schmale Fuß der für die flugunfähigen Vögel ansonsten unerreichbaren steilen Felseninsel Eldey. Hier wurden die letzten beiden brütenden Exemplare am Morgen des 3. Juni 1844 unter großen Mühen - die Insel ist nur sehr schwer anzulanden - von vier Seeleuten, nämlich durch Jón Brandsson, Vilhjálmur Hákornarson. Sigurdur Ísleifsson und Ketill Ketilson erlegt, um sie einem dänischen Sammler zu verkaufen. Die genaue Beschreibung ihres Fanges, der Tötung und des Verkaufs der Bälge ist durch die Recherche der 1858 in Hafnir weilenden Ornithologen Prof. Alfred Newton und John Wolley aus Cambridge überliefert. Sie erschien in Ibis, der Zeitschrift des britischen Ornithologenverbandes

Die Seltenheit des Riesenalks und die damit hohen Preise für Sammlerexemplare besiegelten das Aussterben des Vogels. Man könnte sagen, dass diese Art tatsächlich endgültig durch Ornithologen und Vogelbalgsammler vernichtet wurde, die auf ein Exemplar in ihrer Sammlung nicht verzichten wollten. So sind die letzten beiden Bälge von der Insel Eldey heute beispielsweise im Kopenhagener Naturkundemuseum eingelegt in Formaldehyd zu besichtigen. Es gibt vergleichsweise viele Präparate. So zb. in einigen Naturkundemuseen in den Schausammlungen, in Deutschland in den Naturkundemuseen in Berlin, Bonn, Braunschweig, Bremen, Darmstadt, Dresden, Frankfurt am Main, Gießen, Gotha, Göttingen, Kiel, Köthen, Leipzig, München, Oldenburg, Stuttgart und Wittenberg. Die Zahl der erhaltenen Museumsexemplare (Bälger, Schaupräparate) wird mit 78 angegeben. Dazu kommen zwei Skelette, Schädel und andere Skelettteile sowie zweifelhafte Stücke. So klein diese Zahl erscheint, sie ist doch für einen in historischer Zeit ausgestorbenen Vogel relativ hoch, viele andere Arten sind nur mit einem einzigen Exemplar belegt.

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Literatur

  • Dieter Luther: Die ausgestorbenen Vögel der Welt. Magdeburg 1986, 4. Auflage 1995, ISBN 3894322136
  • Wolfgang Müller: Blue Tit - das deutsch-isländische Blaumeisenbuch, Die Riesenalkbälge von Berlin und Reykjavík, S. 19 - 24., Berlin 1997, ISBN 3927795194
  • Farley Mowat: Der Untergang der Arche Noah - Vom Leiden der Tiere unter den Menschen, Rowohlt, 1987, Orginalausgabe 1984, Toronto, ISBN 3498042971 Kapitel 1, (30 Seiten), "Der Speerschnabel".

[Bearbeiten] Weblinks

Commons: Riesenalk – Bilder, Videos und/oder Audiodateien
Wiktionary: Riesenalk – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme und Übersetzungen

Kategorie:Alkenvögel Kategorie:Ausgestorbener Vogel

[Bearbeiten] Joshua Norton

Joshua Abraham Norton (* 17. Januar 1811 in England; † 8. Januar 1880 in San Francisco, Kalifornien) war ein Geschäftsmann aus San Francisco, der sein Vermögen durch die Investition in peruanischen Reis verlor. Er ernannte sich 1859 selbst zu Kaiser Norton I., dem Kaiser der Vereinigten Staaten und Schutzherrn von Mexiko.

Obwohl er für verrückt oder zumindest in hohem Maße exzentrisch gehalten wurde, war er bei den Bürgern von San Francisco im mittleren und späten 19. Jahrhundert wegen seines Humors und seiner „kaiserlichen Erlasse“ sehr beliebt: Seine aufsehenerregendsten Befehle waren die gewaltsame Auflösung des US-Kongresses – was sowohl vom Kongress als auch von der Armee ignoriert wurde – und die Errichtung einer Brücke über die San Francisco Bay. Seine Skurrilitäten wurden aber nicht nur von den Bürgern von San Francisco zur Kenntnis genommen. Mark Twain, der in Norton mehr als nur einen skurrilen Verrückten sah, schuf seine Figur des Königs in Huckleberry Finn nach dem Vorbild Nortons. Norton ist außerdem die Vorlage für den Kaiser im Lucky-Luke-Heft Der Kaiser von Amerika.

Joshua Abraham Norton
vergrößern
Joshua Abraham Norton

[Bearbeiten] Kindheit und Jugend

Norton wurde in England geboren, die Angaben über Ort und Datum sind jedoch nicht eindeutig: Die Aufzeichnungen aus der Kirchengemeinde von Priors-Lee (heute Telford) besagen, dass er am 17. Januar 1811 als Sohn von John und Sarah Norton geboren und einen Monat später am 20. Februar in Shropshire getauft wurde (1). Sein Nachruf im San Francisco Chronicle beruft sich „in Bezug auf die besten zu erhaltenden Informationen“ auf die Silberplatte auf seinem Sarg, die ihn zum Zeitpunkt des Todes als „ungefähr 65 Jahre alt“ ausweist, was auf 1814 als Geburtsjahr hinweisen würde. Andere Quellen nennen als Geburtsort London und als Geburtstag den 14. Februar 1819. Man kann jedoch annehmen, dass letztere Quellen keine Einsicht in die oben zitierten Aufzeichnungen nehmen konnten.

Nortons Eltern emigrierten 1820 nach Südafrika und waren dort offenbar geschäftlich erfolgreich. Nachdem Norton ein Geschenk von 40.000 US-Dollar von seinem Vater erhalten hatte, begab er sich 1849 nach San Francisco, wo er zunächst einige bemerkenswerte Geschäfte auf dem Grundstücksmarkt abschließen konnte. Als das Kaiserreich China angesichts einer schweren Hungersnot den Export von Reis verbot, stieg der Verkaufspreis in San Francisco schlagartig von 9 auf 79 Cent pro Kilogramm. Norton witterte seine Chance, und als er von einer kommenden Schiffsladung von 91 Tonnen peruanischen Reises hörte, kaufte er den gesamten Vorrat in der Hoffnung auf, damit den Reismarkt unter seine Kontrolle zu bringen. Als dann jedoch ein Schiff nach dem anderen Reis aus Peru lieferte, sackte der Preis wieder ab. Norton musste 1858 Bankrott erklären.

Es gibt bis zu diesem Zeitpunkt keine Dokumente oder Aufzeichnungen, die auf eine besonders exzentrische Persönlichkeit Nortons schließen lassen. Es ist daher unklar, ob seine später gezeigten Skurrilitäten sich bereits während seiner frühen Lebensjahre andeuteten oder ob erst der Verlust seines Vermögens in den 1850er Jahren bei ihm dieses Verhalten auslöste. Es ist jedoch unbestritten, dass sich Norton nach dem Verlust seiner finanziellen Sicherheit merkwürdig benahm; obwohl es keine fachliche Diagnose gibt, werden die Symptome oft als Größenwahn beschrieben.

[Bearbeiten] Kaiserlicher Werdegang

[Bearbeiten] Selbsternennung

Enttäuscht von den Unzulänglichkeiten des politischen Systems und der Staats- und Bundesregierungen der USA nahm Norton die Dinge schließlich selbst in die Hand: Am 17. September 1859 ernannte er sich – in Briefen an die ansässigen Zeitungen – zum „Kaiser dieser Vereinigten Staaten“ („Emperor of These United States“). Gelegentlich fügte er diesem Titel noch den Zusatz „Schutzherr von Mexiko“ bei. So begann seine 21-jährige „unangefochtene“ Herrschaft über Amerika.

At the pre-emptory request of a large majority of the citizens of these United States, I Joshua Norton, formerly of Algoa Bay, Cape of Good Hope, and now for the last nine years and ten months past of San Francisco, California, declare and proclaim myself the Emperor of These United States.
Auf Forderung einer großen Mehrheit der Bürger dieser Vereinigten Staaten ernenne ich, Joshua Norton, stammend aus Algoa Bay am Kap der Guten Hoffnung und nunmehr seit neun Jahren und zehn Monaten in San Franciso (Kalifornien) lebend, mich selbst zum Kaiser und Herrscher dieser Vereinigten Staaten.

[Bearbeiten] Kaiserliche Weisungen

Wie es einem regierenden Kaiser entspricht, erließ Norton zahlreiche Weisungen in Staatsangelegenheiten, die in den Tageszeitungen von San Francisco erschienen. Er erklärte beispielsweise, dass nach der Machtübernahme durch einen Monarchen eine andere gesetzgebende Gewalt, also der US-Kongress, überflüssig sei und erließ am 12. Oktober 1859 einen Erlass zu seiner Auflösung. Er verlautbarte außerdem, dass „...Betrug und Korruption die ehrliche und angemessene Äußerung des Volkswillens verhindern; dass offene Verstöße gegen die Gesetze immer wieder vorkommen, die von Banden, Parteien, politischen Vereinigungen und Sekten angestachelt werden; dass ebenfalls der einzelne Bürger nicht den Schutz von Person und Eigentum genießt, den er verdient“. Deshalb forderte der Kaiser „alle interessierten Seiten“ zum Treffen in Platt's Music Hall in San Francisco im Februar 1860 auf, „auf dass man das beklagte Übel bekämpfe“.

Dieser Erlass wurde von den „rebellierenden“ Politikern in Washington ignoriert. Da offenbar ernstere Maßnahmen notwendig waren, befahl Kaiser Norton I. in einem weiteren kaiserlichen Erlass vom Januar 1860 der Armee, die Rebellen zu beseitigen:

Man berichtet, eine Gruppe von Menschen, die sich selbst der Nationalkongress nennt, tagt zur Zeit in Washington, in offener Verletzung unseres kaiserlichen Erlasses vom 12. Oktober letzten Jahres, der den genannten Kongress für aufgelöst erklärt hat;
Es ist höchst notwendig für das Ansehen unseres Reiches dass diesem Erlass strikt Folge geleistet wird;
Und deshalb geben wir hiermit Befehl und Anweisung an GenMaj Winfield Scott, dem Kommandeur unserer Armeen, unverzüglich mit gegebenem Nachdruck die Kongresshalle zu räumen.

Sehr zur Verärgerung Seiner Majestät verfehlte die Armee das gesetzte Ziel und der Kongress blieb entgegen ausdrücklicher Befehle bestehen. Dies zog notwendigerweise weitergehende Erlasse im Jahre 1860 nach sich, die die Republik auflösten und jegliche Vereinigungen von ehemaligen Kongressmitgliedern untersagten. Der Kampf gegen die früheren Führer des Reiches kam in den Jahren der kaiserlichen Herrschaft nie völlig zum Ruhen. Zeitweise erlaubte jedoch der Kaiser – wenn auch missmutig – dem Kongress die Weiterarbeit.

Vom störrischen Kongress herausgefordert, verschärfte Kaiser Norton I. seine Maßnahmen in diesem stets schwelenden Konflikt: Am 4. August 1869 schaffte er einfach sowohl die demokratische als auch die republikanische Partei per kaiserlichem Erlass ab. Der fehlende Respekt, der sich in der Bezeichnung des gewählten kaiserlichen Regierungssitzes San Francisco als „Frisco“ ausdrückt, veranlasste Kaiser Norton I. zu folgendem besorgten Erlass aus dem Jahr 1872:

Jeder, der nach dieser ausdrücklichen Warnung, bei der Benutzung des fürchterlichen Begriffs „Frisco“, welcher keine sprachliche oder sonstige Bedeutung hat, ertappt wird, wird Groben Fehlverhaltens schuldig gehalten werden und hat dem Kaiserlichen Schatzamt zur Strafe eine Summe von fünfundzwanzig Dollar zu entrichten!

Es ist nicht bekannt, ob das kaiserliche Schatzamt in irgendeiner Weise von diesem Erlass profitierte.

[Bearbeiten] Nortons geistiger Zustand

Es gab einige Versuche anhand eines Studiums der Kaiserlichen Erlasse, Rückschlüsse auf den Geisteszustand des einzigen Monarchen Amerikas zu ziehen. Es ist jedoch nicht möglich, aus den nur anekdotenhaft übermittelten Aufzeichnungen zu seinem Verhalten eine stichhaltige Diagnose seines psychologischen Zustands abzuleiten. Möglicherweise litt Norton an Schizophrenie, da Größenwahn oft im Zusammenhang mit diesem Geisteszustand beobachtet wird. Denkbar ist auch, dass Norton nach seinem wirtschaftlichen Bankrott an einer Depression litt, die er durch das Leben in einer Scheinwelt überwand (2). Die Anekdoten auf dieser Seite passen auch sehr gut zu einer manischen Phase einer Manisch-Depressive Erkrankung. Es ist nicht auszuschließen, dass Norton medizinisch gesehen gesund war.

Trotz seiner Macken und unabhängig von seinem tatsächlichen Geisteszustand sollte nicht vergessen werden, dass Kaiser Norton I. gelegentlich visionäre Ideen entwickelte und dass nicht wenige seiner kaiserlichen Erlasse von Weitsicht zeugten. So finden sich darunter Anweisungen zum Gründen einer „Liga der Nationen“ und Untersagungen jeglicher Religions- und Sektenstreitigkeiten. Ferner erhob der Kaiser oft die Forderung, eine Hängebrücke zwischen Oakland und San Francisco zu errichten. Die späteren Äußerungen waren hingegen stark von der Irritation über den fehlenden Gehorsam der Ämter geprägt:

In der Sache, dass wir einen Befehl aussprachen, die Bürger von San Francisco mögen finanzielle Mittel zur Prüfung des Brückenprojekts von Oakland und ebenso für einen Tunnelbau bereitstellen und feststellen, welches Projekt das bessere sei; und weil die genannten Bürger bisher den genannten Befehl ignorierten; und weil wir fest entschlossen sind unserer Autorität Nachdruck zu verleihen;
Deshalb befehlen wir hiermit die Festnahme beider Räte der Stadtväter durch die Armee, sollten sie sich uns weiter widersetzen.
Mit königlich-kaiserlichem Siegel, San Francisco am 17. September im Jahre 1872.

Im Gegensatz zu vielen seiner Befehle wurde die Anweisung zum Brückenbau viel später tatsächlich in die Tat umgesetzt: Die Errichtung der „Bay Bridge“ von San Francisco nach Oakland wurde 1933 begonnen und 1936 abgeschlossen.

[Bearbeiten] Das Leben als Kaiser

[Bearbeiten] Amtsausübung

Die Amtsausübung des Kaisers verlief nach einer recht gut dokumentierten Routine: Oft inspizierte er seinen Regierungssitz (die Straßen von San Francisco) in einer kunstvollen blauen Uniform mit goldenen Schulterstücken, welche er von Offizieren des Armeestützpunkts Presidio bekommen hatte und zu der er eine Biberfellkappe mit Straußenfeder und Rosette trug. Sein Äußeres vervollständigte er dabei gerne durch Stock oder Schirm. Während seiner Wanderungen durch die Straßen von San Francisco überprüfte Kaiser Norton I. den Zustand der Gehwege sowie der „Cable Cars“, den Fortgang von Reparaturen an öffentlichem Eigentum und das Auftreten und Erscheinungsbild der Polizei. Er nahm sich persönlich der Sorgen seiner Untertanen an und trug ihnen gerne lange philosophische Reden zu einer Vielzahl von Themen vor.

Sein konsequentes Eingreifen in einer Krisensituation auf San Franciscos Straßen während einer dieser Kaiserlichen Inspektionen zählt zu seinen berühmtesten Taten. In den 1860ern und 1870ern gab es oft antichinesische Demonstrationen in den ärmeren Stadtvierteln von San Francisco, die hin und wieder in blutigen Unruhen eskalierten. Bei einem dieser Vorfälle soll sich Kaiser Norton I. angeblich zwischen die Fronten der Aufständischen und der angegriffenen Chinesen gestellt und geneigten Hauptes immer wieder das Vaterunser gesprochen haben, bis sich der Mob zerstreute.

[Bearbeiten] Hochverrat durch den Polizisten Armand Barbier

Ein Skandal ereignete sich 1867, als ein Polizist namens Armand Barbier Norton in Haft nahm, um ihn gegen seinen Willen der Behandlung von Geisteskrankheiten unterziehen zu lassen. Dies führte zu lautem Protest bei den Bürgern und den Zeitungen von San Francisco. Der Polizeikommandant Patrick Crowley reagierte schnell und setzte Norton auf freien Fuß, nicht ohne sich im Namen der Polizeikräfte zu entschuldigen. Norton war großzügig genug, dem jungen Polizisten Barbier seinen begangenen Hochverrat zu verzeihen. Als Folge dieses Skandals wurde dem Kaiser in der Folgezeit auf der Straße von den Polizisten salutiert.

[Bearbeiten] Die öffentliche Wertschätzung

Ganz offensichtlich war Kaiser Norton bei seinen Untertanen sehr beliebt. Obwohl er kaum Geld besaß, speiste er häufig in den feinsten Restaurants und deren Besitzer hängten bronzenfarbene Schilder an die Eingänge „Im Dienste Ihrer Kaiserlichen Majestät, Kaiser Norton I. der Vereinigten Staaten“. Diese Eitelkeit wurde vom Kaiser offenbar geduldet. Man sagt, diese Plaketten hätten tatsächlich einigen Einfluss auf die Geschäfte dieser Restaurantes gehabt. Keine Theater- oder Musikvorführung hätte es sich erlaubt, in San Francisco zu eröffnen, ohne dem Kaiser und seinen beiden Hunden Lazarus und Bummer Logenplätze zu reservieren. Der Tod des Hundes Lazarus durch einen Unfall mit einem Feuerwehrwagen im Jahre 1863 führte zu einer Periode der Staatstrauer. Als der Hund Bummer 1865 starb, entwarf Mark Twain für ihn die Grabinschrift, er sei „voll an Jahren und Ehre und Krankheit und Flöhen“ gestorben.

Kaiser Norton I. empfing auch tatsächlich kleinere Insignien der formalen Anerkennung: Die Volkszählung von 1870 führt in der Liste einen Joshua Norton, wohnhaft in der Commercial St. 624 mit der Berufsbezeichnung „Kaiser“. Außerdem gab der Kaiser eine eigene Währung zum Begleichen kleinerer Schulden aus, die von lokalen Geschäften durchaus angenommen wurde. Die Banknoten wurden von 50 Cent bis 5$ ausgegeben; auf heutigen Auktionen erreichen die wenigen verbliebenen Scheine Werte in den Tausendern (3).

Die Stadt San Francisco ehrte und verehrte ihren „Machthaber“: Als seine Uniform abgenutzt war, spendierte ihm die Stadtverwaltung mit großer Zeremonie genug Geld für eine neue. Im Gegenzug sendete der Kaiser eine Dankesnote und erhob die Angehörigen des Rates zu Adligen.

[Bearbeiten] Die späten Jahre

In seinen späten Amtsjahren war der Kaiser immer wieder Gegenstand vielfältiger Gerüchte und Spekulationen. Eine häufig erzähltes Gerücht besagt, er sei tatsächlich der Sohn des Kaisers Napoléon und seine angebliche Herkunft aus Südafrika solle ihn nur vor Verfolgung schützen. Eine andere beliebte Geschichte legte nahe, dass Kaiser Norton beabsichtigte, Queen Victoria zu heiraten. Obwohl auch dies eher nicht der Wahrheit entspricht, gibt es Beweise, dass der Kaiser einige Male der Queen schrieb und Ratschläge erteilte. Ein letztes Gerücht besagt, dass Norton in Wahrheit unsagbar reich sei und nur aus einer Neigung heraus den Armen spielte.

Zusätzlich zu diesen Gerüchten wurden einige gefälschte kaiserliche Erlasse in den Zeitungen abgedruckt. Man verdächtigt die Redakteure der Zeitungen, zumindest in einigen wenigen Fällen selbst Edikte mit passendem Inhalt fingiert zu haben. Das Städtische Museum von San Francisco verfügt über eine Liste aller Kaiserlichen Weisungen, die man tatsächlich auf ihn zurückführt (4).

[Bearbeiten] Der Tod des Kaisers

Die gutwillige und größtenteils schadens- und folgenlose Herrschaft des Kaisers Norton I. endete am Abend des 8. Januar 1880, als dieser auf dem Weg zu einer Vorlesung an der Academy of Science auf der Straße zusammenbrach. Ein Polizeibeamter requirierte schnellstens eine Kutsche, um den Kaiser in ein Krankenhaus zu bringen. Der Herrscher starb jedoch noch bevor die Kutsche am Krankenhaus ankam.

Am folgenden Tag veröffentlichte der San Francisco Chronicle auf seiner Titelseite einen Nachruf unter der Überschrift „Le Roi Est Mort“ („Der König ist tot“) (5). Der Ton des Artikels war trauernd und respektvoll: „Auf dem elenden Pflaster, im Dunkel einer mondlosen Nacht im tropfenden Regen..., verstarb Norton I., von Gottes Gnaden Kaiser der Vereinigten Staaten und Schutzherr von Mexiko“. Der Morning Star, eine andere führende Zeitung in San Franciscos, veröffentlichte einen Leitartikel mit fast identischer Überschrift: „Norton der Erste, von Gottes Gnaden Kaiser dieser Vereinigten Staaten und Schutzherr von Mexiko, verstorben“.

Entgegen aller Gerüchte wurde schnell klar, dass Kaiser Norton I. in völliger Armut gestorben war und sein gesamtes Vermögen nicht mehr als ein paar Dollar betrug. Fünf bis sechs Dollar Bargeld hatte er bei sich getragen und eine Durchsuchung seines Zimmers im Mietshaus in der Commercial Street erbrachte weitere 2,50$, seine Sammlung von Wanderstöcken, den Briefwechsel mit Queen Victoria und 1.098.235 Börsenanteile an einer wertlosen Goldmine.

Da absehbar war, dass Nortons hinterlassene Mittel nur für eine Bestattung in einem Armengrab reichte, schritt der Pacific Club, eine Vereinigung von Geschäftsleuten, mit einer Geldsammlung ein, um dem Kaiser eine würdigere Beerdigung zu organisieren. Letztlich kam es zu einer großen, ernsten und würdigen Trauerfeierlichkeit: Man sagt, dass „...alle Klassen dem Kaiser Respekt zollten, vom Kapitalisten zum Armen, vom Verkäufer bis zum Dieb, von den feingekleideten Damen bis zu denen, denen man die Herkunft aus üblen Gegenden ansah“ (3). Einige Aufzeichnungen sprechen von bis zu 30.000 Menschen, die die Straßen säumten, als der Sarg zum Friedhof gebracht wurde und dass der Leichenzug, der dem Sarg folgte, zwei Meilen lang gewesen sei. Der Kaiser fand seine erste Ruhestätte auf dem Freimaurerfriedhof von San Francisco.

Im Jahre 1934 wurden die Gebeine des Kaisers umgebettet. Joshua Norton ruht nun auf dem Woodlawn-Friedhof im Colma (Kalifornien). Der Grabstein bezeichnet ihn als „Norton I., Kaiser der Vereinigten Staaten, Schutzherr von Mexiko“. Im Januar 1980 gab es in San Francisco eine Reihe von Zeremonien und Gedenkveranstaltungen anlässlich des 100. Todestages des einzigen Kaisers der Vereinigten Staaten.

[Bearbeiten] Kaiser Norton I. heute

[Bearbeiten] Der vorläufig letzte kaiserliche Erlass

Eine zwar merkwürdige, aber seltsam passende Fußnote zur Geschichte Ihrer Kaiserlichen Majestät, des Kaisers Norton I. ist der vorläufig letzte, 1999 durch ein „Medium“ übermittelte kaiserliche Erlass: Danach erstreckt sich das Reich des Kaisers Norton I. nun auch ins Usenet.

Es ist so, dass wir zum speziellen Zweck des Überwachens und Beilegens im großen Tumult, von einigen Flame War genannt, der gerade in rec.skiing.alpine wütet;
bei welchem der Austausch rüder Worte den Seelenfrieden derer erheblich stört, welche die genannte Gesellschaft im Sinne der Entspannung und des reflektierten Gedankenaustauschs zum Sport des „Ski-Fahrens“ besuchen;
und bei dem die anhaltenden Drohungen und Rachefeldzüge und Anschuldigungen und gerichtlichen Schritte sehr wenig zur Lösung des Konflikts und sehr viel zur Verbreitung des Streits weit über die Grenzen der schönen Stadt Seattle hinaus beitragen;
aus welchem Grunde wir, Norton I., Kaiser der Vereinigten Staaten und Schutzherr von Mexiko und des USENet, verkünden, dass alle Teilnehmer an diesem Streit (einschließlich der Richter) sich der Rebellion und der Unruhestiftung gegen die wohlbedachte Ordnung des Kaisers schuldig machen und wir verlangen daher, dass diese Subjekte vom dem InterNet und der Versorgung mit elektrischem Strome ausgeschlossen werden, bis dass sie ihre Differenzen beigelegt haben.

[Bearbeiten] Kaiser Norton I. in der Literatur

Die Geschichte des Kaisers Norton wurde von Neil Gaiman in Three Septembers and a January aufgegriffen, einer Ausgabe seiner Graphic Novel The Sandman. Die Geschichte findet sich im Band Fables and Reflections.

Eine Kurzgeschichte von Robert Silverberg, The Palace at Midnight beschreibt ein post-apokalyptisches Kalifornien mit einem Kaiserreich von San Francisco. Der herrschende Kaiser ist ein seniler Norton VII. Einen kurzen Auftritt haben Kaiser Norton und seine Hunde Bummer und Lazarus in Barbara Hambly's Ishmael, einem Roman vor dem Hintergrund des Star Trek-Universums. In Christopher Moores Roman Bloodsucking Fiends gibt es einen scheinbar unsterblichen Norton im San Francisco der Gegenwart und die Ausgabe Nr. 57 der Comic-Serie Lucky Luke mit dem Titel Der Kaiser von Amerika widmet sich mit vielen witzigen Details der Person Kaiser Norton.

[Bearbeiten] Sonstiges

In der Religion der Diskordier ist Kaiser Norton ein Heiliger zweiter Klasse, dem dort höchsten spirituellen Rang, den ein echter nicht-fiktionaler Mensch erreichen kann. In den Aufzeichnungen der Principia Discordia hat die Gruppe Joshua Norton aus San Francisco den Slogan:

Jeder versteht Mickey Mouse. Wenige verstanden Hermann Hesse. Nur eine Handvoll verstanden Albert Einstein. Und niemand verstand Kaiser Norton.

Ghirardelli, ein Chocolatier in San Francisco, bietet einen Kaiser-Norton-Eisbecher an, der mit zwei Bananen und einer Handvoll Nüssen garniert ist. Da in der englischen Sprache mit den Redewendungen he is bananas und he is completely nuts umgangssprachlich die Verrücktheit einer Person beschrieben wird, soll damit an die Exzentrik von Kaiser Norton I. erinnert werden.

An den Exzentriker erinnert auch ein Independent-Label mit dem Namen emperor norton records. Eine Gruppe etwas surrealer Software und Unterhaltungssoftware nennt sich Emperor Norton Utilities. Damit wird auch daran erinnert, dass die Softwaresammlung Norton Utilities von Peter Norton geschrieben wurde.

Kaiser Norton erschien außerdem als Ehrengast auf der 1993er „World Science Fiction Convention“ in San Francisco. Als Medium seiner Präsenz diente ein eindrucksvoller lokaler Fan. Und mittlerweile erinnert auch eine von Henry Molnicone geschriebene Oper an Nortons Leben. Sie wurde unter anderem von der West Bay Opera Company in San Francisco im Herbst 1990 aufgeführt.

[Bearbeiten] Literatur

  • Cowan, Robert E. et al. The Forgotton Characters of Old San Francisco. Los Angeles: The Ward Ritchie Press, 1964.
  • Dressler, Albert. Emperor Norton of the United States. Sacramento: Dressler, 1927.
  • Drury, William. Norton I, Emperor of the United States. New York: Dodd, Mead & Company, Inc, 1986. ISBN 0396085091.
  • Gorman, Michael Robert MA (1998). The Empress Is a Man: Stories from the Life of José Sarria. New York: Haworth Press. ISBN 0789002590.
  • Kramer, William M. Emperor Norton of San Francisco. Santa Monica: Norton B. Stern, 1974.
  • Lane, Allen Stanley. Emperor Norton, Mad Monarch of America. Caldwell, Ida.: Caxton Printers, 1939.
  • Ryder, David Warren. San Francisco's Emperor Norton. San Francisco: Ryder, 1939.

[Bearbeiten] Weblinks

Commons: Joshua Abraham Norton – Bilder, Videos und/oder Audiodateien

[Bearbeiten] Quellen

  1. Aufzeichnungen aus der Kirchgemeinde
  2. Diagnosing Norton
  3. EMPEROR NORTON'S NOTES
  4. Liste aller Kaiserlichen Weisungen
  5. „Le Roi Est Mort“ - San Francisco Chronicle


Norton, Joshua Norton, Joshua Norton, Joshua Norton, Joshua Kategorie:Diskordianismus

{{Exzellent}}

[Bearbeiten] Neutral-Moresnet

Neutral-Moresnet war von 1815 bis 1919 ein 270 Hektar großes Gebiet zwischen Deutschland und Belgien, 7 km südwestlich von Aachen. Es gehörte weder zum einen, noch zum anderen Staat, war also faktisch ein unabhängiger Zwergstaat. Im Norden reichte das Gebiet Neutral-Moresnets bis zum Vaalserberg, der damit ein Vierländereck (mit den Niederlanden, Belgien und Deutschland) bildete.

Inoffizielle Flagge von 1883
vergrößern
Inoffizielle Flagge von 1883

Die Neutralität des Gebietes resultierte aus der Uneinigkeit zwischen Preußen und dem Vereinigten Königreich der Niederlande (Belgien bestand damals noch nicht) beim Wiener Kongress 1815 über die Zugehörigkeit des an Bodenschätzen reichen Gebietes. So entstanden das niederländische Moresnet (ab 1830 belgisch), Preußisch-Moresnet und Neutral-Moresnet. Letzteres mit seinen Galmeivorkommen (Zinkerz) hatte bei seiner Entstehung um 1815 nur 256 Einwohner, 1858 wurden bereits 2575 Einwohner gezählt. Im Laufe des 19. Jahrhunderts gab es zahlreiche Verhandlungen zwischen Preußen und Belgien zur Aufhebung des Provisoriums. Im Ersten Weltkrieg wurde es durch Deutschland besetzt. Erst im Versailler Vertrag vom 28. Juni 1919 erkannte Deutschland die volle Souveränität Belgiens über Neutral-Moresnet an.

Um 1900 gab es einen vergeblichen Versuch durch den Chefarzt der Erzgrube Dr. Wilhelm Molly (†1919), in Neutral-Moresnet den ersten Esperanto-Staat der Welt auszurufen.

Heute gehört die Region zu der in der deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens liegenden Gemeinde Kelmis.

[Bearbeiten] Weblinks

Kategorie:Mikronation Kategorie:Staat (historisch) Kategorie:Belgische Geschichte Kategorie:Wallonien

[Bearbeiten] Petersilienkrieg

Der Petersilienkrieg, besser wohl Petersilienkonflikt genannt (denn in seinem Verlauf kam es zu keinerlei Schusswechseln), fand zwischen den Ländern Marokko und Spanien statt. Benannt wurde der Konflikt nach der so genannten Petersilieninsel. Diese winzige Insel (0,5 km Durchmesser) liegt nur ca. 200 Meter vor der Küste Marokkos, aber auch in Nähe der spanischen Exklave in Marokko Ceuta. Sie wird lediglich von ein paar marokkanischen Schäfern benutzt, um dort ihre Ziegen grasen zu lassen, ansonsten ist sie komplett unbewohnt.

Am 12. Juli 2002 besetzten marokkanische Soldaten die Insel unter dem Vorwand einen Posten zur besseren Überwachung illegaler Migranten und zum Abwehr des Terrorismus zu errichten. Außerdem erklärte Marokko die Insel zu seinem Besitz, da sie im spanisch-marokkanischen Vertrag über die Unabhängigkeit Marokkos von 1956 nicht erwähnt war. Spanien seinerseits warf Marokko daraufhin den Bruch einer stillschweigenden Vereinbarung aus den 1960ern vor, mit der geregelt worden sei, dass die Insel von keinem der beiden Staaten militärisch besetzt werden dürfe.

Die marokkanische Regierung war sich durchaus bewusst, welche Provokation diese Aktion für Spanien bedeutete. Marokko fordert seit 1975 erfolglos die Rückgabe der spanischen Exklaven in Marokko Ceuta und Melilla. Diese Forderungen wurden aber eher halbherzig betrieben, solange die Beziehungen zwischen den beiden Staaten gut waren. Unter der spanischen Regierung Aznar waren die Beziehungen der Länder jedoch stark abgekühlt. So wurde um Fischereirechte gestritten, sowie um illegale Einwanderer aus Marokko und außerdem wollte die spanische Regierung marokkanische Erntehelfer durch osteuropäische ersetzen. Die marokkanische Regierung sah nun eine günstige Gelegenheit für Revanche an dem wirtschaftlich wie militärisch überlegenen Spanien, rechnete jedoch nicht mit der Reaktion Spaniens.

Am 18. Juli 2002 stürmten spanische Elitesoldaten unterstützt von sechs Hubschraubern, zwei U-Booten und mehreren Kriegsschiffen die Insel und vertrieben die zwölf marokkanischen Soldaten. Sechs von diesen wurden gefangen genommen und später an die marokkanische Regierung übergeben. Diese Aktion kam vollkommen überraschend, zumal die spanische Regierung noch wenige Tage zuvor erklärt hatte, den Konflikt diplomatisch regeln zu wollen. Der spanische Ministerpräsident Aznar versuchte sich durch diese drastische Maßnahme jedoch als starker Mann zu profilieren. Da es Spanien aber nicht gelang, seine Ansprüche auf die Insel mit Dokumenten zu untermauern (die Insel wurde in keinem Vertrag erwähnt), mussten die spanischen Soldaten schließlich die Insel räumen.

Im Zuge des Konfliktes kam es zu keinen Verletzten und zu keinen Schusswechseln. Sowohl die spanische als auch die marokkanische Regierung unternahmen danach, wohl auch auf Druck der internationalen Staatengemeinschaft, keine weiteren Provokationen.

Kategorie:Geschichte Marokkos Kategorie:Spanische Geschichte Petersilienkrieg Kategorie:Krieg (Afrika)

[Bearbeiten] Pornokratie

Pornokratie oder Mätressenherrschaft (von griech. porne „Hure“ und kratia „Macht, Herrschaft, Kraft, Stärke“) ist eine Bezeichnung für eine Beeinflussung der Regierenden durch Mätressen.

Geschichtlich bezieht sich dieser Begriff auf eine Periode des Papsttums im frühen 10. Jahrhundert, welche mit Papst Sergius III. im Jahre 904 begann und im Jahre 963 mit dem Tode Papst Johannes XII. endete. Der römische Kirchenhistoriker und Kardinal Cesare Baronius prägte im 16. Jahrhundert für diese Zeit die Bezeichnung Pornokratie.

In diesem Zeitraum standen die Päpste unter dem direkten Einfluss einiger Frauen, die als Mätressen einiger Päpste und einiger Herrscher von Rom (z. B. Alberich I., Alberich II., Guido von Tuszien, Hugo von Italien) in diese Machtposition geraten waren. Besondere Bedeutung hatten Theodora I., ihre Tochter Marozia und deren Töchter Marozia II. und Theodora II.). Generell hatten die Päpste dieser Zeit ein geringes eigenes Profil und waren dem römischen Adel und damit den Mätressen hörig.

Ein großer Teil der Überlieferungen stammt von Bischof Liutprand von Cremona, der ein starker Kritiker der Zustände in Rom war. Allerdings ist eine Verifizierung der Überlieferungen meist nicht möglich.

Generell wird jedoch angenommen, dass Marozia die Geliebte von Papst Sergius III. und Mutter des von ihm gezeugten Sohns, des späteren Papsts Johannes XI., war. Ihr wurde auch die Ermordung Papsts Johannes X., welcher von ihrer Mutter Theodora I. ins Amt gebracht wurde, zur Last gelegt, um ihren Favoriten Leo VI. an die Macht zu bringen.

Ohne Zweifel waren in dieser Zeit Theodora I. und Marozia die eigentlichen politischen Herrscher in Rom, auch wenn die gegen sie erbrachten Anschuldigungen heute nicht mehr belegbar sind.

[Bearbeiten] Päpste während der Pornokratie

[Bearbeiten] Quellen

  • Caesar Baronius: Annales ecclesiastici. (1538–1607)
  • V. E. Löscher: Historie des römischen Huren-Regiments der Theodorae und Maroziae. Leipzig 1705

[Bearbeiten] Weblinks

Wiktionary: Pornokratie – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme und Übersetzungen


Kategorie:Staatsform Kategorie:Prostitution Kategorie:Christentumsgeschichte (Mittelalter)

[Bearbeiten] Schafsbrief

Der Schafsbrief (färöische Sprache: Seyðabrævið) ist das älteste erhaltene und wichtigste mittelalterliche Dokument der Färöer.

Der Schafsbrief stammt vom 24. Juni 1298 und stellte eine Ergänzung des norwegischen „Grundgesetzes“ jener Zeit dar. In ihm sind - der Name deutet es an - landwirtschaftliche Regelungen für die Färöer, die „Schafsinseln“, niedergelegt. Es existieren heute noch zwei Abschriften aus jener Zeit: Eine im Färöischen Nationalarchiv in Tórshavn und die andere in der Bibliothek der Universität Lund (Schweden).

Neben einem Spiegel der damaligen färöischen Gesellschaft ist der Schafsbrief eine wichtige Quelle zum Geldwesen der Färöer im Mittelalter (siehe dort). Viele Regelungen des Schafsbriefs erwiesen sich als sehr passend und daher dauerhaft. Sie blieben über Jahrhunderte bis in die Neuzeit in Kraft.

Der Schafsbrief auf einer Briefmarke von 1981: Die einleitenden Worte im wertvollen Lundarbók
vergrößern
Der Schafsbrief auf einer Briefmarke von 1981: Die einleitenden Worte im wertvollen Lundarbók

Ein anderes Dokument aus jener Zeit ist die Färingersaga, die aber in Island entstand und ein Prosawerk ist, das sich rückblickend mit den Helden der Wikingerzeit auf den Färöern beschäftigt, während der Schafbrief sehr wahrscheinlich auf den Färöern geschrieben wurde, und sich konkret seiner damaligen Gegenwart widmet.

[Bearbeiten] Vorgeschichte

[Bearbeiten] Forn Landslóg

Wappen der Färöer: Der Widder
vergrößern
Wappen der Färöer: Der Widder

Es ist nicht genau bekannt, wie die Färöer in den ersten Jahrhunderten nach der Landnahme regiert wurden. Die Färingersaga berichtet, dass die Färinger in Tórshavn ihr Thing, das damalige Althing, auf der Halbinsel Tinagnes hatten. Und sie haben es bis heute - das älteste Parlament der Welt, das Løgting. (siehe dort). Es kann von einer Art Republik ausgegangen werden. In der Färingersaga steht auch, dass das Forn Landslóg in Kraft war, eine Art altertümliches Grundgesetz. Auch wenn wir davon ausgehen können, dass die Bindungen an das norwegische Mutterland recht locker waren, so können wir andererseits annehmen, dass dieses Grundgesetz nicht viel anders als das norwegische Gulatingslóg war.

[Bearbeiten] Rechtsreform: Einführung des Landslóg

Das so genannte Rættarbót (Gesetzesreform), wurde 1271 vom norwegischen König Magnus Hákunnarson (auch Magnus Lógbøti genannt, der Gesetzesreformer) für die Färöer erlassen. Es wird dort gesagt, dass die Gesetze im Rahmen des Gulating auch auf den Färöern gelten sollen, außer in der Landwirtschaft, in der es eigene Gesetze gab. Allerdings ist nicht klar, auf welche "eigenen" Gesetze sich der König bezog. Es könnte sein, dass das "ältere Gulatingslóg", das bis 1267 in Kraft war, oder aber das "jüngere Gulatingslóg" (1267-1274) gemeint ist. Die Färöer könnten zur gleichen Zeit, in der die Gulating-Gesetze galten, auch eigene Landwirtschaftsgesetze gehabt haben.

König Magnus erließ also das neue Grundgesetz, das Landslóg, das 1274 im Rahmen des Gulatings in Kraft trat, und in Norwegen und auf den Färöern bis 1604 galt, bis es der dänische König Christian IV. überarbeitete, ins Dänische übersetzt und dann Norske Lov (Norwegisches Gesetz) nannte. Dieses galt dann bis 1688, als Christian V. ein neues Norske Lov erließ, das für die Färöer relevant war.

[Bearbeiten] Seyðabrævið (Der Schafsbrief)

Seyða ull er Føroya gull - Die Wolle der Schafe ist das Gold der Färöer. Dieses Sprichwort galt damals wörtlich, denn Wollprodukte waren die Haupteinnahmequelle. Heute ist es die Fischerei, doch die Schafe dominieren nach wie vor das Bild des Landes.
vergrößern
Seyða ull er Føroya gull - Die Wolle der Schafe ist das Gold der Färöer.
Dieses Sprichwort galt damals wörtlich, denn Wollprodukte waren die Haupteinnahmequelle. Heute ist es die Fischerei, doch die Schafe dominieren nach wie vor das Bild des Landes.

Nicht alle Teile des Landslóg passten auf die färöischen Verhältnisse, besonders nicht der Teil über die Landwirtschaft. Das Landslóg war auf Norwegen zugeschnitten, und die dortigen Bedingungen waren andere als auf den Färöern. Die Färinger wandten sich an Herzog Hákun Magnusson und baten ihn, sich der besonderen Umstände auf den Färöern anzunehmen. Hákun Magnusson war der Sohn von Magnus dem Gesetzesreformer und regierte seit 1284 in dem Herzogtum, das Ostland, Agder, Rogaland, die Shetlandinseln und Färöer umfasste.

Herzog Hákun seinerseits wandte sich an Sjúrður, den Løgmaður von Shetland, und Bischof Erlendur (er war färöischer Bischof ab 1268 und starb 1308). Diese beiden fertigten "im Interesse der einfachen Bauern" eine Stellungnahme an, auf deren Grundlage der Herzog seinen Erweiterungstext verfasste. Es gibt keine großen Zweifel, dass im Wesentlichen Bischof Erlend und der Løgmaður Sjúrður den Schafsbrief geschrieben haben und sich dabei auf ältere, lokale Rechtsüberlieferungen stützten. Erlend soll ihn in der Loftstovan des heute noch erhaltenen Wikingerhofs von Kirkjubøur (Kirkjubøargarður) verfasst haben, der gleichzeitig der Sitz des Bistums Färöer war. Heute befindet sich in diesem Raum eine kleine Bibliothek (siehe Weblinks).

Der Schafsbrief, der 1298 "in Kraft trat", ist damit die färöische Erweiterung des Landslóg, die speziell färöische landwirtschaftliche Fragen wie die Regelung des Umgangs mit dem Heideland, Bestimmungen über die Schafhaltung und Schlichtungsordnungen für Streitigkeiten unter den Hirten enthielt. Darüber hinaus regelte der Schafsbrief auch den Grindwalfang, den Umgang mit entlaufenen Landarbeitern, und so weiter.

[Bearbeiten] Inhaltsübersicht

Nach dem (ausführlicheren) Lundarbók hat der Schafbrief 16 Paragraphen.

  1. Verpflichtung zum Eigentumsnachweis eines zur Schlachtung vorgesehenen Schafes
  2. Über das Betreten einer fremden Weide
  3. Wenn Schafe auf eine fremde Weide laufen
  4. Über das Zähmen von wilden Schafen
  5. Über das Markieren von Schafen. Klarstellung, dass eine nachträgliche Zweitmarkierung Diebstahl ist
  6. Über bissige Schäferhunde, Haftpflicht und Anzahl der Schafe auf einer Weide
  7. Über Fristen im Mahnverfahren. Stichtage sind die Fastenzeit, Ólavsøka (29. Juli) und Andreasnacht (30. November)
  8. Über die Pflicht, das Betreten fremden Landes anzumelden
  9. Über das Zähmen wilder Schafe - 2. Teil
  10. Über das Verpachten von Land
  11. Über ungebetene Gäste und Armenrecht
  12. Über Zeugen
  13. Über Bewirtungskosten
  14. Niederlassungsrecht
  15. Über die Verteilung von Walfleisch
  16. Über Treibgut

Eine überarbeitete Version des Schafsbriefs wurde 1637 in dänischer Übersetzung bewilligt. Alles, was nichts mit Schafhaltung zu tun hatte, wurde aus dem Text gestrichen. 1698 wurde eine weiter veränderte Version verabschiedet, und diese galt bis 1866, als das neue Hagalóg (Heide-Gesetz) in Kraft trat, das seinerseits 1937 durch das Gesetz zur Bewirtschaftung der Weiden [2] abgelöst wurde, welches zuletzt 1990 geändert wurde.

[Bearbeiten] Spiegel der mittelalterlichen Gesellschaft

Der Schafsbrief bietet auch einen Einblick in die mittelalterliche Gesellschaft der Färöer. Ganz oben auf der gesellschaftlichen Leiter standen die "landdrottar", die Grundbesitzer (Großbauern). Diese konnten Teile ihres Landes an die "leigulendingar", die Pächter, vergeben. Die Pächter mussten dann einen bestimmten Anteil ihres Einkommens, "landskyld", an die Grundbesitzer abtreten. Wenn ein Pächter die landskyld nicht aufbringen konnte, konnte der Grundbesitzer seine gesamte Ernte beschlagnahmen.

Es gab auch eine Klasse von Besitzlosen. Das waren die Landarbeiter, Dienstmädchen und Bettler. Es war verboten, ein Haus zu bauen, wenn man nicht mindestens so viel Land hatte, um darauf drei Kühe zu halten. Es war auch verboten, jemandem weniger Land zu geben, um dort zu leben. Gemäß dem Schafsbrief durften nur diejenigen Männer ein Haus bauen, die für sich und ihre Familie selber sorgen konnten.

Es besteht kein Zweifel, dass der Schafsbrief auch eine Gesellschaft widerspiegelt, die von großer sozialer Ungleichheit und Problemen geprägt war. Die Notwendigkeit, Gesetze zu schaffen, die die unteren Klassen kontrollieren und die Rechte der Reichen schützen, ist ein Indikator dafür, dass die Bevölkerung um 1300 über das Maß hinausgewachsen war, das eine Agrargesellschaft tragen konnte. Es gibt Anzeichen für Aufstände und Unruhen in dieser Periode, insbesondere gegen die Kirche, die große Macht innehielt, auch weltliche Macht. Dieser Unfriede scheint der Grund für Bischof Erlends mehr oder weniger unfreiwilligem Rückzug aus der färöischen Diözese gewesen zu sein.

[Bearbeiten] Anhang zum Schafsbrief: Hundabrævið (Der Hundebrief)

Ein anderer, sehr eigener Anhang ist der so genannte Hundabrævið von ca. 1350. Dieses Gesetz des Løgtings legte die Regeln fest, wie viele Hunde in den Dörfern erlaubt waren. Nicht jeder durfte einen Hund haben, und der einzige Zweck, einen Hund zu halten, war zum Hüten von Schafen und Rindern. Der Hundebrief gab den Leuten das Recht, einen Hund zu "avsiga", das heißt, dass der Besitzer ihn töten sollte, wenn er als Gefahr für Menschen und Vieh angesehen wurde. Dieses spezielle Gesetz gilt bis heute - wenn ein Hund eine Person oder sein Vieh beißt, darf der Betroffene seine Tötung verlangen. Somit kann gesagt werden, dass es auf den Färöern bestimmte Gesetze gibt, die seit über 650 Jahren gelten.

[Bearbeiten] Die Handschriften

Der Seyðabrævið ist in zwei Handschriften aus dem Mittelalter erhalten und in drei Handschriften, die nach der Reformation angefertigt wurden. Am Arnamagnæanske Institut in Kopenhagen gibt es diese drei neueren Versionen des Schafsbriefs in dänischer Sprache. Von besonders hohem Wert für die altfäröische Sprachwissenschaft sind aber die folgenden beiden Unikate:

[Bearbeiten] Kongsbókin (Das Königsbuch)

Das erste (erhaltene) mittelalterliche Manuskript auf den Färöern ist das so genannte Kongsbók, eine Gesetzessammlung mit dem Gulatingslóg (Landslóg), dem Schafsbrief und einigen weiteren Bestimmungen, wie dem Hundebrief, Regelungen über die Bezahlung der Løgrættumenn (Løgtingsmänner) und so weiter.

Kongsbókin ist ein Pergamentbuch, das 1298 von einem Priester namens Teitur angefertigt wurde und war das Gesetzbuch der Färöer für ungefähr 300 Jahre. Der letzte bekannte Besitzer war ein Bauer aus Kirkjubøur namens Pætur Jákupsson, der Løgmaður von 1588 bis 1601 war. Aus irgendeinem Grund landete das Buch dann in der Sammlung der Königlichen Bibliothek in Stockholm, daher wurde es auch als Stockholmhandschrift bezeichnet.

1989 entschied das schwedische Parlament, das Buch den Färöern zurück zu geben, als ein Geschenk des schwedischen Volkes. Das Färöische Nationalarchiv zu Tórshavn hütet dieses wertvolle Dokument unter der Signatur Sth. perg. 33, 4°. Ob der Schreiber Teitur ein Färinger, Norweger oder Isländer war, ist unbekannt.

[Bearbeiten] Lundarbókin (Das Buch von Lund)

Seite 132 im Lundarbók: Hier fängt der Schafsbrief an
vergrößern
Seite 132 im Lundarbók: Hier fängt der Schafsbrief an

Das zweite mittelalterliche Buch, das den Schafsbrief enthält, gelangte auch nach Schweden. Es ist etwas später geschrieben worden, vermutlich 1310. Ein Exlibris zeigt, dass es einst im Besitz des Franziskanerklosters in Stockholm war. Im späten 18. Jahrhundert gehörte es einem Historiker in der Stadt Lund, und danach wurde es in der Universitätsbibliothek zu Lund aufbewahrt (Perg. Hist. Lit. 12, fol.). Daher auch der Name, der nichts mit dem Lundi, dem Papageitaucher, zu tun hat, der auf den Färöern ein Leckerbissen ist.

Das Lundarbók ist ein aufwändiges Manuskript mit 282 Seiten in kalligraphischer Schrift mit reich verzierten Initialen. Das Motiv der obigen Briefmarke ist der Anfangsbuchstabe S mit zwei Widderköpfen in den Bögen, womit sowohl der Inhalt des Dokuments angedeutet wird, als auch die Färöer repräsentiert werden, denn das Wappen der Färöer ist der Widder. Im heutigen Zustand ist diese Seite ein wenig verwittert, aber deutlich zu erkennen, siehe Bild rechts.

Neben dem sechsseitigen Schafsbrief enthält das Lundarbók auch das Gulatings-Gesetz mit seinen Anhängen. Der Schafsbrief im Lundarbók scheint auch vollständiger als der in der Kongabók-Version zu sein, jedenfalls sind Abschnitte verschoben, der gesamte Text feiner gegliedert, und im Vergleich zum Kongsbók soll es in der Sprache "färöischer" sein, so dass Linguisten meinen, es sei von einem Färinger niedergeschrieben worden.

In der Universitätsbibliothek zu Lund ist es gleichzeitig das einzige Manuskript in Altnordisch und trägt den Namen: Codex Reenhielmianus.

[Bearbeiten] Die Sprache

Das Schaf heißt auf den Färöern Seyður und läuft überall herum. Es musste aber aufpassen, dass es nicht auf die Weide eines anderen Hirten lief, denn dann konnte er es behalten. So regelte es der Schafsbrief.
vergrößern
Das Schaf heißt auf den Färöern Seyður und läuft überall herum. Es musste aber aufpassen, dass es nicht auf die Weide eines anderen Hirten lief, denn dann konnte er es behalten. So regelte es der Schafsbrief.

seyður[-in] heißt [das] Schaf, seyða ist der unbestimmte Genitiv Plural. bræv[-ið] heißt, der lateinischen Herkunft (breve "Brief, Urkunde") entsprechend, auf färöisch [der] Brief, aber auch [das] Dokument.

Die Sprache des Schafsbriefs ist Altnordisch, die Sprache, die damals in Norwegen und Island gesprochen wurde, aber es gibt bereits bestimmte färöische Eigenheiten, was darauf hinweist, dass sich das Altfäröische schon auf einen eigenen Weg machte. Nur 100 Jahre später, am Anfang des 15. Jahrhunderts, können wir in einigen färöischen Briefen deutlichere färöische Eigenheiten erblicken. Ab da war klar, dass sich Färöisch zu einer eigenen westnordischen Sprache entwickelt.

[Bearbeiten] Zwei Textproben

Die Einführung in den roten Lettern des Lundarbók (siehe abgebildete Briefmarke oben) lautet im altnordischen/altfäröischen Original:

her hefr rettar bætur hakonar konungs sonar magnusar konungs

Deutsch:

Hier sind die Gesetzesänderungen von König Håkon, Sohn des Königs Magnus

Die Regelung für weggelaufene Schafe lautet so (in der Kongabóks-Version):

Nu liggia haglendi saman utan garðs oc æigv .ij. menn huarr sinn haga oc gengr saudr or annars haga oc i hins þa taci sa sauð sinn allan ac beri i sin haga

Wortwörtlich:

Nun liegt Heideland gemeinsames außerhalb Gartens, und eignen zwei Männer jeder seine Heide, und gehen Schafe aus anderen Heide in jene, dann soll nehmen jener Schafe seine alle und tragen in seine Heide.

Mit anderen Worten: Wenn zwei Weiden außerhalb der (eingezäunten) Inmark (im nicht kultivierten Weideland) nebeneinander liegen, die zwei verschiedenen Männern gehören, und Schafe von der einen Weide zur anderen laufen, dann darf der andere Besitzer alle diese Schafe behalten.

Hier finden wir den Begriff hagi (Heide, Außenmark) für Weideland, und entsprechend heißt der heutige Nachfolger des Schafsbriefs Hagalóg (siehe oben).

[Bearbeiten] Literatur

  • Mikjel Sørlie: En færøysk-norsk lovbok fra omkring 1310: en studie i færøysk språkhistorie. Tórshavn; Bergen: Universitetsforlaget : Mentunargrunnur Føroya Løgtings, 1965. (76 S., auf Norwegisch, beschäftigt sich anhand des Lundarbóks mit der färöischen Sprachgeschichte)
  • Seyðabrævið, hrsg. von J.H.W. Poulsen u. a., 1971 (wissenschaftliche Ausgabe, mit englischer Übersetzung, Zeichnungen von Janus Kamban)
  • G.V.C. Young: From the Vikings to the Reformation. a Chronicle of the Faroe Islands up to 1538, Douglas, Isle of Man: Shearwater Press, 1979
  • Höskuldur Thráinsson et al.: Faroese. An Overview and Reference Grammar. Tórshavn: Føroya Fróðskaparfelag, 2004 (Textproben für das Altfäröische im Schafsbrief)
  • Norbert B. Vogt, Seyðabrævið - ein zentrales Dokument der färöischen Geschichte, in Mitgliederblatt des Deutsch-Färöischen Freundeskreises. Heft 2, 1989, S. 14-33 (Einleitung S. 14-16. "Lund-Version" S. 17-22; "Stockholm-Version" S. 23-28; revidierte Version von 1637 S. 29-33)

[Bearbeiten] Weblinks

Commons: Schafsbrief – Bilder, Videos und/oder Audiodateien

{{Lesenswert}}

Kategorie:Färöer Kategorie:Literatur (Altnordisch) Kategorie:Literatur (Färöisch) Kategorie:Färöische Geschichte

[Bearbeiten] Historische Maße und Gewichte

Historische Maße und Gewichte des deutschsprachigen Raums vor allem des 19. Jahrhunderts. Zwar unterscheiden sich die Einheiten örtlich und zeitlich teils erheblich, aber die Beziehungen innerhalb eines Systems sind einigermaßen gleich bleibend. In den Abbildungen sind auch alte internationale Maßeinheiten mit ihrer Umrechnung ins metrische System angegeben.

Preußische Elle und Preußischer Fuß am Rathaus Bad Langensalza.
vergrößern
Preußische Elle und Preußischer Fuß am Rathaus Bad Langensalza.

[Bearbeiten] Metrisches System

Zur Überwindung der lokalen Unterschiede, vor allem bei den Längenmaßen und Gewichten, wurde, ausgehend von Frankreich (1791, 29. November 1800), das metrische System eingeführt. Dem französischen Beispiel folgten nach und nach nahezu alle Kulturstaaten der Erde.

Die Preußische Maaß- und Gewichtsordnung vom 16. Mai 1816 vereinheitlicht die Größen unter Zugrundelegung des Pariser Normalmeters. Der Norddeutsche Bund beschließt am 17. August 1868, zum Jahreswechsel 1868/1869 das metrische System einzuführen; Bayern folgt am 29. April 1869 mit Wirkung zum 1. Januar 1872, doch gilt es bereits ab 1871 im gesamten neu entstandenen Deutschen Reich. Am 20. Mai 1875 unterzeichnen 18 Staaten die Meterkonvention.

[Bearbeiten] Zählmaße

Paar 2 Stück
Halbstiege 10 Stück
Dekade 10 Stück
Decher 10 Stück (Fell)
Dutzend 12 Stück
Mandel, Malter 15 Stück
Bauern-, Große Mandel 16 Stück
Stiege 20 Stück (u.a. Fischhandel)
24 Stück
Band, Bund 30 Stück
Zimmer 40 Stück = 4 Decher
60 Stück
Schock 60 Stück = 3 Stiege = 4 Mandel = 5 Dutzend
Großschock 64 Stück
Wall 80 Stück (Fischhandel, Danzig)
Großhundert 120 Stück
Gros, Groß, Gross 144 Stück = Dutzend²
Großtausend 1200 Stück
Maß 1728 Stück = Dutzend³ = Dutzend × Gros
Papier
Bogen
Buch Schreibpapier 24 Bogen
Buch Druckpapier 25 Bogen
Rieß, Ries 20 Buch
Die Menge Papier, die ein Esel schleppen kann: 20-500 Bogen bei 15-30 kg
Ballen 10 Ries
Papier (1877)
Heft 10 Bogen
Buch (B) 10 Heft = 100 Bogen
Rieß, Ries 10 Buch = 1 000 Bogen
Ballen 10 Rieß = 10 000 Bogen
Pack 15 Ballen = 150 000 Bogen

Siehe auch: Zahlensysteme

[Bearbeiten] Längenmaße

Fußmaße - Umrechnungstabelle aus math. Lehrbuch von 1848
vergrößern
Fußmaße - Umrechnungstabelle aus math. Lehrbuch von 1848
Ellenmaße - Umrechnungstabelle aus math. Lehrbuch von 1848
vergrößern
Ellenmaße - Umrechnungstabelle aus math. Lehrbuch von 1848
 Wegmaße - Umrechnungstabelle aus math. Lehrbuch von 1848
vergrößern
Wegmaße - Umrechnungstabelle aus math. Lehrbuch von 1848
Punkt um 0,35 mm
1/72 Zoll
Linie 1/12 Zoll
1/10 Zoll (seltener)
2,179 mm (Preußen)
Finger 1/24 Elle
Zoll 1/12 Fuß = 12 Linien
2,615 oder 3,7662 cm (Preußen)
Hand(breit) um 10 cm = 1 dm
1/6 Elle = 4 Zoll
Dezimalfuß 10 Zoll
Fuß, Schuh meist 12 Zoll = 25-43 cm, manchmal ½ Elle
Spann(e) Abstand zwischen Daumen- und Mittelfingerspitze (kleine Spanne)
Abstand zwischen Armbeuge und Handwurzel
Abstand zwischen Mittelfingerspitze und Handwurzel
Abstand zwischen Daumen- und der Spitze des kleinen Fingers (große Spanne)
½ Elle
Elle Abstand zwischen Ellbogen und Mittelfingerspitze
doppelter Abstand zwischen Ellbogen und Handwurzel
2 Fuß
50–85 cm
Schritt (Einheit) etwa 71-75 cm
Klafter Spannweite der Arme
3 Ellen
1,7-2,91 m
Faden 6 Fuß (zur Tiefenmessung)
Rute (Einheit), Ruthe 3½–7 m, meist um 4,6 m
10, 12, 14, 15 oder 16 Fuß
2 Schritt
Lachter 1,829-2,092 m (Bergbau)
8 Spann
80 Zoll (Preußen)
Meile häufig um 7½ km (1/15 Äquatorialgrad) oder über 9 km
2 (Weg-)Stunden
2 000 Klafter = 12 000 Fuß
24 000 Fuß
1 000 Doppelschritte (SPQR)
1 000 oder 2 000 Ruten
16 000 Ellen = 32 000 Fuß
Tagereise etwa 27-36 km

[Bearbeiten] Flächenmaße

 Feldmaße - Umrechnungstabelle aus math. Lehrbuch von 1848
vergrößern
Feldmaße - Umrechnungstabelle aus math. Lehrbuch von 1848
Morgen (Mg) die mit einem Ochsen an einem Vormittag pflügbare Fläche
meist 25-58 a, maximal 122,5 a
120, 150, 160, 180, 300 oder 400 Quadratruten
25 a = ¼ ha = 1 vha (Viertelhektar, Norddeutscher Bund ab 1869)
Acker 19,0647-64,431 a
Tagwerk 25-36 a (Baden, Bayern, Nassau)
Mannsmahd die von einem Mann an einem Arbeitstag abzumähende Wiesenfläche
34,07-47 a
Joch, Juck, Juchart, Juckert Fläche die ein Ochsengespann an einem Tag umpflügen kann.
33,09 a (Württemberg)
43,16 a (Ungarn)
57,55 a (Niederösterreich) = 1600 Wiener Quadratklafter
Haken 11,206 ha
12,531 ha (Königsberg)
Jück ca. 2,2 hannoversche Morgen (Wesermünde)
Tagewerk 2 Morgen = 4 Vierup
Diemat ca. 0,57 ha (Ostfriesland)
Grasen 1,6 Morgen
Drohn ¾ Morgen (= 1 Scheffelstück – Calenberg)
Vorling ½ Morgen
Scheffelsaat ½ Morgen (Walsrode)
1/3 Morgen (Nienburg, Schaumburg)
Himten ½ braunschweiger Morgen = 60 QR
Himtsaat 1/3 Morgen (Verden, Grafschaft Hoya und Diepholz)
Himten Acker ca. 1/5 Morgen (Bremervörde)
Himtenstelle ca. 1/6 Morgen (Land Hadeln)
Holle 1/3 Morgen (Calenberg)
1/4 Morgen = 1/3 Drohn (Schaumburg)
Hunt ¼ Morgen
Acker 2 Ruten breit (Calenberg)
Gehrt 1 Rute breit (Schaumburg)
Schwad ½ Rute breit
Hufe, Hube von Ort zu Ort unterschiedlich; gebraucht für Gemarkungs- und Hofgrößen.
meist 30 Morgen
meist zwischen 15 und 20 ha
7,6597 ha (Preußen vor 1755)
23,9 ha (Franken)
37,35 ha = 66 2/3 Morgen (je 5601,17 m² = 300 Quadratruten zu 18,67 m²) (Kulmische)
Königshufe meist 2 Hufe
Hägerhufe, Hegerhufe 2 Landhufe = 60 Morgen = 39,3 ha (Preußen, Beginn des 18. Jahrhunderts)
13-47 ha
Landhufe 2 Hakenhufe = 30 Morgen = 19,65 ha (Preußen, 18. Jahrhundert)
30 Morgen = 19,65319 ha (Pommern)
Hakenhufe 15 Morgen = 9,82 ha (Preußen, 18. Jahrhundert)
Rute, Quadratrute (QR) 14,185 m² (Rheinland, Preußen 1869)
18,67 m² (Kulmische)
21,17 m² (Köln)
Trippelhufe 3 Hakenhufen
Tonne 0,55 ha (Dänemark, Holstein)

[Bearbeiten] Hohlmaße

Fruchtmaße - Umrechnungstabelle aus math. Lehrbuch von 1848
vergrößern
Fruchtmaße - Umrechnungstabelle aus math. Lehrbuch von 1848
 Getränkemaße - Umrechnungstabelle aus math. Lehrbuch von 1848
vergrößern
Getränkemaße - Umrechnungstabelle aus math. Lehrbuch von 1848
Ster (st) 1 m³
Festmeter (Fm) 1 m³ feste Holzmasse (Holzwirtschaft)
Raummeter 1 m³ lose Holzmasse (Holzwirtschaft)
Klafter 1,8-3,9 m³ (Schichtholz)
Faden 1,74–4,07 m³ (Brennholz)
Pfiff 176,841 ml (Bier)
Schoppen 1/4 l oder 1/2 l (Süddeutschland und Schweiz)
Seidel (Seidl/er) 0,5 l oder 0,535 l (Bayern)
0,354 l (Österreich)
Stof, Quart 1,145 l (Preußen)
0,267 l (Bayern)
Maß, Maaß, Maas 4 Pintgen
1 1/7 l
1,5 l
1,783 l (Rheinland)
Becher 4 Mäßger (Mäßgen, Mäßchen)
Metze 3 Stof = 3,435 l (Preußen)
6,489 l (Sachsen)
37,06 l (Bayern)
61,478 l (Österreich)
Viertel 4 Metzen = 13,74 l
4 Maß
3, 4 oder 12 Becher
Scheffel, Schaff, Simber,
Sümber, Sümmer, Simmer
bis 1872 deutsches Hohlmaß für schüttbare feste Körper (z. B. Getreide)
rund 0,23-2,22 hl.
4 Viertel = 48 Stof = 0,54961 hl (Preußen, Scheffel)
40 Stof (Preußen, ab (1750)
1,03985 hl (Württemberg)
2,22357 hl (Bayern)
0,22153 hl (Württemberg, Trockenmaß)
0,2868 hl (Frankfurt am Main)
0,32 hl (Hessen)
Neuscheffel 50 l
Malter meist 12 Scheffel (Getreide)
1,25-2,2 hl
1,5 hl (Baden und Schweiz)
1,28 hl (Hessen)
6,955 hl (Preußen)
12,478 hl (Sachsen)
Wispel 24 Scheffel
Last 60 Scheffel
Spint 2,43 l (Mecklenburg, Getreide)
4,63 l (Bremen)
6,96 l (Hamburg)
Tonne 100 Stof = 114,5 l (Bier)
Ohm, Ohme, Ahm, Aam,
Saum, Sauma, Soma, Sohm
120 Quart = 120 Stof = 1,374 hl (Branntwein, Preußen)
1,4342 hl (Frankfurt am Main)
1,501 hl (Baden und Schweiz)
26 Viertel = 104 Maß = 1,374 hl (Preußen)
Oxhoft 1½ Ohm = 148,6-235,5 l (Wein, Bier)
1½ Ohm = 180 Quart = 206,11 l (Preußen vor 1872)
Steckkanne 16 Mingelen
Kanne 1,123 l (Altenburg)
1,819 l (Gotha)
1,9 l (Hannover)
0,936 l (Sachsen)
Nößel ¼ Kanne
Fass, Gebinde 229 l (Preußen)
Fuder 6 Ohm
800–1840 l (je nach Region, Zeit und Ware, meist Wein)
Anker rund 33-45,4 l, meist um 37 l (Wein)
Lägel 50 l (Hessen, Wein)
45 l (Schweiz)
Last Hohlmaß für Trockenkörper im nördlichen Europa
30 Scheffel = 32,98 hl (Hamburg)
16,69 hl (Dänemark)
Zuber 150 hl (Baden, Getreide)
Himpten, Himten etwa 31 l (regional unterschiedlich)
Last 15 Tonnen = 60 Vierup = 240 Fäßchen = 2160 Krug = 8640 Ort = 34560 Maatjes
Fuder 4 Oxhoft = 6 Ohm = 24 Anker = 60 Eimer = 240 Stübchen


[Bearbeiten] Gewichtsmaße

 Gewichtmaße - Umrechnungstabelle aus math. Lehrbuch von 1848
vergrößern
Gewichtmaße - Umrechnungstabelle aus math. Lehrbuch von 1848
Zent, Cent 1/100 Gran
rund 166,67 mg (Bayern, Preußen, Sachsen, Hessen)
Gran, Grän, Korn 16 Teile
1/12 Karat = ca. 16,67 mg
0,812 g (Gold und Silber)
0,05 g (Edelsteine und Perlen)
ca. 0,063 g (Apotheke)
Karat (Kt) 205,1 mg (jetzt 200 mg)
Unze 144 Karat
2 Lot (Handel)
28,35 g
31,1 g
Skrupel von lat. scrupulus = Steinchen; skrupellos: Ein Apotheker ohne Skrupel konnte nicht exakt arbeiten.
1/24 Unze
1/20 Unze
Hellergewicht
Pfenniggewicht 2 Hellergewichte
Quint, Quent, Quentin,
Quentchen
4 Pfenniggewichte
3,65 g (von lat. "Fünftel")
1/10 Lot = 1,67 g (Preußen ab 1858)
Lot, Loth 4 Quentchen
1/30 bis 1/32 Pfund (ursprünglich)
15,6-16,6 g
14,606 g (Preußen)
16 Grän (Edelmetalle und Münzen)
18 Grän = 1/16 Mark (Edelmetall)
Neulot 50 g
Mark 16 Lot (Edelmetalle und Münzen bis 1857)
233,856 g (Köln)
214 g. (Altnorwegen bis 15. Jh.) = 8 Øre = 24 Ertog = 240 Pfennig
Pfund (Pfd) 32 Lot = 16 Unzen
30 Lot
467,404 g (Preußen)
500 g (Deutscher Zollverein 1858)
Stein 22–40 Pfund
Zentner (ztr) 100 Pfund
110 Pfund = 51,498 kg (Preußen)
100 Pfund = 50 kg (Deutscher Zollverein 1840)
100 kg (Schweiz, Russland)
Doppelzentner (dz),
Quintal (q)
2 Zentner
1 Dezitonne = 1 dz = 100 kg
Schiffpfund 3 Zentner = 20 Lispfund (Schiffsfrachten)
Schiffzentner 40 Zentner (Schiffsfrachten)
Lägel, Lögel rund 70 kg (Steiermark, Stahl)
Last, Kommerzlast Maß für die Tragfähigkeit eines Schiffs
3000 kg (Bremen und Hamburg)
2000 kg (übriges Deutschland)
Tael chinesische Gewichtseinheit für Edelmetall
10 Chin (Mace) = 100 Fen (Candareen) = 1000 Li = 37,78 g
34,246 g in Shanghai
33,387 g im Außenhandel auf Basis des Peso
Apothekerpfund 12 Unzen = 350,78 g
Apothekerunze 2 Lot = 8 Drachmen
Apothekerdrachme 3 Skrupel = 60 Gran = 3,65 g
Pfund-Schwehr 320 Pfund
Schiff-Pfund 200 Pfund
Ließ-Pfund 14 Pfund

[Bearbeiten] Siehe auch

Kategorie:Alte Maße und Gewichte in:

Geschichte von Maßen und Gewichten, Schriftsatzmaße

[Bearbeiten] Literatur

  • Alte Masse, Münzen und Gewichte. Ein Lexikon von Helmut Kahnt und Bernd Knorr. Bibliographisches Institut Mannheim/Wien/Zuerich 1987. (= Lizenzausgabe von VEB Bibliographisches Institut Leipzig 1986)
  • Kleines Handbuch der Maße, Zahlen Gewichte und der Zeitrechnung. Von Wolfgang Trapp. Reclam Stuttgart, 2. Auflage 1996 ISBN 3-15-008737-6
  • Johann Christian Nelkenbrechers Taschenbuch eines Banquiers und Kaufmanns: enthaltend eine Erklärung aller ein- und ausländischen Münzen, des Wechsel-Courses, Usos, Respect-Tage und anderer zur Handlung gehörigen Dinge; mit einer genauen Vergleichung des Ellen-Maaßes, Handels-, Gold- und Silber-Gewichts, auch Maaße von Getreide und flüssigen Sachen derer fürnehmsten europäischen Handels-Plätze Johann Christian Nelkenbrecher. Reprint Düsseldorf: VDM-Verl. Müller, 2004. ISBN 3936755582.

[Bearbeiten] Weblinks

! Maße und Gewichte

[Bearbeiten] Onoda Hiro

Anmerkung: Bei diesem Artikel wird der Familienname vor den Eigennamen der Person gesetzt. Dies ist die übliche Reihenfolge im Japanischen. Onoda ist hier also der Familienname, Hiro ist der Eigenname.


Leutnant Onoda Hiro, ((jap. 小野田 寛郎; *19. März 1922) ist ein früherer japanischer Nachrichtenoffizier, der 1974 auf der philippinischen Insel Lubang entdeckt worden ist. Dort war er stationiert, als im Februar 1945 amerikanische Truppen die Insel überrannten und kurz darauf das Kriegsende verkündeten. Der größte Teil der japanischen Streitkräfte wurde getötet bzw. gefangen genommen. Onoda und einige andere Soldaten konnten jedoch in den Dschungel flüchten und sich dort verstecken.

29 Jahre lang weigerte er sich zu kapitulieren, denn jeden Versuch, ihn vom Ende des Krieges zu überzeugen, hielt er für eine List. Er setzte seinen Feldzug mit drei weiteren Soldaten fort. Einer verließ ihn und zwei wurden getötet, sodass er allein in den Bergen zurück blieb. 1960 wurde er in Japan offiziell für tot erklärt.

Als der japanische Student Norio Suzuki ihn fand, weigerte er sich nach wie vor anzuerkennen, dass der Krieg vorbei sei. Er verlangte einen eindeutigen Beweis und den ausdrücklichen Befehl, den Kampf zu beenden. Suzuki bot seine Hilfe an und kehrte mit einigen Fotos, die ihn und Hiro zeigten, nach Japan zurück. 1974 konnte die japanische Regierung den ehemaligen Kommandeur Hiros ausfindig machen und ließ ihn schließlich nach Lubang fliegen, wo er Hiro formell vom Kriegsende unterrichtete. Diesen Befehl akzeptierte er und kam 29 Jahre nach dem 2. Weltkrieg aus dem Dschungel. Zu dieser Zeit trug er immer noch seine Uniform, sein funktionsfähiges Schwert, sein Gewehr sowie einiges an Munition bei sich.

Obwohl er während seiner Zeit in den Philippinen dreißig Bewohner der Insel getötet hatte und in etliche Schießereien mit der Polizei verwickelt gewesen war, wurde er aufgrund der Umstände von Präsident Marcos begnadigt.

Nach seiner Rückkehr nach Japan siedelte sich Hiro in Brasilien an und wurde Viehzüchter. 1996 kehrte er noch einmal nach Lubang zurück und spendete der örtlichen Schule 10.000 Dollar.


Bild (extern)


[Bearbeiten] Literatur

[Bearbeiten] Siehe auch

Kategorie:Japaner Kategorie:Geboren 1922 Kategorie:Militärperson (Japan) Kategorie:Pazifikkrieg (Person)

[Bearbeiten] Yokoi Shoichi

Yokoi Shoichi (????) (* 31. März 1915; † 22. September 1997) war ein Feldwebel der Armee des Japanischen Kaiserreichs, den die Nachricht von der Kapitulation Japans im Dschungel von Guam nicht erreichte. Als die Truppen unter General Douglas MacArthur die Insel erreichten, zog er sich in eine Höhle zurück und verweilte dort die nächsten Jahre als eine Art moderner Robinson Crusoe allein in der Wildnis. Seine Entdeckung im Jahre 1972 führte zu großem Medienaufsehen.

Er kommentierte seine Rückkehr mit den Worten: "???????????????????????" (hazukashinagara ikinagaraete, kaettekimashita. "Es ist mir sehr peinlich, aber ich habe überlebt und bin heimgekehrt.") Dieser Ausspruch ist mittlerweile zum geflügelten Wort geworden, das Japaner scherzhaft verwenden, wenn sie von einer Auslandsreise zurückkehren.

Nachdem er von den Titelseiten wieder verschwunden war, heiratete er und zog sich in der Präfektur Aichi aufs Land zurück.

Im Jahr 1991 erhielt er eine Audienz beim Kaiser Akihito. Dies empfand er als größte Ehrung seines Lebens.

[Bearbeiten] Siehe auch

  • Onoda Hiro

Kategorie:Japaner Kategorie:Militärperson (Japan) Kategorie:Pazifikkrieg (Person)

[Bearbeiten] Johannes Bückler

Bückler mit Frau und Kind
vergrößern
Bückler mit Frau und Kind

Johannes Bückler (frz. Jean Buckler; genannt Schinderhannes oder Robin Hood vom Hunsrück; * 1777 (evtl. auch 1778 oder 1779) in Miehlen, Taunus; † 21. November 1803 in Mainz) war ein deutscher Räuber.

Carl Zuckmayer umschrieb den Hunsrückräuber in seinem Schinderhanneslied mit den Worten: „Das ist der Schinderhannes, Der Lumpenhund der Galgenstrick, Der Schrecken jedes Mannes, Und auch der Weiber Stück...“.

[Bearbeiten] Herkunft

Wildromantisches Hahnenbachtal zwischen Schneppenbach und Bundenbach
vergrößern
Wildromantisches Hahnenbachtal zwischen Schneppenbach und Bundenbach

Der Name »Schinderhannes« verweist auf den Beruf des Vaters, der als Wasenknecht (Abdecker) arbeitete. Der Vater Johannes Bückler stammte aus Merzweiler bei Grumbach, seine Vorfahren lebten auf der Wallenbrück in Womrath auf dem Hunsrück. Die Mutter Anna Maria, geborene Schmidt, kam aus Miehlen bei Nastätten im Hintertaunus. Die Eltern Bücklers flüchteten 1783 wegen eines Holzfrevels und eines Wäschediebstahls der Mutter aus Miehlen. 1784 ließ sich der Vater für sechs Jahre vom österreichischen Heer anwerben. Er diente in Mähren, desertierte 1787 und kehrte zunächst in seinen Geburtsort Merzweiler zurück.


[Bearbeiten] Leben

Die räuberische Karriere des jungen Johannes Bückler begann aber erst mit den Revolutionskriegen ab 1794, als französische Truppen das gesamte linksrheinische Gebiet besetzt hatten und damit den Hunsrück in einen anarchischen Zustand versetzten. Hunger, Arbeitslosigkeit und das Fehlen der alten Ordnungsmacht ließen über zwanzig Prozent der Bevölkerung ihr Heil und Überleben in Diebstahl und Raub suchen.

Bückler selbst dürfte in etwa ab 1795 mit Vieh- und Nahrungsdiebstahl begonnen haben. In Kirn wurde er erstmals gefangen genommen, konnte aber kurz darauf entfliehen. Es folgte vollends der Abstieg in die Halbwelt. Kurz darauf schon muss sich Bückler einer Bande angeschlossen haben, zu der u.a. auch der noch heute aus Kinderkartenspielen bekannte Schwarze Peter gehörte. Nur wenig später wurde Bückler, durch seine Schnelligkeit wie auch seine Lesefähigkeit ausgezeichnet, Anführer dieser Bande, die dann auch Morde zu verüben begann.

[Bearbeiten] Räuberbande

Die Bande des Schinderhannes bestand aus ein bis zwei Dutzend Mitgliedern, die bedarfsweise durch Boten zusammengerufen wurden, also durchaus normalen Tätigkeiten nachgingen. Die Bande lebte nicht nur von Diebstählen und Raub, sondern auch Erpressungen, die vor allem über Briefforderungen ausgeführt wurden. Bei Entführungen wurden aber die Opfer hie und da trotz Lösegeldzahlungen ermordet. Auch gilt heute als gesichert, dass der Schinderhannes sich weder auf »den Krieg gegen Reiche, Juden und Franzosen« beschränkte, noch ein Wohltäter der Armen war. Dennoch scheint es gerade unter den armen Bauern schon früh eine Unterstützung der Bande gegeben zu haben. Denn in den Augen des einfachen Volkes wurden die Juden von den Franzosen bevorzugt (siehe: Judenemanzipation), was Neid und Unmut hervorrief. Schinderhannes nutzte diese Stimmung gegen die Juden, indem er immer wieder Juden beraubte. Dies brachte ihm die Sympathie des Volkes ein und mag später zu verklärenden Geschichten und Legenden seiner Taten beigetragen haben.

Johannes Bückler stellte sich bald der Besatzungsmacht entgegen, wurde 1799 kurzzeitig im heutigen Schinderhannes-Turm in Simmern inhaftiert , von wo ihm aber die Flucht gelang.

Mit dem neuen Jahrhundert begann allmählich das französische Polizeisystem Wirkung zu zeigen. Der auch wegen seiner Frauengeschichten berühmte Schinderhannes befand sich ab 1800 auf der Flucht. Nach zahlreichen Vorgängerinnen, von denen namentlich lediglich eine Elise Werner, eine Budzliese-Amie aus Schneppenbach und eine Katharina Pfeiffer überliefert sind, wurde seine achte oder neunte Geliebte die im Volksmund auch Julchen genannte Juliana Blasius. Juliana wurde die erste beinahe ebenbürtige (und ebenso legendäre) Begleiterin des flüchtigen Räubers.

Um 1801 hauste die Bande des Schinderhannes auf der halb verfallenen Schmidtburg im Hahnenbachtal oberhalb von Kirn. Im nahegelegenen Dorf Griebelschied feierte man sogar öffentlich einen sogenannten Räuberball. Vielleicht durch diesen Übermut wurde die längst sich im Fokus polizeilicher Interessen befindende Bande dann auch lokalisierbar. Nachdem Bückler noch einmal der Verhaftung entgangen war, ließ er sich von der kaiserlichen Armee unter dem Namen Jakob Schweikard rekrutieren, wurde dort aber von einem Verbrecherkollegen namens Zerfass erkannt und denunziert.

[Bearbeiten] Verhaftung und Verurteilung

Am 31. Mai 1802 wurde er bei Wolfenhausen gefaßt und nach Frankfurt am Main gebracht. Zu diesem Zeitpunkt schwankte Bücklers Entschlossenheit ein Räuberleben zu führen. Er versprach den kaiserlichen Behörden über alle seine Straftaten Auskunft zu geben, solange er nicht an die Franzosen ausgeliefert werde. Nach mehreren ausführlichen Verhören wurde er jedoch mit Julchen und einigen Komplizen am 16. Juni 1802 an die französischen Behörden übergeben und nach Mainz gebracht.

Nach der Übergabe war Bückler im Holzturm in Mainz inhaftiert und wurde während der neunmonatigen Voruntersuchung durch Wilhelm Wernher 54 Einzelverhören unterworfen, in denen ihm 565 Fragen gestellt wurden. Hinzu kamen noch zahlreiche Gegenüberstellungen. Wernher hielt Bücklers Hoffnung auf ein gnädiges Urteil aufrecht und konnte ihm so umfangreiche Geständnisse entlocken. Ohne sich jedoch selbst in einer Weise zu belasten, dass er eine Todesstrafe hätte befürchten müssen, benannte er 68 Mitglieder seiner Bande, von denen dann 19 zum Tode verurteilt wurden. Am 24. Oktober 1803 begann der Prozess, der bereits eine große Volksmenge anzog. Die Verlesung der 72-seitigen Anklageschrift in deutsch und französisch nahm eineinhalb Tage in Anspruch. Die Bildung der Räuberbande wurde auf die Unruhen und Verwirrungen während der letzten Kriege zurückgeführt. Da eine Durchsetzung der Gesetze zu dieser Zeit nicht einwandfrei möglich war, war die Verlockung Verbrechen zu verüben groß. Bückler wurde nach einem ihm wahrscheinlich unbekannten Gesetz, das ab 1794 auch für jedweden räuberischen Einbruch in ein bewohntes Haus die Todesstrafe vorsah, 1803 zum Tode verurteilt. Das Urteil stand jedoch schon vier Tage vor der Urteilsverkündung fest, da bereits am 16. November „28 Särge für Johann Bückler und Consorten bestellt“ wurden.

Johann Bücklers Vater wurde zu 22 Jahren „Kettenstrafe“ verurteilt, starb aber nach wenigen Wochen am 16. Dezember 1803. Julchen Blasius verbüßte zwei Jahre Zuchthaus. Sie gebar bereits vor dem Prozess in Gefangenschaft am 1. Oktober Bücklers Sohn, Franz Wilhelm. Er starb als Unteroffizier der österreichischen Armee.

Bückler selbst wurde am 21. November 1803 durch das Fallbeil öffentlich hingerichtet. Die Rümpfe und Köpfe der Räuber wurden direkt im verdeckten Raum unter der Guillotine wissenschaftlichen Untersuchungen unterzogen. Es sollte im Auftrag der „Medizinischen Privatgesellschaft zu Mainz“ u.a. mit Elektroschocks festgestellt werden, wann der menschliche Körper tatsächlich klinisch tot sei. Aufgrund dieser Untersuchungen ist der wahre Aufbewahrungsort von Bücklers Leichnam nicht gesichert. Angeblich sollen seine Gebeine in der Heidelberger Anatomie liegen.

Bin weit in der Welt 'rumgekommen, im Wald hat man mich gefangen, man führte mich in die Stadt hinein, wo ich sollt gehangen sein.“ (Volksweise)

Die Legendenbildung begann schon mit der Exekution selbst. Bereits während der Exekution wurden Groschenhefte verkauft, die ein überhöhtes Bild des Verbrechers zeichneten und auch seinen Ruf eines „Robin Hood vom Hunsrück“ begründeten. Die literarisch bekannteste Darstellung des Verbrechers als „edlen Räubers“ bot dann aber erst Carl Zuckmayers Schinderhannes (1927).

[Bearbeiten] Literatur

  • Nacken, Edmund : Schinderhannes, Räuber oder Rebell, Simmern (F.Böhmer) 1961
  • Nacken, Edmund : Johannes durch den Wald, in Merian Nr 6 XV (Juni 1962)
  • Bayerlein, Peter: Schinderhannes-Chronik. Von Miehlen bis Mainz - Mainz-Kostheim : Probst, 2003 (ISBN 3-936326-27-4)
  • Bayerlein, Peter: Schinderhannes-Ortslexikon. Von Abentheuer bis Züsch - Mainz-Kostheim : Probst, 2003 (ISBN 3-936326-28-2)
  • Probst, Ernst: Der Schwarze Peter. Ein Räuber im Hunsrück und Odenwald, Mainz-Kostheim : Probst, 2005 (ISBN 3-936326-39-8)
  • Helmut Kreuzer: "Schinderhannes": ein Räuber um 1800 bei Clara Viebig, Carl Zuckmayer und Gerd Fuchs. Zum 200. Jahrestag der Hinrichtung Johannes Bücklers in Mainz am 21. November 1803. In: Suevica. Beiträge zur schwäbischen Literatur- und Geistesgeschichte 9 (2001/2002). Stuttgart [2005], S. 179-197 (ISBN 3-88099-428-5)
  • Franke, Manfred: Schinderhannes: das kurze, wilde Leben des Johannes Bückler, neu erzählt nach alten Protokollen, Briefen und Zeitungsberichten - Hildesheim, Claasen, 1993 (ISBN 3-546-00041-2)

[Bearbeiten] Film

Die Geschichte wurde in Der Schinderhannes unter der Regie von Helmut Käutner und prominenter Darsteller, wie Curd Jürgens und Maria Schell, 1958 auf Basis von Carl Zuckmayers Schinderhannes verfilmt.

[Bearbeiten] Weblinks

Wikinews: Schinderhannes – Nachrichten

Buckler, Johannes Buckler, Johannes Buckler, Johannes Buckler, Johannes Buckler, Johannes Buckler, Johannes Buckler, Johannes


[Bearbeiten] Oscar, die Bordkatze der Bismarck

Flugzeugträger HMS Ark Royal
vergrößern
Flugzeugträger HMS Ark Royal

Oscar, die Bordkatze der Bismarck wurde für den Untergang von drei Schiffen verantwortlich gemacht.

Schiffskatzen hatten vor allem auf den Segelschiffen eine wichtige Funktion als Mäuse- und Rattenfänger und halfen so, die Vorräte zu schützen und Krankheiten zu verhindern. Moderne Schiffe hielten sich Katzen mehr als Maskottchen, als psychologisches Element für die Besatzung. Eine dieser Katzen war Oscar, die Bordkatze des Schlachtschiffes Bismarck. Dieser schwarz-weiß gefleckte Kater machte auch die letzte Fahrt der Bismarck mit, die nach der Versenkung der Hood, einer Verfolgung durch die britische Flotte, zum Luftangriff auf die Bismarck und schließlich zu deren Selbstversenkung am 27. Mai 1941 führte.

Unter den nur 115 Überlebenden von fast 2.100 Besatzungsmitgliedern war auch Oscar, der vom britischen Zerstörer HMS Cossack gerettet wurde (eine einmalige Episode in der Seekriegsgeschichte). Oscar wurde zur Schiffskatze des Zerstörers, der allerdings schon am 24. Oktober 1941 durch ein deutsches U-Boot torpediert und schwer beschädigt wurde. 159 Seeleute starben bei dem Torpedotreffer. Alle Versuche, den Zerstörer zu retten, schlugen fehl. Die HMS Cossack musste am 26. Oktober aufgegeben werden und sank. Oscar überlebte und wurde nach Gibraltar gebracht.

Dort fand er seine nächste Station auf der auch an der Versenkung der Bismarck beteiligten HMS Ark Royal, dem schlagkräftigsten Flugzeugträger der Royal Navy. Doch auch diesem Schiff brachte Oscar kein Glück. Schon früher mehrfach angegriffen und wieder repariert, galt die HMS Ark Royal als glückhaftes Schiff, bis sie mit Oscar an Bord bei der Rückkehr von einem Einsatz bei Malta am 13. November 1941 vom deutschen U-Boot U-81 torpediert wurde und am 14. November ca. 30 Meilen vor Gibraltar sank.

Wieder war Oscar unter den Geretteten, doch dieses Mal durfte der nun als Unglücksbringer verdächtigte Kater nicht mehr auf einem Schiff seinen Dienst bei der Royal Navy ableisten. Er wurde in das Amtsgebäude des Gouverneurs von Gibraltar versetzt.

Von dort aus fuhr er nach Kriegsende nur noch ein Mal mit einem Schiff, und zwar nach Belfast. Altershalber ausgemustert lebte Oscar im Seemannsheim „Home for Sailors“ noch bis 1955. Sein Porträt erhielt nach seinem Tode einen Ehrenplatz im National Maritime Museum in Greenwich.

[Bearbeiten] Weblinks

Kategorie:Marinegeschichte Oscar

[Bearbeiten] Gerrymandering

Satirische Darstellung der Wahlbezirke Massachusetts aus dem Jahr 1812
vergrößern
Satirische Darstellung der Wahlbezirke Massachusetts aus dem Jahr 1812

Gerrymandering ['d????mænd???], ein Begriff der Politikwissenschaft, ist die absichtliche, dem Stimmgewinn dienende Manipulation der Grenzen von Wahlkreisen bei einem Mehrheitswahlsystem. Der Begriff ist benannt nach einem Gouverneur von Massachusetts des frühen 19. Jahrhunderts, Elbridge Gerry, dessen Wahlbezirk nach einem Neuzuschnitt – wie ein zeitgenössischer Zeitungskarikaturist bemerkte – einem Salamander glich. Daher auch der Name Gerry + Salamander.

Die Manipulation setzt damit an der Wahlkreisgeometrie und nicht der Wahlkreisgröße an. Zumindest bei systematischem Gerrymandering ist von Wahlfälschung als Form der Abweichung von Mindeststandards für Wahlen auszugehen. Ein reines Verhältniswahlrecht schließt Gerrymandering aus; gemischte Systeme wie in Deutschland reduzieren zumindest den durch Gerrymandering erzielbaren Effekt.

[Bearbeiten] Strategien

Beim Gerrymandering sind mehrere Strategien zu unterscheiden:

Verdünnung
Wahlkreiszuschnitt, sodass die Opposition den Wahlkreis nicht gewinnen kann und die oppositionellen Stimmen verfallen.
Hochburgbildung
Möglichst viele Wähler der Opposition in einem „Wegwerf“-Wahlkreis zusammenfassen, sodass viele überschüssige, für den Wahlerfolg nicht mehr benötigte Stimmen anfallen, die der Opposition dann in anderen Wahlkreisen fehlen.
Aufeinanderhetzung
Dies ist dann möglich, wenn nur Bewohner des Wahlkreises darin auch wählbar sind. Ein Wahlkreis wird so gebildet, dass zwei z. Z. aktive Abgeordnete der Opposition ihren Wohnsitz darin haben. Einer der beiden muss umziehen oder bei der nächsten Wahl gegen den anderen kandidieren oder seinen Sitz aufgeben.
Eine Hand wäscht die andere
Beide Parlamentsfraktionen teilen gemeinsam die Wahlkreise so auf, dass derzeitige Sitzinhaber mit großer Wahrscheinlichkeit wiedergewählt werden, während Gegenkandidaten wenig Chancen haben. Anstrengende Wahlkampagnen und schwer zu haltende Wahlversprechen werden somit vermieden, auch müssen die Abgeordneten kaum noch Rücksicht auf die Wechselwähler der politischen Mitte nehmen und können somit besser auf Parteilinie gebracht werden.

[Bearbeiten] Auftreten

[Bearbeiten] In den USA

Das Gerrymandering wird in den Vereinigten Staaten von Amerika inzwischen systematisch per Computer und Data-Mining durchgeführt, so dass im US-Repräsentantenhaus nur noch ca. 1/15 der Sitze wirklich regelmäßig umkämpft sind. Die übrigen sind inzwischen mehr oder minder zum Gewohnheitsbesitztum der beiden Parteien geworden. Im Senat, wo die Wahlbezirke den ganzen Bundesstaaten entsprechen und Gerrymandering somit unmöglich ist, sind knappe Ergebnisse und spannende Wahlkämpfe dagegen viel häufiger. Allerdings sind auch die Grenzen der Einzelstaaten teilweise auf Gerrymandering bei der Umwandlung von Territorien in Staaten im 19. Jahrhundert zurückzuführen. In Aufsehen erregenden US-Gerichturteilen ist Gerrymandering übrigens (siehe Telepolis-Links) mittlerweile für rechtsgültig befunden worden – solange es aus „politischen“ und nicht etwa aus „rassistischen“ Gründen praktiziert wird.

Im Jahr 2003 haben in Texas demokratische Abgeordnete versucht, Gerrymandering zu unterbinden, indem sie Abstimmungen fern blieben (und teilweise ihren Aufenthaltsort in andere US-Bundesstaaten verlegten) und so das texanische Parlament beschlussunfähig machten. Daraufhin wurden eine Fahndung nach diesen Abgeordneten durch das Department of Homeland Security mit über 1000 mobilisierten Einsatzkräften durchgeführt, die jedoch ohne Erfolg blieb.

[Bearbeiten] Weiteres Vorkommen

Umstritten sind Praktiken des Gerrymandering auch

Andererseits kamen laut wahlrecht.de (s.u.) sogar beim Neuzuschnitt der Bundestagswahlkreise in Berlin Vorwürfe auf, hier würden West- und Ostbezirke so miteinander verknüpft, dass die Chancen der PDS auf Direktmandate dabei minimiert sind, wofür auch das Ergebnis der Bundestagswahl 2002 sprechen könnte. Bei der Bundestagswahl 2005 gab es diesen Effekt nicht.

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Weblinks

Kategorie:Politischer Begriff Kategorie:Politik (USA)

[Bearbeiten] Toiletten in Japan

Moderne Japanische Toiletten haben ein eingebautes Bidet zur Intimreinigung
vergrößern
Moderne Japanische Toiletten haben ein eingebautes Bidet zur Intimreinigung
Japanisches Urinal
vergrößern
Japanisches Urinal
typische Toilette in Japan mit Bedienelementen
vergrößern
typische Toilette in Japan mit Bedienelementen

In Japan sind drei verschiedene Typen von Toiletten im Gebrauch. Die älteste Form ist die Stehtoilette, die noch immer in öffentlichen Bedürfnisanstalten üblich ist. Nach dem Zweiten Weltkrieg fanden westliche Wasserklosetts und Urinale wachsende Verbreitung. In neuester Zeit hat der technische Fortschritt die Entwicklung von Toiletten mit Bidetfunktion ermöglicht, die man Washlets nennt (japanisch ???????), ein Markenname der Toto Ltd. aus Kitakyushu. Diese Toiletten können viele technisch fortgeschrittene Funktionen erfüllen, die man außerhalb Japans nur äußerst selten antrifft. So ist in der Regel die Toilettenbrille auf Körpertemperatur beheizt (mit dem unerwünschten Nebeneffekt, dass Keime sich schnell vermehren können), Wassertemperatur und -druck der Bidetfunktion sind wählbar und der Toilettensitz ist mit einem geruchsfilternden Lüfter versehen; seltener das Becken selbst mit einer Luftabzugsvorrichtung.

[Bearbeiten] Geschichte

Hölzernes „Toilettenpapier“ aus der Nara-Periode. Das moderne Toilettenpapier im Hintergrund dient zum Größenvergleich
vergrößern
Hölzernes „Toilettenpapier“ aus der Nara-Periode. Das moderne Toilettenpapier im Hintergrund dient zum Größenvergleich
Toilette eines wohlhabenden Japaners aus Nakatsugawa, Meiji-Zeit
vergrößern
Toilette eines wohlhabenden Japaners aus Nakatsugawa, Meiji-Zeit

Die ältesten Kanalisationssysteme in Japan stammen aus der Yayoi-Zeit (300 v. Chr.250 n. Chr.) und wurden wahrscheinlich in Verbindung mit Toiletteneinrichtungen in größeren Siedlungen angelegt. Für die spätere Nara-Zeit (710784) ist die Errichtung eines Abwassersystems für die damalige Hauptstadt Nara belegt. Aus dieser Zeit stammen auch die ersten belegten Wassertoiletten, bestehend aus einem 10 bis 15 cm breiten Bach, den man ähnlich wie die moderne Stehtoilette benutzt hat. Aus dieser Zeit ist auch hölzernes Toilettenpapier erhalten. Weiterhin wurden auch Überbauungen offener Latrinengruben ähnlich den heutigen „Plumpsklos“ als Toiletten benutzt.

Zur Selbstreinigung diente anfangs Seetang, bis in der Edo-Zeit das Toilettenpapier eingeführt wurde, das man damals aus dem traditionellen Washi-Papier herstellte. In Gebirgsregionen wurden auch Holzschaber und Pflanzenblätter eingesetzt.

Toiletten wurden oftmals über fließenden Gewässern errichtet, um einen einfachen Abtransport der Fäkalien zu erreichen. Dennoch waren Latrinengruben häufiger, da sie einfacher zu errichten waren und den Gebrauch der Exkremente als Dünger erlaubten. Dieser Vorteil war gerade deshalb wichtig, da die Viehhaltung auch als Folge des mit dem Vegetarismus verbundenen Buddhismus nicht im großen Umfang betrieben wurde und somit Jauche oder Gülle als Düngemittelquelle weitgehend ausfiel. Diese Praxis trug übrigens erheblich zu den Hygienestandards im alten Japan bei, die viel besser waren als im damaligen Europa, wo der Unrat oft einfach auf die Straßen geworfen wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg fanden chemische Düngemittel allgemeine Verbreitung. Trotzdem wird auch heute noch gelegentlich auf traditionelle Methoden zurückgegriffen. In Okinawa waren Toiletten oft an Schweinekoben angebaut. Diese Sitte wurde nach dem Krieg beendet.

In der Azuchi-Momoyama-Zeit (15681600) wurde der Taiko-Kanal um die Burg Osaka angelegt, die noch heute in Betrieb ist. Die Benutzung moderner Kanalisationsanlagen begann 1884 mit dem Bau der ersten gemauerten Kanalisierung in Kanda, Tokio. Nach dem Großen Kanto-Erdbeben wurden weitere Kanalisierungen vorgenommen, um Epidemien nach zukünftigen Erdbeben vorzubeugen. Die Einführung von Abwassersystemen im großen Stil wurde dennoch erst nach dem Zweiten Weltkrieg betrieben, um den Anforderungen der schnell wachsenden Ballungszentren gerecht zu werden. Im Jahr 2000 waren 60 % der Bevölkerung an das öffentliche Abwassernetz angeschlossen.

Westliche Toiletten und Urinale erschienen in Japan erstmals zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Zu größerer Verbreitung gelangten sie jedoch erst unter der US-amerikanischen Besatzung nach 1945. Bereits 1977 überstieg schließlich der Absatz westlicher Toiletten den von traditionellen Stehklos. Auf der Grundlage schweizerischer und amerikanischer Technik entwickelte die Firma Toto 1980 das so genannte Washlet, und auch heute noch sind japanische Firmen führend in der Herstellung technisch fortgeschrittener Toilettensysteme.

[Bearbeiten] Terminologie

Im Japanischen gibt es mehrere Ausdrücke für Toiletten bzw. die Räume, in denen diese aufgestellt sind. Das gebräuchlichste Wort ist Toire (???), eine Abkürzung von Toiretto (?????), das dem englischen toilet entliehen ist. Ebenso wie das Wort „Toilette“ im Deutschen können beide Begriffe sowohl die Toilette selbst als auch den Toilettenraum bezeichnen.

Unter den vielen anderen Bezeichnungen für Toilettenräume ist wahrscheinlich Otearai (????, wörtlich „Händewaschen“) am verbreitetsten, eine Lehnübersetzung des englischen lavatory. Im engeren Sinne bezieht sich dieser Ausdruck auf das Waschbecken und hat somit eine ähnliche euphemistische Funktion wie das amerikanische bathroom. Ein anderer Anglizismus, der sich nicht allgemein durchgesetzt hat, ist das Wort Resutorum (??????, von englisch restroom). Der Ausdruck Benjo (??, wörtlich „Ort des Exkrements“) wird nicht im öffentlichen Verkehr gebraucht, sondern eher im privaten Bereich und zumeist von Männern.

Eine übliche Beschriftung von Schildern, die in der Öffentlichkeit auf Toiletten hinweisen, ist Keshoshitsu (???, wörtlich „Make-up-Zimmer“), oft in Verbindung mit einem Piktogramm.

Es gibt noch eine Reihe anderer Ausdrücke, wie Kawaya (?) oder Habakari (??), aber diese sind meist selten gebraucht oder veraltet.

Die Toilette selbst, das heißt die Schüssel, der Wassertank usw., wird Benki (??, wörtlich „Exkrementvorrichtung“) genannt. Der Toilettensitz ist der Benza (??, „Exkrementsitz“). Töpfchen und Schüsseln für Kinder, Alte oder Kranke werden als Omaru bezeichnet (Schreibung gelegentlich ???).

Der inoffizielle „Toilettentag“ der Japan Toilet Association (JTA) ist der 10. November, weil in Japan die Zahlen 11 und 10 zusammen als Ii To(ire) gelesen werden können, was auch „gute Toilette“ bedeutet. Der japanische „Abwassertag“ ist am 10. September. Hideo Nishioka, Vorsitzender der JTA, besitzt übrigens eine Sammlung von über 400 Arten verschiedener Klopapiere aus aller Welt.

[Bearbeiten] Toilettentypen

[Bearbeiten] Stehtoiletten

Eine heutige japanische Stehtoilette mitsamt Toilettenpantoffeln. Auf dem handgeschriebenen Schild steht „Bitte kauere dich etwas näher“
vergrößern
Eine heutige japanische Stehtoilette mitsamt Toilettenpantoffeln. Auf dem handgeschriebenen Schild steht „Bitte kauere dich etwas näher“

Die traditionelle japanische Toilettenform (japanisch ?? Washiki) ist das Stehklo, das in dieser Form in ganz Asien verbreitet ist und deshalb auch „asiatische Toilette“ genannt wird. In Bauart und Gebrauch bestehen große Unterschiede zu westlichen (Sitz-)Toiletten und auch zu westlichen Stehklos.

Ein japanisches Stehklo ähnelt einem kleinen Urinal, das liegend in den Boden eingelassen ist. Die meisten sind aus Porzellan, wenn auch in manchen Fällen wie z. B. in Zügen rostfreier Stahl eingesetzt wird. Der Spülmechanismus, der dem herkömmlicher WCs ähnelt, befördert die Exkremente anschließend durch einen Abfluss in ein Reservoir, dessen Inhalt geleert und in die Kanalisation entsorgt wird. Meist wird die Spülung per Hand mit Hebeln u. ä. ausgelöst, gelegentlich auch per Fußpedal. Viele japanische Toiletten sind zur Wasserersparnis mit zwei Spülarten ausgerüstet: „klein“ und „groß“.

Zwei Varianten sind üblich: Bei der einen ist die Toilette auf einer Höhe mit dem Fußboden, und bei der anderen ist sie auf einem etwa 30 cm hohen Podest eingelassen, was es Männern einfacher macht, stehend in sie zu urinieren. Beide Formen eignen sich jedoch auch zur Benutzung für den Stuhlgang: Anstatt zu sitzen, kauert sich der Benutzer mit dem Gesicht zur Hinterwand über die schmale Schüssel. Während des Vorgangs ist es wichtig, die Körperbalance zu halten. Anfänger und Ausländer halten sich darum oft am vorn angebrachten Rohr fest, das deshalb den Scherznamen „Grunzstange“ trägt – wegen der Geräusche, die dabei gemacht werden. Wenn das Rohr wegen der Konstruktionsweise der Toilette zu schwach ist oder versteckt verläuft, sind oft Griffe angebracht, die dem Benutzer helfen, das Gleichgewicht zu halten. Eine weitere Taktik, die Ausländer oft anwenden, um peinlichen Unfällen vorzubeugen, ist es, die komplette Unterleibsbekleidung abzulegen, bevor die Toilette benutzt wird. Zudem haben viele japanische Stehtoiletten ein Schild, das den Benutzer auffordert: „Tritt einen Schritt näher.“ So soll verhindert werden, dass die Benutzer sich falsch positionieren, wodurch der Kot die Toilettenschale verfehlen könnte.

Ein Vorteil dieser Toilettenform ist die Leichtigkeit ihrer Reinigung. Wegen der simplen Bauweise kann ein Stehklo mit einem Mop geputzt werden. Darüber hinaus sind sie billiger in der Herstellung und haben einen geringeren Wasserverbrauch als ihre westlichen Pendants.

Medizinisch gesehen bieten Stehklos einen Hygienevorteil, da der Benutzer keinen Körperkontakt mit einem Toilettensitz hat. Gerade bei Frauen sollen sie überdies die Beckenbodenmuskulatur trainieren und dadurch der Inkontinenz vorbeugen. Angeblich stärken sie außerdem die Hüftmuskulatur, verbessern die Atmung und das Konzentrationsvermögen, und die Körperhaltung soll die Abfuhr von Exkrementen begünstigen. Allerdings sind diese Zuschreibungen durch keine Studien belegt.

Es gibt auch Stehtoiletten mit integriertem Bidet, d. h. mit einer Wasserdüse zur Reinigung des Anus. Dieses Produkt hat sich aber am Markt nicht durchgesetzt, was an fehlgehenden Spritzern des Wasserstrahls liegen mag. Eine frontale Waschfunktion ist gegenwärtig nicht erhältlich.

Eine seltene Form der japanischen Stehtoilette ist eine Hybride, die über einen verstellbaren Sitz verfügt, so dass die Toilette je nach Einstellung sitzend oder stehend genutzt werden kann. Diese Einrichtungen finden sich fast ausschließlich in ländlichen Gegenden, wo ausländische Sprachlehrer (Assistant Language Teachers) einquartiert sind.

[Bearbeiten] Westliche Sitztoiletten

Das im Westen hauptsächlich vorkommende WC ist in Japan als „Toilette westlicher Art“ (????? yoshiki toire) bekannt. Diese Bauart ist heutzutage zusammen mit den Hightech-Toiletten in Privathaushalten am meisten verbreitet. Während die meisten öffentlichen Einrichtungen wie Schulen, Tempel und Bahnhöfe oft ausschließlich mit Stehtoiletten bestückt sind, ziehen die Japaner privat die Sitztoilette vor – insbesondere ältere Menschen, denen das Kauern und Balancieren auf Stehklos zu anstrengend ist. In manchen älteren japanischen Badezimmern befindet sich noch ein Aufkleber, der die korrekte Benutzung westlicher Toiletten illustriert. Dies stammt noch aus der Zeit, in der westliche Sitztoiletten noch nicht allgemein bekannt waren.

[Bearbeiten] Japanische Washlets

Eine drahtlose Toilettensteuerung mit 38 Tasten.
vergrößern
Eine drahtlose Toilettensteuerung mit 38 Tasten.

Die moderne Toilette in Japan, dort bekannt als Washlet (???????) oder „Toilettensitz mit Warmwasser-Reinigung“ (?????? Onsui Senjo Benza) ist der am höchsten entwickelte Toilettentyp weltweit, der mit einer beeindruckenden Vielfalt von Funktionen ausgestattet ist. Das Washlet Zoe von Toto steht im Guinness-Buch der Rekorde als die Toilette mit den meisten Funktionen. Allerdings ist dieses Modell von 1997, und wurde daher vermutlich inzwischen vom neuesten Modell Neorest überrundet.

Die Idee für das Washlet wurde ursprünglich im Ausland entwickelt, und die erste Toilette mit integriertem Bidet wurde 1957 von der Firma closomat in der Schweiz produziert. In Japan selbst begann das Zeitalter der High-Tech-Klos im Jahr 1980 mit der Einführung der Washlet G-Serie durch Toto. Die Bezeichnung wurde zum Gattungsbegriff für alle späteren japanischen Bidettoiletten. Vor der Markteinführung des Washlet G herrschte die Auffassung, dass nur wenige Menschen bereit sein würden, mehr Geld für eine Sache auszugeben, die sie auch von Hand erledigen könnten. Diese Ansicht wandelte sich, als klar wurde, dass das Konzept funktionierte – und zwar mit erstaunlich guten Resultaten. 2002 besaßen über die Hälfte der japanischen Haushalte eine solche Toilette, und damit war das Washlet verbreiteter als der Heimcomputer.

Während sich die Toilette auf den ersten Blick kaum von einer herkömmlichen Sitztoilette westlicher Art unterscheidet, birgt sie eine Vielzahl von Funktionen wie Warmluftgebläse, Sitzheizung, Massagefunktion, einstellbare Wasserstrahlen, automatischen Deckelöffner, automatische Spülung, drahtlose Bedienelemente, Heizung und Klimaanlage etc., die entweder in die Toilette oder die Klobrille integriert sind. Die Bedienung erfolgt mittels einer separaten Steuerung, die seitlich an der Toilette oder an der Wand befestigt ist und oft drahtlos mit der Toilette kommuniziert.

Zur Grundausstattung zählt die Bidetfunktion, eine Düse von der Größe eines Bleistifts, die unter dem Toilettensitz hervortritt und Wasser verspritzt. Sie hat zwei Einstellungen, eine für anale Reinigung (so genannte „Hinterreinigung“, „Allgemeinnutzung“ oder „Familienreinigung“) und eine weitere für die Intimhygiene der Frau („weibliche Wäsche“). Die Düse berührt den Körper des Benutzers nicht und verfügt über eine Selbstreinigungsfunktion, die vor und nach jeder Benutzung aktiviert wird. Die Reinigungsfunktion selbst wird durch einen Knopf am Bedienelement ausgelöst, wobei beide möglichen Vorgänge durch die gleiche Düse erfolgen. Die Strahlausrichtung wird durch Änderung der Ausrichtung des Düsenkopfes und Lenkung des Strahls durch eine andere Öffnung der Düse herbeigeführt, um die richtige Stelle zu treffen. Gelegentlich sind auch zwei Düsen vorhanden.

Der „Aprikosenwäscher“, eine Werbung von Toto
vergrößern
Der „Aprikosenwäscher“, eine Werbung von Toto

Die Automatik ist mit einem Kontaktschalter an der Klobrille verbunden, so dass der Spritzmechanismus nur ausgelöst werden kann, wenn Druck auf den Sitz ausgeübt wird, also jemand darauf sitzt.

Die meisten High-Tech-Toiletten verfügen über die Möglichkeit, den Wasserdruck des Reinigungsstrahls nach individuellem Wunsch zu regeln. Standardmäßig erfolgt die anale Reinigung mit höherem Druck als die Intimreinigung. Die Wassertemperatur lässt sich meist ebenfalls regulieren. Japanische Forscher haben herausgefunden, dass die bevorzugte Strahltemperatur knapp über der Körpertemperatur liegt – etwa bei 38 °C. Die Düsenposition lässt sich ebenfalls manuell ändern. Spitzenmodelle bieten sogar vibrierende und pulsierende Wasserstrahlen, die nach Angaben der Hersteller gegen Verstopfung und Hämorrhoiden wirksam sein sollen. Die neuesten Typen können sogar Seife in den Wasserstrahl mischen, um bessere Reinigungsergebnisse zu erreichen.

Der Wasserstrahl lässt sich bei hoher Druckeinstellung auch für Einläufe benutzen. Angeblich gebrauchen manche Frauen die Reinigungsfunktion auch zur Selbstbefriedigung. Die Verbreitung dieser Praktiken ist unbekannt.

Eine andere weitverbreitete Funktion ist das Warmluftgebläse, meist zwischen 40°C und 60°C variierbar, um die mit dem Wasserstrahl gereinigten Körperregionen zu trocknen. Darüber hinaus gibt es oft Raumdeodorierer, keimzerstörende Oberflächen und sensorgestützte Deckelöffnungsautomatiken, die den Toilettendeckel selbsttätig öffnen oder/und sachte wieder schließen (soft close).

Das Washlet kann das Toilettenpapier vollständig ersetzen. Dennoch tendieren viele Benutzer dazu, die Hygiene mit der mechanischen oder trocknenden Wirkung von Papier zu ergänzen. Dies hängt auch von der zu reinigenden Körperstelle ab. Papier wird auch manchmal vor der Wasserreinigung eingesetzt.

Die Klobrillenheizung ist ebenfalls eine Grundfunktion und wird auch separat angeboten, als Toilettensitz ohne integriertes Bidet. Im Unterschied zu westlichen Haushalten ist die Zentralheizung in Japan nicht sehr verbreitet, und die Wärmedämmung schwach, so dass das Badezimmer gerade im Winter sehr kalt werden kann.

Modelle für Senioren sind mit Armlehnen ausgerüstet und helfen dem Benutzer, sich nach dem Vorgang wieder zu erheben. Die jüngste Neuerung ist ein Ozon-Deodorierer, der entstehende Gerüche schnell beseitigt. Aktuelle Modelle verfügen über einen Speicher, der die Benutzungszeiten festhält, Energiesparfunktionen der Klobrillenheizung, oder Klimaanlagen für heiße Sommertage. Einige Modelle leuchten im Dunkeln.

Erst kürzlich wurden medizinische Sensoren eingeführt, die anhand des Urins die Blutzuckerwerte messen sowie Puls, Blutdruck und Körperfettanteil anzeigen. An weiteren Messmöglichkeiten wird derzeit geforscht. Die gewonnenen Daten können mittels eines Internetfähigen Mobiltelefons an den Hausarzt gesendet werden. Diese Einrichtungen sind aber selbst in Japan noch sehr selten, und ihr Erfolg am Markt lässt sich gegenwärtig schwer einschätzen. Eine Toilette mit Sprachsteuerung ist in der Entwicklung. Toto, Inax, NAIS und andere Hersteller bieten auch tragbare, batteriebetriebene Washlets an, die vor der Benutzung mit warmem Wasser gefüllt werden müssen.

Urinal in einer Herrentoilette im Meguro-Gajoen-Hotel, Tokio 2003
vergrößern
Urinal in einer Herrentoilette im Meguro-Gajoen-Hotel, Tokio 2003

[Bearbeiten] Urinale

Japanische Urinale und Pinkelrinnen gleichen denen im Rest der Welt und werden ebenfalls vorwiegend auf öffentlichen Herrentoiletten oder Herrentoiletten mit großem Andrang eingesetzt.

Vor und während der Meiji-Zeit wurden Urinale sowohl von Männern als auch von Frauen gebraucht. Traditionell werden Kimonos ohne Unterwäsche getragen, so dass die Frauen leicht ihren Kimono anheben konnten und durch leichten Zug an der Vulva den Urin in ein Urinal zielen konnten. Diese Sitte verschwand im 20. Jahrhundert, nachdem sich bei den meisten Frauen westliche Kleidung durchgesetzt hatte. Heutzutage werden auch die Kimonos fast immer mit Unterwäsche getragen. Das Damenurinal erlebte ein kurzes Revival zwischen 1951 und 1968. Diese Vorrichtungen waren kegelartig geformt und auf dem Boden befestigt. Sie setzten sich aber nicht durch, so dass heute nur noch wenige Damenurinale zu sehen sind, beispielsweise unter dem Nationalstadion, das für die Olympischen Spiele 1964 in Tokio erbaut wurde.

[Bearbeiten] Zubehör

In Japan werden ähnliche Zubehörartikel benutzt wie im Westen, also Toilettenpapier, Klobürste usw. Darüber hinaus trifft man jedoch auch einige spezifische Accessoires an, die man außerhalb Japans kaum findet.

[Bearbeiten] Die „Geräuschprinzessin“

Ein Otohime auf einer Damentoilette
vergrößern
Ein Otohime auf einer Damentoilette

Vielen japanischen Frauen ist der Gedanke unangenehm, jemand könnte Geräusche bei der Toilettenbenutzung von ihnen hören. Um die Geräusche ihrer Körperfunktionen zu überdecken, war es deshalb bei vielen Frauen verbreitet, währenddessen kontinuierlich die Klospülung zu betätigen. Dadurch wurden große Mengen Wassers verschwendet. Da Aufklärungskampagnen keine Wirkung zeigten, wurde in den 1980ern ein Gerät eingeführt, das das Geräusch der Wasserspülung nachahmte und so das tatsächliche Spülen überflüssig machte. Ein bekannter Markenname ist Otohime (??), was wörtlich „Geräuschprinzessin“ heißt, nach der gleichnamigen japanischen Göttin (der Name der Göttin wird eigentlich mit den Kanji ?? geschrieben), der schönen Tochter des Meereskönigs Ryujin. Dieser Apparat wird mittlerweile standardmäßig in die meisten Neubauten öffentlicher Toiletten installiert, und viele ältere Anlagen wurden nachgerüstet. Die Otohime gibt es als separate Wandgeräte oder als integrierte Washlet-Funktion.

Die Aktivierung erfolgt per Knopfdruck oder Handwinken vor einem Sensor. Daraufhin erzeugt das Gerät ein lautes, rauschendes Geräusch ähnlich dem einer Toilettenspülung. Die Wiedergabe wird entweder durch abermaligen Knopfdruck oder den Ablauf einer vorgegebenen Zeit beendet. Es wird geschätzt, dass so etwa 20 Liter Wasser pro Vorgang gespart werden.

Dennoch glauben manche Frauen, dass sich das Otohime zu künstlich anhört, und bevorzugen weiterhin das kontinuierliche Spülen. Für Herrentoiletten existiert bisher kaum Nachfrage nach „Geräuschprinzessinnen“, daher sind sie hier fast nie anzutreffen.

„Geräuschprinzessinnen“ gibt es heute auf fast allen öffentlichen Toiletten Japans.

[Bearbeiten] Toilettenpantoffeln

Ein Paar japanische Toilettenpantoffeln
vergrößern
Ein Paar japanische Toilettenpantoffeln

Das japanische Leben neigt dazu, in „reine“ und „unreine“ Bereiche eingeteilt zu sein, und die Berührungspunkte dieser Bereiche werden so gering wie möglich gehalten. Zum Beispiel wird das Innere der Wohnung als „rein“ betrachtet, während es draußen „unrein“ ist. Um die Unterteilung aufrecht zu erhalten, werden beim Betreten einer Wohnung die Schuhe ausgezogen, so dass die „unreinen“ Schuhe nicht den „reinen“ Bereich berühren.

Historisch befanden sich Toiletten außerhalb des Hauses, und beim Gang zur Toilette wurden Schuhe getragen. Heute ist sie innerhalb der Wohnung, und die hygienische Situation hat sich bedeutend verbessert. Dennoch wird die Toilette weiterhin als „unreiner“ Bereich betrachtet. Um den Kontakt zwischen dem „unreinen“ Boden in der Toilette und dem „reinen“ Boden im Rest des Hauses zu minimieren, stehen in vielen Haushalten und manchen öffentlichen Toiletten Pantoffeln vor dem Eingang, die vor dem Betreten angezogen und nach dem Verlassen sofort wieder abgelegt werden. Gleichzeitig wird so angezeigt, ob die Toilette gerade besetzt ist.

Die Ausführung der Pantoffeln reicht von einfachen Gummilatschen über Manga-bedruckte Kinderschlappen bis hin zu teuren Pelzpantoffeln. Ein häufiger Fauxpas, den Ausländer begehen, besteht darin, die Toilettenpantoffeln nicht sofort wieder auszuziehen, sondern mit ihnen durch die Wohnung zu laufen. Andererseits ignorieren selbst einige Japaner die Toilettenpantoffeln.

Im Jahr 2003 begann ein Versandunternehmen, Pantoffeln am Markt anzubieten, in die man von beiden Seiten „eintreten“ kann. Damit ist es möglich, beim Verlassen der zum Teil extrem engen Toiletten die Pantoffeln ohne größere Akrobatik so stehen zu lassen, dass der nächste Besucher sie beim Betreten der Toilette in der richtigen Position vorfindet. Der besondere Witz bei diesen Pantoffeln ist, dass sie ursprünglich ein Scherzprodukt aus der Chindogu-Bewegung waren. Durch ihren tatsächlichen Einsatz zu praktischen Zwecken verloren sie sofort den Chindogu-Status.

[Bearbeiten] Spülkästen

Ein Hahn auf dem Wasserkasten hilft beim Wassersparen.
vergrößern
Ein Hahn auf dem Wasserkasten hilft beim Wassersparen.

Viele Toiletten verfügen über ein spezielles System zum Wassersparen: Ein Wasserhahn und ein kleines Waschbecken sind auf dem Spülkastendeckel angebracht, so dass die Möglichkeit besteht, sich mit dem Wasser, das den Spülkasten auffüllt, die Hände zu waschen.

[Bearbeiten] Öffentliche Toiletten

Öffentliche Toiletten sind leicht zu finden in Japan, und man muss selten suchen, wenn man ein Bedürfnis verspürt. Ausgestattet sind Kaufhäuser, Supermärkte, die meisten Lebensmittelgeschäfte, viele 24-Stunden-Läden (convini), Buchläden, Musikgeschäfte, Parks, fast sämtliche Autobahnraststätten und Bahnhöfe (meist im "bezahlten" Bereich hinter der Sperre). Der Zugang ist insgesamt besser als in Europa, wo in der Regel gezahlt werden muss, oder in den USA, wo öffentliche Toiletten meist schwer zu finden sind. Vandalismus ist selten. Seit den 1990ern hat es Bemühungen gegeben, diese Orte einladender zu gestalten. Die Räume wurden größer und heller, die Sanitäreinrichtungen mit neuerer Technik nachgerüstet, große Spiegel wurden aufgehängt. Selbst die beherbergenden Gebäude wurden umgestaltet, um ansprechender zu wirken.

Die meisten öffentlichen Toiletten bestehen aus einer oder mehreren Stehtoiletten. Eine zunehmende Zahl öffentlicher Bedürfnisanstalten sind zudem mit Sitztoiletten ausgestattet. Noch bieten die viele Bahnhofstoiletten, wie auch öffentliche Schulen, ausschließlich traditionelle japanische Stehklos. Das gleiche gilt für Züge, Parkanlagen, Tempel, traditionelle Restaurants und ältere Gebäude. Die weniger hygienischen (weil Körperkontakt unvermeidbar) Sitztoiletten sind meist anhand von Hinweisschildern zu finden, die mit Yoshiki (??), dem englischen Western-Style oder dem entsprechenden Piktogramm versehen sind. Auch Behindertentoiletten sind stets Toiletten westlicher Prägung.

Oftmals fehlt öffentlichen Toiletten in Japan Toilettenpapier, und Seife ist in der Regel auch nicht vorhanden. Japaner tragen deshalb oft kleine Päckchen mit Papiertüchern bei sich. Solche Päckchen werden oft als Werbegeschenk an Passanten verteilt. Manchmal sind Münzautomaten vor Toiletten angebracht, die den Verzweifelten oder schlecht Vorbereiteten als letzte Rettung dienen können. Viele Japaner tragen ein Stofftaschentuch, nur zum Händeabtrocknen, und einige auch etwas Seife mit sich, zum Beispiel ein Päckchen mit papierdünnen Seifenblättern zur Einmalbenutzung.

[Bearbeiten] Kulturelle Aspekte

Sauberkeit ist in Japan ein sehr bedeutender Faktor, was sich schon dadurch zeigt, dass manche Wörter der japanischen Sprache, wie beispielsweise Kirei (??, ???), sowohl „sauber“ als auch „schön“ bedeuten können. Das mag sowohl den fortgesetzten Erfolg der Stehklos mit ihrem relativen Hygienevorteil wie auch die Beliebtheit der Washlet-Multifunktionstoiletten erklären. Selbst Sitztoiletten werden von manchen Japanern wie Stehklos benutzt, in diesem Fall durch das Stehen auf der Klobrille. Dr. Hiroshi Ojima vertritt die Ansicht, dass Washlets ihre Popularität teilweise der ballaststoffarmen Ernährung der Japaner verdanken, die zu Verdauungsproblemen führen kann.

Die oft gedrängten Wohnverhältnisse in japanischen Städten und der Mangel an verschließbaren Räumen im traditionellen japanischen Wohnen machen die Toilette zum idealen Rückzugsort. In manchen finden sich Bücherborde oder Zeitungen, sogar Poster. Dennoch wird man, sofern die Möglichkeit besteht, stets eine Trennung der Toilette vom Badezimmer vornehmen. Dies hängt wieder mit der Trennung von „rein“ und „unrein“ zusammen, und ist ein Umstand, der z. B. in Wohnungsannoncen erwähnt wird.

Fremde haben oft Probleme mit den japanischen Toiletten. Insbesondere die Washlets, die im Ausland fast völlig unbekannt sind, verabreichen unkundigen Benutzern, die auf der Suche nach der Spülung sind, gelegentlich überraschende Wasserspritzer. Aus diesem Grunde ist man dazu übergegangen, zur Reduzierung des Kulturschocks englischsprachige Bedienungsanleitungen auszuhängen oder Tasten in Englisch zu beschriften.

[Bearbeiten] Sanitärindustrie

Funktionsklo mit Aufstehhilfe
vergrößern
Funktionsklo mit Aufstehhilfe

Toto ist der größte Hersteller von Toiletten und Washlets weltweit. Marktkonkurrenten sind Inax, NAIS und Panasonic.

Der Weltmarkt für High-Tech-Toiletten lag 1997 bei etwa 800 Millionen US-Dollar. Davon deckt Toto etwa die Hälfte ab, gefolgt von Inax mit 25 %. Japan ist weiterhin der bedeutendste Einzelmarkt für Washlets – Überseekunden machen nur 5 % des Umsatzvolumens aus. Der wichtigste außerjapanische Markt ist China, wo immerhin über eine Million Washlets pro Jahr verkauft werden. Dagegen wurden in den USA 2003 nur etwa 1.000 Stück pro Monat abgesetzt, was dennoch einer Steigerung von etwa 70 % gegenüber 2001 entspricht. Europa liegt mit 5.000 Einheiten pro Jahr zurück.

Von den meisten Europäern werden die japanischen Washlets eher als Kuriosität angesehen. Aber auch hier steigen die Verkaufszahlen. Das liegt hauptsächlich an dem besonderen Nutzen für körperlich beeinträchtigte Menschen. Die Selbstreinigung mit Hilfe des Wasserstrahls und des Warmluftgebläses kann auch von solchen Personen vorgenommen werden, die bei der herkömmlichen Art Schwierigkeiten haben. Auf diese Weise entfällt die Notwendigkeit, diese Aufgabe von jemand anderem erledigen zu lassen, was vielen Betroffenen peinlich oder unangenehm ist.

Für die niedrigen Verkaufszahlen außerhalb Japans existieren eine Reihe von Gründen. Einer davon ist, dass die Verbraucher einige Zeit benötigen, um sich an die dem Washlet zugrundeliegende Idee zu gewöhnen. Auch in Japan waren die Verkäufe nach 1980 eher schleppend. 1990 hatten sich erst 10 % der Japaner eines angeschafft, aber 2002 war es bereits mehr als die Hälfte. Aus diesem Grund wird eine ähnliche Steigerung der Auslandsverkäufe in den nächsten Jahren erwartet.

Ein weiterer Grund liegt darin, dass in der Nähe der Toilette oftmals keine Stromversorgung möglich ist. Während praktisch alle japanischen Haushalte eine Steckdose hinter der Toilette besitzen, fehlt eine solche in vielen ausländischen Badezimmern.

Schließlich konkurriert das Washlet zumindest in Europa mit dem französischen Bidet. Nordamerikanern ist die Vorstellung eines Bidets überhaupt fremd.

Nur noch die Schweiz verfügt über einen Produzenten von Toiletten mit Wasserstrahl, dessen Geschichte älter ist als die der sanitären Revolution in Japan: Die Firma closomat stellt seit 1957 Toiletten mit eingebauter Dusche her und hat nach eigenen Angaben seither etwa 100.000 verkauft. Diese Modelle finden sich in erster Linie in Krankenhäusern, Privathaushalten und wenigen Spitzenrestaurants. Sie verfügen über ähnliche Funktionen wie ihre japanischen Verwandten. closomat ist in der Schweiz recht bekannt, in Neubauten werden daher in der Nähe der Toilette oft Steckdosen eingeplant. Seit 1994 stellt auch die Firma Balena solche WC her, sie werden seit der Übernahme der Firma durch den Geberit-Konzern in vielen Ländern beworben und vertrieben.

[Bearbeiten] Weiterführende Informationen

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Literatur

[Bearbeiten] Weblinks

Commons: Toiletten in Japan – Bilder, Videos und/oder Audiodateien

Kategorie:Kultur (Japan) Kategorie:Bad und WC

{{Exzellent}}

[Bearbeiten] Chewbacca-Verteidigung

Der Ausdruck Chewbacca-Verteidigung (englisch Chewbacca Defense) bezieht sich auf jede unsinnige gerichtliche Verteidigung. Der Ausdruck stammt aus der Zeichentrick-Fernsehserie South Park, zweite Staffel, Folge Kohle an den Chefkoch (US-Titel: Chef Aid).

Die Folge persifliert den aus dem echten Leben bekannten Rechtsanwalt Johnnie Cochran, der O. J. Simpson in dessen Mordprozess verteidigte. In der South Park-Episode verteidigt er eine Musikgesellschaft gegen die Anschuldigungen, das Copyright an einem Lied von Chefkoch zu verletzen. Obwohl es, zumindest für den Zuschauer, offensichtlich ist, dass Chefkoch der tatsächliche Urheber des Liedes ist, benutzt Cochran seine berühmte Chewbacca-Verteidigung:

Meine angeblichen Damen und Herren Geschworenen, ich bitte Sie, eine letzte Sache zu berücksichtigen (Er zeigt ein Bild von Chewbacca): Dies ist Chewbacca. Chewbacca ist ein Wookiee vom Planeten Kashyyyk, aber Chewbacca lebt auf dem Planeten Endor. Denken Sie darüber nach. Es ergibt keinen Sinn!
Warum sollte ein Wookiee – ein zwei Meter großer Wookiee – auf Endor leben wollen, zusammen mit einem Haufen winziger Ewoks? Es ergibt keinen Sinn!
Aber Sie müssen sich ernsthaft fragen: Was hat das alles mit diesem Fall zu tun? Gar nichts. Meine Damen und Herren, es hat nichts mit diesem Fall zu tun. Es ergibt keinen Sinn!
Nichts von alledem ergibt einen Sinn.
Wenn Chewbacca auf Endor lebt, müssen Sie die Klage abweisen! Die Verteidigung zieht sich zurück.

Cochrans Anwendung dieser Verteidigung ist erfolgreich, und Chefkoch wird wegen Copyrightverletzung eingesperrt. Dass Chewbacca in Star Wars nicht auf Endor lebt, ist dabei egal, obwohl Endor in frühen Entwürfen von Die Rückkehr der Jediritter der Planet der Wookiees und nicht der Ewoks war.

Die Chewbacca-Verteidigung wurde in vielen Weblogs und Internet-Diskussionsforen erwähnt, besonders in solchen, die oft über rechtliche Aspekte diskutieren. Ein Beispiel dafür ist Slashdot, wo die Chewbacca-Verteidigung gelegentlich im Zusammenhang mit Microsoft, SCO oder der RIAA erwähnt wurde – mit der Folgerung, dass deren gerichtliche Argumente keinen Sinn ergäben.

[Bearbeiten] Weblinks

Kategorie:Star Wars Kategorie:South Park

[Bearbeiten] Towel Day

Der Towel Day (der Handtuch-Tag) ist ein Gedenktag für den Autor Douglas Adams, der am 11. Mai 2001 verstarb. Der Towel Day findet jedes Jahr am 25. Mai statt.

Handtuch als Fahne
vergrößern
Handtuch als Fahne

An diesem Tag tragen seine Fans den Tag über ein Handtuch mit sich herum. Dies ist eine Reminiszenz an das Buch Per Anhalter durch die Galaxis, in dem Handtücher vom Autor als ungemein praktische Dinge beschrieben werden, die so ziemlich das nützlichste sind, was man bei Reisen durch das Universum mit sich führen kann.

Bei der Auswahl des Termins spielte kein besonderes historisches Datum eine Rolle. Vielmehr war er ein Kompromiss aus dem Wunsch, möglichst bald nach seinem Tod diesen Gedenktag zu begehen und der Notwendigkeit, genügend Vorlaufzeit zu haben, um die Nachricht um die Welt zu bekommen. Der 25. Mai hat sich seitdem als Gedenktag etabliert. Andere Termine, die eine Bedeutung in Bezug zu Douglas Adams haben sind der 11. Februar (der 42. Tag des Jahres), sein Geburtstag (11. März) und sein Todestag (11. Mai). Diese wurden für 2002 als neue Termine des Towel Day diskutiert, aber nicht akzeptiert.

Interessante Eigenschaften des Datums: Es ist der letzte Tag eines Jahres, bei dem der Tag genau der Monat zum Quadrat ist (25.5.: 52 = 25). Weiterhin ist die Summe aus den Hexadezimalzahlen 2516 + 516 = 4210 im Dezimalsystem. Dies ist eine weitere Deutung der scherzhaft betriebenen Zahlenmystik um die Antwort 42.

[Bearbeiten] Weblinks

Kategorie:Gedenktag Kategorie:Per Anhalter durch die Galaxis

[Bearbeiten] Lachclub

Der erste Lachclub wurde von Dr. Madan Kataria am 13. März 1995 in Indien gegründet. Er entwickelte eine Yoga-Lach-Technik als Therapieform, das Hasya Yoga. Das "Lachen ohne Grund" wird bereits von weitweit ca. 4000 Clubs praktiziert. Es beginnt mit tiefem Ein(HoHo)- und Ausatmen(HaHaHa) und einer "Hoho–Hahaha"–Grundübung. Es folgt eine ganze Reihe von Lachübungen, beispielsweise das herzliche Lachen, das Löwenlachen, das aufschwingende Lachen, das Ein–Meter–Lachen usw. Unterbrochen werden die Lachübungen durch Atemübungen und einem Sprechgesang und enden in der Regel mit einer Lachmeditation (freies Lachen - loslassen - zulassen)

[Bearbeiten] Lachen als Therapie

In Amerika begann die Gelotologie (Lehre vom Lachen) in den sechziger Jahren als der amerikanische Journalist Norman Cousins sich selbst mit der Therapie des Lachens von einer chronischen Krankheit heilte. Das Lachen sei ein richtiger Gesundbrunnen, es setzte Selbstheilungskräfte frei. Im Krankenhaus wollen künstlerisch und psychologisch geschulte Clowns Lebensmut und Kraft für das Gesundwerden oder zumindest Augenblicke der Freude schenken. In Österreich werden zur Leistungs- und Zufriedenheitssteigerung im Unternehmen auch sogenannte Humorseminare angeboten.

[Bearbeiten] Literatur

  • Norman Cousins: Der Arzt in uns selbst. Rororo Taschenbuch
  • Paul McGhee: Health Healing and the Amusesystem. Kendall/Hunt Publishing. Iowa, USA
  • Frank Farrelly: Provokative Therapie. Springer Verlag
  • Annette Fried/Joachim Keller: Faszination Clown. Patmos Verlag
  • Michael Titze: Die heilende Kraft des Lachens. Kösel Verlag
    - Therapeutischer Humor. S.Fischer Verlag
  • Eleonore Höfner: Das wäre doch gelacht. Rororo Taschenbuch
  • Robert R. Provine: Laughter. A Scientific Investigation. Viking, New York
  • Dieter Berdel/Rosina Topka: Lachen gefährdet die Gesundheit. Edition Doppelpunkt
  • Madan Kataria: Laugh for no reason. Madhuri international. Mumbai, Indien
  • René Schweizer: Ein Schweizerbuch. Robert Käppeli Verlagsgruppen
  • Peter L. Berger: Erlösendes Lachen. Das Komische in der menschlichen Erfahrung. De Gruyter Verlag. Berlin
  • Joachim Meincke: Clown Sprechstunde. Lachen ist Leben. Clowns besuchen chronisch kranke Kinder, Verlag Hans Huber

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Weblinks


Kategorie:Gesundheit

[Bearbeiten] Kranzgeld

Als Kranzgeld bezeichnete man eine finanzielle Entschädigung, die eine Frau von ihrem ehemaligen Verlobten fordern konnte, wenn sie sich auf Grund eines Eheversprechens von ihm entjungfern ließ und er anschließend das Verlöbnis löste. Gleiches galt für unbescholtene neuverlobte Witwen.

Der Anspruch auf Kranzgeld war im deutschen Privatrecht ein Fremdkörper, da ursprünglich nur ein Vermögensschaden durch Vermögenszuwendungen entschädigt werden konnte, die „Entehrung“ der Jungfrau aber ein ideeller Schaden war. Daher war das Kranzgeld im Deutschen Reich (später auch in der Bundesrepublik Deutschland) im Familienrecht, in § 1300 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), geregelt. Die Vorschrift stammt aus dem Jahr 1896 und trat am 1. Januar 1900 in Kraft. Sie lautete:

(1) Hat eine unbescholtene Verlobte ihrem Verlobten die Beiwohnung gestattet, so kann sie, wenn die Voraussetzungen des § 1298 oder des § 1299 vorliegen, auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld verlangen.
(2) Der Anspruch ist nicht übertragbar und geht nicht auf die Erben über, es sei denn, daß er durch Vertrag anerkannt oder daß er rechtshängig geworden ist.

Merkvers: Der Bräutigam schaut sehr verwundert: Die Braut, sie klagt aus Dreizehnhundert.

Das Kranzgeld ist also einer der seltenen Fälle, in denen für einen immateriellen Schaden materieller Ersatz gefordert werden konnte. Begründet wurde der Schadenersatzanspruch damit, dass die Ledige wegen des Verlusts ihrer Jungfräulichkeit geringere Chancen auf eine standesgemäße Heirat mit einem anderen Mann habe. War die Ledige oder die Witwe hingegen schon vor der „Beiwohnung“ nicht mehr „unbescholten“, so stand ihr auch kein Kranzgeld zu. Wobei sich der Begriff „unbescholten“ nicht nur auf die Jungfräulichkeit bezog, sondern auch auf andere Sachverhalte, wie z.B. Gefängnisaufenthalte.

Im Jahr 1993 wurde eine Klage auf ein Kranzgeld in Höhe von 1.000 DM mit der Begründung abgewiesen, der § 1300 BGB verstoße wegen der gewandelten Moralvorstellungen gegen das Grundgesetz und sei deshalb nicht mehr anzuwenden. Große praktische Bedeutung hatte die Vorschrift zum damaligen Zeitpunkt ohnehin nicht mehr. Sie wurde daher durch das Gesetz zur Neuordnung des Eheschließungsrechtes vom 4. Mai 1998 ersatzlos gestrichen.

Bitte beachten Sie den Hinweis zu Rechtsthemen!


Kategorie:Familienrecht Kategorie:Rechtsgeschichte

[Bearbeiten] Trierer Weinversteigerungsfall

Der Trierer Weinversteigerungsfall ist ein juristischer Lehrbuchfall, mit dem angehenden Juristen in Deutschland seit mehr als 100 Jahren das Problem der Anfechtbarkeit einer Willenserklärung bei fehlendem Erklärungsbewusstsein vermittelt wird (das Zustandekommen eines Vertrages setzt gemäß §§ 145 ff. BGB voraus, dass zwei inhaltlich übereinstimmende Willenserklärungen von den beiden Vertragsparteien vorliegen).

Der Fall wurde von Hermann Isay in seinem Buch "Die Willenserklärung im Tatbestande des Rechtsgeschäfts" von 1899 (s. dort S. 25) in die Diskussion gebracht. Isay war zur Zeit der Abfassung seines Buches Rechtsreferendar in Trier.

[Bearbeiten] Fall

Der ortsunkundige A besucht eine Weinversteigerung in Trier. Als er den befreundeten B entdeckt, winkt er ihm zu. Der Auktionator erteilt dem A daraufhin den Zuschlag für den aktuellen Posten.

[Bearbeiten] Lösung

Ob A tatsächlich den Posten Wein ersteigert hat und bezahlen muss, hängt von der Wirksamkeit seines Gebotes ab:

Das Gebot bei einer Versteigerung ist eine Willenserklärung. Die drei Elemente einer Willenserklärung sind:

Bei fehlendem Handlungswillen liegt keine zurechenbare Handlung und damit auch keine Willenserklärung vor (Beispiel: Reflex). A hat seine Hand aber bewusst und willentlich gehoben.

Bei abweichendem Geschäftswillen wäre die Willenserklärung anfechtbar. A wollte jedoch mit seinem Winken überhaupt kein bestimmtes Geschäft tätigen. Ihm fehlte vielmehr auch der Erklärungswille beziehungsweise das Erklärungsbewusstsein.

Ob bei fehlendem Erklärungswillen eine wirksame Willenserklärung vorliegt, ist umstritten. Nach der subjektiven Theorie kommt es allein darauf an, was der Erklärende gewollt hat. Ihrzufolge liegt in diesem Fall keine Willenserklärung vor.

Nach der herrschenden objektiven Theorie, für die der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit ausschlaggebend ist, ist auf das äußere Verhalten abzustellen, selbst wenn es sich nicht mit der Vorstellung des Erklärenden deckt. Danach ist die Willenserklärung wirksam, aber analog § 119 BGB anfechtbar, der Anfechtende aber zum Schadensersatz verpflichtet.

Die Rechtsprechung differenziert danach, ob der Erklärende erkennen konnte, dass seine Handlung als Willenserklärung verstanden werden musste. Der Bundesgerichtshof formuliert so:

"Trotz fehlenden Erklärungsbewusstseins (Rechtsbindungswillens, Geschäftswillens) liegt eine Willenserklärung vor, wenn der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass seine Äußerung nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefasst werden durfte, und wenn der Empfänger sie auch tatsächlich so verstanden hat." (BGHZ 91, 324)

Da A im Fall der Trierer Weinversteigerung bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt sicherlich hätte erkennen können, dass man das Heben der Hand in der Auktion als Gebot auffassen wird, ist seine Willenserklärung wirksam, aber nach §§ 142, 119, 121, 143 BGB anfechtbar. A kann sich damit zwar vom Vertrag lösen, muss aber den so genannten Vertrauensschaden ersetzen.

Siehe auch: Liste der Fallbeispiele in der Rechtswissenschaft.

[Bearbeiten] Weblinks

Bitte beachten Sie den Hinweis zu Rechtsthemen!

Kategorie:Allgemeine Zivilrechtslehre


[Bearbeiten] Haakjöringsköd-Fall

Der Haakjöringsköd-Fall ist ein berühmter deutscher Rechtsstreit, den das Reichsgericht am 8. Juni 1920 entschieden hatte. (Aktenzeichen II 549/19. Fundstelle: RGZ 99, 147.)

[Bearbeiten] Sachverhalt

Der Kläger kaufte am 18. November 1916 beim Beklagten per Dampfer ("Jessica") ca. 214 Fass Haakjöringsköd aus Norwegen zu einem Preis von 4,30 Mark pro Kilo. Dabei sind beide davon ausgegangen, dass es sich bei Haakjöringsköd um Walfleisch handele. Tatsächlich bezeichnet im Norwegischen der Begriff Haakjöringsköd (eigentlich: haakjærringkjøt, nach heutiger Rechtschreibung: håkjerringkjøtt) jedoch ein Haifischfleisch: Håkjerring ist der Grönlandhai.

Im Gegensatz zu Walfleisch gab es bei Haifischfleisch wegen des herrschenden Krieges allerdings Einfuhrbeschränkungen. Dies führte dazu, dass die Ladung beim Eintreffen im Hamburger Hafen von der staatlichen Zentral-Einkaufsgesellschaft beschlagnahmt wurde. Dem Käufer wurde zwar für das Fleisch ein Übernahmepreis gezahlt, jedoch war dieser erheblich niedriger als der Kaufpreis. Ihm entstand dadurch ein Schaden von 47.515,90 Mark.

[Bearbeiten] Rechtsweg

Der Klage des Käufers auf Zahlung von 47.515,90 Mark wurde vor dem Landgericht Hamburg (Kammer für Handelssachen) stattgegeben. Die Berufung des Verkäufers vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg wurde zurückgewiesen. Auch vor dem Reichsgericht hatte der Verkäufer keinen Erfolg.

[Bearbeiten] Bedeutung

Bedeutend ist der Fall, da das Reichsgericht festgestellt hat, dass zwischen dem Käufer und dem Verkäufer ein Vertrag über Walfleisch zustandgekommen ist, obwohl beim Vertragsschluss beide den Ausdruck Haakjöringsköd verwendet hatten. Der Fall ist somit das Musterbeispiel für den Grundsatz falsa demonstratio non nocet.

Wie die Trierer Weinversteigerung ist Haakjöringsköd einer der klassischen Fälle, denen Jurastudenten im ersten Semester begegnen. Siehe auch: Liste der Fallbeispiele in der Rechtswissenschaft.

[Bearbeiten] Literatur

  • Albrecht Cordes: Der Haakjöringsköd-Fall. Jura 1991, 352.
  • Michael Martinek: Haakjöringsköd im Examinatorium. JuS 1997, 136.

[Bearbeiten] Weblinks

Bitte beachten Sie den Hinweis zu Rechtsthemen!

Kategorie:Allgemeine Zivilrechtslehre Kategorie:Entscheidung des Reichsgerichts

[Bearbeiten] Stromdiebstahlsfall

Der Stromdiebstahlsfall war eine Strafsache, über die das deutsche Reichsgericht am 1. Mai 1899 entschieden hat (Fundstelle: RGSt 32, 165). Es ging dabei um einen Monteur, der des Diebstahls von elektrischer Energie angeklagt war. Er hatte in sein Fensterbrett ein Loch gebohrt und über Drähte die städtische Stromleitung angezapft, um sein Zimmer zu beleuchten.

Die Richter kamen jedoch zu dem Ergebnis, dass es sich bei elektrischer Energie nicht um eine Sache handelt, da sie nicht körperlich ist. Folglich würde es gegen den Grundsatz nulla poena sine lege verstoßen, wenn man das Entziehen von elektrischer Energie unter den Tatbestand des § 242 StGB subsumieren würde. Der Mann wurde also nicht wegen Diebstahls verurteilt.

Um diese Strafbarkeitslücke zu schließen, wurde am 9. April 1900 als Reaktion auf die Gerichtsentscheidung das Gesetz betreffend die Bestrafung der Entziehung elektrischer Arbeit (RGBl. S. 228) erlassen. Der Straftatbestand heißt heute Entziehung elektrischer Energie und ist in § 248c StGB geregelt.

Der Fall ist ein Musterbeispiel für das strafrechtliche Analogieverbot und die dadurch entstehende Möglichkeit von Strafbarkeitslücken. Jurastudenten begegnen ihm häufig im ersten Semester.

Siehe auch: Liste der Fallbeispiele in der Rechtswissenschaft.

Bitte beachten Sie den Hinweis zu Rechtsthemen!

Kategorie:Allgemeine Strafrechtslehre Kategorie:Entscheidung des Reichsgerichts


[Bearbeiten] Schwelle zum „jetzt geht es los“

Die Schwelle zum „jetzt geht es los“ bezeichnet in der deutschen Rechtswissenschaft den Zeitpunkt, zu dem ein Täter nach seiner Vorstellung unmittelbar dazu ansetzt, einen Straftatbestand zu verwirklichen. Sobald er diese Schwelle überschritten und „objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung angesetzt“ hat (Lit.: BGHSt 26, 201), handelt es sich um einen Versuch, der bei allen Verbrechen und bei vielen Vergehen strafbar ist. Die Handlungen davor sind hingegen lediglich eine straflose Vorbereitung einer Straftat.

Beispiel: Jemand fasst den Entschluss, einen Juwelier zu berauben. Er kundschaftet die Geschäftsräume aus, plant die Tat und besorgt sich eine Strumpfmaske. Diese Vorbereitungen sind straflos. Sobald er sich die Maske aufsetzt und das Juweliergeschäft betritt, ist die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschritten. Erst dann handelt es sich um einen strafbaren Versuch.

[Bearbeiten] Literatur

[Bearbeiten] Siehe auch:

Schwelle zum „jetzt geht es los“

[Bearbeiten] Unvordenkliche Verjährung

Die unvordenkliche Verjährung ist ein Rechtsinstitut des deutschen Zivilrechts, das nicht im Bürgerlichem Gesetzbuch geregelt ist. Sie gilt in der Regel für Rechtsgebiete, die nicht im Bundesrecht geregelt sind, insbesondere im Straßen- und Wegerecht, im Wasserrecht und im Nachbarrecht.

Als Verjährungsvorschrift liegt nach der unumstrittenen Auffassung des Bundesgerichtshofs und der Literatur die unvordenkliche Verjährung vor, wenn „der als Recht beanspruchte Zustand in einem Zeitraum von vierzig Jahren als Recht besessen [wurde] und [...] weitere vierzig Jahre vorher keine Erinnerungen an einen anderen Zustand seit Menschengedenken bestanden“ (Lit.: BGHZ 16, 234, 238).

Die unvordenkliche Verjährung bezieht sich daher regelmäßig auf Zustände wie sie durch das gemeine Recht geschaffen wurden. Da sich dies ferner zumeist auf dingliche Rechte allgemein oder das Eigentum im besonderen bezieht, muss Art. 181 EGBGB beachtet werden.

[Bearbeiten] Literatur

Bitte beachten Sie den Hinweis zu Rechtsthemen!

Verjährung, unvordenkliche

[Bearbeiten] Jungbullenfall

Mit Jungbullenfall wird in der deutschen Rechtswissenschaft ein klassisches Fallbeispiel bezeichnet. Es basiert auf einem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 11. Januar 1971 (Fundstelle BGHZ 55, 176; Az. VIII ZR 261/69). Das Urteil behandelt das Zusammentreffen des Eigentumserwerbs durch Verarbeitung einer Sache (§ 946 BGB mit den Regeln des gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten nach §§ 932 ff. BGB und den Ansprüchen aus ungerechtfertigter Bereicherung, §§ 812 ff. BGB).

[Bearbeiten] Sachverhalt

Ein Dieb stahl dem klagenden Landwirt zwei Jungbullen und verkaufte sie für 1701 DM an einen Wurstfabrikanten, der davon ausging, dass der Dieb Eigentümer der Tiere war. Der Wurstfabrikant verwertete die Tiere in seiner Fleischwarenfabrik. Die Vorinstanzen haben den Wurstfabrikanten antragsgemäß verurteilt, an den Landwirt 1701 DM Wertersatz zu zahlen. Mit der zugelassenen Revision beim BGH erstrebt der Wurstfabrikant Klageabweisung. Der Landwirt beantragt, die Revision zurückzuweisen.

[Bearbeiten] Zusammenfassung des Urteils

Zunächst stellt der BGH fest, dass der Fabrikant durch den Kauf der Tiere nicht Eigentümer werden konnte, weil es sich um Diebesbeute handelte. An gestohlenen Sachen kann man nach § 935 Abs. 1 BGB kein Eigentum erwerben, auch wenn man (gutgläubig) nichts von dem Diebstahl weiß.

Der Fabrikant wurde aber gemäß § 950 BGB zu dem Zeitpunkt Eigentümer, als er nach Schlachtung der Tiere das Fleisch in seinem Betrieb verarbeiten ließ. Der Landwirt hat mithin das Eigentum an den Tieren „infolge der Vorschrift“ des § 950 BGB eingebüßt. Der Landwirt fordert deshalb von dem Fabrikanten Ersatz für den Eigentumsverlust. Nach § 951 Abs. 1 Satz 1 BGB kann er deshalb „Vergütung in Geld nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verlangen“. Dabei handelt es sich nach Auffassung des BGH um eine Rechtsgrundverweisung, deshalb hat der Landwirt einen solchen bereicherungsrechtlichen Anspruch nur, wenn auch die allgemeinen Voraussetzungen eines Bereicherungsanspruchs vorliegen. Dazu müsste insbesondere der Fabrikant das Eigentum an dem Fleisch im Verhältnis zum Landwirt ohne rechtfertigenden Grund erlangt haben.

Einen solcher rechtfertigender Grund könnte man in dem Vertrag mit dem Dieb suchen. Die Gutglaubensregeln der §§ 932 ff. BGB regeln den Interessenkonflikt, der entsteht, wenn ein Nichtberechtigter im eigenen Namen eine fremde Sache an einen gutgläubigen Dritten veräußert, und zwar zugunsten des Dritten für den Fall, dass die Sache dem Eigentümer nicht abhanden gekommen ist. In diesem Fall wird der Dritte gemäß §§ 932 ff. BGB Eigentümer und darf das Eigentum behalten, ohne dem früheren Eigentümer ausgleichungspflichtig zu sein. Der Vertrag des Nichtberechtigten mit dem Dritten ist in diesem Fall der die Vermögensverschiebung rechtfertigende Grund. Hier ist die Sache dem Landwirt jedoch durch Diebstahl abhanden gekommen. In diesem Fall löst das Gesetz den Interessenkonflikt zugunsten des Eigentümers, der sein Eigentum nicht verliert. Der Vertrag mit dem Dieb rechtfertigt hier also nicht den Eigentumsverlust des Landwirts.

Ändert sich an dieser Situation etwas, weil durch Verarbeitung oder Vermischung nach §§ 946 bis 948, 950 BGB das Eigentum später dennoch auf den gutgläubigen Dritten, hier den Fabrikanten, übergeht, wird dadurch nicht etwa der Vertrag mit dem Dieb rückwirkend zum rechtfertigenden Grund.

Der Eigentumserwerb des Dritten beruht nicht auf diesem Veräußerungsgeschäft, dem im Gegenteil § 935 BGB jede Rechtswirksamkeit abspricht, sondern allein auf den §§ 946 ff. BGB. Damit hat der Fabrikant das Eigentum ohne einen rechtfertigenden Grund erlangt, so dass die Voraussetzungen von §§ 951, 812 vorliegen.

Auch für den Umfang dieses Bereicherungsanspruchs gilt das gleiche wie für Bereicherungsansprüche bei unberechtigtem Verbrauch oder unberechtigter Veräußerung durch den Besitzer. In diesen Fällen kann nach gefestigter Rechtsprechung (BGHZ 9,333; 14,7; NJW 1970,2059) der aus § 812 oder § 816 BGB in Anspruch genommene frühere Besitzer die für den Erwerb der Sache einem Dritten erbrachte Leistung nicht gemäß § 818 BGB in Ansatz bringen. Denn der Bereicherungsanspruch ist an die Stelle des Herausgabeanspruchs nach § 985 BGB getreten. Diesem gegenüber könnte der Besitzer sich nicht auf die einem Dritten erbrachte Leistung berufen. Deshalb kann er es auch nicht gegenüber dem Bereicherungsanspruch

Der Landwirt kann also Ersatz für den Wert der Tiere nach §§ 951, 812 Abs. 1 Satz 1, 2. Alternative BGB verlangen.

[Bearbeiten] Aus den Gründen

Amtlicher Leitsatz: „Wer eine gestohlene Sache gutgläubig kauft und sie so verarbeitet, daß er gemäß § 950 BGB Eigentümer der neuen Sache wird, schuldet dem Eigentümer der gestohlenen Sache eine Vergütung in Geld gemäß § 951 Abs. 1 Satz 1, ohne den an den Dieb gezahlten Kaufpreis anrechnen zu dürfen.“

[Bearbeiten] Weblinks

Siehe auch: Liste der Fallbeispiele in der Rechtswissenschaft.

Bitte beachten Sie den Hinweis zu Rechtsthemen!

Kategorie:Entscheidung des Bundesgerichtshofs

[Bearbeiten] Sexismus-Klage

Die Sexismus-Klage (auch Stern-Klage) war eine Klage auf Unterlassen, die Frauenrechtlerinnen im Jahr 1978 einreichten, um der Zeitschrift Stern aus ihrer Sicht sexistische Darstellungen verbieten zu lassen.

[Bearbeiten] Sachverhalt

Der Klage vorausgegangen war eine Reihe von Stern-Titelbildern, die nach Ansicht der Klägerinnen frauenerniedrigend waren, z.B. die Abbildung eines leicht bekleideten Damengesäßes auf einem Fahrradsattel im Juni 1977. Direkter Auslöser war ein Titelbild des Fotografen Helmut Newton aus dem April 1978, auf dem das Model Grace Jones nackt und in Ketten zu sehen war.

[Bearbeiten] Rechtsstreit

Die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer bezeichnete dies als eine „Darstellung der Frau als bloßes Sexualobjekt“ und als einen Verstoß gegen die „Menschenwürde aller Frauen“. Sie sah sich daher selbst als Opfer einer Beleidigung gemäß § 185 StGB. Deswegen reichte sie gegen den Verlag Gruner und Jahr sowie gegen Chefredakteur Henri Nannen eine Unterlassungsklage ein, welche sie mit einem deliktischen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB begründete. Außerdem wurde eine Beschwerde beim Presserat eingereicht.

In der von ihr herausgegebenen EMMA forderte sie ihre Leserinnen auf, ebenfalls zu klagen. Diesem Aufruf folgten Inge Meysel, Erika Pluhar, Luise Rinser, Margarete Mitscherlich und fünf weiteren Frauen. Die Beklagten sowie Kritiker warfen ihnen eine unzulässige Popularklage vor.

Das Landgericht Hamburg wies die Klage am 26. Juli 1978 ab (Az. 74 O 235/78). In der Urteilsbegründung nahm es zum einen den Vorwurf der Popularklage auf. Zum anderen stellte es fest, dass die Frauen als Kollektiv nicht beleidigungsfähig sein können. Eine Beleidung einer großen Anzahl an Personen sei nur dann möglich, wenn diese „Personenmehrheit so aus der Allgemeinheit hervortritt, dass dieser Kreis der beteiligten Einzelpersonen deutlich umgrenzt ist“; bei einer Personengruppe, die mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung ausmacht, könne dies nicht der Fall sein.

[Bearbeiten] Literatur

  • LG Hamburg: „Die Frauen“ keine kollektiv beleidigungsfähige Personengruppe. NJW 1980, 56
  • Prof. Dr. Peter Schlosser: Polit-show, Sexismus und überwundene Starrheit des Prozeßrechts. Jura 1979, 20
  • Dr. Hermann H. Hollmann: Kollektiv beleidigungsfähige Personengruppen und Popularklage auf Unterlassung. JA 1980, 527

[Bearbeiten] Weblinks

Kategorie:Feminismus Kategorie:Urteil eines Landgerichts Kategorie:1978

[Bearbeiten] Kancho

Bildbeispiel für Kancho
vergrößern
Bildbeispiel für Kancho

Kancho (jap. ?????) ist ein Streich, der in Japan häufig von Grundschulkindern gespielt wird. Es ist auch in Südkorea als Ttong chim, Ddong chim oder Dong chim und auf den Philippinen als Tumbong bekannt.

Beim Kancho legt man seine Hände zusammen, so dass die Zeigefinger ausgestreckt sind, und versucht, diese in den Anus eines anderen zu stecken, wenn dieser unaufmerksam ist.

Der Begriff leitet sich vom japanischen Wort für Einlauf (?? kancho) ab.

Kancho wird in Japan schon seit langem gespielt und wurde ab 1999 durch die Manga- und Anime-Serie Naruto, in der es den Namen „Tausend-Jahre-Schmerzen-Technik“ hat, auch international bekannt.

In Japan gehört zu Kancho oft auch ein Schlag zum Penis, jedoch nicht zu den Hoden.

Kancho ist meistens illegal und wird als sexuelle Belästigung empfunden, in Südkorea gab es deswegen bereits Verhaftungen. In Japan ist Kancho jedoch gesellschaftlich akzeptiert. Es gibt sogar eine japanische Fernsehshow, in der eine prominente Person zufällig ausgewählten Leuten diesen Streich spielt.

[Bearbeiten] Weblinks

Kategorie:Spiel Kategorie:Kultur (Japan)

[Bearbeiten] Biotic Baking Brigade

Die Biotic Baking Brigade (abgekürzt BBB, auch Pâtissiers sans Frontières, deutsch „Zuckerbäcker ohne Grenzen“) ist eine internationale Polit-Gruppe, die sich zum Ziel gemacht hat, hochstehende Personen aus Politik und Finanzwelt, (seltener) aus Sport und Kunst, mit Torten zu bewerfen. Zu ihren Opfern zählen bisher unter anderem San Franciscos Bürgermeister Willie Brown, der dänische Finanzminister Gerrit Zalm, Hilmar Kabas von der FPÖ (Österreich), Rektor Georg Winckler (Uni Wien), Bill Gates, Unternehmer aus Amerika, und der ehemalige kanadische Premierminister Jean Chrétien.

Durch das Bewerfen von Prominenten sollen die Opfer der BBB lächerlich gemacht werden. Nach Angaben der BBB sollen sie auf eine gewissermaßen normale menschliche Ebene zurückgeholt werden, um zu zeigen, dass sie mit einer Torte etwa so wirken wie der Kaiser ohne Kleid.

Die Ideen dieser Aktionen scheinen teilweise von Sympathisanten der BBB nachgeahmt zu werden. Ein bekanntes Motto ist: „Torte statt Worte“.

Kritiker werfen der BBB mangelnde intellektuelle Reife in der politischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzung vor. Außerdem scheinen die „Tortungen“ gelegentlich auch einfach Racheakte für politisch unliebsame Entscheidungen der entsprechenden Personen oder für ihre grundsätzliche politische Haltung zu sein.

[Bearbeiten] Siehe auch

Kategorie:Politischer Widerstand

[Bearbeiten] Gesömmertes Höhenfleckvieh

Das gesömmerte Höhenfleckvieh ist eine Erfindung des deutschen Zollgesetzes aus dem Jahr 1902.

Damals war Deutschland der Meistbegünstigtenklausel verpflichtet, welche besagt, dass die Zugeständnisse, die ein Vertragsstaat einem anderen einräumt, auch allen anderen zugestanden werden müssen. Man wollte jedoch Rinder aus der Schweiz günstig importieren.

Um die Meistbegünstigtenklausel zu unterwandern, bediente man sich eines Tricks und definierte eine neue Rinderrasse. Diese sollte „braune oder gefleckte Kühe“ einschließen, die „zumindest auf 300 m über Seehöhe aufgezogen wurden“ und mindestens „einen Monat in einer Höhe von mindestens 800 m“ verbringen sollten. Solche Höhen konnten andere Staaten nicht vorweisen.

Kategorie:Agrargeschichte Kategorie:Hausrindrasse

[Bearbeiten] Bethel-Euro

Der Bethel-Euro - vor der Euro-Umstellung Bethel-Mark ist eine Komplementärwährung in den von Bodelschwinghschen Anstalten Bethel. Sie berechtigt Bewohner und Mitarbeiter zum Einkauf in Geschäften Bethels. 1908 ins Leben gerufen, ist der Bethel-Euro vermutlich die älteste noch existierende Komplementärwährung Deutschlands.

Die Währung wird von den örtlichen Sparkassen ausgegeben. Für 100,- Euro erhält man dabei 105,- Bethel-Euro. Beim Einkauf gilt dagegen 1,- Euro gleich 1 Bethel-Euro.

Scheine werden im Wert von 50, 20, 10, 5, 2, 1 und 0,5 Euro - nicht 50 Cent - ausgegeben, Münzen gibt es nicht. Die Scheine sind mit Häusern aus Bethel verziert, nämlich Sarepta, Gilead und der Mamre-Patmos-Schule.

Schätzungsweise zehn bis 15 Prozent des Geldverkehrs in den Betheler Geschäften wird mit Bethel-Geld bestritten.

Kategorie:Währungseinheit Kategorie:Euro Kategorie:Bielefeld

[Bearbeiten] Unendlich-viele-Affen-Theorem

Das Unendlich-viele-Affen-Theorem besagt, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (das heißt die Wahrscheinlichkeit ist so gut wie 1) ein Affe, der zufällig auf eine Tastatur herumtippt, irgendwann alle Bücher in der französischen Bibliothèque nationale de France (Nationalbibliothek) schreibt. In englischsprachigen Ländern nimmt man an, dass so irgendwann die Werke von Shakespeare entstehen.

Der Name ist ein populäres Missverständnis einer Idee von Émile Borels Buch über Wahrscheinlichkeitsrechnung, erschienen 1909, das das Konzept der „daktylographischen1 Affen“ einführte.

Eine Variante des Theorems geht von einer unendlichen Anzahl von Affen aus, die unendlich lange tippen, was unnötigerweise zwei Unendlichkeiten enthält.

[Bearbeiten] Beweis

Das Unendlich-viele-Affen-Theorem ist relativ einfach zu beweisen. Wenn zwei Ereignisse voneinander statistisch unabhängig sind, also das eine keine Auswirkung auf das Ergebnis des anderen hat, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass beide eintreten, äquivalent dem Produkt aus der Wahrscheinlichkeit für das Eintreffen der Einzelereignisse. Wenn zum Beispiel die Wahrscheinlichkeit, dass es in Sydney regnet, 0,3 beträgt, und die Wahrscheinlichkeit, dass am selben Tag in San Francisco ein Erdbeben stattfindet, 0,8 beträgt, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass an diesem Tag beides eintrifft, 0,3 mal 0,8 = 0,24.

Man nehme nun an, dass die Schreibmaschine 50 Tasten habe und der Affe das Wort „banane“ zu tippen versucht. Wenn zufällig getippt wird und dabei von einer Gleichverteilung der Zufallsfolge ausgegangen wird, beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass der erste getippte Buchstabe ein „b“ ist, bei 1/50, ebenso, dass der nächste Buchstabe ein „a“ ist, etc. Diese Ereignisse sind voneinander unabhängig, daher beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass die ersten sechs Buchstaben dem Wort „banane“ entsprechen 1/506. Aus dem selben Grund liegt die Wahrscheinlichkeit, dass die darauffolgenden sechs Buchstaben erneut dem Wort „banane“ entsprechen, ebenfalls bei 1/506, etc.

Nun ist die Wahrscheinlichkeit, dass bei einer Folge von 6 Buchstaben nicht das Wort „banane“ geschrieben wird 1 - \frac{1}{50^6}. Da jede Folge unabhängig voneinander getippt wird, ist die Wahrscheinlichkeit X für das Nicht-Tippen von „banane“ in jeder der ersten n Folgen von 6 Buchstaben X = \left(1 - \frac{1}{50^6}\right)^n. Da n anwächst, wird X kleiner. Für ein n von einer Million beträgt X = 99,99%, doch für ein n von 10 Milliarden beträgt es 53% und für ein n von 100 Milliarden beträgt es 0,17%. Wenn sich n unendlich nähert, nähert sich die Wahrscheinlichkeit X null. Das heißt, wenn man n nur groß genug wählt, lässt sich X beliebig klein machen. Wenn man zusätzlich die Fälle zählt, in denen das Wort „banane“ über die Grenzen der 6er-Folge hinweg auftaucht, nähert sich X noch schneller null an. Dasselbe Argument gilt auch in Bezug auf Affen, die jede beliebige andere Buchstabenfolge beliebiger Länge tippen.

Dasselbe Argument macht klar, warum unendlich viele Affen einen Text ebenso schnell erstellen können, wie es ein Mensch könnte, der ihn vom Original abschreibt. In diesem Fall ist X = \left(1 - \frac{1}{50^6}\right)^n, wobei X die Wahrscheinlichkeit darstellt, dass keine der ersten n Affen das Wort „banane“ beim ersten Versuch korrekt tippt. Wenn wir uns 100 Milliarden Affen vorstellen, dann reduziert sich diese Wahrscheinlichkeit auf 0,17% und wenn die Zahl der Affen n gegen unendlich geht, dann geht der Wert von X, also die Wahrscheinlichkeit, dass keiner der Affen in der Lage ist, den Text zu reproduzieren, gegen null. Das ist äquivalent zu der Aussage, dass ein oder mehr Affen aus einer unendlichen Zahl von Affen einen gegebenen Text beim ersten Versuch mit einer Wahrscheinlichkeit von 100% erstellt, dass dieser Vorgang also sicher eintritt.

Das Theorem exemplifiziert eine Aussage der Wahrscheinlichkeitstheorie, das sog. null-eins-Gesetz Kolmogorows.

[Bearbeiten] Wahrscheinlichkeiten

Wenn man Zeichensetzung, Leertasten und Großbuchstaben außer Acht lässt und annimmt, dass die Buchstaben einer Zufallsverteilung folgen, dann besteht für einen Affen eine Wahrscheinlichkeit von eins zu 26, dass er den ersten Buchstaben in einer englischen Fassung vom Hamlet-Drama korrekt tippt. (In der deutschen kämen ä, ö, ü zu den verfügbaren Buchstaben dazu.) Für ihn besteht eine Wahrscheinlichkeit von \frac{1}{676} = \frac{1}{26} \cdot \frac{1}{26}, die ersten beiden Buchstaben korrekt zu tippen. Da die Wahrscheinlichkeit exponentiell sinkt, beträgt sie bei 20 Buchstaben nur noch \frac{1}{26^{20}} = \frac{1}{19.928.148.895.209.409.152.340.197.376}, was in etwa der Wahrscheinlichkeit entspricht, 4 Lotto-Scheine zu kaufen und jedes Mal den Jackpot mit 6 Richtigen zu knacken. Im Fall des gesamten Hamlet-Textes werden die Wahrscheinlichkeiten so minimal, dass sie sich in menschlichen Begriffen kaum mehr ausdrücken lassen. Der Text des Hamlet umfasst, selbst wenn man die gesamte Interpunktion unberücksichtigt lässt, mehr als 130.000 Buchstaben.

Die bloße Tatsache allerdings, dass es eine gewisse, wenn auch sehr kleine, Wahrscheinlichkeit gibt, ist der Schlüssel zum unendlich-viele-Affen-Theorem, denn Kolmogorows null-eins-Gesetz besagt, dass eine solche unendliche Folge von unabhängigen Ereignissen eine Wahrscheinlichkeit entweder von eins oder von null haben muss. Da wir aber bereits gezeigt haben, dass sie nicht null ist, muss sie eins sein. Wenn man bedenkt, dass, wenn eine unendliche Zeit gegeben ist, ein derart unwahrscheinliches Ereignis mit Sicherheit eintritt, dann bekommt man eine Ahnung davon, wie riesig die Unendlichkeit ist.

Gian-Carlo Rota schrieb in einem unvollendeten Buch über Wahrscheinlichkeit:

Wenn der Affe in der Lage wäre, jeweils einmal pro Nanosekunde eine Taste zu drücken, dann würde die Wartezeit, bis er den gesamten Hamlet vollendet hat, einen solch großen Zeitraum umfassen, dass das geschätzte Alter des Universums im Vergleich dazu unbedeutend wäre … nicht gerade eine praktikable Methode, um Theaterstücke zu schreiben.“ (Hier können wir es uns nicht verkneifen, Alfred North Whitehead zu zitieren: „Ich gehe nicht bis ins Unendliche).

In The Nature of the Physical World: The Gifford Lectures (Macmillan, New York, 1929, Seite 72) schrieb der Arzt Arthur Eddington:

Wenn ich meine Finger absichtslos über die Tasten einer Schreibmaschine gleiten lasse, kann es passieren, dass im so entstehenden Wälzer ein lesbarer Satz vorkommt. Wenn eine Armee von Affen auf ihre Schreibmaschinen einklimpert, dann können sie alle im British Museum enthaltenen Bücher schreiben. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie dies tun, liegt deutlich höher als die Wahrscheinlichkeit, dass sich in einem Behälter alle Moleküle in einer Hälfte sammeln.

In der Physik liegt also die Stärke des „Affen-Arguments“ nicht in der Wahrscheinlichkeit, dass die Affen „am Ende“ etwas Lesbares produzieren, sondern dass sie es in der praktischen Realität nicht tun werden. Jeder physikalische Prozess, der noch seltener ist als eine solche Affen-Leistung, ist in Wirklichkeit unmöglich; darin liegt die statistische Grundlage für den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik.

[Bearbeiten] Affen-Experimente

Die The Monkey Shakespeare Simulator-Website, begonnen am 1. Juli, 2003, enthält ein Java-Applet, das viele tippende Affen simuliert. Am 3. Januar 2005 waren bereits 24 sequentielle Zeichen getippt: (RUMOUR. Open your ears; 9r"5j5&?OWTY Z0d "B-nEoF.vjSqj… aus Heinrich VI., Teil 2).

Im Jahr 2003 berichteten Wissenschaftler des Zoos von Paignton und der University of Plymouth in Devon in England, dass sie einen Monat lang eine Computertastatur in einem Käfig mit sechs Makaken platziert haben. Nicht nur haben die Affen nichts Sinnvolles zu Stande gebracht, außer fünf Seiten (PDF), wobei die Texte hauptsächlich aus dem Buchstaben S bestanden, sondern sie begannen auch, auf die Tastatur mit einem Stein einzuschlagen und sich über der Tastatur zu entleeren. Mit diesem Experiment wurde zugleich eine weitere Voraussetzung des Theorems widerlegt, denn Affen tippen nicht in einer gleichverteilten Zufallsverteilung. Das Experiment wurde als Performance inszeniert, weniger als ernsthafte Widerlegung, denn das Unendlich-viele-Affen-Theorem ist ein Gedankenexperiment und geht nicht von tatsächlich existierenden Affen aus.

[Bearbeiten] Veranschaulichung

Anschaulich betrachtet würden die Affen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit jeden beliebigen Text der jemals geschrieben wurde oder auch in der Zukunft jemals geschrieben wird tippen, wenn sie nur unendlich viel Zeit zur Verfügung gestellt bekämen. Auf den ersten Blick mutet dies insofern positiv an, als die Affen somit jedes vorhandene oder jemals noch bekannt werdende Wissen niederschreiben würden. Die dabei zufälligerweise entstehenden sinnvollen Texte sind dennoch ohne jeden schöpferischen Wert, da sie in einer unvergleichlich höheren Anzahl nicht sinnvoller Texte untergingen. Dabei würden die Affen auch beispielsweise jeden beliebigen Text mit jeweils allen denkbaren orthographischen oder inhaltlichen Fehlern niederschreiben – es wäre dann unmöglich, die sinnvollen von den nicht sinnvollen Varianten zu unterscheiden, ohne den Text in der richtigen Fassung ohnehin schon zu kennen.

[Bearbeiten] Literatur und Popkultur Referenzen

In Tom Stoppards Stück Rosencrantz & Guildenstern are Dead, das die Geschichte von Hamlet aus einer andere Perspektive wiedergibt, sagt eine Figur: „Wenn eine Million Affen …“ und kann dann nicht weitersprechen, weil sie selber Teil des Shakespearschen Universums ist, auf das sich die Redewendung im Englischen bezieht; spräche sie weiter, erklärte sie ihre eigene Fiktionalität. Der Satz endet mit einem anderen Thema.

Im Jahr 2000 hat das IETF Internet Standard-Komittee in einer Aprilscherz RFC den Infinite Monkey Protocol Suite (IMPS) vorgeschlagen, eine Methode um einen Hof mit unendlich vielen Affen über das Internet zu steuern. Ein amüsantes Zitat von Robert Wilensky: „Wir haben alle gehört, dass eine Millionen Affen auf eine Millionen Schreibmaschinen irgendwann Shakespeare erzeugen werden. Dank des Internets wissen wir, dass das nicht stimmt.

In einer Folge der Trickfilm-Serie Die Simpsons lässt Mister Burns ein Stück in einem riesigen Raum voll von Affen auf Schreibmaschinen schreiben.

Die C-Standardformatierung des Editors GNU Emacs wird oft als "schlimmer als zufällig" beschrieben: „An infinite number of monkeys typing into GNU emacs would never make a good program.

[Bearbeiten] Referenzen

Siehe auch: Die Bibliothek von Babel

[Bearbeiten] Weblinks

[Bearbeiten] Fußnoten

1 Das Wort daktylographisch erschien in der englischen Übersetzung von Borels Buch und scheint eine Anglizierung vom Französischen „Schreibmaschine“. en:dactylography bedeutet jedoch das Studium der Fingerabdrücke.

Kategorie:Stochastik Kategorie:Gedankenexperiment

[Bearbeiten] Skurrile wissenschaftliche Namen aus Biologie und Medizin

In diesem Artikel werden wissenschaftliche Benennungen gesammelt, die im Rahmen der gültigen Nomenklaturregeln eine gewisse Skurrilität aufweisen. Nicht enthalten sind Trivialnamen, Hoaxes, Wissenschaftliche Witze oder ungewöhnliche Benennungen aus anderen Fachbereichen.


Die Namensgebung in der Biologie und Anatomie ist ziemlich eindeutig durch verschiedene international gültige Regelwerke und Vereinbarungen reglementiert. In Werken wie beispielsweise dem International Code of Zoological Nomenclature, den Nomina anatomica oder dem Internationaler Code der Botanischen Nomenklatur ist festgelegt, wann ein wissenschaftlicher Name rechtmäßig ist und wann er nicht akzeptiert wird. Die Entscheidung dazu trifft im Falle der Tiere die International Commission on Zoological Nomenclature (ICZN), für Pflanzen die International Association for Plant Taxonomy (IAPT).

Doch obwohl durch diese Regeln relativ enge Grenzen gesetzt, gibt es doch immer wieder kreative (und unkreative) Biologen, deren Benennungen einen gewissen Unterhaltungswert haben. Dies kann aufgrund der Auswahl des Namens (Benennung etwa nach einer Musikgruppe, einem Film o.ä.), der Länge des Namens, seiner Buchstabenzusammensetzung (Palindrom, viele Vokale) oder anderer Eigenschaften sein.

Einige dieser Namen sollen in der folgenden Zusammenstellung vorgestellt werden. Dabei sollen nur Beispiele für verschiedene Formen der Skurrilität gezeigt werden.

[Bearbeiten] Wortspiele

[Bearbeiten] Die längsten Namen

  • Sulcus tendinum musculorum extensoris digitalis lateralis et peroneus brevis, in der veterinäranatomischen Nomenklatur eine seichte Sehnenrinne im Wadenbein von Fleischfressern.
  • Gammaracanthuskytodermogammarus loricatobaicalensis, ein Flohkrebs (Gammaridae) aus dem Baikalsee; der längste jemals vorgeschlagene wissenschaftliche Name, wurde gemeinsam mit weiteren Namensungeheuern vom ICZN für ungültig erklärt.
  • Parastratiosphecomyia stratiosphecomyioides, eine Waffenfliege (Stratiomyidae)
  • Brachyta interrogationis interrogationis var. nigrohumeralisscutellohumeroconjuncta, eine Varietät eines Bockkäfers (und als Quadrinomen ungültig im Sinne des ICZN).
  • Saxifraga aizoon var. aizoon subvar. brevifola forma multicaulis subforma surculosa, die Unterart einer Pflanze namens Saxifraga aizon
  • Archaeohystrichosphaeridium, der Gattungsname eines fossilen Dinoflagellaten
  • Micropachycephalosaurus hongtuyanensis, ein Dinosaurier

[Bearbeiten] Die kürzesten Namen

[Bearbeiten] Die ersten und die letzten im Alphabet

  • Aa, der Gattungsname eines Weichtiers und einer Orchidee
  • Aaadonta, der Gattungsname einer Schnecke; diese Gattung besitzt Merkmale, welche genau das Gegenteil sind wie bei Zyzzyxdonta
  • Aaages, der Gattungsname eines Marienkäfers
  • Aaata, der Gattungsname eines Prachtkäfers
  • Ada aa, eine Orchidee
  • Zyzza, der Gattungsname einer Zikade
  • Zyzzyx, der Gattungsname einer Wespe
  • Zyzzyxdonta, der Gattungsname einer Schnecke; diese Gattung besitzt Merkmale, welche genau das Gegenteil sind wie bei Aaadonta

[Bearbeiten] Palindrome

Palindrome sind Wörter, die sich von hinten und von vorn mit der gleichen Bedeutung lesen lassen.

[Bearbeiten] Tautonome, mal anders

Tautonome sind Aneinanderreihungen von zweimal demselben Namen (Beispiel Vulpes vulpes für den Rotfuchs). Diese sind in der Zoologie allgemein üblich, in der Botanik jedoch nicht erlaubt. Eine nette Variante stellen Tautonome dar, bei denen der Gattungs- und der Artname gleichbedeutend in verschiedenen Sprachen sind:

[Bearbeiten] Antinome, mal anders

Antinome sind Gegensätze, die hier in ein und demselben Namen auftreten, wie z.B. beim klassischen Größengegensatz zwischen Maus und Elefant. Auch Zusammensetzungen aus zwei Tiernamen implizieren manchmal frappierende Vorstellungen, wenigstens beim ersten Erfassen der gegensätzlichen Bestandteile:

  • Elephantulus fuscipes – Elefantenspitzmaus (lat.: "Elefäntchen");
  • Elephantulus brachyrhynchus – Kurznasen-Elefantenspitzmaus;
  • Macroscelides proboscideus – kurzohrige Elefantenspitzmaus
  • Balaenoptera musculus – Blauwal (musculus lat.: Mäuschen)

[Bearbeiten] Wortbedeutungen

[Bearbeiten] Benennung nach Prominenten

Die Benennung von Arten nach bedeutenden Personen ist in der Biologie durchaus üblich. Normalerweise werden auf diesem Weg bedeutende Forscher geehrt. Die folgenden Benennungen sind allerdings aufgrund der Personenwahl ungewöhnlich.

  • Bufonaria borisbeckeri, eine Meeresschnecke (nach Boris Becker)
  • Campsicnemius charliechaplini, eine Langbeinfliege; die Benennung erfolgte aufgrund der Bewegung der Hinterbeine, die den Beschreiber an Charlie Chaplin erinnerte.
  • Baeturia laureli und Baeturia hardyi, zwei Zikadenarten (nach Stan Laurel und Oliver Hardy)
  • Strigiphilus garylarsoni, die Eulenlaus; Gary Larson hätte es nach eigenen Worten allerdings lieber gesehen, Namenspate eines Schwanes zu sein.
Bill-Gates-Fliege (Eristalis gatesi)
vergrößern
Bill-Gates-Fliege (Eristalis gatesi)

[Bearbeiten] Namen fiktiver Personen und Wesen

[Bearbeiten] Aus der Welt der Sagen und Märchen

  • Agra sasquatch, ein Laufkäfer mit sehr großen Füßen (Sasquatch ist ein anderer Name für den Big-Foot).
  • Agra yeti, ebenfalls ein Laufkäfer und ein naher Verwandter der obigen Art. Benannt nach dem bekannten Schneemenschen Yeti.
  • Camelotia, ein Dinosaurier (Prosauropode) aus dem Trias; benannt nach Camelot, da er in England gefunden wurde.
  • Cinderella, eine Fliege (Heleomyzidae), dies ist der Name von Aschenputtel im Amerikanischen.
Trilobit (vergrößert, Originallänge etwa 1,5 cm)
vergrößern
Trilobit (vergrößert, Originallänge etwa 1,5 cm)

[Bearbeiten] Mächte des Bösen und des Todes

[Bearbeiten] Benennungen nach Wesen aus Büchern, Film und Fernsehen

  • Bambiraptor, ein theropoder Dinosaurier; benannt nach der Zeichentrickfigur Bambi, vor allem aufgrund der Größe des Skeletts.
  • Chloridops regiskongi, ein ausgestorbener Fink aus Hawaii; Nach seinem Fund wurde dieser Vogel von einem Journalisten als "a real King Kong finch" bezeichnet.
  • Darthvaderum, eine Gattung der Hornmilben; die REM-Bilder der Mundregion erinnerten den Erstbeschreiber Hunt sofort an Darth Vader.
  • Gojirasaurus, ein theropoder Dinosaurier; Gojira ist der japanische Originalname von Godzilla.
  • Godzillius und die Familie Godziliidae, eine Remipedengruppe ; die größten bekannten Angehörigen dieser Krebstiere leben in unterirdischen Höhlen.
  • Godzilligonomus, ebenfalls ein Remipede, diesmal der kleinste bekannte.
  • Pleomothra, noch ein Remipede und Angehöriger der Godziliidae; Benannt wurde er nach der gigantischen Motte Mothra aus den Godzilla-Filmen.
  • Sinemys gamera, eine fossile Schildkröte aus Japan, benannt nach Gamera, eine riesigen, feuerspeienden und fliegenden Schildkröte aus einem gleichnamigen japanischen Film. Der Grund für die Benennung sind flügelähnliche Auswüchse am Panzer des Fossils.
  • Hortipes terminator, eine Webspinne; benannt nach dem Terminator aufgrund der Form der Pedipalpen, die einer futuristischen Waffe ähneln.
  • Polemistus chewbacca und Polemistus vaderi, zwei Wespen, die nach Figuren aus Star Wars benannt wurden.
  • Batman, eine australische Fischgattung, benannt aufgrund der Form der Schwanzflosse. Die Gattung wurde allerdings umbenannt in den früher etablierten Namen Cryptocentrus.
  • Conus tribblei, eine Meeresschnecke; benannt nach den pelzigen "Tribbles", die bei Star Trek vorkommen.
  • Bidenichthys beeblebroxi, ein Schleimfisch und Erechthias beeblebroxi, eine Motte; beide besitzen einen "falschen" Kopf und wurden deshalb nach Zaphod Beeblebrox aus dem Roman Per Anhalter durch die Galaxis von Douglas Adams benannt
  • Fiordichthys slartibartfasti, ein Schleimfisch; benannt nach Slartibartfast, dem Konstrukteur der Fjorde im Roman "Per Anhalter durch die Galaxis".
  • Ninjamys, eine fossile Schildkrötengattung, nach den Ninja Turtles
  • Stichoplastoris asterix und Stichoplastoris obelix, zwei Vogelspinnenarten aus Costa Rica.

[Bearbeiten] Aus den Romanen von J.R.R. Tolkien

Aufgrund der aktuellen Popularität von John Ronald Reuel Tolkien fällt diese Liste besonders lang aus. Auch Biologen und Paläontologen sind und waren offensichtlich große Anhänger dieses Autors, besonders Van Valen benannte 1978 eine ganze Menge Säugetiere aus dem Paläozän nach Charakteren und Begriffen aus Mittelerde.

Auf eine Verlinkung der erwähnten Charaktere wird verzichtet, dafür sollte der Artikel Figuren aus Mittelerde ausreichen:

  • Aletodon mellon, ein Säugetier aus dem Paläozän; "Mellon" stammt aus der elbischen Sprache Sindarin und bedeutet "Freund", dieses Wort stellte das Passwort nach Moria dar.
  • Ancalagon, ein Priapswurm aus dem Kambrium sowie Ankalagon, ein Säugetier aus dem Paläozän; beide wurden nach dem Drachen "Ancalagon" benannt
  • Anisonchus eowynae, noch ein Säugetier aus dem Paläozän, benannt nach Éowyn, der Prinzessin von Rohan.
  • Beorn leggi, eine ausgestorbene Bärtierchen-Art, benannt nach Beorn, einer Figur, die zwischen Bären- und Menschengestalt wechseln kann
  • Bomburia, Säugetier aus dem Paläozän, benannt nach Bombur, einem Zwerg
  • Bubogonia bombadili und Protoselene bombadili, weitere Säugetiere aus dem Paläozän, diesmal benannt nach Tom Bombadil
  • Claenodon mumak, Säugetier aus dem Paläozän, benannt nach Mûmak, dem Mittelerde-Elefanten.
  • Deltatherium durini, Säugetier aus dem Paläozän nach dem Zwergennamen Durin benannt.
  • Earendil, eine Gattung von Säugetieren aus dem Paläozän, benannt Earendil, dem Vater von Elrond.
  • Elachista amrodella, E. aredhella, E. caranthirella, E. curufinella, E. daeronella, E. diorella, E. finarfinella, E. gildorella, E. indisella, E. maglorella, E. miriella, E. turgonella, alles Vertreter einer Mottengattung, benannt nach verschiedenen Elben von Tolkien, u.a. Amrod (Amras' Zwilling), Aredhel (Die Weiße Lady of Gondolin), Caranthir, Curufin, Daeron, Dior (König von Doriath), Finarfin (König in Aman), Gildor Inglorion (Hoher Elbe von Eriador & Imladris), Indis, Maglor, Miriel, Turgon (Lord von Nevrast, danach Gondolin).
  • Fimbrethil ambaronae, Säugetier aus dem Paläozän, benannt nach Fimbrethil, einer Jungfrau der Ents, und Ambaróna, wie der Entwald benannt wurde
  • Gollum, eine Haigattung, benannt nach Gollum, dem früheren Hüter des Ringes
  • Gwaihiria, eine Wespengattung (Diapridae), benannt nach dem König der Adler, Gwaihir
  • Litaletes ondolinde, Säugetiere aus dem Paläozän, benannt nach der Elbenstadt Ondolindë.
  • Macrostyphlus frodo und Macrostyphlus gandalf.
  • Mimotricentes mirielae, Säugetier aus dem Paläozän, nach dem Elben Míriel.
  • Mimatuta morgoth, ein Säugetier aus dem Paläozän, benannt nach Morgoth, dem "Dunklen/Schwarzen Feind"
  • Mimatuta minuial, ein Säugetiere aus dem Paläozän, benannt nach dem elbischen Wort "minuial" für das Morgengrauen.
  • Mithrandir eine Gattung von Säugetieren aus dem Paläozän nach einem der Namen des Zauberers Gandalf
  • Niphredil radagasti Säugetier aus dem Paläozän, nach Niphredil, einer kleine Blume in Mittelerde, und Radagast dem Braunen.
  • Osteoborus orc, kein Ork sondern ein Hund aus dem Pliozän
  • Oxyprimus galadrielae noch ein Säugetier aus dem Paläozän, diesmal nach der elbischen Lady Galadriel.
  • Pericompsus bilbo, ein Laufkäfer nach dem Titelhelden von Der kleine Hobbit. Dieser Käfer wurde so benannt mit der Begründung:"er war kurz, dick und hatte haarige Füße".
  • Platymastus palantir, wieder mal ein Säugetier aus dem Paläozän, diesmal nach dem palantír, einem magischen Beobachtungsstein.
  • Protungulatum gorgun, ein Säugetier nach dem Elbennamen für die Orks: "gorgûn".
  • Smeagol, eine Schnecke aus der Familie der Smaegolidae; beide Namen spiegeln den ursprünglichen Namen von Gollum wieder, genauso wie Smeagolia, eine Wespe (Pteromalidae).
  • Syconycteris hobbit, eine Langzungenflughund
  • Thangorodrim thalion, ein Säugetier aus dem Paläozän. Thangorodrim sind die drei höchsten Türme von Endor, Thalion ist eine Figur aus Tolkiens Silmarillion.
  • Tinuviel, ein Säugetier aus dem Paläozän, nach einer besonders schönen Elbin, ihr Name ist das elbische Wort für Nachtigall.

[Bearbeiten] Benennung nach Dingen

  • Saccharomyces carlsbergensis, ein Hefepilz, benannt nach der Carlsberg-Brauerei, die diesen verwendet
  • Cactospiza pallida darf man frei übersetzen als "bleicher Kaktusspitzer"; Heinz Sielmann berichtete im Journal für Ornithologie (Band 103, 1962, S. 92 ff.) über Beobachtungen an diesem Spechtfinken der Galápagos-Inseln, dass sie einen Kaktusstachel oder ein gerades Hölzchen benutzen und sogar selbst zurecht brechen, um damit Insekten aus Löchern im Holz zu stochern.
  • Proceratium google, eine Ameisenart auf Madagaskar. Benannt nach der Suchmaschine aus Dankbarkeit für Google Earth.
  • Callicebus aureipalatii, übersetzt der Golden Palace Monkey, benannt nach dem Online-Casino GoldenPalace.com, das den Namen auf einer Auktion zugunsten des Madidi Nationalparks in Bolivien ersteigerte.

[Bearbeiten] Die Drogenliste

  • Agave tequilana, ist die Blaue Agave; aus dieser Agave wird der Tequila gebrannt.
  • Artemesia absinthium, auch Wurmholz; Grundlage für den Absinth
  • La cerveza, eine Motte aus der Familie der Pyralidae; La cerveza ist spanisch und bedeutet "Das Bier".
  • Saccharomyces cerevisiae, die Brauer- oder Bäckerhefe; bedeutet übersetzt "Zuckerfressender Bierpilz"
  • Schizosaccharomyces pombe, eine Hefe; benannt nach dem Suaheli-Wort für Bier: "pombe".
  • Zoogonecticus tequila, ein Fisch, der nach dem Tequila benannt wurde.
  • Heroina cocaina ist kein gültiger Name. Kullander stellte 1996 die Gattung Heroina (die weibliche Form des Namens der verwandten Gattung Heros) auf und beschrieb eine Art aus der Umgebung der Stadt Coca in Ecuador. Er zog den Namen Heroina cocaina in Betracht, widerstand der Versuchung aber und entschied sich für den Namen Heroina isonycterina

[Bearbeiten] Der Sex in wissenschaftlichen Namen

Natürlich spielt die Sexualität im Tier- und Pflanzenreich eine große Rolle und entsprechend haben sexuelle Besonderheiten (Form und Größe der Geschlechtsorgane, Paarungsverhalten) auch Einzug in die Benennung genommen. Doch häufig sind es auch nur Ähnlichkeiten mit den menschlichen Genitalien, die die Benennung beeinflussten.

[Bearbeiten] Die weibliche Seite

  • Clitoria, die Gattung der Schmetterlingsbohnen. Die Form der Blüten erinnerte den Erstbeschreiber offensichtlich an die Klitoris
  • Labia minor, der Kleine Ohrwurm; benannt nach den inneren Schamlippen der Frau.
  • Mammillaria, Eine Gattung der Kakteen, die in der Form an weibliche Brüste erinnern.
  • Probarbus labeamajor und Probarbus labeaminor, zwei Süßwasserfische; die Bezeichnung kann als groß- und kleinlippig verstanden werden, sie könnte allerdings auch die Schamlippen der Frau betreffen.
  • Penicillus vaginiferous, eine vaginaförmige Muschel, siehe auch Pennicillus penis
  • Adiantum pedatum. Der deutsche Name Frauenhaar-Farn (engl. Maidenhair Fern) nimmt nicht unmittelbar Bezug zum glatten Kopfhaar.
  • Busen-Ragwurz (Ophrys mammosa), eine Orchidee des Mittelmeerraums. Die ausgeprägten Höcker auf der Blütenlippe führten zu diesem Namen.

[Bearbeiten] Die männliche Seite

Titanenwurz
vergrößern
Titanenwurz
  • Colymbosathon ecplecticos, ein fossiler Ostrakode; übersetzt bedeutet die Art "Erstaunlicher Schwimmer mit dem großen Penis". Es handelt sich um das älteste bekannte Fossil mit einem Penis.
  • Cuterebra emasculator und C. sterilisator, zwei Fliegen; Emasculator und Sterilisator kann als Entmannung bezeichnet werden. Die Maden der beiden Fliegen ernähren sich vom Hoden ihrer Nagetierwirte.
  • Longiphallus, eine Untergattung von Schnecken - die Obsession mit der Länge des männlichen Geschlechtsorgans macht auch vor dem Tierreich nicht halt.
  • Mutinus caninus, eine Stinkmorchel; wörtlich "Kleiner Hundepenis", deutsch auch "Hundsrute"
  • Penicillus penis, eine penisförmige Muschel; siehe auch Penicillus vaginiferous
  • Phallus, Gattung innerhalb der Stinkmorchel
  • Phallus impudicus, der Stinkmorchel, ein Pilz aus der Gattung der Phallaceae, wörtlich: unverschämter Penis. Außerdem gibt es den Phallus daemonicum (übersetzt: dämonischer Penis).
  • Priapulus, ein Priapswurm (Priapulida). Die Bedeutung der ganzen Tiergruppe leitet sich von dem Namen "kleiner Penis" her und bezieht sich auf die Form der Würmer.
  • Scrotum humanum, heute bekannt als Megalosaurus, einer der ältesten Funde eines Dinosaurierknochens war der Oberschenkel dieses Tieres, der aufgrund der Form der Gelenkflächen, die dem menschlichen Hodensack (Scrotum humanum) ähneln, so benannt wurde.

[Bearbeiten] Andere Bezüge zum Sex

  • Bangiomorpha pubescens, fossile Rotalge; Diese Algen zeigen die früheste dokumentierte Form der Sexualität, was den Autor zum enthusiastischen "Bang" brachte.
  • Eroticoscincus, Gattungsbezeichnung einer australischen Eidechse; übersetzt heißt das Tier "sexy Echse"
  • Hornia, eine Gattung der Ölkäfer; aus dem Gift dieser Tiere wird ein Aphrodisiakum gewonnen (englisch "horny" für scharf)
  • Orchidaceae, wissenschaftliche Bezeichnung der Orchideen; stammt von der griechischen Bezeichnung für Hoden, abgeleitet vom Aussehen der paarigen, ovalen Knollen der Gattung Orchis. Andere Quellen meinen, der Name entstamme der Annahme der Antike, dass Orchideen aus verspritztem Sperma kopulierender Tiere wüchsen.

[Bearbeiten] Sonstige Kuriosa

  • Poescopia, Gattungsbezeichnung innerhalb der Bartenwale; Der Name stellt eine latinisierte Form des holländischen Namens für "Pisspot" dar: "poescop".
  • der Türkise Prachtgrundkärpfling Nothobranchius furzeri ist ein zentralafrikanischer Fisch in trockenfallenden Tümpeln und war bis April 2005 das Wirbeltier mit der kürzesten Lebenserwartung von 12 Wochen. (Mittlerweile hat Eviota sigillata, eine 2 cm große Grundel des Great Barrier Reef, diesen wenig erstrebenswerten Rang mit einer Lebenserwartung von 7 Wochen.)
    Die Art wurde zu Ehren von Richard E. Furzer aus Rhodesien (heute Zimbabwe) benannt; damit wird der Artname englisch ausgesprochen ("förseri").

[Bearbeiten] Wenig originelle Benennungen

Die Vielfalt an Lebewesen kann manchmal überwältigend sein. Einem amerikanischen Schmetterlingsforscher erschienen die Schmetterlinge des nördlichen Mexikos offenbar so zahlreich, dass er bei der Namensgebung ein wenig schematisch zur Sache ging:

  • Cydia candana, Epiblema sosana, Epiblema tandana, Epinotia zandana, Epinotia xandana, Eucosma bobana, Eucosma cocana, Eucosma dodana, Eucosma fofana, Eucosma gandana, Eucosma handana, Eucosma hohana, Eucosma landana, Eucosma lolana, Eucosma mandana, Eucosma momana, Eucosma nandana, Eucosma pandana, Eucosma totana, Eucosma wandana, Pelochrista ponana, Pelochrista randana, Pelochrista rorana, Pelochrista vandana, Phaneta kokana, Rhyacionia zozana, Hysterosia baracana, Hysterosia biscana, Hysterosia bomonana, Hysterosia discana, Hysterosia foxcana, Hysterosia nomonana, Hysterosia riscana, Hysterosia romonana, Hysterosia toxcana, Hysterosia viscana, Hysterosia voxcana, Hysterosia waracana, Hysterosia wiscana, Hysterosia zaracana, Hysterosia ziscana, Hysterosia zoxcana

Siehe auch: Nihilartikel, Steinlaus, Wissenschaftlicher Witz

[Bearbeiten] Weblinks

Diese Liste stellt nur eine kleine Auswahl an Namen dar, viele weitere finden sich auf

Kategorie:Biologie Skurrile wissenschaftliche Namen

{{Lesenswert}}


[Bearbeiten] Spureinlauf

Unter Spureinlauf versteht man in der Haustechnik den beim Auftreffen des Harnstrahls auf das Urinal, die Pinkelrinne oder die WC-Schüssel entstehenden Schall. Dabei treten typische Nutzergeräusche auf, die besonders durch Körperschallübertragung (Übertragung durch Wände und Decken) in anderen Räumen des Gebäudes hörbar werden. Diese Geräusche sollten nach Möglichkeit durch konstruktive Maßnahmen gering gehalten werden, um besonders in Hotels oder Wohnhausanlagen die Beeinträchtigung anderer Bewohner zu vermeiden. Geräuschschützende Maßnahmen sind in DIN 4109-89 festgelegt.

Installationsgeräusche allgemein errechnen sich nach folgender Formel zu:

L_{IN}=30-20\cdot\log\frac{m^\prime}{220\cdot\textrm{kg}/\textrm{m}^2}

In dieser Formel ist LIN der Installationsgeräuschpegel, welcher von der flächenbezogenen Masse der Wand m′ abhängt. Das heißt, dass die Spureinlaufgeräusche umso geringer sind, je schwerer die Wand je Quadratmeter ist, an der die Sanitärgegenstände oder ihre Leitungen angebracht sind. Der Pegel verringert sich bei Verdopplung der Masse um 20·log 2 = 6,02 dB.

Kategorie:Haustechnik Kategorie:Akustik Kategorie:Bad und WC

[Bearbeiten] Stage migration

Stage migration oder das Will-Rogers-Phänomen ist ein Effekt in der Mittelwertbildung von Gruppen: Durch einen Wechsel eines Elements von einer zur anderen Gruppe kann der Mittelwert in beiden Gruppen steigen, während gleichzeitig die Einzelwerte sinken können (oder umgekehrt).

Statistiker sprechen hier manchmal lakonisch von einer kriminellen (Daten-)Vereinigung.

Benannt wurde er nach Will Rogers (Humorist und Philosoph), der meinte: When the Okies left Oklahoma and moved to California, they raised the average intelligence level in both states. (Als die Einwohner von Oklahoma nach Kalifornien umzogen, hoben sie den mittleren Intelligenzquotienten in beiden Staaten an.)

[Bearbeiten] Beispiel

In der Gemeinde A-Dorf haben die Bewohner ein Durchschnittseinkommen von 2,5 Talern, die in B-Dorf 7 Taler. Zieht Herr X aus B-Dorf mit einem Einkommen von 5 Talern nach A-Dorf, erhöht sich in beiden Dörfern das Durchschnittseinkommen, da

  • Herr X in B-Dorf mit seinem geringen Einkommen den Durchschnitt nach unten zog, und
  • in A-Dorf durch sein überdurchschnittliches Einkommen nach oben.

In Zahlen vorher:

  • A = {1, 2, 3, 4}, Mittelwert = 2,5
  • B = {5, 6, 7, 8, 9}, Mittelwert = 7

Verschiebt man jedoch die 5 aus B nach A, so bekommt man

  • A = {1, 2, 3, 4, 5}, Mittelwert = 3
  • B = {6, 7, 8, 9}, Mittelwert = 7,5

Wie man sieht, steigt der Mittelwert beider Mengen.

[Bearbeiten] Früherkennung von Krankheiten

Stage migration hat auch Effekte in der Wissenschaft: So wird in einer Statistik über die Lebenserwartung bei Krebs nur (!) durch eine verbesserte Diagnostik eine verbesserte Therapie vorgetäuscht.

Die Tumore werden in große und kleine eingeteilt; wenn die Diagnosemethode sich verbessert, werden von jedem Tumor mehr Teile entdeckt, und Tumore, die früher für klein gehalten worden wären, werden als groß erkannt. Dadurch werden die gefährlichsten Exemplare aus der Gruppe der kleinen Tumore entfernt und als harmloseste Exemplare in die Gruppe der großen Tumore eingefügt – für beide Gruppen scheint sich die Heilbarkeit zu verbessern. Außerdem werden nun auch sehr kleine Tumore entdeckt, was die gemessene Heilbarkeit weiter erhöht.(Quelle:[6])

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Weblinks

Kategorie:Medizinstatistik Kategorie:Paradoxon

Die Tacoma-Narrows-Brücke von Norden
vergrößern
Die Tacoma-Narrows-Brücke von Norden

Die Tacoma-Narrows-Brücke (englisch Tacoma Narrows Bridge) ist eine Hängebrücke im US-Bundesstaat Washington. Sie führt über die Tacoma Narrows, einen Seitenarm des Puget Sounds und verbindet damit Tacoma im Osten mit Gig Harbor im Westen. Mit einer Mittelspannweite von 853 Metern war sie zum Zeitpunkt ihrer Fertigstellung (1940) die drittgrößte Hängebrücke der USA. Neben der heutigen Brücke entsteht derzeit eine weitere Hängebrücke, die dem gewachsenen Verkehrsaufkommen Rechnung tragen soll. Die erste Tacoma-Narrows-Brücke wurde am 1. Juli 1940 eröffnet, stürzte jedoch vier Monate später spektakulär ein.

[Bearbeiten] Die Tacoma-Narrows-Brücke von 1940

Diese ursprüngliche Brücke wurde von dem Ingenieur Leon Moisseiff entworfen. Sie sollte 1940 die drittlängste Brücke der Welt werden.

Die ursprüngliche Brücke nach dem Einsturz
vergrößern
Die ursprüngliche Brücke nach dem Einsturz

Moisseiff sah – bei 853 m Spannweite – eine äußerst schlanke Konstruktion des Fahrbahnträgers als Stahl-Vollwandträger vor – extrem flach und mit nur zwei Fahrbahnen und zwei Fußwegen auch sehr schmal. Diese Entwicklung hatte Fritz Leonhardt mit der Planung der Rodenkirchener Brücke in Köln angestoßen. Bis dahin waren Hängebrücken immer mit wesentlich höheren Fachwerkträgern versteift worden. Das neue Konzept war noch vor Baubeginn an der Rodenkirchener Brücke von Othmar Ammann für die Bronx-Whitestone-Brücke in New York City übernommen und weitergeführt worden, an der auch Moisseiff mitgearbeitet hatte. Moisseiff ging diesen Weg bei der Tacoma-Narrows-Brücke noch weiter.

Vergleich der ersten Hängebrücken mit Vollwandträgern
Spannweite l Tragwerkshöhe h Tragwerksbreite b Schlankheit h/l Schlankheit b/l
Tacoma-Narrows-Brücke 853 m 2,4 m 11,9 m 1:350 1:72
Bronx-Whitestone-Brücke 701 m 3,4 m 22,6 m 1:209 1:31
Rodenkirchener Brücke 378 m  ? 22,6 m  ? 1:17

Diese Schlankheit führte zu einer sehr niedrigen Steifigkeit und einem sehr niedrigen Gewicht. Zusammen mit einer aerodynamisch ungünstigen Form des Trägers machte das die Brücke sehr windempfindlich.

Schon bei leichtem Wind bildete sich hinter dem Träger eine Kármánsche Wirbelstraße, deren Wirbel sich mit annähernd der Eigenfrequenz der Brücke ablösten, so dass die Brücke in Resonanz geriet. Bald erhielt sie wegen ihres Auf- und Abschwingens den Spitznamen „Galloping Gertie“ und wurde zum Touristenmagneten. Manche Autofahrer kamen extra zum „Achterbahnfahren“, andere nahmen lieber weiter den zeitaufwändigen Umweg über Olympia im Süden in Kauf, den die Brücke eigentlich ersparen sollte.

Am 7. November 1940 schließlich wurde es windiger. Die Brücke geriet in einen anderen Schwingungsmodus und führte jetzt Torsionsschwingungen aus. Bei diesem Modus handelte es sich, wie später festgestellt wurde, um eine so genannte selbsterregte Schwingung. Die Brücke sorgte ohne eine von außen vorgegebene Frequenz selbst dafür, dass sie sich immer weiter aufschaukelte. In gewisser Weise wäre das vergleichbar einem Menschen auf einer Schaukel, der immer im richtigen Moment einen Schild gegen den Wind hält oder wegklappt. Nach weniger als einer dreiviertel Stunde rissen bei einer Windgeschwindigkeit von 67 km/h (Windstärke 8) die Seile und die Fahrbahn stürzte mit zwei noch eilig verlassenen Autos und einem Cockerspaniel in die Tacoma Narrows. Menschen kamen bei dem Unglück nicht zu Schaden.

Die Bronx-Whitestone-Brücke wurde im Anschluss mit zusätzlichen Gitterträgern verstärkt, das geschah allerdings mehr aus psychologischen Gründen. Zehn Jahre nach ihrem Einsturz wurde die Tacoma-Narrows-Brücke neu gebaut, diesmal mit einem konventionellen Gitterträger. Diese Bauweise sollte sich weltweit sehr lange halten. Obwohl es möglich gewesen wäre, auch bei großen Hängebrücken richtig ausgelegte Vollwand- oder Kastenträger zu verwenden, wurde erst wieder 1981 mit der Humber-Brücke in England eine solche Brücke fertiggestellt.

Der Zusammenbruch der Brücke wurde in Farbe gefilmt und wird häufig als Anschauungsmaterial für die aerodynamischen und schwingungstechnischen Vorgänge verwendet. Bedeutendste Folge der Katastrophe war, dass seither neben der Statik auch die Dynamik bei der Konstruktion von Brücken berücksichtigt wird und dass sämtliche größeren Brücken als Modell im Windkanal getestet werden.

Die neue Brücke wurde (mit neuen Pylonen) auf den Fundamenten der alten Brücke aufgebaut. Die Überreste der abgestürzten Fahrbahn liegen auch heute noch an Ort und Stelle unter Wasser; sie wurden 1992 unter Denkmalschutz gestellt.

[Bearbeiten] Weblinks

Commons: Category:Tacoma Narrows Bridge – Bilder, Videos und/oder Audiodateien

Kategorie:Hängebrücke Kategorie:1940

[Bearbeiten] Ziegenproblem

Das Ziegenproblem, auch als „Drei-Türen-Problem“, „Monty-Hall-Problem“ oder „Monty-Hall-Dilemma“ bekannt (nach dem Moderator der US-amerikanischen Spielshow „Let's make a deal“, Monty Hall), wird als Beispiel zur Veranschaulichung eines Problems der bedingten Wahrscheinlichkeiten herangezogen.

[Bearbeiten] Das Problem

Bei einer Spielshow soll der Kandidat eines von drei aufgebauten Toren auswählen. Hinter einem verbirgt sich der Gewinn, ein Auto, hinter den anderen beiden jeweils eine Ziege, also Nieten (oder Trostpreise). Folgender Spielablauf ist immer gleich und den Kandidaten vorab bekannt:

  1. Der Kandidat wählt ein Tor aus, welches aber vorerst verschlossen bleibt.
  2. Daraufhin öffnet der Moderator, der die Position des Gewinns kennt, eines der beiden anderen Tore, hinter dem sich eine Ziege befindet. Im Spiel befinden sich also noch ein Gewinn und eine Niete.
  3. Der Moderator bietet dem Kandidaten an, seine Entscheidung zu überdenken und das andere Tor zu wählen.

Wie soll der Kandidat sich entscheiden, um seine Gewinnchance zu maximieren?

[Bearbeiten] Hintergrund

Zum ersten Mal wurde ein äquivalentes Problem 1889 von dem französischen Mathematiker Joseph Bertrand veröffentlicht. Er beschrieb es als das „Drei-Kasten-Problem“.

Berühmtheit erlangte das Ziegenproblem 1990 durch eine Lösungsbeschreibung der US-amerikanischen Kolumnistin Marilyn vos Savant im „Parade Magazine“, deren Richtigkeit zunächst selbst von Mathematikern angezweifelt wurde. Frau Savant wurde zeitweise von einigen Mathematikern, die das Problem ungenügend durchdacht hatten, übel beschimpft.

[Bearbeiten] Lösung und Erklärung

Auch wenn viele Menschen dazu neigen, davon auszugehen, dass es keinen Unterschied zwischen dem Torwechsel oder dem Verharren auf der getroffenen Entscheidung gäbe, ist diese Annahme falsch. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich das Auto hinter dem zuerst gewählten Tor befindet, beträgt 1/3 und die Wahrscheinlichkeit, dass es hinter einem der anderen beiden steht, 1/3 + 1/3 = 2/3. Wenn von den beiden Toren, auf die zusammengenommen die Wahrscheinlichkeit 2/3 zutrifft, dasjenige mit der Niete geöffnet wird, verbleibt die höhere Wahrscheinlichkeit von 2/3 allein auf dem letzten Tor. Das vom Kandidaten am Anfang ausgewählte erste Tor dagegen bleibt jedoch bei der Wahrscheinlichkeit von 1/3. Bei einem Wechsel verdoppelt der Kandidat also seine Chancen auf das Auto.

Faktisch hat nämlich das bloße Öffnen eines der beiden verbliebenen Tore mit einer Niete dahinter keinerlei Auswirkungen auf die Gewinnwahrscheinlichkeit. Der Moderator beweist dem Kandidaten durch das Öffnen nur, dass hinter mindestens einem der beiden verbliebenen Tore eine Niete steckt. Das wusste der Kandidat bei drei Toren und zwei Nieten aber schon vorher. Also bietet der Moderator lediglich an, dass der Kandidat durch einen Tor-Wechsel das Auto dann bekommt, wenn es hinter einem beliebigen der zwei verbliebenen Tore steckt. Statt einem Tor darf der Kandidat nun also auf Wunsch faktisch zwei Tore auf einmal auswählen - dies verdoppelt natürlich die Gewinnchance.

Um die Lösung zu verstehen, muss man bedenken, dass die Chance auf einen Gewinn hinter dem gewählten Tor von Anfang an nur 1/3 betrug und sich beim Festhalten des Spielers an seiner Wahl auch nicht ändert – unabhängig ob der Showmaster ein Ziegentor öffnet oder nicht –, andererseits beträgt die Wahrscheinlichkeitssumme aller Auswahlmöglichkeiten 3/3, also 1. Oder anders: In 2/3 aller Fälle hat der Kandidat eine Tür mit einer Ziege ausgewählt. Der Moderator muss auf jeden Fall eine Tür mit einer Ziege öffnen. Das heißt, dass in 2/3 aller Fälle die verbliebene Tür den Preis enthält. Daher ist ein Wechsel strategisch stets sinnvoll.

In einem Satz: Kann man durch eigene Wahl nur eine Wahrscheinlichkeit von 1/3 erreichen, verbleiben nach Aufzeigen der Niete die anderen 2/3 beim dritten Tor, welches man wählen sollte.

[Bearbeiten] Wesentliche Voraussetzung

Eine wesentliche Voraussetzung für diese überraschende Lösung ist allerdings, dass der Moderator weiß, hinter welchem Tor sich der Hauptgewinn befindet und dass der Moderator auf jeden Fall ein anderes Tor aufmacht. Wenn auch der Moderator nicht weiß, wo der Hauptgewinn verborgen ist, öffnet er in 1/3 aller Fälle das Tor für den Hauptgewinn. Die Chance, dass der Kandidat den Hauptgewinn erhält, bleibt dann 1/3, sowohl mit als auch ohne Wechsel.

[Bearbeiten] Auflösung der verbreiteten Fehlargumentation

Der häufigste Grund für das Finden einer falschen Antwort besteht darin, dass man sich nach dem Öffnen des Ziegentores fälschlicherweise eine „vergleichbare“ Situation vorstellt: Wenn man die Auswahl zwischen zwei Toren hat, aber nur eines das richtige ist, dann stehen die Chancen 50:50.

Dies ist dann richtig, wenn der Kandidat eine der beiden verbleibenden Tore zufällig wählt, also seine erste Wahl zufällig ändert oder nicht, beispielsweise durch Münzwurf. Bei einer Entscheidung ohne sein Vorwissen darüber, welches der Tore er zuerst gewählt hatte und welches nach Ausschluss durch den Moderator übrig bleibt, sind die Gewinnchancen ausgeglichen.

Weil der Kandidat aber weiß, dass der Moderator die Gewinnaussichten zweier Tore förmlich zu einem Tor zusammenlegt, verschiebt sich das Verhältnis zugunsten des noch nicht gewählten Tores. Die beste Strategie ist die, sich auf einen Wechsel festzulegen, womit der Kandidat nur bei der ersten Wahl zufällig handelt.

[Bearbeiten] Fehleinschätzung durch Fehlinterpretation der Rolle des Moderators

Ein weiterer Grund für das Finden einer falschen Antwort ist ein falsches Verständnis von der Rolle des Moderators. Es wird oft fälschlicherweise angenommen, dass dieser irgendeine der anderen beiden Türen öffnet, wobei dann zufällig die Ziege zum Vorschein kommt. Dann würde aber auch mit der Wahrscheinlichkeit 1/3 das Auto vom Moderator selbst gezeigt werden, und das darf er nicht. Der Moderator weiß ja, wo das Auto steckt, und muss genau diese Tür geschlossen halten. Wenn der Kandidat nicht bereits selbst die Tür mit dem Auto gewählt hat, dann wählt der Moderator sozusagen die Tür mit dem Auto aus, und macht die verbleibende dritte Tür mit der Ziege auf. Weil die Chance auf die Tür mit dem Auto für den Kandidaten am Anfang eher schlecht ist, sitzt nun eher der Moderator auf der Tür mit dem Auto. Ein Wechsel ist deshalb dringend geraten.

Bei einer Sendung wie beispielsweise „Wer wird Millionär?“ erhöht sich die Gewinnwahrscheinlichkeit nicht, wenn ein Kandidat sich vor Anwendung des „fifty-fifty-Jokers“ für eine Antwort entscheidet und sich nach dem Wegfallen von zwei Antworten umentscheidet. Der Computer kann die vom Kandidaten ausgewählte Antwort wegfallen lassen, wenn diese falsch ist, und braucht sich nicht auf die übrigen Antwortmöglichkeiten einzuschränken.

Eine andere Fehleinschätzung besteht darin, dass der Moderator versucht, den Teilnehmer irrezuführen und ihn zum Wechseln zu bewegen, um die Gewinnwahrscheinlichkeit zu verringern. Eine solche „Irreführung“ würde aber in Wirklichkeit dem Teilnehmer helfen, seine Gewinnwahrscheinlichkeit zu verbessern – wenn er wechselt. Das gilt natürlich nur, wenn von Anfang an klar ist, dass nach der Entscheidung des Kandidaten auf jeden Fall eine Türe geöffnet wird. Ein "schlauer" Moderator würde eine Türe nur dann öffnen, wenn der Kandidat das Auto bei der ersten Wahl getroffen hat, um ihn damit zu einem Wechsel zu bewegen.

[Bearbeiten] Schema für die (richtige) „Immer-Wechsel“-Strategie

Bei einer „Immer-Wechsel“-Strategie zeigen sich drei Fälle, anhand der drei vom Kandidaten gewählten Türen:

Auto hinter Tor C, Kandidat wählt A Der Kandidat wählt vorerst A, die Ziege B wird ihm gezeigt, durch einen Wechsel (von A auf C) gewinnt er.
Auto hinter Tor C, Kandidat wählt B Der Kandidat wählt vorerst B, die Ziege A wird ihm gezeigt, durch einen Wechsel (von B auf C) gewinnt er.
Auto hinter Tor C, Kandidat wählt C Der Kandidat wählt vorerst C, eine Ziege (A oder B) wird ihm gezeigt, durch einen Wechsel (von C auf B bzw. A) verliert er.

Fazit: Er gewinnt in zwei von drei Fällen durch einen Wechsel.

[Bearbeiten] Erklärung mit Hilfe eines Entscheidungsbaumes

Beim Schätzen und Berechnen von Wahrscheinlichkeiten ist es wichtig, keine Informationen, die zur Verfügung stehen, zu übersehen: hier ein Entscheidungsbaum für das Problem. Annahme bei diesem Entscheidungsbaum: Das Auto befindet sich hinter dem Tor A.

Entscheidungsbaum zum Ziegenproblem
vergrößern
Entscheidungsbaum zum Ziegenproblem


[Bearbeiten] Erklärung mit Hilfe des Bayesschen Theorems

Es sind die Ereignisse definiert:

KA: Der Kandidat hat das Tor A gewählt, ...
MA: Der Moderator hat das Tor A geöffnet, ...
GA: Der Gewinn ist im Tor A, ...

Es soll beispielsweise die Situation vorliegen: Der Kandidat hat Tor A gewählt, und der Moderator hat daraufhin das Tor B geöffnet. Lohnt es sich für K zu wechseln? Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Auto hinter Tor C ist? Gesucht ist also die bedingte Wahrscheinlichkeit P(GC|MB), dass das Auto hinter Tor C ist, wenn bekannt ist, dass es nicht hinter Tor B ist. Man kann diese Wahrscheinlichkeit mit dem Bayesschen Theorem ermitteln:

P(G_C|M_B) = \frac{P(M_B \cap G_C)}{P(M_B)} =
\frac{P(M_B|G_C)P(G_C)}{P(M_B|G_A)P(G_A)+P(M_B|G_B)P(G_B)+P(M_B|G_C)P(G_C)} =
\frac{ 1 \cdot \frac{1}{3} } { \frac{1} {2} \cdot \frac{1}{3} + 0 \cdot \frac{1}{3} + 1 \cdot \frac{1}{3}} =  \frac{\frac{1}{3} }{ \frac{1}{6} + 0  + \frac{1}{3}} =  \frac{2}{3} \; .

Der Kandidat sollte wechseln.

Das Ziegenproblem wird oft als Beispiel dafür herangezogen, dass der menschliche Verstand zu Trugschlüssen neigt, wenn es um das Schätzen von Wahrscheinlichkeiten geht.

[Bearbeiten] Erklärung mit Hilfe der Monte-Carlo-Simulation

Da diese Methodologie jedenfalls noch etwa im Jahr 1994 eine Aufsehen erregende Erscheinung in der Stochastik war, folgt hier noch ein Anwendungs-Beispiel in Pseudocode:

BEGIN
 gewonnenOhneWechsel := 0
 gewonnenMitWechsel := 0
 n := 1000000
 REPEAT n TIMES
  auto := RANDOM(0..2)
  wahl := RANDOM(0..2)
  IF wahl == auto THEN
    gezeigt := (RANDOM(1..2) + wahl) MOD 3
  ELSE
    gezeigt := (3 - wahl - auto) MOD 3
  END IF
  IF wahl == auto THEN gewonnenOhneWechsel := gewonnenOhneWechsel + 1 END IF
  wechsel := (3 - wahl - gezeigt) MOD 3
  IF wechsel == auto THEN gewonnenMitWechsel := gewonnenMitWechsel + 1 END IF
 END REPEAT
 PRINT "ohne Wechsel ", gewonnenOhneWechsel*100. / n, "%"
 PRINT "mit Wechsel ", gewonnenMitWechsel*100. / n, "%"
END

Es ist im Programm gut zu erkennen, dass bei der Ohne-Wechsel-Strategie das Öffnen eines Tores keinen Einfluss auf die Gewinnwahrscheinlichkeit hat.

Als Ergebnis werden erwartungsgemäß etwa 33 % und etwa 67 % ausgegeben.

[Bearbeiten] Sprachlich einfache Erklärungen

Der Moderator kann nur ein Tor öffnen, hinter dem sich der Gewinn nicht befindet. Ein Kandidat, der sich immer gegen den Wechsel entscheidet, gewinnt nur, wenn er auf Anhieb das richtige Tor trifft. Dies geschieht in einem Drittel der Fälle. Ein Kandidat, der immer wechselt, verliert in allen Fällen, in denen er ohne Wechsel gewinnt, also einem Drittel der Fälle, und gewinnt folglich in zwei Dritteln der Fälle.

Alternativ kann man sich auch folgende Interpretation des Spieles durch den Kandidaten vorstellen: Der Kandidat wählt zwei Türen aus und bittet den Moderator, eine Niete sicher auszuschließen, so dass von zwei Türen nur noch dann eine Niete übrig bleibt, wenn der Gewinn schon vorher hinter der nicht ausgewählten Tür versteckt war. Ganz offensichtlich ist die Gewinn-Chance hier zwei Drittel. Der Kandidat kann den Moderator dadurch zur Mitarbeit benutzen, indem er vorgibt, sich für die eigentlich ausgeschlossene Tür zu entscheiden, woraufhin der Moderator die gewünschte Auswahl in den zwei eigentlich gewählten Türen vornimmt. Zur übriggebliebenen Tür wird der Kandidat dann offen wechseln, sie gehörte ja ohnehin zu seinen beiden Auswahlkandidaten.

Wird das Spiel gedanklich auf n Türen erweitert, wobei der Moderator nach der ersten Wahl des Kandidaten n-2 Türen mit Nieten öffnet, wird die optimale Strategie des Umentscheidens für große n unmittelbar deutlich, z.B. am Beispiel einer Losbude mit einem Hauptgewinn und n-1 Nieten, also z.B. n = 1000 Losen. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Spieler mit seiner ersten Wahl richtig liegt, beträgt 1:1000. Nachdem der Losbudenbesitzer 998 Nieten aus dem Loseimer entfernt hat, empfiehlt es sich für den Spieler, sich umzuentscheiden.

[Bearbeiten] Varianten

[Bearbeiten] Geh aufs Ganze

Das Ziegenproblem ähnelt der Spielshow „Geh aufs Ganze!“, unterscheidet sich aber in einem wesentlichen Punkt: Beim Ziegenproblem ist immer genau ein Gewinn vorhanden. Bei „Geh aufs Ganze“ können auch mehrere und wertmäßig unterschiedliche Gewinne vorhanden sein, unter anderem auch ein offenes Geldangebot in bar. Der Moderator bietet dem Spieler Geld, wenn er sich umentscheidet und das vom Moderator gewollte Tor nimmt. Der Moderator feilscht regelrecht mit dem Spieler, erhöht sein Angebot (100, 200, 300... Euro) und geht bis zu einem Limit, das der Spieler vorher nicht kennt. Wenn sich dann der Spieler nicht sofort für das Geld entscheidet, ist das Angebot weg und der Spieler muss das gewählte Tor nehmen. Deshalb unterscheidet sich hier die optimale Strategie. Sie hängt maßgeblich von der Risikoaversion des Kandidaten ab. Der Moderator erhöht schrittweise die sichere Alternative (das Geldangebot), bleibt dabei jedoch unter dem Wert des Hauptpreises. Der Kandidat muss entscheiden, ob ihm das sichere Geldangebot mehr wert ist als die Chance auf den Hauptgewinn. Die Entscheidungstheorie nennt dies das Sicherheitsäquivalent.

[Bearbeiten] Mehrere Türen

Um die richtige Lösung zu veranschaulichen, wird die Problemstellung gelegentlich auf eine höhere Anzahl von Türen übertragen, zum Beispiel 100. Die Regeln des n-Türen-Problems (n = 3 oder größer) sind:

  • Der Kandidat wählt eine Tür aus.
  • Der Moderator öffnet alle bis auf eine der verbleibenden Türen, im Spiel befinden sich also nur noch ein Gewinn und eine Niete.
  • Der Kandidat erhält die Möglichkeit, die Tür zu wechseln.

Es ist ziemlich offensichtlich, dass der Kandidat bei 100 Türen nur mit 1%iger Wahrscheinlichkeit zunächst den Gewinn wählt. Der Gewinn befindet sich also fast immer hinter der anderen Tür. Genauer: wenn der Kandidat konsequent die Tür wechselt, ist die Gewinnwahrscheinlichkeit gerade die Wahrscheinlichkeit, ursprünglich eine Niete zu erwischen, also (n-1)/n (bei 100 Türen 99 %, beim ursprünglichen Ziegenproblem 2/3).

Nach dem Öffnen der Türen liegt übrigens dieselbe Situation vor wie beim ursprünglichen Ziegenproblem mit nur 3 Türen. Ein unbedarfter Kandidat könnte hier also wieder argumentieren, dass die Gewinnchance 1/2 ist (da es ja auf die Vorgeschichte nicht ankomme). Dies ist auch korrekt, wenn er einfach nur zufällig eine der beiden verbleibenden Türen wählt, also mal wechselt, mal nicht. Wie eben erläutert, kann er jedoch die Chancen erhöhen, wenn er sein Vorwissen geschickt nutzt.

[Bearbeiten] Literatur

[Bearbeiten] Weblinks

Wiktionary: Ziegenproblem – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme und Übersetzungen

{{Exzellent}}

Kategorie:Stochastik Kategorie:Spielshow

[Bearbeiten] Benfordsches Gesetz

Das benfordsche Gesetz zählt zu den universellen Verteilungsgesetzen der Stochastik. Es beschreibt eine fundamentale Gesetzmäßigkeit der Verteilung der Ziffernstrukturen der Zahlen in Datensätzen, z.B. ihrer ersten Ziffern, seien es Datensätze über Einwohnerzahlen von Städten oder über Geldbeträge in der Buchhaltung, von Naturkonstanten oder Datensätze wissenschaftlicher Beobachtungen. Kurz gefasst besagt es: "Je niedriger der zahlenmäßige Wert einer Ziffernsequenz definierter Länge an einer definierten Stelle einer Zahl ist, umso wahrscheinlicher ist ihr Auftreten. Für die Anfangsziffern in Zahlen des Zehnersystems gilt z.B.: Zahlen mit der Anfangsziffer '1' sind etwa 6,5-mal häufiger als solche mit der Anfangsziffer '9'".

1881 wurde diese Gesetzmäßigkeit von dem Mathematiker Simon Newcomb entdeckt und im "American Journal of Mathematics" publiziert. Er soll bemerkt haben, dass in den benutzten Büchern mit Logarithmustabellen, die Seiten mit Tabellen mit Eins als erster Ziffer deutlich schmutziger waren als die anderen Seiten, weil sie offenbar öfter benutzt worden seien. Die Abhandlung Newcombs blieb unbeachtet und war schon in Vergessenheit geraten, als der Physiker Frank Benford (1883–1948) diese Gesetzmäßigkeit wiederentdeckte und über sie 1938 neu publizierte. Seither wird diese Gesetzmäßigkeit nach ihm benannt. In neuerer Zeit wird durch die Bezeichnung "Newcomb-Benford's Law" (NBL) dem eigentlichen Urheber wieder Rechnung getragen. Bis vor wenigen Jahren war diese Gesetzmäßigkeit nicht einmal allen Statistikern bekannt. Da sie schon bei der Lösung zahlreicher praktischer Probleme hilfreich war, wächst ihr Bekanntheitsgrad rasch.

Im Grunde ist das NBL überhaupt nichts Neues. Es stellt vielmehr einen besonderen, früher nicht in seiner ganzen Tragweite erkannten, Aspekt der logarithmischen Funktion dar; das Phänomen kann daher ohne die logarithmische Funktion nicht erkärt werden, auch wenn dies immer wieder mit - moderatem Erfolg - versucht wird.

Der Begriff des NBL zieht einige verbreitete Irrtümer im Schlepptau:

  1. Wohl bedingt durch die übliche Darstellung des NBL als aus 9 Balken bestehendes Histogramm wird suggeriert, das NBL mache eine Aussage über die Anfangsziffern von Zahlen aus dem dekadischen System (was als Teilaussage stimmen würde) und beruhe auf diskreten Funktionen. In Wahrheit macht das benfordsche Gesetz eine Aussage über beliebig lange Ziffernstrukturen in beliebigen Zahlensystemen und beruht ausschließlich auf stetigen Funktionen, wie z.B. der Dichtefunktion f(x) = 1 / xlnB mit B als der Basis des Datensatzes.
  2. Induziert durch einen optisch ähnlichen Funktionsverlauf und durch die unter Punkt 1 beschriebenen präsentationsbedingten Suggestivwirkungen wurde bisweilen schon spekuliert, das NBL sei nichts als ein Spezialfall des Zipfschen Gesetzes. Diese unhaltbare Annahme ist durch drei Argumente leicht zu entkräften:
    1. Erstens basiert das Zipfsche Gesetz auf diskreten Funktionen, das NBL ausschließlich auf stetigen.
    2. Zweitens basiert die Verteilung des NBL auf der logarithmischen Funktion, die Verteilung des Zipfschen Gesetzes auf der Hyperbelfunktion. Von dem einen Phänomen zum anderen gelangt man bestenfalls über den Weg der Infinitesimalrechnung. Im Rahmen dieser Rechnungsart zeichnet sich nur die Funktion f(x) = exp(x) durch Identität mit ihrem Differential bzw. unbestimmten Integral aus. Da keines der beiden Phänomene explizit auf exp(x) beruht, kann das NBL kein Spezialfall des Zipfschen Gesetzes sein.
    3. Drittens lässt sich die logarithmische Funktion zwar leicht als unendliche Summe von parabolischen Funktionen darstellen, aber nicht von hyperbolischen. Der Unterschied zwischen beiden Phänomenen ist daher selbst bei gewissen optischen Ähnlichkeiten und der Identität beider Funktionen im Unendlichen (vorher nicht), beachtlich.


[Bearbeiten] Benfordsche Verteilung

Ist d die erste Ziffer einer Dezimal-Zahl, so tritt sie nach dem benfordschen Gesetz mit der Wahrscheinlichkeit p(d) auf:

p(d)=\log_{10}\left(1+\frac{1}{d}\right)

oder, wenn es sich nicht um eine Dezimal-Zahl, sondern um eine Zahl zur Basis B handelt:

p(d)=\log_B \left( 1+\frac{1}{d} \right)

So ist für Binärzahlen die Wahrscheinlichkeit, dass die erste Ziffer eine 1 ist, immer eins.

Die Summe p(d) für alle d=1, ...B-1 ist, wie es sein muss, 1, denn: p(1) + p(2) + \ldots + p(B-1) \quad \,

= \frac{1}{\ln(B)} \cdot \left[ \ln \left(1+ \frac{1}{1} \right) + \ln \left(1+\frac{1}{2} \right) + \ldots + \ln \left(1+\frac{1}{B-1} \right) \right]
=\frac{1}{\ln(B)} \cdot \left[ \ln \left( \frac{2}{1}\cdot \frac{3}{2} \cdot ... \cdot \frac{B}{B-1} \right)  \right]
= \frac{1}{\ln(B)} \cdot \ln(B) = 1

Unter der Annahme der logarithmischen Verteilung lassen sich auch die Wahrscheinlichkeiten für die folgenden Ziffern angeben. Während die erste Ziffer d das logarithmische Intervall von log(d + 1) − log(d) belegt, tritt die zweite Ziffer e in allen Teilintervallen auf.
Beispiel: Lautet die zweite Ziffer e=5, dann belegt sie die Intervalle: log(1.6)-log(1.5), log(2.6)-log(2.5), ... log(9.6)-log(9.5). Die Wahrscheinlichkeit p1(5), dass die zweite Ziffer eine 5 ist, lautet (bezogen auf die Gesamtintervall-Länge von log(10)-log(1)=1):

p_1(5)= \log(1.6/1.5) + \log(2.6/2.5) + \ldots + \log(9.6/9.5)

Allgemein gilt für die Wahrscheinlichkeit des Auftretens der n-ten Ziffer d (n=0 für die erste Ziffer) zur Basis B:

p_n(d)= \frac{1}{\ln(B)} \cdot \sum_{k=B^{n-1}}^{B^{n}-1} \ln \left( 1+ \frac{1}{k\cdot B + d} \right)

[Bearbeiten] Gültigkeit des NBL

Ein Datensatz ist eine Benford-Variable (d.h. das benfordsche Gesetz gilt für diesen Datensatz),

  1. wenn die Mantissen der Logarithmen des Datensatzes einer Gleichverteilung folgen. Das unbedingte Postulat der Gleichverteilung der Mantissen der Logarithmen der Daten erlaubt es nicht, dass die Daten selbst gleichverteilt sind.
  2. wenn die Varianz innerhalb des Datensatzes einen bestimmten, von der Klasse der Verteilung, nach welcher der Datensatz verteilt ist, abhängigen Mindestwert nicht unterschreitet.
  3. bei den Fibonacci-Zahlen (jede Fibonacci-Zahl ist die Summe ihrer beiden Vorgänger) ergeben schon die Anfangsziffern der ersten 30 Zahlen eine Benford-Verteilung, die verblüffend nahe an der theoretischen Erwartung liegt. Dies gilt übrigens auch für ähnliche Folgen mit geänderten Anfangszahlen (z.B. die Lucas-Folgen.). Viele Zahlenfolgen gehorchen dem benfordschen Gesetz, es gibt aber ebenso viele, die ihm nicht gehorchen, also keine Benford-Variablen sind.

[Bearbeiten] Skaleninvarianz

Mit einer Konstanten multiplizierte Datensätze mit benfordverteilten Anfangsziffern sind wiederum benfordverteilt. Die Multiplikation der Zahlen mit einer Konstanten entspricht der Addition der logarithmierten Konstanten zu den Logarithmen, was deren Verteilung ebenso wenig ändert wie jene der Mantissen.

[Bearbeiten] Baseninvarianz

Ein Datensatz, der zu einer Basis B1 dem benfordschen Gesetz genügt, genügt diesem auch zur Basis B2. Konkreter gesagt, ein dekadischer Datensatz, der das benfordsche Gesetz erfüllt, erfüllt das benfordsche Gesetz auch dann, wenn die dekadischen Zahlen in ein anderes Zahlensystem (z.B. ins binäre, ins oktale oder ins hexadezimale) umgerechnet werden.



[Bearbeiten] Anschauliche Darstellung

Benfords Gesetz besagt in seiner einfachsten Konsequenz, dass die führenden Ziffern n (n = 1...9) mit folgenden Wahrscheinlichkeiten erscheinen: log10(n+1) - log10(n), oder

Grafische Darstellung der Tabelle
führende Ziffer Wahrscheinlichkeit
1 30.1 %
2 17.6 %
3 12.5 %
4 9.7 %
5 7.9 %
6 6.7 %
7 5.8 %
8 5.1 %
9 4.6 %

[Bearbeiten] Anwendungen

Entsprechen reale Datensätze dem benfordschen Gesetz insofern nicht, als die reale Anzahl von Ziffern bei einer Ziffer signifikant von der für diese Ziffer geltenden theoretischen Erwartung abweicht, dann wird ein Prüfer jene Datensätze, die mit dieser Ziffer beginnen, einer tiefergehenden Analyse unterziehen, um die Ursache(n) für diese Abweichungen zu finden. Dieses Schnellverfahren führt entweder zu tieferen Erkenntnissen über Besonderheiten des untersuchten Datensatzes oder zur Aufdeckung von Manipulationen bei der Datenerstellung.

[Bearbeiten] Beispiel

Verteilung der Anfangsziffern einer Tabelle mit 87 Zahlen (siehe Text).
vergrößern
Verteilung der Anfangsziffern einer Tabelle mit 87 Zahlen (siehe Text).

Eine zufällig herausgegriffene Tabelle berichtet über die Ernteergebnisse aus dem Jahre 2002. Im Diagramm geben die blauen Balken die Häufigkeit der Anfangsziffern der 87 erfassten Zahlen an. Die Benford-Verteilung ist als rote Linie eingezeichnet. Sie spiegelt die Verteilung deutlich besser wieder, als eine Gleichverteilung (grüne Linie).

Trotz der kleinen Stichprobe ist die Bevorzugung kleiner Werte bei der zweiten Ziffer erkennbar. Die Tabelle nennt in der ersten Spalte die Anfangsziffer. Die Spalte 1.Ziffer sagt aus, wie oft die Ziffer an erster Stelle beobachtet wird, die Spalte Benford, wie oft sie nach der Benford-Verteilung erwartet wird. Gleiches gilt für die zweite Ziffer unter Spalte 2.Ziffer. Mit abnehmendem Stellenwert der Ziffer nähert sich die oben angegebene Benford-Verteilung immer mehr der Gleichverteilung der Ziffern.

Ziffer 1.Ziffer Benford   2.Ziffer  Benford
0       -                   9        10,41
1      27        26,19     17         9,91
2      15        15,32      9         9,47
3       7        10,87     11         9,08
4      17         8,43      5         8,73
5       4         6,89      9         8,41
6       5         5,82      7         8,12
7       4         5,05      8         7,86
8       5         4,45      7         7,62
9       3         3,98      5         7,39
Summe    87                 87


[Bearbeiten] In der Wirtschaft

Zur Aufdeckung von Betrug bei der Bilanzerstellung, der Fälschung in Abrechnungen, generell zum raschen Auffinden eklatanter Unregelmäßigkeiten im Rechnungswesen. Mit Hilfe des Benfordschen Gesetzes wurde das bemerkenswert "kreative" Rechnungswesen bei Enron und Worldcom aufgedeckt, durch welches das Management die Anleger um ihre Einlagen betrogen hatte (→ Wirtschaftskriminalität). Heute benutzen Wirtschaftsprüfer und Steuerfahnder Methoden, die auf dem Benfordschen Gesetz beruhen. Diese Methoden stellen einen wichtigen Teil der mathematisch-statistischen Methoden dar, die seit mehreren Jahren zur Aufdeckung von Bilanzfälschung, Steuer- und Investorenbetrug und allgemein Datenbetrug in Verwendung sind.

[Bearbeiten] In der Forschung

Das benfordsche Gesetz kann bei der Aufdeckung konsequenter Datenfälschung auch in der Wissenschaft unterstützen. Schließlich waren es auch Datensätze aus den Naturwissenschaften, die zum benfordschen Gesetz führten. Dessen ungeachtet ist das benfordsche Gesetz nicht allen Wissenschaftern bekannt, wie Wissenschaftsskandale mit gewisser Periodizität belegen.

[Bearbeiten] Datenfälschung mit Benford?

Die Erstellung gefälschter Benford-adäquater, selbst großvolumiger, Datensätze ist an sich nicht schwierig (s. unten: Erzeugung Benford-verteilter Anfangsziffern); um sie jedoch gegen den Blick des geübten numerisch-statistischen Prüfers zu wappnen, muss man bedenken, dass für alle Daten das benfordsche Gesetz nicht nur für die Anfangsziffer, sondern auch für die Folgeziffern (nach modifizierten Regeln) gelten muss; ferner muss noch einer Reihe anderer stochastischer Gesetzmäßigkeiten Rechnung getragen werden. Trimmt der Datenfälscher die Daten allzu genau auf die theoretische Erwartung hin, besteht Gefahr, dass die Manipulationen eben daran erkannt werden (s.u. Test auf signifikante Abweichungen).

[Bearbeiten] Größe der Städte in Deutschland

Verteilung der Größe deutscher Großstädte
vergrößern
Verteilung der Größe deutscher Großstädte

Die rechte Abbildung zeigt die Größenverteilung deutscher Städte. Es gibt viele kleine, aber nur wenig große Städte. Der Grafik hinterlegt sind die Einwohnerzahlen der 998 größten Städte (Quelle: [7]). Eine Benford-Analyse liefert folgende Häufigkeiten die Anfangsziffern:

Ziffer/gemessen/erwartet
1       340     300 
2       320     176
3       133     125
4       87      97
5       50      80
6       24      67
7       20      58
8       12      51 
9       12      46

Die Häufigkeit der Ziffern 3 und 4 entsprechen der Erwartung. Hingegen tritt die Zahl 1 vermehrt auf. Besonders ausgeprägt ist die Abweichung der Ziffer 2, auf Kosten der nur selten an erster Stelle beobachteten Ziffern 7, 8 und 9.

Dieses Beispiel zeigt, dass Datensätze bestimmte Voraussetzungen erfüllen müssen, um dem NBL zu genügen; der vorliegende Datensatz tut dies nicht. (Siehe dazu: Diskussion). Kurioserweise gehören sogar etwa 50% der Beispiele, die Benford in seiner Publikation als Belege für das NBL anführte, zu der Klasse von Datensätzen, die keine benford-verteilten Anfangsziffern, sondern eine höchstens im Groben ähnliche Verteilung der Anfangsziffern aufweisen.

[Bearbeiten] Signifikanz

Wie groß die Abweichungen der beobachteten Verteilung von der theoretisch zu erwartenden Verteilung mindestens sein müssen, damit ein begründeter Verdacht auf Manipulation als erhärtet angesehen werden kann, wird mit Hilfe mathematisch-statistischer Methoden (z.B. dem Chi-Quadrat-Test oder dem Kolmogorow-Smirnow-Test, "KS-Test") bestimmt. Für den χ2-Test sollte beim Test von überzufälligen Abweichungen bei der Anfangsziffer eine Stichprobe ab 109 Zahlen genügen (n * 0,046 > = 5 ist erfüllt für alle n > = 109). Sind die Stichproben viel kleiner, sind die Ergebnisse des Chi-Quadrat-Tests anfechtbar und der KS-Test gegebenenfalls zu tolerant. In einem solchen Fall kann z.B. auf einen höchst unangenehmen, aber exakten Test auf Basis der Multinomialverteilung zurückgegriffen werden. Außerdem müssen die Daten des Datensatzes voneinander statistisch unabhängig sein (Daher können Zahlen z.B. der Fibonacci-Folge nicht mit dem Chi²-Anpassungs-Test auf Signifikanz getestet werden, da das sich ergebende Resultat unzuverlässig wird.)

Dass sich gerade Saldenlisten, Rechnungslisten und ähnliche Aufstellungen gemäß dem benfordschen Gesetz verhalten, liegt an dem Umstand, dass es sich bei der Mehrzahl solcher Zahlenreihen um Sammlungen von Zahlen handelt, die die unterschiedlichsten arithmetischen Prozesse durchlaufen haben und sich daher wie Quasi-Zufallszahlen verhalten. Lässt man den geschäftlichen und buchungstechnischen Prozessen freien Lauf, dann wirken ab einer gewissen Geschäftsgröße die Gesetze des Zufalls und es gilt mithin auch das benfordsche Gesetz. Wird allerdings im Verlauf einer Rechnungsperiode konsequent Einfluss auf diese Zahlen genommen, indem man häufig welche schönt, bestimmte Zahlen verschwinden lässt oder welche hinzu erfindet, oder wegen gegebener Kompetenzbeschränkungen sogar Prozesse manipuliert, dann wird der Zufall merklich gestört. Diese Störungen manifestieren sich in signifikanten Abweichungen von der theoretisch zu erwartenden Ziffernverteilung.

Beispiel: Wenn ein Angestellter Bestellungen bis zu 1.000 EUR ohne Genehmigung der Geschäftsleitung durchführen darf und er bei Vorliegen von Angeboten höher als 1.000 EUR die Bestellungen häufig auf mehrere kleinere Posten aufteilt, um sich die Mühen der Genehmigung zu ersparen, dann finden sich in der Benford-Verteilung der Bestellbeträge signifikante Abweichungen von der theoretischen Erwartung.

Dieses Beispiel zeigt aber auch, dass statistische Methoden einzelne Unregelmäßigkeiten nicht aufdecken können. Eine gewisse Konsequenz der Manipulationen ist erforderlich. Je größer die Stichprobe ist, umso empfindlicher reagiert ein Signifikanztests im Allgemeinen auf Manipulationen.

[Bearbeiten] Test auf signifikante Abweichungen

Benford-Analysen werden für die einfachsten Analysen der mathematischen Statistik gehalten. Das nachstehende Beispiel ist das Ergebnis der Auszählung der Anfangsziffern einer Stichprobe von 109 Summen aus einer Aufstellung. Die realen (beobachteten) Auszählungsergebnisse werden mit den bei 109 Anfangsziffern zu erwartenden Auszählungsergebnissen verglichen und mittels Chi-Quadrat-Test dahingehend untersucht, ob die gefundenen Abweichungen zufällig sein können oder durch Zufall allein nicht mehr zu erklären sind. Als Entscheidungskriterium wird in diesem Beispiel angenommen, dass von Überzufälligkeit ausgegangen wird, sobald die beobachtete Verteilung der Anfangsziffern zu jenen 4,99...9 % gehört, die diese oder noch höhere Abweichungen aufweisen (statistischer Test). Da in unserem Beispiel 52% aller Verteilungen diese oder höhere Abweichungen aufweisen, wird ein Prüfer die Hypothese, dass die Abweichungen durch Zufall entstanden sind, nicht verwerfen.


Signifikanztest auf Abweichung von der Benfordverteilung mit Hilfe des Chi-Quadrat-Tests

[Bearbeiten] Tiefergehende Benford-Analysen

Liegen sehr lange Listen mit mehreren tausend Zahlen vor, ist ein Benford-Test nicht nur mit der Anfangsziffer durchführbar. Eine solche Datenfülle erlaubt es, auch die 2., die 3., die 1.+ 2., eventuell sogar die 1.+ 2.+ 3. Ziffer simultan zu überprüfen (für diese sollte man allerdings mindestens 11.500 Zahlen haben, da ansonsten der Chi-Quadrat-Test unsichere Ergebnisse bringen könnte). Für diese Prüfungen existieren ebenfalls Benford-Verteilungen, wenngleich sie auch etwas umfangreicher sind. So z.B. beträgt die theoretische Erwartung für das Erscheinen der Anfangsziffern 123... 0,35166%, wohingegen nur noch 0,13508% aller Zahlen die Anfangsziffern 321... aufweisen. Stets gilt die Regel, dass die Ziffern umso mehr einer Gleichverteilung folgen, je kleiner ihr Stellenwert ist. Cent-Beträge folgen nahezu exakt einer Gleichverteilung, wodurch sich bei Cent-Beträgen der logarithmische Ansatz im Allgemeinen erübrigt. Bei sehr kleinen Währungen werden Tests auf Gleichverteilung der Scheidemünzenbeträge (z.B. Kopeke-RUS, Heller-CZ, Fillér-H, Lipa-HR) unscharf, da in der Praxis sehr häufig gerundet wird. Große Währungen (US-Dollar, Pfund-Sterling, Euro) erlauben solche Tests aber zumeist schon.

[Bearbeiten] Schätzung und Planung von Unternehmensumsätzen

Das benfordsche Gesetz lässt sich auch zur Schätzung von Umsatzziffern von Unternehmen heranziehen. Für die Größenordnungen der Fakturenbeträge wird angenommen, dass sie annähernd einer Normalverteilung folgen, die Anfangsziffern der Fakturenbeträge der Benford-Verteilung, wobei der Erwartungswert der Anfangsziffer etwa 3,91 (siehe oben: Ableitung des Erwartungswerts der Benfordverteilung) ist. Mit der Kenntnis des höchsten Fakturenbetrages und der Anzahl der gültigen Fakturen, aus welchen sich der zu schätzende Umsatz zusammensetzt, ist eine brauchbare Schätzung des Umsatzes möglich, wie nachstehendes Beispiel aus der Praxis zeigt. Der Stellenwert in der Tabelle bezeichnet die Ziffer vor dem Komma des Logarithmus. Der tatsächliche Umsatz lag bei 3,2 Mio Währungseinheiten. So nahe am tatsächlichen Ergebnis liegt man bei Umsatzschätzungen allerdings nicht immer. Wenn die Annahme der Normalverteilung für die Größenordnungen nicht zutrifft, muss man eine Schätzverteilung wählen, die der realen eher gleicht. Zumeist folgen die Größenordnungen der Fakturenbeträge dann einer Logarithmischen Normalverteilung.

Schätzung Gesamtumsatz

Zwar wird die tatsächliche Verteilung der Fakturenbeträge immer nur zufällig mit jener der Schätzung übereinstimmen, die Summe aller Schätzfehler je Stellenwert kompensiert sich jedoch fast immer auf einen eher kleinen Betrag.

Auch im Rahmen der Planung von Unternehmensumsätzen kann dieses Verfahren zur Überprüfung der Plausibilität von Planumsätzen, die zumeist als Ergebnis von Schätzungen und Hochrechnungen von Erfahrungswerten verkaufsorientierter Abteilungen entstanden sind, eingesetzt werden, indem man eruiert, wie viele Fakturen zur Erreichung des angegebenen Umsatzes erwartet werden und wie hoch der höchste Fakturenbetrag sein wird. Oft zeigt diese Analyse, dass auf solche Schätzwerte, die der Planung zugrunde gelegt werden, kein all zu großer Verlass ist. Die Benford-Analyse gibt der Verkaufsabteilung dann das Feedback zur realitätsbezogenen Korrektur ihrer Erwartungen.

Unterstellt man, dass die Logarithmen der einzelnen Umsätze gleichverteilt sind, so sind die Umsätze quasi "logarithmisch gleichverteilt". Die Dichtefunktion der Umsätze hat dann ein Histogramm, das bei geeigneter Klasseneinteilung der Verteilung der Ziffernsequenzen (z.B. neun Klassen, verglichen mit First Digit) der Benford-Verteilung sehr ähnlich sieht.

[Bearbeiten] Erzeugung benfordverteilter Anfangsziffern

Die Erzeugung von praktisch zufälligen Zahlen mit benfordverteilten Anfangsziffern ist mit dem PC recht einfach möglich.

[Bearbeiten] Gleichverteilte Zahlen

Die Funktion y = 10k erzeugt Zahlen mit benfordverteilten Anfangsziffern für k = r + s, wobei r eine gleichverteilte zufällige positive ganze Zahl in einem Intervall (z. B. 1 ≤ r aus N ≤ 6) und s eine Zufallszahl zwischen 0 und 1 ist; log(r) ist der Logarithmus von r zur Basis 10. Die Größenordnungen von y sind dann annähernd gleichverteilt.

[Bearbeiten] Normalverteilte Zahlen

Die Funktion y = r^2 \cdot \tan^2(t) erzeugt für 0 \le t \le \frac 12 \pi, mit t als gleichverteilter Zufallsvariablen, Zahlen mit etwa normalverteilten Größenordnungen von y und benfordverteilten Anfangsziffern. Für praktische Zwecke sollte r relativ hoch gewählt werden (r > 1000). Ist r < 1000, erkennt man mit sinkendem r, dass die Verteilung der Zahlen der Form einer Lognormalverteilung ähnelt. Ist r < 50, sind die erzeugten Anfangsziffern der Zahlen im Allgemeinen nicht mehr benfordverteilt. Für Anwendungen in der Praxis ist die breite Streuung der Größenordnungen von y, die das Quadrat der Tangensfunktion, noch dazu bei großen r, erzeugt, in vielen Fällen nicht optimal.


[Bearbeiten] Ein Spiel

A und B wetten auf die Anfangsziffer einer gezogenen Zahl aus einer Publikation, die hauptsächlich aus einer Ansammlung von (aller Erwartung nach benford-verteilten) Zahlen besteht (z.B. eine Produktionsstatistik eines Landes o.ä.). A und B vereinbaren z.B., dass die Wette stets für die Anfangsziffer der letzten Zahl auf der zufällig aufgeschlagenen Seite mit ungerader Seitenzahl gilt. Wenn die so ermittelte Zahl die Anfangsziffern 1,2 oder 3 hat, gewinnt A einen Euro. Wenn eine andere Anfangsziffer (also 4,5,6,7,8 oder 9) vorliegt, gewinnt B. Wer wird das Spiel nach 100 Durchgängen gewonnen haben und wieviel? Antwort: Die Gewinnwahrscheinlichkeit für A beträgt ca. 30%+18%+12% = etwa 60%, jene für B etwa 40%; in ca. 60 von 100 Fällen gewinnt also A, daher wird A nach diesem Spiel um die 10 EUR mehr und B um die 10 EUR weniger besitzen.

[Bearbeiten] Literatur

  • Benford, F. (1938): The Law of Anomalous Numbers. Proc. Amer. Phil. Soc. 78, S. 551-572.
  • Newcomb, S. (1881): Note on the Frequency of the Use of Digits in Natural Numbers. Amer. J. Math. 4, S. 39-40.
  • Nigrini, M. J. (1992): The Detection of Income Tax Evasion Through an Analysis of Digital Frequencies. Dissertation, Cincinnati, OH: University of Cincinnati.
  • Peter N. Posch: Ziffernanalyse in Theorie und Praxis - Testverfahren zur Fälschungsaufspürung mit Benfords Gesetz - ISBN 3-8322-4492-1
  • Peter N. Posch: A Survey on Sequences and Distribution Functions satisfying the First-Digit-Law; October 2004; www.mathematik.uni-ulm.de/dof/pnposch/paper/posch_benforddist.pdf

Übersichtsartikel:

  • Stewart, I.: Das Gesetz der ersten Ziffer in Spektrum der Wissenschaft, April 1994, S. 16 ff. (Online)

[Bearbeiten] Weblinks

{{Lesenswert}}

Kategorie:Stochastik

[Bearbeiten] kollektive Intelligenz

Unter kollektiver Intelligenz versteht man ein emergentes Phänomen, wobei durch Kommunikation innerhalb einer sozialen Gemeinschaft intelligente Verhaltensweisen des „Superorganismus”, d.h. aller Individuen, erwachsen.

Klassisches Beispiel ist der Ameisenstaat. Kollektive Intelligenz ist bei keinem der beteiligten Individuen einzeln festzustellen. Im Gegenteil ist das Verhaltens- und Reaktionsrepertoire der Einzelameisen sehr begrenzt. Erst im selbstorganisierenden Zusammenspiel ergeben sich neue, intelligent erscheinende Verhaltensmuster.

In gewisser Weise ist auch ein Gehirn ein solcher Superorganismus aus für sich „dummen” Individuen, nämlich den Neuronen. Ein Neuron ist annähernd nichts weiter als ein Integrator mit Reaktionsschwelle, genauer, einer sigmoiden Reaktionskurve. Erst die komplexe Zusammenwirkung von Milliarden von Neuronen ergibt das, was wir unter Intelligenz verstehen.

Auch der Cyberspace wurde schon als Paradigma für kollektive Intelligenz bezeichnet. In dem heutigen Zustand des Internet mit seinen Milliarden von größtenteils unzusammenhängenden, statischen Dokumenten sollte man vielleicht vorsichtiger von kollektivem Wissen sprechen. Allerdings werden Internetinhalte zunehmend dynamischer (Beispiele: Newsfeed, Blogs, Wikis)

Eine soziologische Interpretation des Begriffs versteht unter kollektiver Intelligenz gemeinsame, konsensbasierte Entscheidungsfindung.

[Bearbeiten] Schwarmintelligenz

Als Schwarmintelligenz (engl. swarm intelligence) bezeichnet man das Forschungsfeld der Künstlichen Intelligenz (KI), das auf Agententechnologie basiert; das Arbeitsfeld wird auch als Verteilte Künstliche Intelligenz (VKI) bezeichnet. Hier wird versucht, komplexe vernetzte Softwareagentensysteme nach dem Vorbild staatenbildender Insekten wie Ameisen, Bienen und Termiten sowie teilweise auch nach Vogelschwärmen zu modellieren. Der Begriff swarm intelligence wurde von G. Beni und J. Wang 1989 im Kontext der Robotikforschung geprägt.

Die Individuen staatenbildender Insekten agieren mit eingeschränkter Unabhängigkeit, sind in der Erfüllung ihrer Aufgaben jedoch sehr zielgerichtet. Die Gesamtheit dieser Insektengesellschaften ist überaus leistungsfähig, was von Forschern auf eine hochgradig entwickelte Form der Selbstorganisation zurückgeführt wird; zur Kommunikation untereinander nutzen Ameisen beispielsweise Pheromone oder Bienen den Schwänzeltanz. Es gibt keine zentralisierte Form der Oberaufsicht: Das Ganze ist also mehr als die Summe der Teile.

Die VKI-Forschung geht davon aus, dass höhere kognitive Leistungen durch die Kooperation künstlicher Agenten simuliert werden kann; Marvin Minsky bezeichnet dies als Society of Mind. Ein Einsatzbeispiel für diese so genannten Ameisenalgorithmen stellten Sunil Nakrani von der Universität Oxford und Craig Tovey vom Georgia Institute of Technology 2004 auf einer Konferenz über mathematische Modelle sozialer Insekten vor; sie modellierten die Berechnung der optimalen Lastverteilung bei einem Cluster von Internet-Servern nach dem Verhalten der Bienen beim Nektarsammeln (vgl. [8]).

Für die Kommunikation zwischen den Agenten wird die Knowledge Query and Manipulation Language (KQML) eingesetzt.

[Bearbeiten] Vom Netzwerk zum Schwarm

Neben dem Forschungsfeld der VKI entwickelt sich der Begriff der Schwarmintelligenz zunehmend auch zu einem unscharfen Modewort wie bereits ab etwa 2000 das Schlagwort Peer-to-Peer; während letzteres antrat, das Paradigma der Client-Server-Architektur durch dezentralisierte P2P-Architekturen abzulösen, soll Schwarmintelligenz nun die hardwarebasierten Netzwerke ersetzen. So formuliert Howard Rheingold in Smart Mobs: „The ‚Killer-Apps’ of tomorrow's mobile infocom industry won't be hardware devices or software programs but social practices.”. Dem Leitbild der Schwarmintelligenz wird das Potential unterstellt, Gesellschaft und Märkte zu transformieren. Als Beispiel hierfür werden Smart Mobs wie die Critical Mass-Bewegung angeführt (vgl. [9]).

Francis Heylighen, Kybernetiker an der Freien Universität Brüssel, betrachtet das Internet und seine Nutzer als Superorganismus: „Eine Gesellschaft kann als vielzelliger Organismus angesehen werden, mit den Individuen in der Rolle der Zellen. Das Netzwerk der Kommunikationskanäle, die die Individuen verbinden, spielt die Rolle des Nervensystems für diesen Superorganismus”. Das Netzwerk wird dabei also nicht durch den Schwarm ersetzt, sondern bildet nur die Basis. Diese Sicht geht konform mit der Betrachtung des Internet als Informationsinfrastruktur. Die Bedeutung des Begriffes verschiebt sich dabei jedoch weg von künstlicher Intelligenz hin zu einer Art Aggregierung menschlicher Intelligenz. Auch in der Didaktik wird das Konzept aufgegriffen und fruchtbar gemacht. So kann eine Lernergruppe als Ansammlung von Menschen betrachtet werden, die - wie Neurone im Gehirn - durch intensive Interaktion neues Wissen konstruieren.

Dieses Prinzip liegt der Unterrichtsmethode Lernen durch Lehren (LdL) zugrunde. Hier wird die Lernergruppe zum neuronalen Netz umgestaltet mit der Aufgabe, kollektiv Wissen zu produzieren.

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Literatur


[Bearbeiten] Fiktion

[Bearbeiten] Weblinks

[Bearbeiten] Schwarmintelligenz in der Informatik

[Bearbeiten] Schwarmintelligenz in Gesellschaft, Ökonomie und Management

[Bearbeiten] Schwarmintelligenz im Unterricht

Kategorie:Kommunikation Kategorie:Soziologie Kategorie: Didaktik Kategorie:Verhaltensbiologie Kategorie:Psychologie

[Bearbeiten] Quastenflosser

Quastenflosser
Komoren-Quastenflosser (Latimeria chalumnae)
vergrößern
Komoren-Quastenflosser (Latimeria chalumnae)
Systematik
Unterstamm: Wirbeltiere (Vertebrata)
Überklasse: Kiefermäuler (Gnathostomata)
Reihe: Fische (Pisces)
Klasse: Knochenfische (Osteichthyes)
Unterklasse: Fleischflosser (Sarcopterygii)
Ordnung: Quastenflosser
Wissenschaftlicher Name
Coelacanthimorpha
Arten

Quastenflosser (Coelacanthimorpha) - auch Blaufische genannt - stellen eine Ordnung der Knochenfische dar. Ihre nächsten Verwandten sind die Lungenfische und die Landwirbeltiere (Tetrapoda). Ein wesentliches Kennzeichen sowohl der Quastenflosser als auch der Lungenfische ist das teilweise verknöcherte und mit Muskulatur versehene Skelett der Brust- und Bauchflossen. Daher fasst man sie auch zur Unterklasse der Muskelflosser beziehungsweise Fleischflosser (Sarcopterygii) zusammen. Nach kladistischer Analyse gehören auch die Landwirbeltiere zu dieser Gruppe. Der Name Quastenflosser leitet sich davon ab, dass sich an der Spitze der Schwanzflosse eine pinsel- beziehungsweise quastenförmige Verlängerung befindet.

Quastenflosser von vorn
vergrößern
Quastenflosser von vorn
Quastenflosser von der Seite
vergrößern
Quastenflosser von der Seite

[Bearbeiten] Körperbau

Der Bau der Brust- und Bauchflossen ähnelt dem Bau der Gliedmaßen der Landwirbeltiere (Tetrapoden). Vermutlich haben frühe Quastenflosser-Arten ihre Flossen zur Fortbewegung am Meeresboden, möglicherweise auch an Land benutzt. Letzteres gilt aber als äußerst spekulativ, auch wenn ein rudimentäres Organ am Darm, das homolog zur Schwimmblase ist und den Überrest einer Lunge darstellen könnte, die bei den Lungenfischen noch vorhanden und funktionsfähig ist, zuweilen so interpretiert wird. Quastenflosser sind die einzigen lebenden Tiere, die über ein funktionsfähiges Gelenk im Schädelknochen verfügen. Dieses Gelenk erlaubt es ihnen, den Oberkiefer gegenüber dem hinteren Schädelteil anzuheben, um so beim Fressen die Maulöffnung zu vergrößern. Dieses lebende Fossil wird bis zu 1,80m lang.

Eusthenopteron

[Bearbeiten] Evolution

Latimeria chalumnae
vergrößern
Latimeria chalumnae

Relativ enge Verwandte der Quastenflosser und Lungenfische, die Rhipidistia, werden in der Paläontologie vielfach als Vorfahren der ersten Landwirbeltiere angesehen. Der Aufbau des Skelettes ähnelt Ichthyostega, einem Fossil, das als eines der ersten Amphibien und damit als Landwirbeltier angesehen wird. Der Quastenflosser verwendet seine Flossen in einer Art Kreuz"gang", aber er bewegt sich nur schwimmend, die Evolution hatte somit eine Art des Gehens entwickelt, die erst später verwendet wurde.

Quastenflosser, die schon vor ca. 400 Millionen Jahre die Meere bevölkerten, war bis weit in das 20. Jahrhundert nur als 80 Millionen alte Versteinerung bekannt. Die ältesten Fossilien stammen aus dem Devon, die jüngsten aus der Kreide. Die Blütezeit lag in der Trias. Daher glaubte man lange, dass die Quastenflosser mit den Dinosauriern ausgestorben seien.

[Bearbeiten] Wiederentdeckung eines lebenden Fossils

1938 wurde ein eineinhalb Meter langer und 52 Kilogramm schwerer unbekannter Fisch im indischen Ozean in der Gegend östlich von East London (Südafrika) aus knapp 70 Metern Tiefe gefangen. Das Exemplar war durch die Druckverringerung bereits tot.

Am 15. November 1954 wurde aus Tananarive (Madagaskar) zum ersten Mal der Fang eines lebenden Exemplars gemeldet.

Als Marjorie Courtenay-Latimer, die Kuratorin des Naturhistorischen Museums von East London, an der Südostküste Südafrikas das Tier entdeckte, das ganz offensichtlich ein Vertreter der Coelacanthini aus der Ordnung der Quastenflosser war, einer Fischgruppe, welche den Zoologen und Paläontologen bisher nur aus versteinerten Abdrücken bekannt war, und von denen man daher zu wissen glaubte, dass sie im Devon, vor über 350 Millionen Jahren, entstanden und gegen Ende der Kreidezeit, vor rund 70 Millionen Jahren, vollständig ausgestorben wären, schaltete sie Smith aus Grahamstown in Südafrika ein. Dieser identifizierte den Fisch eindeutig als Nachfahre der fossilen Quastenflosser und benannte das Tier, den Komoren-Quastenflosser, nach seiner Entdeckerin und dem Fluss Chalumna, in dessen Nähe er ins Schleppnetz gegangen war, taxonomisch Latimeria chalumnae.

Erst 15 Jahre später gelang der nächste Fang in der Gegend der Komoren.

Es konnten dann noch weitere Exemplare gefangen werden, einmal sogar ein lebendes. Am 17. Januar 1987 entdeckte der Münchner Biologiestudent Olaf Reinicke vom Tauchboot Geo aus in 198 Meter Tauchtiefe den ersten Quastenflosser in seinem natürlichen Lebensraum.

Seit 1989 wird mit Unterstützung der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt ein Projekt zur Erforschung der Quastenflosser durchgeführt.

Inzwischen konnten von Hans Fricke auch Filmaufnahmen von lebenden Quastenflossern bei den Komoren gemacht werden.

Eine erneute Sensation gab es, als 1997 und 1998 tote Quastenflosser auf dem Fischmarkt von Manado Tua (Sulawesi) in Indonesien entdeckt wurden, rund 10.000 Kilometer von den Komoren entfernt.

Inzwischen fand Fricke auch dort lebende Quastenflosser, die als Manado-Quastenflosser (Latimeria menadoensis) bezeichnet werden.

April 2004 ist eine deutsche Unterwasser-Expedition in Südafrikas Küstengewässern auf weitere Exemplare der Komoren-Quastenflosser gestoßen. Am südlichsten Ende der Sodwana-Bucht nahe der Grenze zu Mosambik entdeckte das Team des Max-Planck-Instituts für Verhaltensphysiologie in Seewiesen bei München zwei weitere Tiere. Damit erhöht sich nach Angaben der Zoologin Karen Hissmann der dort bekannte Bestand auf 21 Exemplare. Seit Beginn der 1990er Jahre sind drei Exemplare vor Mosambik und Tansania gefangen worden. Sollte die Finanzierung gesichert sein, ist für kommendes Jahr daher auch in mosambikanischen Gewässern eine Unterwasser-Expedition geplant.

[Bearbeiten] Verbreitung

Latimeria chalumnae kommt in dem Gebiet zwischen den Komoren und Madagaskar in einer Tiefe von 150-400 m vor. Eine zweite Art von Quastenflossern gibt es in den indonesischen Meeresgebieten zwischen Borneo und Celebes. Diese Tiere unterscheiden sich morphologisch kaum von den Tieren von den Komoren. Molekulargenetische Untersuchungen der Mitochondrien zeigen jedoch Unterschiede. Diese lassen darauf schließen, dass die beiden Populationen seit etwa einer Million Jahren getrennt sind.

[Bearbeiten] Lebensweise

Durch die beinartigen Brust- und Bauchflossen kann sich der Fisch in einer Art "Kreuzgang" bewegen. Für diese alternierenden Bewegungen seiner Flossen hat er in seinem Nervensystem bestimmte "neuromuskuläre Koordinationen", wie es Hans Fricke nennt. Nach seiner Ansicht können solche Koordinationen den Verwandten des Quastenflossers den Schritt an Land erleichtert haben. Tiere der modernen Art gehen jedoch nicht am Meeresboden herum und berühren mit ihren Flossen nicht mal den Boden, etwa beim Beschleichen ihrer Beute, wobei die Brustflossen um 180° um die eigene Achse gedreht werden können. Wenn der Quastenflosser schnell schwimmen will, benutzt er seine mächtige Schwanzflosse.

Quastenflosser sind Nachtjäger und Driftschwimmer, die auch die schwächste Wasserströmung für ihre Fortbewegung ausnutzen. Ihre großen Brust- und Bauchflossen verwenden sie zum Ausbalancieren.

Siehe auch: lebendes Fossil, Amphibien

[Bearbeiten] Literatur

  • Hans Fricke: Im Reich der lebenden Fossilien in Peter-Matthias Gaede (Hrsg): Die Seele des weißen Bären, Hamburg 1998, ISBN 3-455-11256-0
  • Samantha Weinberg: Der Quastenflosser. Die abenteuerliche Geschichte der Entdeckung eines seit siebzig Millionen Jahren vermeintlich ausgestorbenen Tieres ISBN 3-87024-517-4

[Bearbeiten] Weblinks

Kategorie:Fische

[Bearbeiten] Dihydrogenmonooxid

Dihydrogenmonooxid oder DHMO ist ein wissenschaftlich klingender, chemisch korrekter, aber irreführender Name für Wasser (H2O). Es handelt sich bei diesem Wort um einen wissenschaftlichen Witz.

Der Begriff DHMO wurde mit der Absicht geprägt, Ängste vor Chemikalien und die davon verursachten Protestbewegungen zu karikieren, und so auch die Sinnhaftigkeit der Umweltschutz- und Ökologiebewegung in Frage zu stellen. Er gibt aber auch ein gutes Beispiel für unzulässige Argumentationsweisen, die unzulässige Schlussfolgerungen provozieren.

Dabei werden Eigenschaften von Wasser, die an sich eigentlich allgemein bekannt sind, in provozierender oder schockierender Weise aufbereitet. So wird zum Beispiel davor gewarnt, dass DHMO

  • in seinem gasförmigen Zustand schwere Verbrennungen verursachen kann,
  • ein Hauptbestandteil des sauren Regens ist,
  • in Kernkraftwerken und Tumoren zu finden sei oder
  • beim Einatmen zum Tode führt.

Obwohl es hinlänglich bekannt ist, dass Wasserdampf heiß ist oder saurer Regen hauptsächlich aus Regen – also Wasser – besteht, lassen sich manche Menschen durch solche Darstellungen von der vermeintlichen Gefährlichkeit von DHMO überzeugen. Deshalb führen Warnungen vor DHMO, die die Gefährlichkeit dieses Stoffes und seine hohe Verbreitung herausstellen, immer wieder dazu, dass uninformierte Personen sich Aufrufen zum Verbot von Wasser anschließen.

[Bearbeiten] Weblinks

Kategorie:Wissenschaftlicher Witz

[Bearbeiten] Matthäus-Effekt

Der Matthäus-Effekt ist ein hauptsächlich bei der Zitierhäufigkeit von wissenschaftlichen Veröffentlichungen beobachtetes Phänomen, das dem Prinzip der positiven Rückkopplung folgt. Die Bezeichnung spielt an auf einen Satz aus dem Matthäusevangelium: „Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, und er wird die Fülle haben; wer aber nicht hat, dem wird auch, was er hat, genommen werden.“ (Matth. 25, 29; aus dem Gleichnis von den anvertrauten Zentnern). Umgangssprachlich wird dieses Phänomen auch mit „Wer hat dem wird gegeben“, „Es regnet immer dorthin, wo es schon nass ist“ oder auch „Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen“ wiedergegeben.

Von Robert K. Merton wurde dieses Prinzip über das Zitierverhalten von (wissenschaftlichen) Autoren postuliert. Er besagt, dass bekannte Autoren häufiger zitiert werden und dadurch noch bekannter werden (success breeds success).

Trotz des Matthäuseffektes nimmt die Anzahl der Zitierungen einer Publikation nach einem kurzen Anstieg auch bei bekannten Autoren mit einer relativ konstanten Halbwertszeit ab. Oft ist es sogar so, dass die momentan am häufigsten zitierten Artikel eine schnellere Abnahme der Zitierungen aufweisen. Dies kann unter anderem damit erklärt werden, dass allgemein bekannte Informationen nicht mehr zitiert werden, sondern nur noch mit dem Namen des Autors oder als bloße Tatsache in einem Text erscheinen. Selbst Klassiker und Standardwerke werden in der Regel nicht ewig zitiert, weil sie irgendwann neu aufgelegt werden und auf die neueste Auflage verwiesen wird. Es deutet auch darauf hin, dass der Matthäus-Effekt eher bei Autoren als bei einzelnen Artikeln auftritt.

Wenn der Matthäuseffekt durch gegenseitige Gefälligkeitszitate mehrerer Autoren herbeigeführt oder verstärkt wird, spricht man von einem Zitierkartell.

In der Lehr-Lern-Forschung besagt das Prinzip (stark verkürzt), dass das Vorwissen einen wesentlichen Prädiktor des Lernerfolgs darstellt. Je mehr Vorwissen vorhanden ist, desto höheren Nutzen kann der oder die Lernende aus einem bereitgestellten Lernangebot ziehen.

In anderen Bereichen werden ähnliche Effekte als richer-get-richer-Prinzip bezeichnet. Daraus ergeben sich in der Regel Pareto-Verteilungen oder eine andere Form von Skalengesetzen.

[Bearbeiten] Siehe auch

  • Bonitz-Effekt
  • Mathilda-Effekt

[Bearbeiten] Weblinks

Kategorie:Informetrie

[Bearbeiten] Hemerochorie

Klatschmohn ist eine der hemerochoren Pflanzen. Man zählt sie zu den Archäophyten
vergrößern
Klatschmohn ist eine der hemerochoren Pflanzen. Man zählt sie zu den Archäophyten

Als Hemerochorie wird die Ausbreitung von Pflanzen durch den Menschen bezeichnet. Hemerochore Pflanzen oder deren Samen wurden bewusst oder unbewusst vom Menschen in ein Gebiet transportiert, das sie nicht durch ihre natürlichen Ausbreitungsmechanismen besiedeln könnten. In ihrem neuen Lebensraum sind sie in der Lage, sich ohne menschlichen Eingriff zu vermehren und auszubreiten. Hemerochore Pflanzen werden gelegentlich auch Menschenwanderer genannt. Sie können die biologische Vielfalt eines Lebensraums sowohl erweitern als auch gefährden.

Der Begriff Hemerochorie wird nur bei Pflanzen verwendet; einen vergleichbaren Sammelbegriff für die Verbreitungsformen anderer Organismen gibt es nicht. Bei eingeführten Tieren wird häufig der Begriff der Gefangenschaftsflüchtlinge verwendet und bei einer Verbreitung nach 1492 auch der Begriff der Neozoen.

[Bearbeiten] Kategorisierung hemerochorer Pflanzen

Die Tomate ist ebenfalls eine hemerochore Pflanze, die allerdings den Neophyten zugeordnet wird
vergrößern
Die Tomate ist ebenfalls eine hemerochore Pflanze, die allerdings den Neophyten zugeordnet wird

Viele der mitteleuropäischen Kultur- und Zierpflanzen sind hemerochore Pflanzen, die nach der Art ihrer Einführung eingeteilt werden:

  • Ethelochorie: die bewusste Einführung über Saatgut
  • Speirochorie: die ungewollte Einführung durch verunreinigtes Saatgut
  • Agochorie: die Einführung über ungewollten Transport

Aus chronologischer Sicht werden hermechore Pflanzen unterteilt in:

Hemerochore sind von den Kulturfolgern oder Apophyten zu unterscheiden, deren Verbreitungsgebiet sich durch die Kulturtätigkeit des Menschen vergrößert.

[Bearbeiten] Ausbreitungswege

Die Ausbreitung von Pflanzen durch den Menschen geschah sehr wahrscheinlich schon in der Steinzeit, aber nachweislich spätestens in der Antike entlang alter Handelsrouten. Früchte wie Äpfel und Birnen gelangten über die Seidenstraße aus dem Gebiet rund um das Altaigebirge allmählich nach Griechenland und von dort in die Gärten der Römer, die diese Kulturpflanzen wiederum nach Mitteleuropa brachten. Nutzpflanzen wie Tomate, Kartoffel, Kürbis und Feuerbohne gelangten erst ab dem 16. Jahrhundert nach Mitteleuropa, nachdem der amerikanische Kontinent entdeckt worden war, und werden mittlerweile weltweit angebaut.

In den letzten 400 bis 500 Jahren erweiterte sich die Ausbreitung durch Forschungsreisende und Missionare. Sie brachten sowohl aus Interesse an exotischen Pflanzen, die in die Pflanzensammlungen fürstlicher Höfe aufgenommen wurden, aber auch zu rein wissenschaftlichen Zwecken, zahllose Pflanzen von ihren Reisen mit. Im Rahmen botanischer Studien galt das Interesse den möglichen Heilwirkungen dieser Pflanzen und der Erweiterung der Herbarien.

Einige Zierpflanzen wurden auch nach Europa eingeführt, weil sich die Einführer ein lukratives Geschäft erhofften. Dies gilt beispielsweise für die Kamelien, von denen eine Art in Japan und China auch als Teepflanze angebaut wurde. Während sich diese Art in Mitteleuropa allerdings als nicht kultivierbar herausstellte, entdeckte man sehr schnell den ästhetischen Reiz der anderen Kamelienarten als Zierpflanze. Bei der Akklimatisierung solcher aus entfernten Lebensräumen stammenden Pflanzen spielten Botanische Gärten eine große Rolle. Der wichtigste unter ihnen war Kew Gardens.

[Bearbeiten] Archäophyten, Neophyten, Adventivpflanzen

Hemerochor eingeführte Pflanzen werden, sofern sie in der Lage sind, sich in ihrem neuen Lebensraum auf natürlichem Wege fortzupflanzen und auszubreiten, in Archäophyten, Neophyten und Adventivpflanzen unterteilt.

[Bearbeiten] Archäophyten

Die Kornblume ist eine speirochore Pflanze und zählt zu den Archäophyten
vergrößern
Die Kornblume ist eine speirochore Pflanze und zählt zu den Archäophyten

In Mitteleuropa gelten als Archäophyten die Pflanzen, die bis 1492 in Mitteleuropa eingeführt wurden und die in der Lage sind, sich selbständig ohne fremde Hilfe fortzupflanzen. Zu den Archäophyten zählen viele weit verbreitete Pflanzen wie beispielsweise der Kulturapfel, die Birne, Pflaume, Getreidearten wie Weizen und Gerste sowie Blumen und Heilpflanzen wie Klatschmohn, Kornblume, Echte Kamille und Kornrade. Mitteleuropäische Ärchäophyten stammen fast alle aus dem mediterranen Raum und den angrenzenden Gebieten Westasiens. Sie werden als Teil des Ökosystems betrachtet, da auch die meisten Pflanzen Mitteleuropas nach den Eiszeiten aus dem Mittelmeerraum eingewandert sind.

[Bearbeiten] Neophyten

Als Neophyten werden Pflanzenarten bezeichnet, die seit 1492 eingeführt wurden und sich selbständig langfristig ausbreiten können. Botaniker betrachten Pflanzen dann als etabliert, wenn sie in ihrem neuen Lebensraum mindestens zwei bis drei spontane Generationen über einen Zeitraum von 25 Jahren durchlaufen haben. Mitteleuropäische Neophyten stammen in ihrer überwiegenden Zahl aus Ostasien und Nordamerika. Wesentlich geringer ist dagegen die Zahl der Pflanzen, die nach 1492 aus dem Mittelmeerraum und Zentralasien eingeführt wurden und die sich in Mitteleuropa als Neophyten etabliert haben.

Etwa 420 Pflanzen werden in Deutschland als Neophyten eingeordnet, was etwa 16% der in Deutschland wachsenden Arten entspricht. Dazu zählt beispielsweise der Pyrenäen-Storchschnabel, eine Art aus der umfangreichen Gattung der Storchschnäbel. Er wurde aus südeuropäischen Gebirgen als Zierpflanze nach Mitteleuropa verbracht und eine Zeitlang als Gartenzierpflanze kultiviert, um danach durch großblütigere Arten aus der Gattung der Storchschnäbel als Gartenzierpflanze verdrängt zu werden. Heute wächst der Pyrenäen-Storchschnabel weniger in Gärten als auf Ruderalflächen und in Wiesen, wo er eine Nische unter den so genannten indigenen Pflanzen, also Arten, die hier ursprünglich heimisch sind, gefunden hat.

[Bearbeiten] Problematische und unproblematische Neophyten

Das Drüsige Springkraut zählt zu den in Mitteleuropa problematischen Neophyten
vergrößern
Das Drüsige Springkraut zählt zu den in Mitteleuropa problematischen Neophyten

Der Pyrenäen-Storchschnabel oder das Schneeglöckchen sind Neophyten, die in Mitteleuropa ein eher unproblematisches Nischendasein fristen. Sie beeinflussen die ursprüngliche Vegetation nur geringfügig und erhöhen eher die biologische Vielfalt des mitteleuropäischen Raumes. Andere in Mitteleuropa hemerochor eingeführte Pflanzen haben sich im Vergleich dazu wesentlich aggressiver Lebensraum erobert und dabei andere Pflanzen in erheblichen Ausmaß verdrängt. Das Artengefüge kann sich derart stark ändern, dass manche Biotope von diesen Einwanderern frei gehalten werden müssen, wenn die Biozönose erhalten bleiben soll.

Zu den aggressiven Neophyten, die man auch Invasionspflanzen nennt, zählen in Mitteleuropa beispielsweise die Kanadische Goldrute, das Drüsige Springkraut, die Gewöhnliche Robinie, oder der aus dem Kaukasus stammende Riesen-Bärenklau, die alle vier wie der Pyrenäen-Storchschnabel als Zierpflanze eingeführt wurden und heute an einzelnen Standorttypen die Vegetation dominieren. So ist die Kanadische Goldrute vielerorts die häufigste Pflanze auf Brachflächen und das Drüsige Springkraut verdrängt an vielen feuchtschattigen Standorten die einheimische Vegetation.

Neophyten, die sich aggressiv ausbreiten und dabei Biotope nachhaltig verändern, stellen weltweit ein Problem dar. So verdrängen als Gartenzierpflanze eingeführte Rhododendron-Arten im nordwalisischen Nationalpark Snowdonia die einheimische Vegetation. Ähnliches ist auf vielen entwässerten Hochmoorstandorten des atlantischen und subatlantischen Klimas zu beobachten. Die Robinie R. pseudoacacia wurde als raschwüchsiger Forstbaum aus Amerika nach Mitteleuropa importiert und bedroht nun seltene Magerwiesen und natürliche Waldgesellschaften trockener Standorte. In Nordamerika haben sich dagegen Tamarisken, die in Südeuropa und in den gemäßigten Zonen Asiens beheimatet sind, als problematische Pflanzen erwiesen. In den nährstoffarmen, jedoch an Stauden und Sträuchern reichen Heidelandschaften der Kapregion Südafrikas breiten sich aus Australien stammende Eukalyptusarten stark aus. Da die Eukalyptusarten in einem hohen Maß an nährstoffarmen Boden angepasst sind und ihnen in der Kapregion Südafrikas die Nahrungskonkurrenten und Schädlinge als Bestandsregulator fehlen, sind sie in der Lage, dort das gesamte biologische Gefüge zu zerstören.

Insbesondere instabile, bereits durch Eingriffe geschädigte oder durch bestimmte Eigenschaften gekennzeichnete Ökosysteme können durch Neophyten massiv beeinträchtigt werden, da die konkurrenzstarke Klimaxvegetation bereits geschwächt ist. In den australischen Regenwäldern besiedeln Neophyten beispielsweise zuerst die Flächen entlang von Straßen und Wegen und dringen von dort aus in die angrenzenden Areale ein.

[Bearbeiten] Adventivpflanzen

Adventivpflanzen sind solche Pflanzen, die sich vorübergehend etablieren können. Sie sind jedoch nicht in der Lage, mit allen am Standort vorkommenden Bedingungen zurechtzukommen. Ein strenger Winter oder eine ungewöhnliche Trockenperiode könnte zum Absterben solcher Pflanzen führen. Als Adventivpflanze würde man beispielsweise die Dattelpalme bezeichnen, die in Berlin-Kreuzberg entdeckt wurde und die zumindest einige milde Berliner Winter überlebte. Auch die Feigen, die an klimatisch begünstigten Stellen Mitteleuropas wachsen, würde man derzeit eher dieser Gruppe zuordnen.

[Bearbeiten] Ethelochorie, Speirochorie und Agochorie als Unterform der Hemerochorie

[Bearbeiten] Ethelochorie

Feld mit Weichweizen - Weizen ist einer der Archäophyten, die über Ethelochorie nach Mitteleuropa eingeführt wurden
vergrößern
Feld mit Weichweizen - Weizen ist einer der Archäophyten, die über Ethelochorie nach Mitteleuropa eingeführt wurden

Die Ausbreitung von Pflanzen als Saatgut ist eine Form der Hemerochorie. Sie wird als Ethelochorie bezeichnet. Zahlreiche Kulturpflanzen, die heute eine wesentliche Rolle bei der menschlichen Ernährung spielen, sind durch den Menschen gewollt verbreitet worden. Weizen, Gerste, Linsen, Dinkel, Ackerbohnen, Lein, Mohn sind beispielsweise keine für den mitteleuropäischen Raum typische Pflanzen, obwohl sie alle zu den Archäotypen zählen. Menschen brachten sie nach dem Beginn der Jungsteinzeit (vor etwa 6.500 Jahren) allmählich vom östlichen Mittelmeerraum nach Mitteleuropa. Damals begannen die ersten Ackerbauern in mitteleuropäischen Gebieten sesshaft zu werden.

Vor allem durch Auswanderer aus Europa haben viele der alten Kulturpflanzen weltweit Verbreitung gefunden. Der seit mindestens 4.000 Jahren angebaute Weizen wurde im 16. Jahrhundert in Amerika und im 19. Jahrhundert in Australien eingeführt. Orangen, Zitronen, Aprikosen und Pfirsiche waren ursprünglich in China beheimatet. Sie gelangten vermutlich über die Seidenstraße bereits im 3. Jahrhundert v. Chr. zuerst in den kleinasiatischen Raum und von dort durch die Römer in den Mittelmeerraum. Europäische Siedler wiederum betrieben mit diesen Arten den Obstanbau in den dafür geeigneten Regionen Amerikas.

Ab dem 16. Jahrhundert wurden verstärkt Zierpflanzen eingeführt. Ähnlich wie der Pyrenäen-Storchschnabel wurden zunächst in Europa beheimatete Arten als Gartenpflanzen eingeführt. Dazu zählen beispielsweise die Gladiolen, die Zierlaucharten wie der Goldlauch, europäische Glockenblumen-Arten, das in Südosteuropa beheimatete Schneeglöckchen oder die Gemeine Waldrebe. Später kamen auch Zierpflanzen aus weiter entfernteren Regionen hinzu. Insbesondere aus Ostasien wurde eine Reihe von Pflanzen als Exotikum oder aus wirtschaftlichem Interesse nach Europa eingeführt. Noch heute weisen viele Parkanlagen Chinesische Zierkirschen und andere Bäume auf. Die mitunter unerwünschten Folgewirkungen einer solchen Einführung von Zierpflanzen ist im Abschnitt Neophyten erläutert und im Abschnitt Australien beispielhaft dargestellt.

[Bearbeiten] Speirochorie

Die Echte Kamille gehört zu den Pflanzen, die ungewollt als Saatgutbegleiter verbreitet wurden
vergrößern
Die Echte Kamille gehört zu den Pflanzen, die ungewollt als Saatgutbegleiter verbreitet wurden

Einige Pflanzen wurden in diesem Prozess auch unbeabsichtigt nach Mitteleuropa verbracht; diese ungewollte Hemerochorie als Saatgutbegleiter nennt man Speirochorie. Da jedes Saatgut auch Samen der Kräuter des Ackers enthält, von dem es stammt, wurden durch den Handel mit dem Saatgut der Nutzpflanze auch ihre Konkurrenten, die „Unkräuter“, mit verkauft.

Speirochore Pflanzen werden auf einem vom Menschen vorbereiteten Boden ausgesät und sind Konkurrenten der Nutzpflanzen. Pflanzen, die heute als Archäophyten gelten, wie z.B. der im Mittelmeerraum beheimatete Klatschmohn, die Echte Kamille, die Kornblume, Kornrade und Acker-Hahnenfuß, breiteten sich über das Saatgut mit dem Getreide in Mitteleuropa aus. Der Autor Crosby schätzte, dass allein im Jahr 1912 durch Klee- und Grassamenimporte 2 bis 6 Milliarden Unkrautsamen nach Großbritannien gebracht wurden.

Inzwischen wird das Saatgut durch moderne Verfahren gründlicher gereinigt und auch der Anbau weist durch Pflanzenschutzmittel und andere Bekämpfungstechniken kaum noch Verunreinigungen auf. Die Ausbreitung über Speirochorie in der mitteleuropäischen Kulturlandschaft nimmt daher nur noch eine sehr untergeordnete Rolle ein; die Verarmung der Äcker ist auch darauf zurückzuführen.

Trotzdem wurde das in Australien als problematischer Bioinvasor eingeordnete Cuscuta campestris jeweils in den Jahren 1981, 1988 und 1990 gemeinsam mit Basilikumsamen versehentlich nach Australien eingeführt.

[Bearbeiten] Agochorie

Agochore Pflanzen sind solche, die durch unbeabsichtigten Transport verbreitet werden. Anders als speirochore Pflanzen werden sie in der Regel nicht auf durch den Menschen vorbereiteten Böden ausgesät. In Mitteleuropa ist es vor allem die seit den 1980er Jahren als kritisch eingeordnete Erdmandel, deren Knollen massenhaft an Fahrzeugen und Maschinen haftend verbreitet werden.

An Land traten agochore Pflanzen früher häufig in Häfen, an Bahnhöfen oder entlang von Bahnstrecken auf. Untersuchungen an Autos, mit denen Touristen in den australischen Kakadu-Nationalpark einreisen wollten, zeigen jedoch, dass auch Automobile wesentlich an der agochoren Ausbreitung beteiligt sind: 70% der untersuchten Wagen führten in den Reifenrillen oder in Schlammablagerungen am Chassis Pflanzensamen mit sich, darunter Samen einer Reihe solcher Pflanzen, die in Australien als problematische Invasoren eingeordnet werden und die man möglichst aus dem Park, der zum Weltkulturerbe gehört, fern halten möchte.

Durch Agochorie werden jedoch vor allem Wasserpflanzen verbreitet.

[Bearbeiten] Ballastwasser als Medium der Agochorie

Bei der agochoren Verbreitung von Wasserpflanzen spielt Ballastwasser eine große Rolle. Seit etwa 1880 wird Ballastwasser zur Stabilisierung von nicht voll beladenen Schiffen eingesetzt. Weltweit werden so etwa 10 Milliarden Tonnen Meerwasser mitsamt den darin enthaltenen Organismen verschifft.

Vor allem Exportländer sind von der Ausbreitung von Organismen durch Ballastwasser betroffen. Die Schiffe erreichen diese Häfen mit leerem Frachtraum, aber vollgepumpten Ballasttanks. In diesen Häfen werden dann beim Beladen mit tausenden Kubikmetern Meerwasser fremde Lebewesen in eine neue Umgebung gelenzt. Die in deutschen Häfen abgelassenen Ballastwassermengen werden auf jährlich 10 Millionen Tonnen geschätzt, wobei etwa 2 Millionen Tonnen aus Küstengewässern stammen, die nicht der Europäischen Gemeinschaft angehören und die damit überwiegend Organismen nicht-europäischer Küsten enthalten dürften.

Ballastwasser ist ein unspezifisches Transportmedium, das Lebewesen aller nahrungsökologischen Gruppen und verschiedenster Lebenszyklen erfasst. Von kräftigen Pumpen ins Schiffsinnere verfrachtet, enthält es alles, was der Ansaugströmung nicht entkommen kann: Vertreter fast aller Tierstämme, [..] aber auch viele Einzeller und Pflanzen. Es ist eine Art Unterwasserarche. Für das Phänomen des Ballastwassers gibt es an Land keine Entsprechung. Hier werden nicht einzelne versteckte Tiere oder anhaftende Pflanzensamen von einem Kontinent in den anderen verschleppt, sondern eine komplette Organismengemeinschaft. Es ist, als würde man einen Hektar Europa mit allem, was darauf kreucht und fleucht, nach Übersee transportieren und dort sich selbst überlassen. (Kegel, S. 110)
Dinoflagellaten werden häufig durch Ballastwasser verschleppt - hier die Art Ceratium hirundinella
vergrößern
Dinoflagellaten werden häufig durch Ballastwasser verschleppt - hier die Art Ceratium hirundinella

Über Ballastwasser erreichte beispielsweise die an der japanischen Küste beheimatete Kelpart Undaria pinnatifida die tasmanische Küste und bildet dort seit 1988 entlang der Küste dichte Kelpwälder, die die einheimische Flora und Fauna verdrängen. Dinoflagellaten wie Alexandrium catanella, A. minutum, A. tamarense sowie Gymnodinium catenatum sind ebenfalls über Ballastwasser an die australische, neuseeländische und us-amerikanische Küsten verschleppt worden. Diese Dinoflagellaten bilden gelegentlich toxische Algenblüten aus, die über die Nahrungskette Muscheln, Garnelen und Fische vergiften.

Neben dem großen ökologischen Schaden, den viele durch Ballastwasser eingeschleppte Organismen vor Ort anrichten, richten sie auch hohe wirtschaftliche Schäden an. Die beispielhaft erwähnten Dinoflagellaten gefährden vielerorts die Fisch-, Muschel- und Austernzucht. An nordamerikanischen Küsten mussten vereinzelt Zuchtanlagen vollständig geschlossen werden, der Fischfang wurde eingeschränkt und an Küsten, vor denen sie sich zur Algenblüte vermehren, bleiben die Touristen aus.

[Bearbeiten] Maßnahmen, um die Agochorie durch Ballastwasser zu verhindern

Australien war das erste Land, das bereits 1990 eine Richtlinie für den Umgang mit Ballastwasser einführte und heute diesem Problem am entschlossensten entgegentritt. Schiffe wurden aufgefordert, kein Ballastwasser in seichten und verschmutzten Buchten aufzunehmen und Ballastwasser nicht während der Nacht zu tanken, da dann viele Meeresorganismen, die sich sonst am Meeresboden aufhalten, zur Wasseroberfläche aufsteigen. Schiffe sollten außerdem 200 Kilometer von den Küstengewässern entfernt ihr Ballastwasser austauschen, damit einerseits die Hochseearten nicht in die empfindlicheren Küstengewässer eingeschleppt werden, und zum anderen keine Bewohner der Küstenzone in andere Kontinente verschleppt werden. Die International Maritime Organization hat diese Empfehlungen aufgegriffen; verbindliche Regelungen existieren jedoch bislang nicht.

Das so genannte „Reballasting“, wie der Austausch des Ballastwassers auf hoher See genannt wird, ist jedoch keine vollkommen sichere Methode. In den Tanks verbleiben beim Reballasting Restwasser mit Organismen, und vor allem Ablagerungen von Meeresböden. Einen größeren Schutz vor der Einschleppung fremder Organismen durch Ballastwasser bieten das Filtern von Wasser, das Erhitzen des Ballastwassers durch Ausnutzen der Restwärme der Schiffsmaschinen, Behandlung des Ballastwassers durch ultraviolettes Licht, Ozon, Gift, Veränderung des Salzgehaltes, Sauerstoffentzug oder Entsorgung in den Häfen in spezifischen Abwasseranlagen. Die Kosten dieser Methoden sind jedoch so hoch, dass sie die Gewinnmargen der Schiffsreedereien insbesondere bei Massengütern wie Erz und Kohle deutlich übersteigen. Sie ließen sich nur durchsetzen, wenn alle Küstenstaaten sie weltweit verbindlich vorschrieben.

Zu den Ländern, die die Einschleppung fremder Organismen als so problematisch ansehen, dass sie versuchen, auf internationaler Ebene verbindliche Regelungen für den Umgang mit Ballastwasser umzusetzen, gehören neben Australien die USA, Neuseeland, Kanada, Israel und Chile.

[Bearbeiten] Beispiele agochor verbreiteter Pflanzen

Neben der bereits oben erwähnten Kelpart und den Dinoflagellaten zählt beispielsweise auch die Alge Caulerpa taxifolia zu den agochor verbreiteten Wasserpflanzen. C. taxifolia ist eine aus der Karibik und dem Indischen Ozean stammende Pflanze, die dort harmlos und unauffällig ist. Eine Mutation dieser Pflanze, deren Blattform größer ist und die mit den jahreszeitlichen Temperaturschwankungen gut zurecht kommt, ist wahrscheinlich mit Aquarienwasser vor Monaco ins Mittelmeer gelangt, wo sie zuerst größere Bestände ausbildete. Zwischen ihrem ersten Nachweis vor der Küste Monacos 1984 und 1995 drang sie bis an die Küste Kroatiens vor. Die wuchskräftige Alge ist in der Lage, täglich bis zu zwei Zentimeter zu wachsen und damit die indigene Unterwasservegetation zu überwuchern und zu ersticken. Sie gilt als eine der größten Bedrohungen des Ökosystems Mittelmeer.

C. taxifolia gehört zu den Pflanzen, die häufig durch Ballastwasser verbreitet werden. Sie wird außerdem dadurch verbreitet, dass Schiffe mit ihren Ankern Teile der Algen losreißen. Die losen Teile verdriften mit der Strömung und bilden aus diesen Ablegern neue Kolonien. Da an den Ankern haftende Algenbestandteile in den Ankerkästen von Schiffen ohne Licht und Wasser bis zu 10 Tagen überleben können, dringen die Algen in völlig neue Gebiete vor. Auf diese Weise werden Entfernungen zurückgelegt, die alle anderen Chorien übertrifft.

Zu den ebenfalls agochor ausgebreiteten Pflanzen zählt auch die Kanadische Wasserpest, die vermutlich im Jahre 1836 mit Holztransporten aus Nordamerika nach Irland eingeschleppt wurde und sich in Mitteleuropa ebenfalls als Neophyt etablierte, der eine Zeitlang mit seiner Massenentwicklung Wasserwege verstopfte und den Fischfang behinderte, bis die aggressive Vermehrung dieser Pflanze in Mitteleuropa nachließ, ohne dass man bis heute dafür eine wissenschaftliche Erklärung gefunden hat.

[Bearbeiten] Erfahrungen mit hemerochoren Pflanzen am Beispiel Australiens und Neuseelands

Anders als Mitteleuropa, dessen relativ artenarme Pflanzenwelt durch die Einschnitte der Eiszeiten vorwiegend aus Einwanderern aus dem asiatischen Kontinent besteht, haben sich Pflanzen- und Tierarten Australiens und Neuseelands über Jahrtausende nahezu vollständig geographisch isoliert entwickeln können. Dadurch reagieren die dortigen Ökosysteme mit ihren fast ausschließlich endemischen Arten wesentlich empfindlicher auf invasive Arten. In Australien und Neuseeland gab es im 19. Jahrhundert eine Welle der Akklimatisierung. Die europäischen Siedler versuchten mit Nachdruck, sowohl Tiere als auch Pflanzen ihrer europäischen Heimat an ihrem neuen Lebensort zu etablieren.

[Bearbeiten] Beispiele von Maßnahmen gegen speirochore und agochore Ausbreitung

Australien und Neuseeland haben weitreichende Maßnahmen getroffen, um eine Ausbreitung durch Speirochorie oder Agochorie weitgehend zu verhindern. Landwirtschaftliche Geräte, die nach Australien eingeführt werden, müssen gründlich gereinigt werden. Fluggäste, die aus anderen Kontinenten einreisen, werden aufgefordert, ihre Schuhsohlen sorgfältig zu säubern. In einigen australischen Nationalparks werden Besucherströme nur punktuell in den Park gelassen und auf Holzstiegen durch diese Gebiete geführt, um einer Sameneinschleppung von außerhalb möglichst weitgehend vorzubeugen.

[Bearbeiten] Erfahrungen mit etholochor ausgebreiteten Pflanzen

Auch viele ursprünglich etholochor (und damit bewusst) eingeführte Pflanzen haben sich in den sensiblen Ökosystemen Australiens und Neuseelands als letztlich problematisch erwiesen. Die im Vergleich zu den australischen Grasarten nährstoffreicheren afrikanischen Grasarten wie das Büffelgras Cenchrus ciliaris oder die Grasart Andropogon gayanus wurden beispielsweise in Australien eingeführt, um einen höheren Viehbesatz mit Hausrindern und -schafen zu ermöglichen. Dabei wurde übersehen, dass diese Pflanzen sich in noch ganz anderen, sekundären Eigenschaften von den indigenen Pflanzen Australiens unterscheiden.

Brände sind ein Charakteristikum des australischen Ökosystems; die Samen vieler australischer Pflanzen keimen erst nach der Hitzeeinwirkung eines solchen Brandes. Die indigenen australischen Pflanzen wie beispielsweise der Eukalyptus sind an die raschen, niedrig-temperaturigen Flächenbrände der australischen Grassteppe angepasst. Die nach Australien eingeführten Futtergräser brennen bei einem Flächenbrand länger und mit wesentlich höheren Temperaturen. Dadurch werden diese Brände verstärkt, so dass auch Eukalyptusbäume in Brand geraten und die Samen verbrennen, statt, wie nach einem normalen australischen Buschbrand, zu keimen. Die eingeführten Grasarten haben auch zu einem Rückgang der australischen Finken- und Papageienarten geführt, da die Grasarten zwar zahlreich Samen produzieren, diese von den einheimischen Vögeln nicht gefressen werden. In der Summe können die Effekte mehrerer verschiedener eingeschleppter Arten andere an den Rand des Aussterbens bringen und Ökosysteme vernichten.

[Bearbeiten] Gartenzierpflanzen – Australiens schwierigste Bioinvasoren

Ursprünglich als Gartenzierpflanzen eingeführte Arten gehören mittlerweile zu Australiens problematischsten Bioinvasoren. Unter den achtzehn Pflanzenarten, die zu den Bioinvasoren mit den größten negativen Auswirkungen zählen, sind neben sechs Grasarten auch sieben so genannte Gartenflüchtlinge. Unter den neu als problematisch eingeordneten Neophyten machen sie sogar zwei Drittel aus. Dieser große Anteil ist auf die hohe Anzahl der eingeführten Zierpflanzen zurückzuführen. So wird geschätzt, dass allein im australischen Bundesstaat Queensland mehr als 4.000 Arten in Gärten kultiviert werden – ihre Zahl ist damit größer als sämtliche in Australien als Nahrungs-, Forst- oder Weidepflanzen eingeordneten Pflanzenarten. Die bereits 1870 aus dem südlichen Madagaskar eingeführte Kletterpflanze Cryptostegia grandiflora hatte bis zum Jahr 2000 nach Angaben des australischen Biologen Tim Low in Australien bereits 350.000qm tropischen Regenwalds überwuchert und unter sich erstickt. Eine robuste, immergrüne Thunbergien-Art, die in Indien beheimatet ist, invasiert die tropischen Regenwälder rund um die australische Küstenstadt Cairns und überwuchert selbst vierzig Meter hohe Bäume. In Zentralaustralien wächst die eurasische Tamarisken-art „Aphylla“ entlang der Flussböschungen, verdrängt dort zunehmend die einheimischen Baumarten sowie die dazugehörigen Fauna, senkt den Grundwasserspiegel und leistet der Versalzung der Böden Vorschub. Tamarisken galten lange Zeit als in Australien unproblematische Pflanzen. Das änderte sich, als Überschwemmungen die Samen der vor allem in den Gärten rund um Alice Springs gepflegten Tamarisken über hunderte von Kilometer entlang von Flussufern verbreiteten. Ähnlich wie in den USA, wo Tamarisken sich ebenfalls als äußerst problematische Bioinvasoren herausgestellt haben, ist auch in Australien die Bekämpfung der mittlerweile weit verbreiteten Baumart nahezu aussichtslos. Ähnlich aussichtslos ist der Kampf gegen die Wasserhyazinthen, die sich ungehemmt in den Flussläufen und Seen im nördlichen und östlichen Australien verbreiten, den Schiffsverkehr schwerwiegend behindern und die Wasserfauna und -flora stark verändern. Der Jerusalemsdorn bildet im Northern Territory undurchdringliche Dorngestrüppe, deren Länge und Breite mehrere Kilometer betragen können. Zwei weitere als Gartenzierpflanzen eingeführte Pflanzen, Asparagus asparagoides und Chrysanthemoides monilifera, dominieren in vielen Eukalyptuswäldern nun die Krautschicht und verdrängen einheimische Stauden, Gräser, Orchideen und Lilien.

[Bearbeiten] Maßnahmen

In Australien werden Pflanzen, die neu eingeführt werden sollen, mittlerweile einem „Weed Access Assessment“ unterworfen, also einer Untersuchung, inwieweit sie sich als problematisch innerhalb des australischen Ökosystems erweisen können als Zugangsberechtigung. Neophyten, die sich bereits als problematisch erwiesen haben, werden in einer Liste der „Weeds of National Significance“ (WONS) aufgenommen.

Die WONS-Liste führt aber nicht zwangsläufig zu einer Verbannung der Pflanzen. Selbst solche Arten, die zu den problematischsten Bioinvasoren gehören, sind gelegentlich noch in Baumschulen erhältlich – mitunter unter Phantasienamen. Versuche, Gartenzierpflanzen nicht mehr zu verkaufen, die sich bereits als problematische Invasoren erwiesen haben, haben sich als in der Öffentlichkeit schwierig durchsetzbar erwiesen. Auch australische Gartenbesitzer verzichten nur ungern auf Efeu, Stechpalme und Japanische Kirsche als Zierpflanze.

Tim Low, der sich sehr ausführlich mit biologischen Invasoren Australiens auseinandergesetzt hat, ist daher sehr pessimistisch, was die Stabilität der australischen Ökosysteme angeht. Aus Lows Sicht handeln eine Reihe von australischen Behörden auf die Herausforderungen, die diese Invasoren darstellen, nicht entschieden genug und beugen sich zu früh den wirtschaftlichen Interessen insbesondere von Landwirten. Zum anderen ist die Gelegenheit, noch wirkungsvolle Maßnahmen zu ergreifen, bei vielen Arten bereits verstrichen. Neuseeländische Behörden sind einen anderen Weg gegangen: Sie haben Listen mit Zierpflanzen veröffentlicht, die als unproblematisch angesehen werden, und dabei eine größere Resonanz gefunden.

[Bearbeiten] Literatur

  • Alfred Crosby; Die Früchte des weißen Mannes, Campus Frankfurt am Main, 1991
  • Ursula Hoffmann und Michael Schwerdtfeger; … und grün des Lebens goldner Baum. Lustfahrten und Bildungsreisen im Reich der Pflanzen, Ulrich Burgdorf Verlag, Göttingen 1998, ISBN 3-89762-000-6
  • Bernhard Kegel; Die Ameise als Tramp – Von biologischen Invasoren, Wilhelm Heyne Verlag, München 2002, ISBN 3-453-18439-4
  • Tim Low; Feral Future – The untold story of Australia’s exotic invaders, Pinguin Books Australia, Ringwood, 2001, ISBN 0-14-029825-8
  • Ingo Kowarik; Biologische Invasionen – Neophyten und Neozoen in Mitteleuropa, Verlag Eugen Ulmer Stuttgart, 2003, ISBN 3-8001-3924-3
  • Heinz-Dieter Krausch: Kaiserkron und Päonien rot … – Entdeckung und Einführung unserer Gartenblumen. Dölling und Galitz Verlag, Hamburg 2003, ISBN 3-93-554923-7
  • Angelika Lüttig & Juliane Kasten: Hagebutte & Co – Blüten, Früchte und Ausbreitung europäischer Pflanzen. Fauna Verlag, Nottuln 2003, ISBN 3-93-598090-6

[Bearbeiten] Weblinks

Wiktionary: Hemerochorie – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme und Übersetzungen

Kategorie:Pflanzenausbreitung

{{Exzellent}}


[Bearbeiten] Gefangenschaftsflüchtling

Die in Nordamerika beheimateten Kappensäger werden in Europa grundsätzlich als Gefangenschaftsflüchtlinge eingeordnet, wenn sie in freier Wildbahn aufgefunden werden
vergrößern
Die in Nordamerika beheimateten Kappensäger werden in Europa grundsätzlich als Gefangenschaftsflüchtlinge eingeordnet, wenn sie in freier Wildbahn aufgefunden werden
Der Bisam (Ondrata zibethicus) ist vielerorts aus Pelztierfarmen entwichen
vergrößern
Der Bisam (Ondrata zibethicus) ist vielerorts aus Pelztierfarmen entwichen

Als Gefangenschaftsflüchtling bezeichnet man ein exotisches Tier, das freilebend beobachtet wurde und wahrscheinlich aus menschlicher Obhut geflüchtet ist oder auch bewusst ausgesetzt wurde. Vögel gelten als typische Gefangenschaftsflüchtlinge, da insbesondere aus Ziergeflügelhaltung immer wieder Vögel entweichen. Brautenten und Mandarinenten sind auf diese Weise stellenweise in Mitteleuropa zu sogenannten Neozoen geworden. Das bekannteste Beispiel einer Säugetierart, die als Gefangenschaftsflüchtlinge überleben konnte, ist der Waschbär.

[Bearbeiten] Probleme durch Gefangenschaftsflüchtlinge

Bei der Feststellung des natürlichen Verbreitungs- und Zuggebiets einer Tierart können frei lebende Exoten oft erhebliche Verwirrung stiften. Der in Nordamerika beheimatete Kappensäger beispielsweise kann es gelegentlich während seines Zuges in die Sommer- bzw. Winterquatiere bis nach Europa verschlagen. Da diese zu den Entenvögeln zählende Art seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts häufig als Wassergeflügel gehalten wird, wird bei in freier Wildbahn aufgefundenen oder beobachteten Vögeln grundsätzlich unterstellt, dass es sich um Gefangenschaftsflüchtlinge handelt. Nur wenn die Beringung unzweifelhaft etwas anderes beweist, wird er als verirrter Zugvogel eingeordnet.

Manchmal gelingt es Gefangenschaftsflüchtlingen über längere Zeit in der freien Natur zu überleben und eventuell auch sich fortzupflanzen. Gelingt dies den Tieren über mindestens drei Generationen, spricht man von Neozoen.

[Bearbeiten] Beispiele weiterer Gefangenschaftsflüchtlinge

Zu Arten, die sich in Europa als Gefangenschaftsflüchtlinge über einen einen längeren Zeitraum in einer ihrem ursprünglichen Verbreitungsgebiet nicht entsprechenden Gebiet etablieren konnten, zählen unter anderem:

Sechs aus einem Gehege ausgebrochene Nandus haben mittlerweile in Mecklenburg-Vorpommern eine 50 Tiere umfassende Kolonie begründet
vergrößern
Sechs aus einem Gehege ausgebrochene Nandus haben mittlerweile in Mecklenburg-Vorpommern eine 50 Tiere umfassende Kolonie begründet
  • Nandus, von denen es eine Kolonie von 50 freilebenden Tieren in Mecklenburg-Vorpommern gibt.
  • Schwarzkopfruderenten, die ursprünglich in Nordamerika beheimatet sind und sich mit der in Europa vorkommenden Weißkopfruderente vermischen.
  • Streifengänse, die problemlos in Mitteleuropa überleben, sich jedoch meist mit anderen Feldgänsen, meist Graugänsen vermischen.
  • Einzelne Individuen verschiedener Arten von Amazonenpapageien im Schlosspark von Wiesbaden-Biebrich.
  • Minks, sind sehr eng mit dem europäischen Nerz verwandt, kamen aber eigentlich nur in Nordamerika vor. Durch Pelztierfarmen sind sie nach Europa gelangt.
  • Der Bisam wurde in vielen Regionen Europas absichtlich als Pelzlieferant ausgesetzt. In zahlreichen Regionen entkamen Tiere jedoch auch aus Pelztierfarmen. Der Ausbreitungsherd, der zu einer Besiedelung des Elsass, der Rheingebiete und der Saar und Mosel führte, ist auf Tiere zurückzuführen, die aus einer nachlässig geführten Farm in Frankreich entkamen.

Ähnlich wie bei Pflanzen können Gefangenschaftsflüchtlinge die Biodiversität eines Lebensraumes erweitern oder gefährden.

[Bearbeiten] Sonstiges

Gefangenschaftsflüchtlinge sind Forschungsobjekt der Invasionsbiologie, einem Zweig der Biologie, die sich gezielt mit den Organismen beschäftigt, die in Lebensräume vordringen, die sie ohne Hilfe des Menschen nicht erreicht hätten.

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Literatur

  • Bernhard Kegel; Die Ameise als Tramp - Von biologischen Invasoren, Wilhelm Heyne Verlag, München 2002, ISBN 3-453-18439-4
  • Tim Low; Feral Future - The untold story of Australia’s exotic invaders, Pinguin Books Australia, Ringwood, 2001, ISBN 0-14-029825-8
  • Ingo Kowarik; Biologische Invasionen - Neophyten und Neozoen in Mitteleuropa, Verlag Eugen Ulmer Stuttgart, 2003, ISBN 3-8001-3924-3

[Bearbeiten] Weblinks

Kategorie:verhaltensbiologie

[Bearbeiten] Milgram-Experiment

Der Versuchsleiter (V) überzeugt den als Lehrer (L) agierenden Probanden, dem Schüler (S) Stromschläge zu verabreichen. In Wirklichkeit ist S ein Schauspieler, die Schocks nicht real. L wird aber in dem Glauben der Echtheit gelassen, um seine Reaktionen zu testen. Viele Probanden versetzten auf Geheiß von V jeweils stärkere „Elektroschocks“, selbst dann, wenn der Schauspieler unter vorgetäuschten Schmerzen den Abbruch des Versuchs verlangte und eine ernsthafte gesundheitliche Gefährdung von S vermutet werden konnte.
vergrößern
Der Versuchsleiter (V) überzeugt den als Lehrer (L) agierenden Probanden, dem Schüler (S) Stromschläge zu verabreichen. In Wirklichkeit ist S ein Schauspieler, die Schocks nicht real. L wird aber in dem Glauben der Echtheit gelassen, um seine Reaktionen zu testen. Viele Probanden versetzten auf Geheiß von V jeweils stärkere „Elektroschocks“, selbst dann, wenn der Schauspieler unter vorgetäuschten Schmerzen den Abbruch des Versuchs verlangte und eine ernsthafte gesundheitliche Gefährdung von S vermutet werden konnte.

Das Milgram-Experiment ist ein wissenschaftlicher Versuch, der von dem Psychologen Stanley Milgram entwickelt wurde, um die Bereitschaft durchschnittlicher Personen zu testen, autoritativen Anweisungen auch dann Folge zu leisten, wenn sie in direktem Widerspruch zu ihrem Gewissen stehen. Das Experiment sollte ursprünglich dazu dienen, Verbrechen aus der Zeit des Nationalsozialismus sozialpsychologisch zu erklären, war in seinem Aufbau aber wesentlich grundsätzlicher angelegt. Milgram erhielt für diese Arbeit 1964 den jährlich vergebenen Preis der American Association for the Advancement of Science in der Kategorie Sozialpsychologie.

Die Ergebnisse wurden zunächst in einem Artikel mit dem Titel: Behavioral study of obedience veröffentlicht, der in dem renommierten Journal of abnormal and social psychology (Bd. 67, 1963 S. 371-378) erschien. Milgram publizierte später ein eigenes Buch, in dem er die Ergebnisse in einen breiteren Kontext einordnete (Obedience to Authority: An Experimental View, dt. Das Milgram-Experiment. Zur Gehorsamsbereitschaft gegenüber Autorität, 1974).

[Bearbeiten] Ablauf

Eine Versuchsperson und ein Schauspieler, der vorgab, ebenfalls Versuchsperson zu sein, sollten an einem vermeintlichen Experiment zur Untersuchung des Zusammenhangs von Bestrafung und Lernerfolg teilnehmen. Ein offizieller Versuchsleiter (Experimentator) bestimmte den Schauspieler durch eine fingierte Losziehung zum „Schüler“, die tatsächliche Versuchsperson zum „Lehrer“. Die Verabreichung eines Stromschlags von 45 Volt sollte die körperlichen Folgen von Stromschlägen vergegenwärtigen. Zudem wurde das an einen elektrischen Stuhl erinnernde Versuchsinventar gezeigt, auf dem der „Schüler“ getestet werden sollte. Diese Versuchsanordnung mit der gewollten Assoziation wurde von den Probanden zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt.

Der Versuch bestand darin, dass der „Lehrer“ dem „Schüler“ bei „Fehlern“ in der Zusammensetzung von Wortpaaren jeweils einen Stromschlag versetzte. Dabei wurde die Spannung nach jedem Fehler um 15 Volt erhöht. In Wirklichkeit erlebte der Schauspieler keine Stromschläge, sondern reagierte nach einem vorher bestimmten Schema, abhängig von der eingestellten Spannung. Erreichte die Spannung beispielsweise 150 Volt, verlangte der Schauspieler, von seinem Stuhl losgebunden zu werden, da er die Schmerzen nicht mehr aushalte. Dagegen forderte der dabei sitzende Experimentator, dass der Versuch zum Nutzen der Wissenschaft fortgeführt werden müsse. Wenn der „Lehrer“ Zweifel äußerte oder gar gehen wollte, forderte der Experimentator in vier standardisierten Sätzen zum Weitermachen auf. Die Sätze wurden nacheinander, nach jedem Zweifel der Versuchsperson, gesprochen und führten nach dem vierten Mal zu einem Abbruch des Experimentes seitens des Versuchsleiters. Damit die Sätze immer gleich ausfielen, wurden sie vorher mit Schauspielern eingeübt, insbesondere auch, um einen drohenden Unterton zu vermeiden.

Satz 1: „Bitte, fahren Sie fort!“ Oder: „Bitte machen Sie weiter!“
Satz 2: „Das Experiment erfordert, dass Sie weitermachen!“
Satz 3: „Sie müssen unbedingt weitermachen!“
Satz 4: „Sie haben keine Wahl, Sie müssen weitermachen!“

Es gab noch zwei weitere Standardsätze in antizipierten Verlaufssituationen: Wenn die Versuchsperson fragte, ob der „Schüler“ einen permanenten physischen Schaden davontragen könne, sagte der Versuchsleiter: „Auch wenn die Schocks schmerzvoll sein mögen, das Gehirn wird keinen dauerhaften Schaden davontragen, also machen Sie bitte weiter!“. Auf die Aussage des „Lehrers“, der „Schüler“ wolle nicht weitermachen, wurde standardmäßig geantwortet: „Ob es dem Schüler gefällt oder nicht, Sie müssen weitermachen, bis er alle Wörterpaare korrekt gelernt hat. Also bitte machen Sie weiter!“

Eine Variation betraf die Nähe zwischen "Lehrer" und "Schüler". Dabei wurden folgende vier experimentelle Bedingungen realisiert:

  1. die Versuchsperson konnte den „Schüler“ weder sehen noch hören, sie nahm nur einen Schlag an die Wand bei dem Erreichen der 300-Voltgrenze wahr,
  2. der Lehrer hörte die Reaktionen des Schülers über einen Lautsprecher,
  3. Lehrer und Schüler befanden sich in einem Raum und
  4. die Versuchsperson hatte direkten Kontakt zu dem Schauspieler.

In der letzten Versuchsanordnung musste der Proband, geschützt durch einen Handschuh, die Hand des „Schülers“ auf eine Metallplatte drücken, die vermeintlich elektrisch geladen war. Zudem wurde die Präsenz des Versuchsleiters variiert, der entweder direkt im Raum, nur über Telefon erreichbar oder abwesend sein konnte. Die Instruktionen erfolgten im letzten Fall über ein Tonbandgerät.

Spannung Reaktion des „Schülers“
75 V Grunzen
120 V Schmerzensschreie
150 V sagt, dass er an dem Experiment nicht mehr teilnehmen will
200 V Schreie, „die das Blut in den Adern gefrieren lassen“
300 V Er lehnt es ab zu antworten, murmelt etwas über einen Herzzustand
über 330 V Stille

Der „Schüler“ war in diesem Fall ein unauffälliger Amerikaner mit irischer Abstammung und repräsentierte einen Menschentyp, mit dem Fröhlichkeit und Gelassenheit verbunden wurde. Mit dieser Auswahl sollte eine Beeinflussung der Handlungsweise durch eine mentale Disposition des Probanden vermieden werden. Zudem war es wichtig, dass die Versuchspersonen weder von dem Versuchsleiter noch von dem „Schüler“ unbeabsichtigt beeinflusst werden konnte. Der „Lehrer“ konnte selbst bestimmen, zu welchem Zeitpunkt er das Experiment abbrechen wollte. Der Versuchsleiter verhielt sich neutral, selbst seine Kleidung war in einem unauffälligen Grauton gehalten. Er wirkte und handelte zwar bestimmt, nicht aber autoritär.

Die Versuchspersonen wurden über eine Anzeige in der Lokalzeitung von New Haven gesucht, wobei die angegebene Gage (4 US-Dollar plus 50 Cents Fahrtkosten) schon für das bloße Erscheinen in Aussicht gestellt wurde. Das Experiment fand in der Regel in einem Labor der Yale University statt und war in der Anzeige als unter der Leitung von Prof. Stanley Milgram stehend gekennzeichnet. In einer der Varianten wurde das Experiment nach draußen verlegt.

[Bearbeiten] Ergebnisse

Das Ergebnis des ersten Experimentes war derart überraschend, dass Milgram über zwanzig Varianten mit jeweils abweichenden Parametern durchführte. In der ersten Versuchsreihe waren 62.5% der Versuchspersonen bereit, den „Schüler“ mit einem Stromschlag mit den maximalen 450 Volt zu „bestrafen“; allerdings empfanden viele einen starken Gewissenskonflikt. Kein „Lehrer“ brach das Experiment ab, bevor die 300-Volt-Grenze erreicht war. In der vierten Versuchsanordnung, in der die Versuchsperson den direkten Kontakt zum „Schüler“ hatten, war die erreichte Volt-Stufe am niedrigsten. Die Abwesenheit des Versuchsleiters bewirkte, dass die Gehorsamsrate dreimal niedriger ausfiel als in der Versuchsanordnung mit seiner Anwesenheit. In einer Versuchsanordnung, in der Frauen die Elektroschocks austeilen sollten, ergab sich kein signifikanter Unterschied in der Abbruchrate gegenüber Versuchen mit männlichen Probanden.

Das Ergebnis einer Erweiterung des Experiments im Jahre 1965 war, dass der Anteil der bedingungslos gehorchenden Probanden stark abnahm (auf 10%), sobald zwei weitere vermeintliche „Lehrer“ an dem Experiment teilnahmen, die dem Versuchsleiter Widerstand entgegensetzten. Befürworteten die zwei „Lehrer“ allerdings die Fortführung des Experimentes, so folgten dem 90% der Probanden.

Bei einer weiteren Variation gab sich der Versuchsleiter nicht als Forscher der renommierten Universität Yale aus, sondern als Wissenschaftler des fiktiven kommerziellen „Research Institute of Bridgeport“, dessen Räume sich in einem heruntergekommenen Bürogebäude eines Geschäftsviertels in Bridgeport (Connecticut) befanden. Hier sank die Zahl der Probanden, die die höchste Voltzahl einsetzten, von 65% auf 48%. Dieser Unterschied ist allerdings nicht statistisch signifikant.

Bei einer anderen Variation verließ Milgram den Raum und ließ einen Schauspieler, der sich als Proband darstellte, das Experiment leiten. Hier sank der Anteil der Probanden, die bis zur Höchststufe gingen, auf 20%.

Das Experiment ist in unterschiedlichen Varianten in anderen Ländern wiederholt worden. Die Ergebnisse waren generell vergleichbar, was eine kulturübergreifende Gültigkeit der Ergebnisse zeigt.

[Bearbeiten] Reaktion der Versuchspersonen

Alle Versuchspersonen zeigten einen aufgewühlten Gemütszustand, hatten Gewissenskonflikte und waren aufgeregt. Ein Beobachter beschrieb die emotionale Lage eines Lehrers folgendermaßen: „Ich beobachtete einen reifen und anfänglich selbstsicher auftretenden Geschäftsmann, der das Labor lächelnd und voller Selbstvertrauen betrat. Innerhalb von 20 Minuten war aus ihm ein zuckendes, stotterndes Wrack geworden, das sich rasch einem Nervenzusammenbruch näherte. Er zupfte dauernd an seinem Ohrläppchen herum und rang die Hände. An einem Punkt schlug er sich mit der Faust gegen die Stirn und murmelte: ‚Oh Gott lass uns aufhören‘. Und doch reagierte er weiterhin auf jedes Wort des Versuchsleiters und gehorchte bis zum Schluss.

Es zeigte sich, dass Personen, die die personale Verantwortlichkeit für ihr Verhalten hoch veranschlagten, das Experiment eher abbrachen und dem Versuchsleiter widersprachen. Ein 32-jähriger Ingenieur stoppte das Experiment bei 225 Volt und reagierte auf die Aussage: „Sie haben keine Wahl, Sie müssen weitermachen!“ mit der Antwort: „Natürlich habe ich die Wahl, ich bin aus freien Stücken hergekommen.“

Um den ethischen Aspekten gerecht zu werden, erhielten die Probanden nach Abschluss der Versuchsreihe detaillierte Informationen über das Experiment und deren Ergebnisse. Um eventuelle Langzeitschäden zu erkennen, wurden in einer Stichprobe die Versuchspersonen ein Jahr nach dem Experiment erneut besucht und befragt. Das Experiment zeigte keine schädlichen Auswirkungen auf die Psyche der Versuchspersonen. 84% der Teilnehmer gaben an, im Nachhinein froh zu sein, an dem Experiment teilgenommen zu haben. Nur ein Proband von Hundert bedauerte seine Teilnahme. Die meisten Teilnehmer gaben an, etwas über sich gelernt zu haben und Autoritätspersonen daher in Zukunft misstrauischer gegenüberstehen zu wollen.

[Bearbeiten] Folgen und Folgerungen

Heutzutage würde ein vergleichbares Experiment von der Mehrzahl der Psychologen als unethisch zurückgewiesen werden, da es die Versuchspersonen einem starken inneren Druck aussetzt und sie über den wahren Zweck des Experiments täuscht. An vielen Universitäten stellte man als Reaktion auf diesen Versuch ethische Richtlinien über die Zulassung von psychologischen Experimenten auf. Ob das gewonnene Wissen bei Militär und Geheimdiensten Anwendung fand, ist nicht bekannt.

Milgram kommentierte die Ergebnisse seines Experiments so: „Die rechtlichen und philosophischen Aspekte von Gehorsam sind von enormer Bedeutung, sie sagen aber sehr wenig über das Verhalten der meisten Menschen in konkreten Situationen aus. Ich habe ein einfaches Experiment an der Yale-Universität durchgeführt, um herauszufinden, wie viel Schmerz ein gewöhnlicher Mitbürger einem anderen zufügen würde, einfach weil ihn ein Wissenschaftler dazu aufforderte. Starre Autorität stand gegen die stärksten moralischen Grundsätze der Teilnehmer, andere Menschen nicht zu verletzen, und obwohl den Testpersonen die Schmerzensschreie der Opfer in den Ohren klingelten, gewann in der Mehrzahl der Fälle die Autorität. Die extreme Bereitschaft von erwachsenen Menschen, einer Autorität fast beliebig weit zu folgen, ist das Hauptergebnis der Studie, und eine Tatsache, die dringendster Erklärung bedarf.“ (aus: The Perils of Obedience).

Bis heute gilt der Autoritätsgehorsam theoretisch als nur unzureichend geklärt. Obwohl Milgram eine Persönlichkeitsbasis für Autoritätsgehorsam und Verweigerung vermutete, konnte er diese nicht belegen. Statt dessen ging er von zwei Funktionszuständen aus, dem „Agens-Modus“ und dem „systemgebundenen Modus“. Im letzteren wird das Individuum in seinen Handlungen von den Strukturen eines Autoritätssystems bestimmt und verliert an persönlicher Autonomie, in ersterem erlebt es sich als für sein Handeln verantwortlich.

Das Experiment zeigte, dass die meisten Versuchspersonen durch die Situation veranlasst wurden, sich an den Anweisungen des Versuchsleiters und nicht an dem Schmerz der Opfer zu orientieren. Die Veranlassung war am wirksamsten, wenn der Versuchsleiter anwesend war und am wirkungslosesten, wenn die Instruktionen per Tonband oder Telefon erfolgten. Auch die Nähe zum „Schüler“ beeinflusste die Bereitschaft zum Abbruch des Versuches. So gingen ohne Rückmeldung der „Schüler“ praktisch alle Versuchspersonen bis zur höchsten Schockstufe, während beim direkten Kontakt nur noch 30% die Höchststufe erreichten.

[Bearbeiten] Methodische Kritik

Zwei wesentliche methodische Aspekte wurden an dem Versuchsaufbau kritisiert:

  1. Das Experiment sei nicht einer rein zufälligen Fallauswahl gefolgt und es ließen sich somit keine gesicherten Aussagen über die Repräsentativität, z. B. für die gesamte amerikanische Bevölkerung, treffen.
  2. Man müsse bei den Experimenten Effekte berücksichtigen, die den Versuchsablauf beeinflussten, etwa den Umstand, dass allein das Bewusstsein, an einem Test teilzunehmen, die Einstellung der Testperson verändere (sog. Hawthorne-Effekt) oder die Tatsache, dass die Erwartung des Experimentators unterschwelligen Einfluss auf das Verhalten der Versuchspersonen nehme (Pygmalioneffekt).

[Bearbeiten] Psychologische und soziologische Erklärungsversuche

Dieses Experiment gehört in den Anwendungsbereich der Sozialpsychologie, bei der das Verhalten eines Einzelnen in der Gruppe untersucht wird. Als mögliche Begründung für das Verhalten der Versuchspersonen kann der Wunsch der Testperson gesehen werden, das freiwillig begonnene Experiment auch tatsächlich abzuschließen und den Erwartungen der Wissenschaftler zu entsprechen. Hinzu kommt, dass die Versuchssituation für die Probanden neu war und deshalb kein erlerntes Handlungsmuster existierte. Ein anderer Erklärungsversuch zielt auf den graduellen Charakter des Experimentes ab, der psychologisch alltäglichen Verhaltensmustern entspricht, diese aber durch die kontinuierliche Steigerung der „Bestrafungsbereitschaft“ sukzessive in Richtung außerordentlicher Verhaltensweisen verschiebe. Dies mache die Abschätzung der Folgen für die Probanden schwierig. Dazu passe, dass das Verhalten der Probanden durch die Veränderung situationaler Variablen, etwa der Distanz zum Schüler oder der Anwesenheit des Versuchsleiters, beeinflusst werde, nicht durch das Vorliegen einer charakterlichen Disposition. Soziologisch ist das Experiment daher als Beleg für die Wirksamkeit der Norm des Gehorsams gesehen worden. Über die Sozialisation erlerne das Individuum Gehorsamkeit und Unterordnung. Zunächst im familiären System, später in der Institution Schule. In beiden gesellschaftlichen Kontexten, die für die Prägung des Individuums entscheidend seien, werde Folgsamkeit und Unterordnung positiv sanktioniert. Die Gehorsamkeitsnorm ist an Institutionen und Individuen gebunden, die über einen hohen sozialen Status und/oder Autorität verfügen. Denn wie sich in den Variationen des Versuches andeutete, sinkt mit dem sozialen Status des Versuchsleiters die Bereitschaft zur Gehorsamsleistung. Insbesondere wenn die Autorität in einen bürokratischen Prozess eingebunden ist, der die Delegation der Verantwortung auf eine Institution ermöglicht, steigt die Chance auf Gehorsam selbst bei Befehlen, die als unmoralisch empfunden werden.

[Bearbeiten] Reaktionen

Das Experiment wurde vielfach als Beleg dafür verstanden, dass jeder Mensch unter bestimmten Bedingungen bereit ist, nicht seinem Gewissen zu folgen, sondern einer Autorität. Daher wird es zur Erklärung der Frage herangezogen, warum Menschen foltern oder Kriegsverbrechen begehen. Wegen seiner spektakulären Ergebnisse wurde das Experiment in einer breiten Öffentlichkeit wahrgenommen. Die New York Times titelte zum Beispiel: „Fünfundsechzig Prozent folgen in einem Test blind dem Befehl, Schmerzen zuzufügen“. Andere Blätter kritisieren Milgram und die Yale University für die Zerreißprobe, vor die sie die Probanden stellten.

Auch gab es sehr unterschiedliche Interpretationen der Ergebnisse und der konditionierenden Faktoren. Erich Fromm etwa behauptete, Grund für die Bereitschaft, dem Versuchsleiter zu gehorchen, sei das besonders hohe Ansehen, das die Wissenschaft als Institution in Amerika besäße. Das entscheidende Ergebnis sei nicht die Zahl der Teilnehmer, die die Schüler mit den höchsten Voltzahlen bestraften, sondern der bei fast allen Teilnehmern beobachtbare ausgeprägte Gewissenskonflikt. Die Zahl der Teilnehmer ohne Gewissenskonflikt sei bei Milgram jedoch nicht genannt. Fromm sieht die Berichte über die innere Aufgewühltheit und das Leiden der Probanden beim Handeln gegen das eigene Gewissen als Beleg für die Stärke des moralischen Bewusstseins (aus: The Anatomy of Human Destructiveness)

[Bearbeiten] Künstlerische Umsetzung

Aus dem Jahre 1973 stammt ein Theaterstück des britischen Autors Dannie Abse mit dem Titel The Dogs of Pavlov, das durch die Untersuchung inspiriert ist.

1976 sendete die CBS einen Film namens The Tenth Level, in dem William Shatner einen an Milgram angelehnten Charakter spielte, der ein ähnliches Experiment durchführte.

Regisseur Henri Verneuil hat das Milgram-Experiment in seinen Film I wie Ikarus aus dem Jahr 1979 eingebaut. Vordergründig handelt der Film von den Geschehnissen rund um den Präsidentenmord (Parallelen zum Attentat auf John F. Kennedy waren wohl erwünscht) in einem imaginären Staat.

Die deutsche Fernseh-Dokumentation Abraham - Ein Versuch (schwarz-weiß), entstanden 1970 am Max-Planck-Institut in München (Forschungsstelle für Psychopathologie und Psychotherapie), zeichnet das deutsche Nachfolge-Experiment optisch in allen Einzelheiten nach [10]. Erst am Schluss des Filmes wurde der Zuschauer wie der Proband im Experiment selbst darüber aufgeklärt, dass alles nur gestellt war. Der Zuschauer selbst war so zum Teil des Experiments geworden und stellte sich ständig selbst die Frage, wo nun die Grenze war. Die Ausstrahlung sorgte gerade im Zusammenhang mit der deutschen Geschichte für Diskussionen.

Im Jahr 1986 nahm der Musiker Peter Gabriel, der Milgram bewunderte, einen Song mit dem Titel We Do What We're Told (Milgram's 37) auf.

[Bearbeiten] Literatur

  • Milgram, S.:
    • (1963): Behavioral study of obedience. Journal of abnormal and social psychology, 67, S. 371-378
    • (1974): Obedience to Authority; An Experimental View. ISBN 006131983X
    • (1974): The Perils of Obedience. Harper's Magazine, Abridged and adapted from Obedience to Authority.
  • Baumrind, D.
    • (1964) Some thoughts on ethics of research: after reading Milgram's 'Behavioral study of obedience. American Psychology, 19, S. 421-423
  • Blass, Thomas
    • Obedience to authority. Current perspectives on the Milgram paradigm. Mahwah, NY: Erlbaum
    • (2004) The Man Who Shocked the World: The Life and Legacy of Stanley Milgram. [11]
  • Schwartz, Steven:
  • Mühlbauer, Stefan:
    • Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Tötungshemmschwelle. Dissertation, Heidelberg, Münster, 1999, 184 S., ISBN 3-8258-4183-9 (hierin: ausführliche Analyse der vom Bundesgerichtshof hergeleiteten Rechtsgrundsätze zur Tötungshemmschwelle beim Vorsatz des Täters anhand der Ergebnisse und Schlussfolgerungen aus dem Milgram-Experiment)

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Weblinks

nachgestellter Unterrichtsfilm:

Artikel über das Milgram Experiment


{{Exzellent}}

Kategorie:Sozialpsychologie Kategorie:Verhaltensbiologie

[Bearbeiten] Mondtäuschung

Als Mondtäuschung wird das Phänomen bezeichnet, dass der Mond (und ebenso auch die Sonne) in Abhängigkeit von seiner Stellung in Zenitnähe oder in Horizontnähe unterschiedlich groß wahrgenommen wird, obwohl es dafür keine physikalische, astronomische oder optische Ursache gibt. Es ist eine psychologische Wahrnehmungs-Täuschung.

[Bearbeiten] Scheinbare Änderung der Mondgröße

Der Mond scheint wesentlich größer zu sein, wenn er knapp über dem Horizont steht, als wenn er sich im Zenit befindet.

Die Ursache dafür wie auch für die unterschiedliche Größenwahrnehmung der Sonne ist nicht, wie oft fälschlicherweise vermutet, eine Folge der „Rötung“ (viel mehr blaues als rotes Licht wird durch die „Rayleigh-Streuung“ an den Atomen und Molekülen der Atmosphäre aus dem zum Beobachter gerichteten Strahlenbündel von Sonne und Mond in Horizontnähe herausgestreut, so dass ein größerer Anteil an rotem Licht zum Auge des Beobachters gelangt), und auch nicht eine Folge der Refraktion - der Brechung von Lichtstrahlen an den Grenzflächen zweier Medien - weil eine durch Refraktion oder Rötung erfolgte Größenveränderung auch auf einer Fotografie zu sehen sein müsste, was nicht der Fall ist. Es handelt sich stattdessen um eine optische Täuschung, die von der Wahrnehmungspsychologie untersucht und erklärt wird.

[Bearbeiten] Sehwinkel und Größenwahrnehmung

Sehwinkel und Größenwahrnehmung
vergrößern
Sehwinkel und Größenwahrnehmung

Wesentlich für die korrekte Größenwahrnehmung eines Gegenstandes ist die ebenso korrekte Information über dessen tatsächliche Entfernung zum Beobachter. Aus der Größe der Abbildung (dem Sehwinkel) eines Objekts auf der Netzhaut und dem gleichzeitig vorhandenen Wissen über dessen Entfernung „errechnet“ das menschliche Gehirn unbewusst die tatsächliche Größe des Objekts (Emmertsches Gesetz), indem es auf die Erfahrung zurückgreift, dass ein naher Gegenstand ein größeres Abbild auf der Netzhaut hervorruft als derselbe, weiter entfernte Gegenstand. Da der Mond stets etwa 385.000 Kilometer von der Erde entfernt ist, muss es sich bei der vermeintlichen Größenzunahme des Mondes bei Auf- und Untergang beziehungsweise seiner Größenabnahme im Zenit somit um eine Täuschung handeln.

Wahrnehmungstäuschungen bezüglich der Größe entstehen meist dann, wenn eine unbewusste falsche Einschätzung der Entfernung vorliegt: Ein Gegenstand (D) in fester Entfernung (f), der ein Abbild in der Größe (A) auf der Netzhaut erzeugt, und dessen Entfernung fälschlicherweise unterschätzt (e) wird, wird als kleiner beziehungsweise als gerade so groß (C) wahrgenommen, wie er sein müsste, um in dieser unterschätzten geringeren Entfernung die Größe (A) auf der Netzhaut zu erzeugen (siehe die Skizze rechts). Ein Beispiel dafür ist der Mond in Zenitnähe oder auch der sogenannte „Spielzeugautoeffekt“: Wenn man von einem hohen Turm hinunterschaut, wird mangels Erfahrung die Entfernung unterschätzt und die Autos unten werden kleiner, wie Spielzeugautos, wahrgenommen.

Umgekehrt: Ein Gegenstand (C) in fester Entfernung (e), der ein Abbild in der Größe (B) auf der Netzhaut erzeugt, und dessen Entfernung fälschlicherweise überschätzt (f) wird, wird als größer beziehungsweise als gerade so groß (D) wahrgenommen, wie er sein müsste, um in dieser überschätzten größeren Entfernung die Größe (B) auf der Netzhaut zu erzeugen (siehe Skizze). Ein Beispiel dafür ist der Mond in Horizontnähe, die „Mondtäuschung“: Da zwischen Mond am Horizont und Betrachter viel mehr Gegenstände (Bäume, Häuser, Hügel etc. - mehr „Tiefeninformation“) liegen als zwischen Mond oben am Himmel und Betrachter, wird die Entfernung fälschlicherweise als größer eingeschätzt, bei größerer Entfernung und gleich großer Abbildung auf der Netzhaut müsste der Gegenstand aber größer sein, und somit wird der Mond oder auch die Sonne am Horizont auch größer wahrgenommen.

[Bearbeiten] Das abgeflachte Firmament

Das abgeflachte Firmament
vergrößern
Das abgeflachte Firmament

Die tatsächliche Größe des Mondes wird auch in Zenitnähe nicht korrekt wahrgenommen. Jeder Astronom weiß, dass der Mond einen weitaus größeren Durchmesser (3.476 Kilometer) hat, als die fehlerhafte, leicht täuschbare menschliche Wahrnehmung ihn erscheinen lässt. Dahinter steht die unkorrekte Entfernungseinschätzung: die wirkliche Entfernung (etwa 385.000 Kilometer) des Mondes ist für den Menschen nicht wahrnehmbar, aber der Mond am Horizont scheint weiter weg zu sein als der Mond oben am Himmel. Durch die Tiefeninformation (Bäume, Häuser etc.) bei waagrechter Blickweise zum Horizont und die fehlende Tiefeninformation beim Blick nach oben erhält das Firmament, auf dem Mond, Sonne und auch die Sterne scheinbar stehen, eine abgeflachte Form. Bei real gleich großer Abbildung auf der Netzhaut des Auges wird der scheinbar weiter entfernte Mond am Horizont größer wahrgenommen und wird der scheinbar weniger weit entfernte Mond in Zenitnähe kleiner wahrgenommen.

Wegen der abgeflachten Form des Firmaments werden auch die einzelnen Sterne eines Sternbildes (zum Beispiel des Sternbilds „Schwan“) als weiter auseinander stehend wahrgenommen, das ganze Sternbild erscheint also größer, wenn es in Horizontnähe steht, als wenn es im Zenit steht: Und es wird kontinuierlich kleiner, wenn es sich beispielsweise im Verlauf einer Nacht vom Ost-Horizont her kommend dem Zenit annähert. Verblüffenderweise gibt es diese kontinuierliche und lineare Größenveränderung in Abhängigkeit von der Position am Himmel zwar bei den Sternbildern, aber nicht so eindeutig beim Mond oder der Sonne. Die scheinbare Größenveränderung von Sonne und Mond fällt - im Gegensatz zur Größenwahrnehmung bei den Sternbildern - erst in Horizontnähe auf.

Für das Erklärungsprinzip des abgeflachten Firmamentes spricht, dass nur damit auch die scheinbare kontinuierliche Größenveränderung der Sternbilder erklärt werden kann, während das Prinzip der Vergleichsobjekte (siehe unten) besser erklären kann, warum eine Größenveränderung von Sonne und Mond erst in Horizontnähe wahrgenommen wird.

[Bearbeiten] Vergleichsobjekte

Prinzip der Vergleichsobjekte: die beiden orangefarbenen Kreise in der Mitte sind gleich groß
vergrößern
Prinzip der Vergleichsobjekte: die beiden orangefarbenen Kreise in der Mitte sind gleich groß

Zur scheinbaren Größenveränderung trägt auch das Prinzip der Vergleichsobjekte bei: Weil der Mond am Horizont im Vergleich mit kleineren Objekten, etwa Bäumen oder Häusern gesehen wird, wirkt er dort größer, als wenn er im Zenit im Vergleich mit dem großen Firmament gesehen wird.

Dazu kommt noch folgendes Paradoxon: Der wegen des scheinbar größeren Abstands „am Horizont“ größer wahrgenommene Mond erscheint dann wegen seiner ungewöhnlichen Größe wieder näher zu sein. Diese Paradoxie könnte sich so auflösen: es vermischen sich hier die Täuschungen nach zwei Prinzipien der Entfernungswahrnehmung:

  • mehr Dinge (Tiefeninformation und Perspektive) dazwischen bedeuten eine größere Entfernung,
  • ein größeres Objekt ist näher

[Bearbeiten] Geschichte

Erste Hinweise auf das Phänomen der Mondtäuschung finden sich auf Tontafeln aus den königlichen Bibliotheken von Niniveh und Babylon (6. Jahrhundert v. Chr.), möglicherweise auch auf der Himmelsscheibe von Nebra (ca. 1600 v. Chr.), Ptolemäus (ca. 150 n. Chr.) vermutete fälschlicherweise vergrößernde Eigenschaften der Atmosphäre, Alhazen (Abu Ali Al-Hasan Ibn Al-Haitham, 965 bis ca. 1040) schrieb bereits vom abgeflachten Firmament, auch Leonardo da Vinci, Johannes Kepler und René Descartes beschäftigten sich mit der Mondtäuschung, seit über 100 Jahren wird diese optische Täuschung von der wissenschaftlichen Wahrnehmungspsychologie untersucht, dennoch ist verblüffenderweise das Phänomen der Mondtäuschung noch immer nicht eindeutig geklärt. Es bleiben Widersprüche bei den unterschiedlichen Erklärungsansätzen. Die derzeit anerkanntesten und von vielen Experimenten untermauerten Erklärungen sind dabei die der falsch eingeschätzen Entfernung mit dem abgeflachten Firmament und das Prinzip der Vergleichsobjekte. Viele Fachleute glauben inzwischen, dass die Mondtäuschung nie ganz erklärbar sein wird, sprechen vom „vielleicht ältesten ungelösten Problem der Naturwissenschaften“. Im Einzelnen siehe dazu den ersten unten angeführten Weblink.

[Bearbeiten] Fehleinschätzung der relativen Mondgröße

Größenvergleich des Mondes mit der Breite des Daumens einer ausgestreckten Hand. Der kleinste Mond ist im richtigen Verhältnis gezeichnet.
vergrößern
Größenvergleich des Mondes mit der Breite des Daumens einer ausgestreckten Hand. Der kleinste Mond ist im richtigen Verhältnis gezeichnet.

In Relation zum Sehwinkel des Daumens einer ausgestreckten Hand entspricht der Sehwinkel des Mondes (sowohl in Zenitnähe als auch in Horizontnähe) tatsächlich der auf nebenstehendem Bild rechts abgebildeten kleinsten Mondscheibe, auch wenn die meisten Menschen aus der Erinnerung eher auf die Größe der links abgebildeten Mondscheibe tippen würden. Der scheinbare Durchmesser des Mondes beträgt 31 Bogenminuten, also ungefähr 0,5 Grad. Drei bis vier Mondscheiben nebeneinander gelegt erscheinen unter dem gleichen Sehwinkel wie die Breite des ausgestreckten Daumens, die je nach Daumenbreite bzw. Länge des Arms zwischen ungefähr 1,5 und 2 Grad liegt.

[Bearbeiten] Literatur

  • Helen Ross, Cornelis Plug: The Mystery of The Moon Illusion. Exploring Size Perception. Oxford University Press Inc, USA (Juli 2002)
  • E. Bruce Goldstein: Wahrnehmungspsychologie, Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg, 1997, S. 243 ff

[Bearbeiten] Siehe auch

Emmertsches Gesetz, Bewusstsein

[Bearbeiten] Weblinks

Mondtauschung Mondtauschung

{{Exzellent}} Mondtauschung

[Bearbeiten] Kleinsche Flasche

Kleinsche Flasche
vergrößern
Kleinsche Flasche

Die Kleinsche Flasche, benannt nach Felix Klein, ist ein geometrisches Objekt. Umgangssprachlich formuliert hat sie die Eigenschaft, dass innen und außen nicht unterschieden werden können oder, anders formuliert hat sie nur eine einzige Seite, die innen und außen gleichzeitig ist. Dies wird in der Mathematik eine nicht-orientierbare Fläche genannt.

Wie auch das Möbiusband ist die kleinsche Flasche eine zweidimensionale differenzierbare Mannigfaltigkeit, die nicht orientierbar ist. Im Gegensatz zum Möbiusband kann die Kleinsche Flasche nicht (ohne Selbstdurchdringung) in den dreidimensionalen Euklidischen Raum \mathbb{R}^3 eingebettet werden. Ohne Selbstdurchdringung ist dies aber für den \mathbb{R}^4 und höhere Dimensionen möglich.

Der Name „kleinsche Flasche“ ist aus einem Übersetzungsfehler ins Englische entstanden. Die ursprüngliche Bezeichnung dieses Objekts war im Deutschen kleinsche Fläche. Das wurde allerdings falsch ins Englische mit Klein Bottle (Flasche statt Fläche) übersetzt. Nachdem sich diese Bezeichnung durchgesetzt hat, wird nun auch im Deutschen der Begriff Flasche verwendet.

Als konsequente Fortführung der Paradoxie dieses Übersetzungsfehlers kann man kleinsche Flaschen aus Glas käuflich erwerben (natürlich mit Selbstdurchdringung) – siehe Literatur.

[Bearbeiten] Beispiel

Ein Zylinder hat in seiner Außenwand ein Loch. Nach hinten verjüngt sich der Zylinder zu einem dünnen Schlauch. Dieser Schlauch biegt sich durch das Loch ins Innere des Zylinders hinein und ist dort ohne Knick an der Innenwand des Zylinders befestigt.

In parametrischer Darstellung in Gnuplot sieht dieses Gebilde so aus:

Kleinsche Flasche


[Bearbeiten] Weblinks


Kategorie:Geometrie Kategorie:Topologie

[Bearbeiten] Sounds of Earth

Sounds of Earth ist eine goldene Schallplatte mit Bild- und Audiodaten, die an Bord der beiden interstellaren Raumsonden Voyager 1 und Voyager 2 angebracht ist. Die beiden Schallplatten wurden in der Hoffnung hergestellt, etwaige intelligente, außerirdische Lebensformen könnten dadurch von der Menschheit und ihrer Position im Universum erfahren, auch wenn die Wahrscheinlichkeit äußerst gering ist und die Menschheit dann wohl schon längst nicht mehr existiert. Mit einer geschätzten Lebensdauer von 500 Millionen Jahren werden die Platten aber zumindest Zeugnis darüber geben, dass es uns Menschen einmal gab.

Die Schallplatte ist eine zwölf Zoll große, vergoldete Kupfer-Scheibe. Auf der Rückseite befindet sich eine symbolische Erklärung, wie man die Daten auf der Vorderseite abspielen bzw. dekodieren kann. Die dazu nötigen Zeitangaben sind binär angegeben und beziehen sich auf ein Wasserstoffatom, welches ebenfalls dargestellt ist. Zusätzlich ist, wie auch schon bei den Pioneer-Plaketten, die Position der Erde in Relation zu 14 Pulsaren und dem Zentrum der Milchstraße angegeben.

Der Anfang der Datenspur enthält 115 analog gespeicherte Bilder. Der Rest besteht aus Audiodaten. Dazu gehören gesprochene Grüße in 55 verschiedenen Sprachen (deutscher Text: "Herzliche Grüße an alle") sowie verschiedene Töne wie Wind, Donner und Tiergeräusche. Darauf folgen 90 Minuten ausgewählter Musik, neben ethnischer Musik auch bekannte Titel von Johann Sebastian Bach, Wolfgang Amadeus Mozart, Chuck Berry und anderen.

Siehe auch: Pioneer 10

[Bearbeiten] Weblinks

Kategorie:Sonde ins äußere Planetensystem Kategorie:Gebrauchsmusik Kategorie:Schallplatte

[Bearbeiten] globale Verdunkelung

Die globale Verdunkelung (engl. "Global Dimming") ist eine allmähliche Verringerung der Intensität des Tageslichtes, das die Erdoberfläche erreicht.

Dieser Effekt wurde zum ersten Mal von Gerry Stanhill, einem englischen Forscher in Israel dokumentiert. Er verglich Strahlungsmessungen von 1950 bis in die 1980er. Dabei wurde anhand der Messung der potentiellen Verdunstung mittels Evaporimeter (Class A Pan) entdeckt, dass die jährliche Verdunstungsmenge des Wassers weltweit abgenommen hat.

Von 1950 bis 1985 hat sich die Sonnenstrahlung an der Erdoberfläche um 8 % bis 30 % verringert. Diese Schwankungen unterliegen zudem regionalen Unterschieden. So ist die höchste Verdunklung auf dem Gebiet von Russland zu messen. Auf dem afrikanischen und amerikanischen Kontinent ist die Verdunklung mit ungefähr 15 % gemessen worden. Die geringste Verdunklung ist in Nordeuropa und auf dem australischen Kontinent zu erkennen. Inwieweit das Rückschlüsse auf das Umweltbewusstsein der Einwohner gibt, muss in einer tiefergehenden Erforschung geklärt werden.

[Bearbeiten] Gründe und Auswirkungen

Ein Satellitenphoto von Neuschottland zeigt zahlreiche Kondensstreifen von Düsenjets die zwischen der Ostküste der USA und Europa reisen.
vergrößern
Ein Satellitenphoto von Neuschottland zeigt zahlreiche Kondensstreifen von Düsenjets die zwischen der Ostküste der USA und Europa reisen.

Derzeit geht man davon aus, dass dieser Effekt auf die erhöhte Konzentration von Aerosolen in der Atmosphäre zurückzuführen ist. Diese entstehen bei der Verbrennung organischer Materie (Holz, Kohle, Öl, Gas). Dementsprechend wären die wichtigsten Hotspots die großen Industrienationen in Asien, Nordamerika und Europa. Aber auch brennende Ölquellen in Kuwait oder Brandrodung des Regenwaldes in Brasilien sind als mögliche Ursachen zu nennen.

Die ausgestoßenen Kleinstpartikel absorbieren zum einen das Sonnenlicht, zum anderen kondensiert an ihnen, genauso wie an natürlichen Teilchen (z.B. Staub oder Eis), das Wasser, und es bilden sich Wolken. Durch die hohe Anzahl vom Menschen erzeugter Aerosole bilden sich mehr Tröpfchen, die aber gleichzeitigt kleiner sind. So bestehen diese Wolken länger und reflektieren durch die höhere Albedo das Sonnenlicht noch stärker ins All. Weniger Sonnenlicht bedeutet zum einen Abkühlung der Atmosphäre, zum anderen aber auch weniger Verdunstung am Boden und somit weniger Niederschlag. Der Boden ist feuchter, es gibt mehr Wolken, aber es regnet weniger.

Globale Verdunkelung wirkt entgegengesetzt zu der Globalen Erwärmung. Während die Globale Verdunkelung durch Reflexion der Sonnenstrahlen das Klima abkühlt, erhitzten Treibhausgase wie Wasser, CO2 und FCKW die Atmosphäre. Diese Effekte haben sich in den letzten 100 Jahren die Waage gehalten. Mit der zunehmenden Filterung von Abgasen in der Welt nimmt die Globale Verdunkelung seit der Mitte der 1980er Jahre wieder ab. Die Globale Erwärmung steigt aber durch den erhöhten Energieverbrauch der Menschen weiter an. Da die Temperatur in den letzten 100 Jahren um 0,6 °C gestiegen ist, beruhen alle derzeitigen Klimamodelle auf der möglicherweise trügerischen Annahme, dass das Klima relativ robust gegenüber dem Treibhauseffekt ist. Wirkt sich der Effekt der Globalen Verdunkelung stärker als angenommen abkühlend aus, so ist auch der erhitzende Treibhauseffekt viel stärker als bisher prognostiziert.

Man geht davon aus, dass die globale Verdunkelung durch ihre abkühlende Wirkung das bisherige Ausmaß des Treibhauseffekts gedämpft hat. Sollten erfolgreich Maßnahmen zur Bekämpfung der Globalen Verdunkelung ergriffen werden (Verringerung des Partikelausstoßes durch Filter usw.) und deren abkühlender Effekt dadurch wegfallen, könnte dies bedeuten, dass das bisher vorhergesagte Ausmaß der globalen Erwärmung noch übertroffen wird. Gingen manche Klimaforscher bisher von einer Zunahme der Durchschnittstemperatur um etwa 5 °C bis zum Jahr 2100 aus, könnte eine Verringerung der Globalen Verdunkelung zu einer Erhöhung von 8 bis 10 °C führen.

Einige Klimaforscher haben die Hypothese aufgestellt, dass die von Flugzeugen verursachten Kondensstreifen einen Beitrag zur Globalen Verdunkelung leisten, doch der stetige Luftverkehr ließ eine Überprüfung der Hypothese nicht zu. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 galt für 3 Tage ein Flugverbot für die gesamten USA. In dieser Zeit wurde dort beobachtet, dass die Temperaturdifferenz zwischen Tag und Nacht um 1,1 °C höher war als einen Tag vor oder nach dem Flugverbot. Ein derartiger Temperaturunterschied ist in den vergangenen 30 Jahren nicht aufgetreten.

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Weblinks

Kategorie:Klimatologie Kategorie:Umwelt- und Naturschutz

[Bearbeiten] Lichtverschmutzung

Die Erde bei Nacht
vergrößern
Die Erde bei Nacht

Lichtverschmutzung ist die Aufhellung des Nachthimmels durch von Menschen erschaffene, installierte und betriebene Lichtquellen, deren Licht in den unteren Luftschichten der Atmosphäre gestreut wird.

Künstliche Lichtquellen „verschmutzen“ die natürliche nächtliche Dunkelheit und können deshalb als eine spezielle Art der Umweltverschmutzung angesehen werden.

[Bearbeiten] Ursachen der Lichtverschmutzung

Beleuchtung der Ruine Stein in Baden, Schweiz
vergrößern
Beleuchtung der Ruine Stein in Baden, Schweiz

Die größten Verursacher der Lichtverschmutzung sind Großstädte und Industrieanlagen, die die Nacht durch Straßenbeleuchtung, Leuchtreklamen und Flutlichtanlagen erhellen. Seit einigen Jahren verwenden Diskothekenbetreiber Projektionsscheinwerfer, so genannte Skybeamer, die tanzende Lichtkegel an den Nachthimmel projizieren. In Einzelfällen wurden allerdings bereits rechtliche Maßnahmen gegen diese Art der Werbung erfolgreich durchgesetzt.

Lichtverschmutzung ist eine Folge der Industrialisierung und tritt demnach vor allem in dicht besiedelten Regionen der Industrienationen auf. In Europa ist beispielsweise mehr als die Hälfte der Bevölkerung davon betroffen. Der jährliche Zuwachs der Lichtverschmutzung beträgt in Deutschland ca. 6 %, in anderen Ländern wie z. B. Japan bis zu 12%.

[Bearbeiten] Folgen der Lichtverschmutzung

Es wird vermutet, dass Lichtverschmutzung bestehende Lebensräume verändert. So wie verschmutzte Meere, Böden, Lufträume für viele Spezies nicht mehr bewohnbar sind, so hat auch die Zerstörung der Nacht vielfältige Folgen.

[Bearbeiten] Pflanzen, Tiere und Menschen

Pflanzen werden durch eine künstlich aufgehellte Umgebung in ihrem Wachstum beeinflusst. Die Lichtquellen stellen ein erhebliches Problem für die Navigation nachtaktiver Insekten und teilweise auch für Zugvögel dar. So wird beispielsweise bei Nachtfaltern vermutet, daß diese, auf Grund der fehlgeleiteten Navigation durch Straßenlaternen und ähnliche Leuchtmittel, an Erschöpfung verenden.

Die Auswirkungen auf den menschlichen Organismus sind noch nicht erforscht. Jedoch sind physiologische Störungen, speziell im Hormonhaushalt des Menschen (wie auch bei Tieren) nicht auszuschließen. Postuliert wird auch ein Beitrag der verlängerten Helligkeit zum früheren Einsetzen der Pubertät bei Mädchen.

[Bearbeiten] Soziologische und kulturelle Folgen

Als die Menschen noch ohne Auto, Flugzeug oder Eisenbahn reisten und das elektrische Licht noch nicht erfunden war, gab es einen ausgeprägten Tag-/Nachtrhythmus: Die Menschen waren tags aktiv und ruhten nachts. Durch permanente Verfügbarkeit von Licht wird dieser Rhythmus oftmals verschoben.

Auch die Wahrnehmung von Naturphänomenen, die nur bei absoluter Dunkelheit zu sehen sind, sind in Großstädten und Ballungsräumen durch die künstliche Erhellung der Nacht stark eingeschränkt. Hierzu zählen zum Beispiel die Milchstraße sowie bestimmte Tiere wie die Nachteule oder Glühwürmchen.

[Bearbeiten] Astronomische Beobachtung und Forschung

Die Abwesenheit eines wirklich dunklen Nachthimmels beeinträchtigt im besonderen Maße die astronomische Beobachtung und Forschung. Über einer hell erleuchteten Stadt sind mit bloßem Auge in der Regel nur noch wenige sehr helle Sterne zu sehen. Ausgedehnte lichtschwächere Objekte wie die Milchstraße, die Große und die Kleine Magellansche Wolke, die Andromedagalaxie oder den berühmten Großen Orionnebel kennen viele Menschen nur noch aus der Erzählung.

Die Zahl der mit bloßem Auge sichtbaren Sterne liegt meistens bei nur noch zwei- bis fünfhundert, während sie früher generell - heute nur noch in sehr dunklen Gegenden - bei bis zu dreitausend lag. Sternwarten, die noch im letzten Jahrhundert in manchen Großstädten in Betrieb waren, mussten mittlerweile den wissenschaftlichen Betrieb einstellen oder an abgelegene Orte verlagern.

[Bearbeiten] Staatliche Interventionen

In einigen europäischen Ländern werden derzeit Gesetze eingeführt, um die Lichtverschmutzung in den Griff zu bekommen. Tschechien war vor 5 Jahren der Vorreiter, Italien und Spanien folgen demnächst. Auch in Teilen der USA laufen Initiativen zur Vermeidung übermäßiger Lichtemission. Chile hat ebenfalls Gesetze erlassen, um die Lichtverschmutzung in den nördlichen Zonen zu begrenzen, und so das Land als Standort für die Observatorien zu erhalten.

Lichtverschmutzung in Megastädten (Mexico City)
vergrößern
Lichtverschmutzung in Megastädten (Mexico City)

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Weblinks

Commons: Lichtverschmutzung – Bilder, Videos und/oder Audiodateien

Kategorie:Beobachtungsmethode der Astronomie Kategorie:Umwelt- und Naturschutz Kategorie:Licht

[Bearbeiten] Zahlenverständnis bei Tieren

Ein Zahlenverständnis bei Tieren ist in mehreren verhaltensbiologischen Experimenten nachgewiesen worden. Insbesondere einige in Japan und in den USA mit Schimpansen - den nächsten Verwandten des Menschen - durchgeführte Studien lassen den Schluss zu, dass einfache mathematische Fähigkeiten nicht auf den Menschen beschränkt sind. Der Nachweis, dass Tiere bestimmter Arten fähig sind, Zahlen und Mengen zu erkennen und zu benennen, könnte, wenn eines Tages hinreichend viele Studien vorliegen sollten, einen Hinweis darauf geben, wie sich die Fähigkeit zum Rechnen im Verlauf der Stammesgeschichte der Arten entwickelt hat.

Das Erkennen und Unterscheiden von Mengen unterschiedlicher Größe dürfte sogar eine der elementarsten Voraussetzungen dafür sein, dass Tiere zum Beispiel bei der Futtersuche angemessen auf ihre Umwelt reagieren können.

[Bearbeiten] Amphibien

Bereits Salamander der Art Plethodon cinereus können unterschiedlich große Mengen von einander unterscheiden. Dies geht aus einer Studie hervor, die eine Forschergruppe um Claudia Uller von der University of Louisiana (Lafayette) im Jahr 2003 in der Zeitschrift Animal Cognition publizierte. Den Testtieren wurden jeweils gleichzeitig in zwei Glasröhren eine unterschiedlich große Anzahl von Fruchtfliegen als Futter dargeboten, zum Beispiel 1 Fliege im einen Röhrchen und 2 Fliegen im anderen Röhrchen. Die Testtiere waren spontan, also ohne vorheriges Training in der Lage, diese unterschiedlich großen Futtermenge zu erkennen und gezielt das Röhrchen mit der größeren Anzahl anzusteuern. Sie waren in der Lage, das Verhältnis 1:2 und 2:3 zu unterscheiden, nicht aber das Verhältnis 3:4 und 4:6.

Die Forscher deuten die Ergebnisse ihrer Arbeit als Ausdruck einer im Tierreich weit verbreiteten Neigung, jeweils die größere Futtermenge aufzusuchen. Diese Neigung sei angeboren, da sie ohne Übung auftrete und setze mindestens das Abschätzen von Mengen-Unterschieden voraus. Bei kleinen Mengen beruhe diese Unterscheidungsfähigkeit aber nicht auf bloßem Abschätzen, sondern auf genauem Erkennen der Unterschiede. Da das Verhältnis 2:3 unterschieden werde, nicht aber das Verhältnis 4:6 gehen die Forscher davon aus, dass tatsächlich die genaue Anzahl der Objekte erkannt wird und nicht allein das mengenmäßige Verhältnis der Futtertiere in den beiden Glasröhrchen.

[Bearbeiten] Graupapageien

Die Fähigkeiten von Graupapageien, unterschiedlich große Mengen von einander zu unterscheiden, untersucht seit mehr als 25 Jahren die US-Amerikanische Wissenschaftlerin Irene Pepperberg. Ihr Papagei Alex lernte - ihren Publikationen in angesehenen Fachzeitschriften zufolge - u.a., bis zu 6 ihm dargebotene Objekten korrekt durch eine spezielle Lautäußerung zu bezeichnen. Ihren Angaben zufolge soll Alex auch einfache Additionen vornehmen und nicht vorhandene Gegenstände als "nicht vorhanden" bezeichnen können, was sie als "zero-like concept" bezeichnet (auf deutsch etwa: eine Benennung, die dem Begriff Null ähnelt). Die Forscherin räumt allerdings selbst ein, dass "nicht vorhanden" und "Null" keinesfalls mit einander gleichzusetzen sind.

[Bearbeiten] Rhesusaffen

Der Psychologe Prof. Marc Hauser von der Harvard Universität erforschte auf der zu Puerto Rico gehörenden Insel Cayo Santiago das Zählvermögen von frei lebenden Rhesusaffen. Für die Testtiere gut sichtbar, wurde jeweils eine bestimmte Anzahl Auberginen hinter einen Sichtschutz gelegt. Dann wurde der Sichtschutz entfernt, so dass die Tiere freien Blick auf die hingelegten Früchte hatten. Der Test bestand darin, dass nach Wegnahme der Abschirmung gelegentlich mehr Früchte zu sehen waren, als die Versuchsleiter hingelegt hatten und gelegentlich weniger.

Ähnliche Experimente mit kleinen Menschenkindern hatten ergeben, dass die Kinder deutlich länger auf die sichtbar gewordenen Gegenstände schauen, wenn deren Anzahl nicht der zuvor hingelegten Anzahl entsprach, wenn also die Erwartungen enttäuscht wurden. Ganz ähnlich reagierten die Rhesusaffen: Aus ihrer Reaktion ließ sich ableiten, dass sie 1+1 = 2 verstehen, desgleichen 2 + 1 = 3, 2 - 1 = 1 und 3 - 1 = 2, nicht aber 2 + 2 = 4.

[Bearbeiten] Schimpansen

Im Jahre 1988 wurde die Schimpansin Sheba von Prof. Sally Boysen im Ohio State University Chimpanzee Center im Umgang mit Mengen und Zahlen trainiert. Sie war das erste Tier, bei dem man das Verständnis der Bedeutung von Null nachweisen konnte. Sie beherrscht die Zahlen bis 8 und hat in diesem Zahlenraum spontan Additionen ausgeführt. Nach Sheba wurden an der Ohio State University auch andere Schimpansen in vergleichbarer Weise mit dem Zählen und dem Benennen von Mengen vertraut gemacht. Dies geschah dadurch, dass den Tiere zum Beispiel beigebracht wurde, zunächst eine gewisse Anzahl Orangen einzusammeln und danach auf jene Zahl zu deuten, die der Menge an Orangen entsprach - also zum Beispiel nach dem Aufsammeln von vier Orangen auf die Zahl "4" zu deuten.

Am Primate Research Institute der Universität von Kyoto wurden gleichfalls Tests mit mehreren Schimpansen durchgeführt, die vergleichbare Ergebnissen erbrachten: Die Schimpansin Ayumu und fünf weitere Tiere können die auf einem Bildschirm beliebig angeordneten Zahlen von 1 bis 9 aufsteigend und in korrekter Reihenfolge mit dem Finger anzeigen, und eines der Tiere mit Namen Ai kann dies sogar von 0 bis 9.

Dieser Erfolg wurde allerdings erst nach jahrelangem Training erzielt. Ai hatte zunächst die Bedeutung der arabischen Ziffer 1 gelernt. Als dann auch die Ziffer 2 eingeführt wurde, stellte sich heraus, dass "2" zunächst von ihr im Sinne von "mehr als 1" aufgefasst wurde. Nachdem sie die arabische Zahl 2 sicher anwenden konnte, wurde die Ziffer 3 ins Trainingsprogramm aufgenommen: Auch die Zahl "3" wurde von dem Tier zunächst im Sinne von "mehr als 2" benutzt. Jede einzelne Zahl bis hin zur "9" musste auf diese Weise in langen Trainingsphasen erlernt werden.

Dieses Lernverhalten ist vergleichbar mit dem ca. 30 Monate alter Menschenkinder. Fünfjährige Kinder hingegen verfügen bereits über ein hinreichend großes Abstraktionsvermögen, das es ihnen ermöglicht, selbst sehr große Zahlen kreativ zu benutzen, die außerhalb ihrer normalen Erfahrungswelt liegen.

[Bearbeiten] Vormenschen

Über das Zahlenverständnis oder gar die mathematischen Fähigkeiten der Vormenschen und der frühen, nicht-schriftlichen Kulturen ist nichts bekannt. Die ersten Nachweise sind Aufzeichnungen der Sumerer und Ägypter. Sie entwickelten u.a. Systeme zum Umgang mit großen Zahlen, zum Beispiel für die Vorratswirtschaft. Hierzu zählen insbesondere die schriftliche Darstellung von Zahlen durch Ziffernsysteme sowie die Addition und Subtraktion. Die Ägypter entwickelten aufgrund der Nilüberschwemmungen sowie zum Bau der Pyramiden zudem beachtliche Fähigkeiten im Gebiet der Geometrie.

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Literatur

  • Marc D. Hauser: What Do Animals Think About Numbers? American Scientist, Band 88, 2000.

Kategorie:Verhaltensbiologie

[Bearbeiten] Menschenfressende Pflanze

Als menschenfressende Pflanze bezeichnet man eine Pflanze, die in der Lage ist, einen Menschen zu töten und zu verdauen. Der Mythos der ‚menschenfressenden Pflanzen‘ existiert in vielen Kulturen. Seit Ende des 19. Jahrhunderts tauchen auch in westlichen Zeitungen Berichte über solche Pflanzen auf. Interessanterweise finden sich zahllose Berichte darüber in Gegenden, die tatsächlich Verbreitungszentren von fleischfressenden Pflanzen darstellen.

[Bearbeiten] Bekannte ‚menschenfressende Pflanzen‘

[Bearbeiten] Menschenfressende Pflanze auf Madagaskar

Die bekannteste menschenfressende Pflanze soll angeblich auf Madagaskar stehen. Sie taucht hauptsächlich in lokalen Legenden der Mkodos, einem Volk im Landesinneren der Insel, und Missionarsberichten auf. Sie wurde 1878 vom deutschen Botaniker Carl Liche beschrieben. In seinem Bericht ist von der Opferung einer Frau durch die Mkodos die Rede. Nach seinen Angaben war der Baum 2,5 m hoch und besaß acht ca. 3,5 m lange Blätter sowie mehrere etwa 1,5 m lange „Fühler“.

1881 wurde erstmals eine Zeitung auf die menschenfressende Pflanze in Madagaskar aufmerksam – das australische Magazin ’South Australian Register‘. Am 26. September 1920 schrieb die US-amerikanische Zeitung ’The American Weekly‘ über diese Pflanze. Die Reporter interviewten hierfür Carl Liche. In den 1920er Jahren waren mehrere amerikanische Forscher und Hobby-Botaniker, wie Salmon Osborn, ehemals Gouverneur von Michigan, erfolglos auf der Suche nach dieser Pflanze.

[Bearbeiten] Menschenfressende Pflanze auf Mindanao

Eine weitere menschenfressende Pflanze soll auf Mindanao, einer Insel der Philippinen existieren. 1925 berichtet ’The American Weekly‘, das gleiche Magazin, welches bereits zuvor von der menschenfressenden Pflanze von Madagaskar schrieb, über die auf Mindanao.

[Bearbeiten] Ya-te-veo

Eine weitere menschenfressende Pflanze soll es in Südamerika geben, genannt Ya-te-veo („Ich kann dich sehen.“). Diese Pflanze stammt aus Legenden der Ureinwohner. Den Namen gab der Forscher J. Buel. Er beschrieb sie mit langen, stachelförmigen Ästen und schwertförmigen Dornen.

[Bearbeiten] Menschenfressende Pflanze in Mittelamerika

Am 27. August 1892 berichtete die englische Zeitung ’Illustrated London News‘ über einen Vorfall in einem Sumpfgebiet um den Nicaragua-See. Der Naturforscher Dunstan erzählte, wie sein Hund von einer Pflanze getötet und verzehrt wurde.

[Bearbeiten] ’Snake-Tree‘

1892 berichtete der englische Forscher Dr. Wilson von einer Pflanze im Sierra Madre in Mexiko, die die Einheimischen ’Snake-Tree‘ nannten. Er beschrieb, wie die Pflanze einen Vogel verschlang.

1933 erzählte der französische Entdecker Byron de Prorok, wie eine Pflanze im mexikanischen Urwaldgebiet von Chiapas einen Vogel tötete, indem sie das Blatt, auf dem der Vogel saß, schloss und mit den Dornen den Vogel durchdrang.

[Bearbeiten] Affenfressende Pflanze in Brasilien

In den 1970er Jahren berichtete der brasilianische Entdecker Mariano da Silva von einer Pflanze im Grenzgebiet von Brasilien und Guyana, die Tiere – hauptsächlich Affen – mit Düften anlockte und verschlang. Sie taucht auch in Legenden der Yatapu-Indianer auf.

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Weblinks

Kategorie:Kryptiden Kategorie:Fabelwesen

[Bearbeiten] Maxwellscher Dämon

Der maxwellsche Dämon oder Maxwell-Dämon ist ein vom schottischen Physiker James Clerk Maxwell 1871 veröffentlichtes Gedankenexperiment, mit dem er den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik hinterfragte. Das Dilemma, das aus diesem Gedankenexperiment resultierte, wurde von vielen namhaften Physikern bearbeitet und führte mehrfach zu neuen Erkenntnissen. Auch heute noch inspiriert der maxwellsche Dämon die Theoretische Physik. Außerhalb der Physik fand der maxwellsche Dämon aufgrund der Faszination, die dieses Dilemma auslöst, auch Eingang in die Kunst.

[Bearbeiten] Das Dilemma des maxwellschen Dämons

Das ursprüngliche Gedankenexperiment beschreibt einen Behälter, der durch eine Trennwand mit einer verschließbaren kleinen Öffnung geteilt wird. Beide Hälften enthalten Luft von zunächst gleicher Temperatur. Ein Wesen, das die Moleküle "sehen" kann – die Bezeichnung Dämon erhielt es erst später –, öffnet und schließt die Verbindungsöffnung so, dass sich die schnellen Moleküle in der einen und die langsamen Moleküle in der anderen Hälfte des Behälters sammeln.

Unter idealen Bedingungen muss zum Öffnen und Schließen der Öffnung in der Trennwand keine Energie aufgewendet werden; trotzdem könnte man mit der entstehenden Temperaturdifferenz z. B. eine Wärmekraftmaschine betreiben. Durch die Arbeit, die man verrichten würde, hätte man letztlich gegenüber dem Ausgangszustand nur die Temperatur im Behälter verringert. Damit wäre der zweite Hauptsatz der Thermodynamik verletzt – man hätte ein Perpetuum Mobile zweiter Art konstruiert.

[Bearbeiten] Lösungsversuche

[Bearbeiten] James Clerk Maxwell 1871

Maxwell selbst sah in dem von ihm geschaffenen Problem lediglich einen deutlichen Hinweis auf die Tatsache, dass der zweite Hauptsatz statistischer Natur ist, also nur im makroskopischen Bereich gilt. Wählt man die Gesamtzahl der Moleküle klein genug, wird es sogar wahrscheinlich, dass auch bei ständig geöffneter Verbindung zeitweilig deutliche Temperaturunterschiede zwischen den beiden Behälterhälften auftreten.

[Bearbeiten] Lord Kelvin 1874

William Thomson, späterer Lord Kelvin, führte die Bezeichnung "Maxwell's demon" ein und erkannte, dass das Kritische an dessen Beschäftigung im "Sortieren" liegt, was sich auch auf andere Arten verwirklichen lässt. Er postulierte zusätzlich zum ursprünglichen "Temperaturdämon" die Möglichkeit anderer Dämonen, die z.B. Wärmeenergie durch Sortieren nach der Bewegungsrichtung direkt in Bewegungsenergie verwandeln, Salzlösungen in konzentrierte Lösung und reines Wasser oder Gasgemische nach einzelnen Gasen separieren. Überall sah er in diesem Sortieren die Umkehrung des "natürlichen" Vorganges der Dissipation.

Auch Max Planck und andere beschäftigten sich zu dieser Zeit mit dem maxwellschen Dämon. Im Allgemeinen hielt man ihn einfach für "unnatürlich" und betrachtete das Problem damit als erledigt oder wenigstens rein akademisch. Immerhin hatte er in die gerade erst entstandene Thermodynamik noch einige Klarheit gebracht.

Aber Maxwell hatte ein tiefer greifendes Problem aufgeworfen, als man bis dahin erkannte. Mit der Dynamik der Moleküle und mit Hilfe der Statistik ließ sich zwar erklären, warum thermodynamische Prozesse spontan in ihrer "natürlichen" Richtung ablaufen. Warum es aber nicht möglich sein sollte, solch einen Prozess mit geschicktem Einsatz technischer Mittel auch in umgekehrter Richtung zu erzwingen, war damit nicht zu erklären. Der zweite Hauptsatz, der nur ein Erfahrungssatz ist, verlangt aber genau diese Irreversibilität.

[Bearbeiten] Leó Szilárd 1929

Szilárd legte 1929 eine Aufsehen erregende Habilitation "Über die Entropieverminderung in einem thermodynamischen System bei Eingriffen intelligenter Wesen" vor. Er vereinfachte das Modell zunächst radikal, indem er es auf ein einzelnes Molekül reduzierte. Das Wesen bringt in diesem Modell die Trennwand, die nun eher Kolben ist, ein, wenn das Molekül sich in einer vorher festgelegten Hälfte des Behälters befindet. Das Molekül drückt nun die Kolbentrennwand nach außen und verrichtet dabei Arbeit an einem Gewicht. Dabei wird Wärme aus der Umgebung aufgenommen, so dass die Temperatur gleich bleibt. Dann wiederholt sich der Zyklus. Mit jedem Zyklus verringert sich die Wärme der Umgebung, während die potenzielle Energie des Gewichts sich um denselben Betrag vergrößert. Andererseits muss für jeden Zyklus das Wesen zunächst eine Messung vornehmen, indem es eine Hälfte des Behälters beobachtet: Ist das Molekül drin oder nicht? Durch die Messung wird also eine binäre Information gewonnen. Diese Information muss zumindest kurzfristig in einem Gedächtnis festgehalten werden.

Die Angelegenheit war jetzt überschaubar. Die einzige Interaktion des Wesens mit dem Ein-Molekül-Gas ist die Messung. Die thermodynamische Entropieverringerung kann, damit der zweite Hauptsatz nicht verletzt wird, also nur durch eine Entropieerzeugung von gleichem Betrag durch die Messung ausgeglichen werden. Den Betrag dieser Entropie S berechnete Szilárd aus den thermodynamischen Vorgängen zu S = k \, \ln 2, mit der Boltzmann-Konstante k.

Das bedeutet, dass die mit der Messung gespeicherte Information in irgendeiner Form diese Entropie S = k \, \ln 2 enthalten musste. Damit war zum ersten Mal, wenn auch noch recht unscharf, von einer Entropie der Information die Rede. Der maxwellsche Dämon hatte zur Grundlage der Informationstheorie beigetragen. Wo im System aus Messung, Information und Speicher die Entropie genau zu suchen ist, konnte Szilárd noch nicht festlegen.

[Bearbeiten] Léon Brillouin

Brillouin fragte 1951 genauer nach der Messung, dem "Sehen" des Dämons. Sehen im wörtlichen Sinn bedeutet letztlich eine Abtastung der Moleküle mit Licht, auch wenn ganz andere Wellenlängen denkbar sind. Diese Abtastung bedeutet bei Berücksichtigung der Quantennatur des Lichts die Wechselwirkung zweier Teilchen, eines Moleküls und eines Photons, durch Stoß. Brillouin konnte nun relativ einfach zeigen, dass bei diesem Stoß immer genügend Entropie frei wird, um den zweiten Hauptsatz einzuhalten, wenn vorausgesetzt wird, dass die Energie der Photonen groß genug sein muss, um dem Dämon überhaupt Information liefern zu können. Der Dämon schien erledigt, die bei Szilárd noch offene Frage nach dem genauen Ort der Entropieerzeugung auf unspektakuläre Weise geklärt.

Brillouin ging in seiner Interpretation aber weiter, er sah die Photonen als Übermittler von ("gebundener") Information und postulierte erstmals einen direkten Zusammenhang zwischen der von Shannon eingeführten Entropie der Information und thermodynamischer Entropie, wozu er Shannons Entropie mit einer Konstanten multiplizierte. Er formulierte dann das "Negentropie-Prinzip der Information", das umstritten blieb: Die Information selbst ist negative Entropie (Negentropie) und bewirkt im Sinne einer Erhaltung eine entsprechende Entropieerhöhung im Gas. Der Dämon kann diese anschließend höchstens gerade wieder ausgleichen.

Allerdings erwies sich die Voraussetzung der Messung mit Photonen als zu starke Einschränkung, die auch umgangen werden konnte.

[Bearbeiten] Rolf Landauer und Charles Bennett

Landauer beschäftigte sich nicht mit dem maxwellschen Dämon, sondern mit Informationsspeicherung. Er konnte 1961 am Modell eines Potenzialtopfs zeigen, dass das Löschen - im Sinne des Zurücksetzens in einen wiederbeschreibbaren Zustand - eines Bits physikalisch gespeicherter Information immer die bereits bekannte Entropie k\,\ln 2 freisetzen muss, heute als Landauer-Prinzip bekannt. Er stellte einen Zusammenhang zur logischen Irreversibilität der Löschoperation her. Logisch reversible Operationen wie Schreiben und Lesen bewirken dagegen keine Entropie- oder Energiefreisetzung. Damit war für das, was Brillouin physikalisch irrelevant und "freie" Information genannt hatte, ein physikalischer Zusammenhang nachgewiesen. Aber erst Charles Bennett zeigte 1982, dass mit der Anwendung des Landauer-Prinzips auf das Gedächtnis des maxwellschen Dämons dem Gas exakt die vermisste Entropie wieder zugeführt wird, um den zweiten Hauptsatz zu erfüllen, während andererseits die Messung mit beliebig geringer Dissipation ausgeführt werden kann.

[Bearbeiten] Oliver Penrose

Penrose beschäftigte sich 1970 mit dem maxwellschen Dämon und kam, ohne Landauers Arbeit zu kennen, noch vor Bennett mit einer statistischen Argumentation zur Entropie zum gleichen Ergebnis: Wenn der Speicher des Dämons voll ist, kann er erst nach Zurücksetzung weiter benutzt werden. Dies verringert die möglichen Zustände des Gesamtsystems. Die Anwendung einer statistischen Entropiedefinition auf den Speicher führt dann ebenfalls zu Landauers Ergebnis.

Es folgen

  • Smoluchowski/Feynman
  • Quantenverschränkung
  • Prozessdämonen

[Bearbeiten] Rezeption

  • In Homo faber von Max Frisch wird der maxwellsche Dämon mehrmals erwähnt.
  • Vilém Flusser verwendet den maxwellschen Dämon an mehreren Stellen seiner Fotophilosophie als Prinzipschaltung eines utopischen Mechanismus zur automatisierten Bildkritik und -bewertung.
  • Auch in Thomas Pynchons "Die Versteigerung von No. 49" spielt der maxwellsche Dämon eine große Rolle.
"Der Maxwellsche Dämon, die Poesie
Ein fiktives Wesen, der Maxwellsche / Dämon, senkt die Temperatur dieses / eingeschlossenen Etwas, indem es / immer im richtigen Augenblick ein / kleines Fenster in der Wand des Quasi-Behälters / öffnet. Durch dieses Fenster entweichen / die schnellsten und im Gegenzug füllt / der Dämon von außen langsame Atome nach. / So, in etwa, funktioniert beim Lesen dieses Gedicht."
  • Klaus Hensel, in: "Humboldtstraße, römisches Rot", Schöffling & Co., Frankfurt am Main, 2001
  • In Stanislaw Lems "Kyberiade" retten sich die Protagonisten Trurl und Klapaucius aus der Gefangenschaft bei einem Räuber, der von ihnen Wissen jedweder Art verlangt, indem sie ihm einen "Dämon Zweiter Ordnung" bauen, der aus dem thermischen Rauschen der Luft vermeintlich sinnvolle Informationen aller Art herausfiltert.
  • In Spüre die Welt von Tor Norretranders wird die Geschichte des maxwellsche Dämons ausführlich dargestellt und der Zusammenhang zwischen Entropie und Information gut erklärt.
  • Im zweiten Teil der PC-Spiel-Serie Max Payne ist der "Maxwells Daemon" ein Comic-Schurke; wobei im späteren Verlauf des Spiels auf den echten Dämon Bezug genommen wird.

[Bearbeiten] Literatur

  • James Clerk Maxwell: Theory of Heat. 1871
  • Harvey S. Leff (Hrsg.), Andrew F. Rex (Hrsg.): Maxwell's Demon 2: Entropy, Classical and Quantum Information, Computing. Bristol: Institute of Physics Publishing, 2003. - ISBN 0750307595

Kategorie:Statistische Physik Kategorie:Gedankenexperiment

[Bearbeiten] Betrug und Fälschung in der Wissenschaft

Betrug und Fälschung in der Wissenschaft sind unwahre Behauptungen oder gefälschte Messergebnisse, die vorsätzlich (Betrug) publiziert werden. Das Nicht-Wahrhaben-Wollen widersprüchlicher Messergebnisse und tendenziöse Berichterstattung sowie Weglassen von Ergebnissen stellen dagegen minder schwere, aber dennoch für den Wisssenschaftsbetrieb sehr schädliche Verhaltensweisen dar.

Universitäten und Forschungseinrichtungen versuchen in den letzten Jahren, mit der Verabschiedung von „Grundsätzen guter wissenschaftlicher Praxis“ und Maßnahmen zum „Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten“ gegen solche Vorkommnisse vorzugehen.

[Bearbeiten] Sonderfälle und Quellen für Missverständnisse

Im Einzelfall mag dabei die Abgrenzung zwischen Fälschung und wissenschaftlichem Witz für Außenstehende nicht immer sofort erkennbar sein.

[Bearbeiten] Ursachen und Motivation

Die Ursachen und Motivation für Betrug und Fälschung in der Wissenschaft werden in der Regel individuell zu suchen sein. Es ist aber nicht auszuschließen, dass ganze Institute, soweit ihre finanzielle Ausstattung davon abhängt, Ergebnisse, die dem Auftraggeber konträr laufen, zumindest nicht veröffentlichen. Dies ist allerdings lediglich ein Grenzfall zu Betrug und Fälschung.

In Betracht kommen dabei häufig Ruhm und Ehre, die Forscher mit der Publikation neuer und sensationeller Erkenntnisse zu gewinnen suchen. Auf der anderen Seite können auch ein Publikationszwang und der Bedarf an Fördermitteln dazu führen, dass Versuchsdaten und Ergebnisse erfunden oder geschönt werden.

Nach der Aufdeckung von Fälschungen steht oft die Frage im Raum, warum die Fehler so lange unentdeckt blieben. Dabei handelt es sich teilweise jedoch nicht einfach um ein blindes Vertrauen in die Wissenschaft und ihre Forschungsergebnisse. Manchmal stehen strukturelle Mängel des Forschungsbetriebs einer Aufdeckung von Missständen im Weg:

  • Universitäten und Forschungseinrichtungen fürchten um ihren Ruf, wenn bekannt wird, dass wissenschaftliche Fehler in ihrem Haus gemacht werden.
  • Fachbereiche und Kollegen fürchten das Ausbleiben von Forschungsgeldern.
  • Falls es sich bei dem Fälscher um einen Professor oder eine einflussreiche Koryphäe des Fachs handelt, sind Mitarbeiter und Kollegen für die eigene Karriere auf ein gutes Einvernehmen mit dem Fälscher angewiesen.
  • Insbesondere wenn es sich bei einer fälschenden Koryphäe um den Leiter einer auf Jahre angelegten Projektgruppe handelt, würde ein Auffliegen des Schwindels meist auch zum Ende des Projektes und somit zu einer ungewissen Zukunft für die nachgeordneten Projektmitarbeiter führen.

Im Falle des Anthropologie-Professors Reiner Protsch versuchte eine interne Universitätskommission zu ergründen, warum Protschs Umfeld sein Verhalten jahrzehntelang tolerierte. Eine Mischung aus Angst, Ignoranz und falsch verstandener Solidarität, so die Diagnose, habe ein konsequentes Vorgehen von Fachbereich und Hochschulleitung gegen den Professor verhindert. Zudem hätten Kollegen und die Universitätsleitung „Ausmaß und Tragweite des Fehlverhaltens von Protsch offensichtlich falsch eingeschätzt und es deshalb nicht konsequent verfolgt“.

[Bearbeiten] Beispiele

Die folgenden Fälle von Betrug und Fälschung haben Aufsehen über ihr Fachgebiet hinaus erregt:

[Bearbeiten] In den Geisteswissenschaften

  • Die Sokal-Affäre: Im Mai 1996 veröffentlichte die Zeitschrift Social Text den Artikel „Transgressing the Boundaries: Towards a Transformative Hermeneutics of Quantum Gravity” („Grenzen überschreiten: eine transformative Hermeneutik der Quantengravitation“) des Physikers Alan Sokal. Kurz darauf gab Sokal in einer anderen Zeitschrift, Lingua Franca, bekannt, dass es sich bei dem Aufsatz um eine Parodie handele, die er verfasst habe, „um einen gegenwärtig modischen postmodernen/poststrukturalistischen/ gesellschaftskonstruktivistischen Diskurs und, allgemeiner, einen Hang zum Subjektivismus zu bekämpfen“. Er hatte die zusammengesuchten Zitate verschiedener postmoderner Denker mit dem typischen Jargon dieser Denkrichtung zu einem Text montiert, dessen unsinniger Inhalt bei Beachtung wissenschaftlicher Standards, so der Vorwurf an die Herausgeber von Social Text, als solcher hätte erkannt werden müssen.

[Bearbeiten] Fälschungen von Geschichtsquellen

  • Der ehemalige Nationalsozialist Hermann Rauschning veröffentlichte im Zürcher Exil ausführliche Aufzeichnungen seiner angeblichen Gespräche mit Hitler, die ein Bestseller wurden und lange Zeit als genuine Selbstaussagen Hitlers von der Forschung genutzt wurden. In Wirklichkeit hatte Rauschning Hitler nur selten persönlich getroffen, und auch dann nie unter vier Augen.
  • Viele Dokumente, die in der Reichstagsbrandkontroverse von Vertretern der Theorie vorgelegt wurden, die Nazis hätten das Gebäude angesteckt, erwiesen sich als Fälschung. So wurde z.B. die sensationelle Aussage des ehemaligen Heizers im Reichtstagsgebäude, Johannes Wittkowski, aus dem Jahre 1969 vorgelegt, er habe die „Wache“ der Nazi-Brandstifter mit eigenen Augen gesehen. In Wahrheit war Wittkowski aber bereits 1963 verstorben. Hinter den Fälschungen soll der kroatische Publizist Eduard Calic stecken.

[Bearbeiten] Fälschungen in der Archäologie

  • Die gefälschte so genannte „Persische Mumie“ führte im Jahr 2000 zu Spannungen zwischen dem Iran und Pakistan.

[Bearbeiten] Fälschungen in der Anthropologie

  • Der Frankfurter Anthropologe Reiner Protsch hat nach Angaben einer Untersuchungskommission Schädelfunde aus der menschlichen Vorgeschichte bewusst und systematisch rückdatiert, teilweise um Zehntausende von Jahren.

[Bearbeiten] Fälschungen in der Paläontologie

(?Wie der Archaeoraptor gefälscht wurde, ?Das gefälschte Fossil)

[Bearbeiten] Fälschungen in der Biologie

  • Gregor Mendel stellte im 19. Jahrhundert Untersuchungen zur Vererbungslehre an, indem er verschiedene Erbsensorten züchtete. Seine Erkenntnisse (Mendelsche Gesetze) waren im Kern richtig, jedoch erscheinen die Ergebnisse zu „glatt“, so dass manche Forscher, wie Ronald Fisher, davon ausgehen, dass er möglicherweise abweichende Ergebnisse weggelassen hat. Gerade bei Erbsen spiele das Phänomen des Crossing Over eine Rolle, das damals aber noch unbekannt war. Die Vorwürfe gegen Mendel beruhen jedoch auf reinen Mutmaßungen.
  • Franz Moewus und die „geschlechtliche Vermehrung“ von Algen.

[Bearbeiten] Fälschungen in der Medizin

  • Die Signifikanz der Hochdosischemotherapie bei Brustkrebs wurde von Werner Bezwoda gefälscht; er gab dies später im Deutschen Ärzteblatt (Nr. 7., 18. Februar 2000, S. 336) offiziell zu.
  • „Impfung gegen Krebs“ (vermeintliche Therapie gegen Nierenzellkarzinom): Alexander Kugler, Urologe an der Universität Göttingen, und Gernot Stuhler von der Universität Tübingen werden 2001 methodische Ungenauigkeiten vorgeworfen. Kuglers Vorgesetzter Rolf-Hermann Ringert wird 2005 von der DFG für acht Jahre von Drittmitteln und Gutachten ausgesperrt. (Harro Albrecht: „Das Ende der Nachsicht“ in: Die Zeit Nr. 29/2005, S. 36.
  • Dem koreanischen Stammzellforscher Hwang Woo-suk wurde Ende 2005 von einer Untersuchungskommission seiner Hochschule nachgewiesen, einen in "Science" veröffentlichten, spektakulären Forschungsbericht über die Kultivierung von elf geklonten humanen Stammzell-Linien vollständig gefälscht zu haben.
  • Der norwegischen Krebsforscher Jon Sudbø gab im Januar 2006 zu, mehrere hundert Patientendaten von Mundkrebskranken frei erfunden, sie zu einer Studie verarbeitet und diese in der angesehenen Fachzeitschrift The Lancet veröffentlicht zu haben, zusammen mit 13 Co-Autoren. Die Aussage dieser Fälschung war, dass das Risiko für Mundkrebs bei Rauchern angeblich auf die Hälfte gesenkt werden könne, wenn man über längere Zeit Paracetamol einnehme. Ferner wurde ihm nachgewiesen, Abbildungen für eine Veröffentlichung im New England Journal of Medicine verfälscht zu haben. Daraufhin wurden sämtliche 38 von ihm in den vergangenen acht Jahren veröffentlichten Studien eine Prüfung unterzogen. Laut Presseberichten vom 25. Januar 2006 gab er auch die Fälschung einer Publikation im Journal of Clinical Oncology zu.
  • Leipziger Homöopathie -Studie, die den ersten Nachweis der Homöopathie geliefert hatte wurde zurückgezogen, gegen die Forscher läuft ein Verfahren wegen wissenschaftlichem Fehlverhalten der Forschungspreis wurde zurückgegebnen.

<-- nur eine Meldung: http://www.gwup.org/aktuell/news.php?aktion=detail&id=302-->

[Bearbeiten] Fälschungen in der Psychologie

[Bearbeiten] Fälschungen in der Physik

  • Rene Blondlot, N-Strahlen, wahrscheinlich Selbsttäuschung.
  • Jan Hendrik Schön, Nano-Physiker, fälschte Messdaten zum elektronischen Verhalten organischer Strukturen. Schön galt 2002 bereits als Nobelpreis-Anwärter, als der Betrug aufgedeckt wurde: Seine Messergebnisse konnten nicht reproduziert werden.


[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Literatur

  • William Broad, Nicholas Wade: Betrug und Täuschung in der Wissenschaft., ISBN 3764315601
  • Karl Corino (Hrsg.): Gefälscht! Betrug in Politik, Literatur, Wissenschaft, Kunst und Musik, Eichborn Verlag Frankfurt 1990, ISBN 3821811315
  • Federico Di Trocchio: Der große Schwindel, ISBN 3-499-60809-X
  • Marco Finetti, Armin Himmelrath: Der Sündenfall, ISBN 3-88649-351-2
  • Junge, Torsten und Ohlhoff. Dörthe: Wahnsinnig genial. Der Mad Scientist Reader, ISBN 3932710797, Alibri Verlag Aschaffenburg.
  • Peter Haffner, Hania Luczak: Fälschungen in der Forschung. In: Geo 03/März 2003, Seiten 120-138.

[Bearbeiten] Weblinks

[Bearbeiten] Siehe auch

Geschichtsfälschung

Kategorie:Wissenschaftspraxis Kategorie:Fälschung Kategorie:Wissenschaft

[Bearbeiten] Archaeoraptor

Archaeoraptor liaoningensis ist eine Fossilienfälschung.

Das 1999 in der chinesischen Provinz Liaoning gefundene Fossil, das schon als "Missing Link" (Bindeglied) zwischen Dinosauriern und Vögeln gefeiert wurde, stellte sich bereits im darauf folgenden Jahr als geschickte Fälschung heraus. Ein chinesischer Bauer hatte ein Vogelskelett mit Schwanzknochen anderer Herkunft vervollständigt, um auf dem Fossilienmarkt einen höheren Preis für den Fund erzielen zu können.

Stephen Czerkas, Eigentümer eines Dinosauriermuseums in Utah hatte es gekauft und daraufhin die National Geographic Society kontaktiert. Im zugehörigen Magazin wurde der "Sensationsfund" in der Ausgabe vom November 1999 vorgestellt. Doch schon kurz nach der Veröffentlichung wurden erste Zweifel laut.

Durch aufwändige Untersuchungen, die unter anderem von dem chinesischen Paläontologen Xu Xing vorgenommen wurden, konnte im Jahr 2000 festgestellt werden, dass der Schwanz des Falsifikats von einer unbekannten Art, dem Dromaeosaurier Microraptor zhaoianus, stammt, dem kleinsten bislang gefundenen Theropoden.

Im Jahr 2002 klärte sich auch die systematische Zuordnung des Vorderteils. Ging man nach röntgen-computertomographischen Untersuchungen anfänglich noch davon aus, dass es sich hier um bis zu fünf Einzelexemplare von zwei oder mehr Spezies gehandelt haben könnte, konnte Zhonghe Zhou, ein Kollege von Xu, nachweisen, dass die fossilen Knochen von nur einem Tier stammten. Es handelt sich um das bisher vollständigste Skelett von Yanornis martini, einem Vogel aus der Unterkreide.

Auch wenn es sich um eine Fälschung handelt, sind die Teile der Fossilienmontage also durchaus von wissenschaftlichem Wert.


Siehe auch: Betrug und Fälschung in der Wissenschaft

[Bearbeiten] Weblinks

Kategorie:Fälschung Kategorie:Paläontologie

[Bearbeiten] Paluxy-River-Fußspuren

Die Paluxy-River-Fußspuren sind fossile Abdrücke am Paluxy River in Texas, USA.

Einen umstrittenen Aspekt bei der Beschäftigung mit dem Leben der Dinosaurier auf der Erde stellen die Spurenfossilien vom Paluxy River, Texas dar. Neben einer reichhaltigen Ansammlung von Dinosauriertrittsiegeln finden sich in den gleichen geologischen Schichten auch Spuren, die denen von Menschen ähnlich sehen und nach Ansicht einiger Kreise als "Beweise" gegen die Evolutionstheorie angesehen werden.

[Bearbeiten] Die Funde aus Sicht der Paläontologie

In der wissenschaftlichen Diskussion werden Dinosaurier als Urheber der umstrittenen Spuren angesehen.

Hinweise darauf fanden sich in der Taylor Site, wo die Spuren nicht nur durch ihre Topographie sondern noch deutlicher durch blaugraue bis rostrote Verfärbungen begrenzt werden. Diese Verfärbungen zeigen nach Kuban (1986b) und Hastings (1987) auch bei den menschenähnlichen Spuren deutliche Saurierzehen eines dreizehigen Dinosauriers. Die Verfärbungen werden auf Sedimentfüllungen der Spuren kurz nach ihrer Bildung zurückgeführt. Je mehr diese Verfüllungen jetzt aus der Spur herauswittern, desto mehr verwandelt sich die einstmals entfernt menschenähnliche Spur wieder in die ursprüngliche Saurierspur zurück. Inzwischen wurden auch außerhalb des Gebietes um Paluxy Spuren von Sauriern als Sohlengänger gefunden, ebenso wie Spuren mit vergleichbaren charakteristischen Sedimentverfüllungen.

Die länglichen Spuren machten deutlich, das Saurier nicht nur, wie bislang angenommen, auf den Zehen gingen, sondern einige Spezies zumindest teilweise den gesamten Fuß inklusive Sohle und Ferse aufsetzten. Manche Dinosaurier wechselten sogar ihre Gehweise innerhalb einer Spur (Kuban 1986a). Die Interpretation als Trittspuren von Dinosauriern erklärt auch die früheren Sichtungen sogenannter "Riesenspuren".

Die Dinosaurierspuren sind allerdings auch deshalb wissenschaftlich interessant, weil sie nach Thomas & Farlow (1998) Szenen einer Dinosaurierjagd zeigen könnten. Datiert werden die Spuren in die Glen Rose Formation (Unterkreide), also an die Grenze vom Aptium zum Albium mit einem Alter von ca. 113 Millionen Jahren (Young 1974, Bergan & Pittman 1990)

[Bearbeiten] Die Funde aus Sicht des Kreationismus und der Paläo-SETI-Hypothese

Seit dem erstmaligen Fund von mutmaßlichen menschlichen Fußspuren neben Trittsiegeln von Dinosauriern im Jahre 1908 im Bett des Paluxy Rivers wurden bis in die heutige Zeit entsprechende Funde in verschiedenen geologischen Schichten der Kreidezeit durch einzelne Autoren aus dem Umfeld des Kreationismus und der Paläo-SETI-Hypothese gemeldet (Burdick 1950, Dougherty 1971, Wilder-Smith 1994, Hefinstine 1994, Baugh 1982, Zillmer 1998, 2005). Aus demselben Umfeld wird über gleichartige Beobachtungen einschließlich dem Fund menschlicher Knochen auch aus wesentlich älteren Schichten (Paläozoikum) berichtet (Cremo/Thompson 1994, Zillmer 2005, S. 134-159).

Die vermuteten Menschenspuren wurden besonders in den 1970er Jahren regelmäßig in kreationistischen Schriften, besonders in Arbeiten der der Bible-Science-Association (BSA) und dem Institute of Creational Research (ICR) thematisiert. Inzwischen werden die wissenschaftlichen Belege für die Urheberschaft durch Dinosaurier bei amerikanischen und deutschen Kreationisten als so hieb- und stichfest angesehen (Scherer & Wiskin 1986), dass innerhalb des Kreationismus nur noch eine Minderheit die Spuren als wissenschaftliches Argument gegen die Evolutionstheorie benutzt.

Aus Sicht des Paläo-SETI-Umfeldes soll die Gleichzeitigkeit von Sauriern und Menschen besonders die Anwesenheit von menschenartigen Trägern einer originär außerirdischen Kultur in der Urzeit belegen.

[Bearbeiten] Literatur

  • Baugh, C. E. (1982): Enemies Survived Together for A While (Video Tape). Creation Evidences Museum, Glen Rose, TX.
  • Burdick, C. C.,( 1950): When Giants Roamed the Earth. Signs of the Times, July 25, p. 6.
  • Bergan, G. R,. Pittman, J.G. (Hrsg) (1990): Nearshore Clastic Carbonate Facies and Dinosaur Trackways in the Glen Rose Formation (Lower Cretaceous) of Central Texas. GSA Field Trip #8, The Dallas Geological Society, Dallas, Texas.
  • Burrows, W. D. (1986): The End of the Paluxy Footprint Story? North American Creation Movement Newsletter. Victoria, B.C., Canada, March, No. 36. p. 3-5.
  • Dougherty, C. N. (1971): Valley of the Giants, Cleburne
  • Cremo, M. A. und Thompson, R. L. (1993): Verbotene Archäologie, Badger
  • Fox, S.W. (1984): Proteinoid Experiments and Evolutionary Theory. In: Ho, M.W., Saunders, P.T. (Hrsg): Beyond Neo-Darwinism. Academic Press, New York. P. 15-60.
  • Fox, S.W. & Dose, K. (1977): Molecular Evolution and the Origin of Life. Marcel Dekker, New York.
  • Hastings, Ronnie J, (1987): New Observations on Paluxy Tracks Confirm Their Dinosaurian Origin. Journal of Geological Education, Vol. 35, No. 1, pp. 4-15.
  • Holden, C. (1996): Anti-Evolution TV Show Prompts Furor. Science 271, p. 1357.
  • Helfinstine, R. F. und Roth, J. (1994): Texas Tracks and Artifakts
  • Kuban, G. J.: (1986a): Elongate Dinosaur Tracks. In Gillette, David D. and Martin G. Lockley, (Hrsg.): Dinosaur Tracks and Traces, 1989, Cambridge University Press, pp. 57-72
  • Kuban, G. J. (1986b): Color Distinctions and Other Curious Features of Dinosaur Tracks Near Glen Rose, Texas. In: Gillette, David D. and Martin
  • G. Lockley, eds., Dinosaur Tracks and Traces, 1989, Cambridge Univ. Press, p. 427-440
  • Kuban, G. J. (1989): A Matter of Degree: An Examination of Carl Baugh's Credentials. NCSE Reports, Vol. 9, No. 6, p. 15- 20. Langston, W., Jr. (1974): Nonmammalian Comanchean Tetrapods. Geoscience and Man, Vol. 8, pp. 77-102.
  • Morris, J. D. (1986a): The Paluxy River Mystery, Impact No. 151 in Acts & Facts, Jan. 1986
  • Morris, J. D. (1986): Follow up on the Paluxy mystery, Origins Research 9/1.
  • Morris, J. D. (1980): Tracking Those Incredible Dinosaurs. San Diego, CA, Creation-Life Publishers, 240 pp.
  • Scherer, S., Wiskin, R. (1986): "Menschliche" Fußabdrücke in der Kreide: Ein Lehrstück für die Schöpfungsforschung. W+W Diskussionsbeitrag 1/86, Baiersbronn.
  • Thomas, D.A,, Farlow, J.O. (1998): Spuren einer Dinosaurierjagd. Spektrum d. Wissenschaft, 2/98, S. 86 - 91.
  • Whitcomb, J. C., and Henry M. Morris (1961): The Genesis Flood. Baker Book House, Grand Rapids, MI, pp. 173-175.
  • Young, K. P. (1974): Lower Albian and Aptian (Cretaceous) ammonites of Texas, In: Perkins, B. F., ed. Aspects of Trinity Geology: Geoscience and Man, School of Geoscience, Louisiana State University, Vol. 8, p. 175-228.
  • Hans-Joachim Zillmer (1998/7. Aufl. 2004)): Darwins Irrtum - Vorsintflutliche Funde beweisen: Dinosaurier und Menschen lebten gemeinsam. Langen Müller, München, ISBN 3-7844-2709-X
  • Hans-Joachim Zillmer (2001, 3. Auflage 2003): Irrtümer der Erdgeschichte. Langen Müller, München, ISBN 3-7844-2819-3; Knaur-Taschenbuch Nr. 77630, München 2003.
  • Hans-Joachim Zillmer (2005): Die Evolutionslüge. Die Neandertaler und andere Fälschungen der Menschheitsgeschichte. Langen Müller, München 2005, ISBN 3-7844-3026-0.

[Bearbeiten] Weblinks


Kategorie:Paläontologie

[Bearbeiten] Kalte Fusion

Der Begriff Kalte Fusion geht auf einen Vorschlag Andrei Sacharows von 1948 zurück und beschreibt ursprünglich die (funktionierende, aber ineffiziente) myonenkatalysierte Kernfusion. Bei dieser wird das Elektron eines Tritiumatoms durch ein Myon ersetzt. Aufgrund der drastisch geringeren Orbitalgröße kann das Tritiumatom damit nahe genug an ein Deuteriumatom gelangen, um zu fusionieren. Das Myon wird anschließend wieder freigesetzt und kann weitere Fusionen einleiten. Allerdings werden pro eingesetztem Myon nur etwa 2 MeV frei, da es nur eine Lebensdauer von 2,2 Mikrosekunden hat, während die Herstellung in Teilchenbeschleunigern über 3 MeV pro Myon erfordert, sodass auf diese Weise bisher kein Fusionsreaktor zur Energieerzeugung möglich ist.

Heute wird unter dem Begriff Kalte Fusion allerdings meist das 1989 von den Chemikern Stanley Pons und Martin Fleischmann vorgestellte Experiment und verwandte Methoden verstanden.

In diesem Experiment soll die Verschmelzung von Wasserstoff (Protium), Deuterium oder Tritium während der Elektrolyse eines Elektrolyten an der Oberfläche einer von zwei Palladium-Elektroden stattfinden. Die Idee des Versuchs besteht darin, dass Wasserstoff, bzw. eines der Isotope (Deuterium, Tritium) in das Metallgitter des Palladiums diffundiert. Die Elektronen des Wasserstoffs werden durch die Umgebung des Metalls delokalisiert, das heißt in einem größeren Raumbereich um das ursprüngliche Atom verteilt. Die rückstoßende Wirkung der äußeren Elektronenhülle, welche die erste Barriere für die Fusion bildet, wird hierdurch entfernt. Befinden sich zwei Wasserstoffatome (bzw. Iostope) in demselben Zwischenraum des Metallgitters, so ist ihr Abstand zueinander für eine lange Zeit erheblich niedriger als in freien Gas bzw. in einem heißen Plasma. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit können diese Kerne unter diesen Bedingungen die abstoßende Wirkung der Kernpotentiale überwinden und miteinander verschmelzen.

Palladium erscheint als Matrix für diese Reaktion besonders geeignet zu sein, da es unter allen Elementen die höchste Absorptionsfähigkeit für Wasserstoff besitzt; bei Raumtemperatur kann es das 900fache Volumen binden, Palladiumrohre das 1200fache und kolloidale Palladiumlösungen das 3000fache. Formal wird die Bildung eines Palladiumhydrids angenommen, bestehend aus zwei Palladiumatomen und einem Wasserstoffatom. In heißem Palladium besitzt Wasserstoff außerdem ein hohes Diffusionsvermögen.

Durch die elektrochemische Wasserstofferzeugung (Elektrolyse) ist es möglich, durch Anlegen einer geeigneten Zellspannung einen sehr hohen Wasserstoffpartialdruck an der Elektrodenoberfläche zu erzeugen. Dieser Partialdruck, kann auf der Elektrolytseite in Form von Blasen entweichen. Auf der Elektrodenseite wird - gemäß der Idee des Experiments - ein so hoher Partialdruck aufgebaut, dass durch Diffusionsprozesse, eine derart hohe Wasserstoffkonzentration im Metall erzeugt wird, welche die oben beschriebenen Kernreaktion ermöglicht.

Die Experimente von Pons und Fleischmann werden von der Mehrheit der Wissenschaftler nicht anerkannt, solange keine erfolgreichen Wiederholungen ihrer Experimente von unabhängiger Seite publiziert werden.

Nach unbestätigten Meldungen sollen bei ähnlichen Versuchen Neutronenabstrahlung bestimmter Energie, Gammastrahlung und zuvor nicht enthaltene Elemente in der Elektrolytflüssigkeit nachgewiesen worden sein – solche, die man bei einer Kernfusion erwarten würde.

Bereits 1927 wurde vom schwedischen Wissenschaftler John Tandberg ein Patent angemeldet, in dem die preiswerte Erzeugung großer Mengen Helium in Elektrolysezellen mit Palladiumelektroden beschrieben wurde.

Ein weiteres Ergebnis der Forschungen im Bereich der Tieftemperaturfusion oder Kalten Fusion ist der Farnsworth-Hirsch-Fusor aus dem Jahre 1930, welcher trotz Wasserstofffusion zwar bisher keine Nettoenergie liefert, aber kommerziell als billige Neutronenquelle genutzt wird und zum Beispiel von DaimlerChrysler gebaut wird (u. a. für radiologische Untersuchungen).

Mit einem kleinen, einfachen Versuchsaufbau auf dem »Labortisch« ist im April 2005 die Fusion von ionisierten und beschleunigtem Deuteriumgas einer Stärke von ~4 nA bei etwa 100 keV gelungen. Dabei wurde zur Ionisation des Deuterium Feldionisation an einer Wolframspitze mittels eines pyroelektrischen Kristalls aus Lithium-Tantal-Trioxid LiTa03 genutzt, (Siehe [12] und [13]). Der erzeugte Neutronenfluss lag bei dem 400fachen der natürlichen Neutronenstrahlung. Die Reaktionsgleichung hierbei:

D + D ? 3He (820 keV) + n (2,45 MeV)

[Bearbeiten] Spekulative Vorläufertheorien

Wenngleich der Begriff kalte Fusion jüngeren Datums ist, so ist doch das Konzept alt. Es würde bereits von Rudolf Hauschka, Rudolf Steiner, Albert von Herzeele und Corentin Louis Kervran vertreten. Teilweise wurde das Konzept auch auf lebende Organismen angewandt. Hier wird es von der etablierten Wissenschaft abgelehnt.

Siehe auch: Bläschen-Fusion

[Bearbeiten] Weblinks

Kategorie:Nukleartechnik Kategorie:Kernfusion

[Bearbeiten] Versuche zur Cold Fusion

[Bearbeiten] Jan Hendrik Schön

Jan Hendrik Schön (*1970) ist ein deutscher Wissenschaftler. Er löste 2002 einen der größten Betrugsskandale in der Geschichte der Physik aus, der unter anderem eine Diskussion über die Verantwortlichkeiten von Ko-Autoren und Gutachtern von wissenschaftlichen Arbeiten auslöste. Seine Forschungsgebiete waren Nanotechnologie und Festkörperphysik.

[Bearbeiten] Leben

Schön machte 1988 seine Matura am Bundesgymnasium im österreichischen Feldkirch. Er studierte Physik an der Universität Konstanz und machte dort 1993 sein Diplom. 1997 wurde Jan Hendrik Schön bei dem angesehenen Fotovoltaik-Experten Prof. Ernst Bucher über eine Arbeit zur "Nutzbarmachung von Kupfergalliumdiselenid zur Herstellung von Solarzellen" promoviert. Im Jahr 2000 wechselte er an die Bell Laboratories in die Arbeitsgruppe von Bertram Batlogg (jetzt ETH Zürich) und Christian Kloc und forschte zur Nanotechnologie mit organischen Halbleitern.

Von 1998 bis 2001 publizierte er im Durchschnitt alle acht Tage einen Fachartikel (alleine oder mit Koautoren), 17 davon in den hochangesehenen Zeitschriften Nature und Science. Er kündigte mehrere bahnbrechende Resultate, unter anderem Hochtemperatursupraleiter auf Fullerenbasis, einen Transistor nur aus einem Molekül bestehend, an und wurde vielfach als Nobelpreiskandidat bezeichnet. Das Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stuttgart beabsichtigte, ihn zum bis dato jüngsten Direktor zu berufen.

2001 begannen einige Physiker, Zweifel an einer Arbeit von Schön zu äußern, da ihnen die vorgelegten Messdaten zu genau erschienen und manche den vorherrschenden physikalischen Erkenntnissen widersprachen. Bei genaueren Untersuchungen fiel auf, dass bei verschiedenen Experimenten gleiche Messreihen zu Grunde lagen, die inhaltlich nicht übereinstimmen konnten. Zudem erstellte er Messreihen künstlich mittels mathematischer Funktionen, welches bis dahin unerklärlicherweise nicht aufgefallen war.

Am 21. September 2002 kam eine von den Bell Labs eingesetzte Untersuchungskommission zu dem Ergebnis, dass Schön sich durch das Fälschen von Messdaten des wissenschaftlichen Fehlverhaltens schuldig gemacht habe. Lucent Technologies (Eigentümerfirma der Bell Laboratories) entließ ihn fristlos. Dies war der erste Fall eines wissenschaftlichen Betruges in den Bell Labs. Die Max-Planck-Gesellschaft verzichtet auf eine Berufung, mehrere Auszeichnungen wurden zurückgegeben (Braunschweig Preis 2001) oder aberkannt (Otto-Klung-Weberbank-Preis 2001). Mehrere Artikel wurden zum Teil gegen den Willen Schöns zurückgezogen. Am 31. Oktober 2002 zog Science acht, am 5. März 2003 zog Nature sieben von Schön verfasste Publikationen zurück:

  • J. H. Schön, S. Berg, Ch. Kloc, B. Batlogg, Ambipolar pentacene field-effect transistors and inverters, Science 287, 1022 (2000)
  • J. H. Schön, Ch. Kloc, R. C. Haddon, B. Batlogg, A superconducting field-effect switch, Science 288, 656 (2000)
  • J. H. Schön, Ch. Kloc, B. Batlogg, Fractional quantum Hall effect in organic molecular semiconductors, Science 288, 2338 (2000)
  • J. H. Schön, Ch. Kloc, A. Dodabala-pur, B. Batlogg, An organic solid state injection laser, Science 289, 599 (2000)
  • J. H. Schön, A. Dodabalapur, Ch. Kloc, B. Batlogg, A light-emitting field-effect transistor, Science 290, 963 (2000)
  • J. H. Schön, Ch. Kloc, H. Y. Hwang, B. Batlogg, Josephson junctions with tunable weak links, Science 292, 252 (2001)
  • J. H. Schön, Ch. Kloc, B. Batlogg, High-temperature superconductivity in lattice-expanded C60, Science 293, 2432 (2001)
  • J. H. Schön, H. Meng, Z. Bao, Field-effect modulation of the conductance of single molecules, Science 294, 2138 (2001)
  • Schön, J. H., Kloc, Ch. & Batlogg, B. Superconductivity at 52K in hole-doped C60. Nature 408, 549-552 (2000).
  • Schön, J. H. et al. Gate-induced superconductivity in a solution-processed organic polymer film. Nature 410, 189- 192 (2001).
  • Schön, J. H., Meng, H. & Bao, Z. Self-assembled monolayer organic field-effect transistors. Nature 413, 713-716 (2001).
  • Schön, J. H. et al. Superconductivity in single crystals of the fullerene C70. Nature 413, 831-833 (2001).
  • Schön, J. H. et al. Superconductivity in CaCuO2 as a result of field-effect doping. Nature 414, 434-436 (2001).


Schön räumte ein, dass die Daten in vielen dieser Arbeiten fehlerhaft waren. Er behauptete, dass die Vertauschungen durch ein Versehen auftraten. Dennoch gab er zu, gewisse Daten "angepasst" zu haben, damit sie einen deutlicheren Beweis für das liefern, was er in seinen Experimenten beobachtet hat. Schön besteht nach wie vor darauf, dass seine Experimente funktionierten und dass ein Transistor in molekularer Größe mit seiner angewendeten Technologie möglich ist.

Wissenschaftler an der Universität Delft und am IBM Thomas J. Watson Research Center haben seitdem ähnliche Experimente durchgeführt, konnten die Ergebnisse aber nicht verifizieren.

Im Juni 2004 entzog die Universität Konstanz ihm seinen Doktorgrad wegen "unwürdigen Verhaltens".

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Weblinks


Schon, Jan Hendrik Schon, Jan Hendrik Schon, Jan Hendrik Schon, Jan Hendrik Kategorie:Wissenschaftsfälscher

[Bearbeiten] Sokal-Affäre

Mit dem Schlagwort Sokal-Affäre (auch Sokal-Debatte, -Kontroverse) wird eine Auseinandersetzung über den Umgang postmoderner Philosophen mit der modernen Naturwissenschaft, speziell der Mathematik und Physik, bezeichnet. Der Vorwurf an die Philosophen lautete: Missbrauch naturwissenschaftlicher Theorien.

[Bearbeiten] Vorgeschichte

1996 reichte der amerikanische Physiker Alan Sokal einen Aufsatz mit dem Titel Transgressing the Boundaries: Toward a Transformative Hermeneutics of Quantum Gravity (deutsch: Die Grenzen überschreiten: Auf dem Weg zu einer transformativen Hermeneutik der Quantengravitation) bei der amerikanischen, für ihre postmoderne Ausrichtung bekannten Zeitschrift für Cultural studies Social Text zur Veröffentlichung ein. Diese druckte ihn unbeanstandet mit anderen in einer Sondernummer ab.

Kurz nach der Veröffentlichung bekannte Sokal in einer anderer Zeitschrift, Lingua Franca, dass es sich bei dem Aufsatz um eine Parodie handle. Er hatte die zusammengesuchten Zitate verschiedener postmoderner Denker mit dem typischen Jargon dieser Denkrichtung zu einem Text montiert, dessen unsinniger Inhalt bei Beachtung wissenschaftlicher Standards, so der Vorwurf an die Herausgeber von Social Text, als solcher hätte erkannt werden müssen.

[Bearbeiten] Debatte

Dieser Vorfall löste im akademischen Milieu und der Presse (der Fall kam immerhin bis auf die Titelseite der New York Times) eine öffentliche Diskussion aus, wie dieser Vorfall im besonderen und die Seriosität der Postmodernen Philosophie im Allgemeinen zu bewerten sei. Sokal und Vertreter des kritisierten Personenkreises führten die Diskussion in weiteren Zeitschriftenartikeln fort und verteidigten ihre Standpunkte.

1997 veröffentlichte Sokal zusammen mit seinem belgischen Kollegen Jean Bricmont dazu ein Buch mit dem Titel Impostures Intellectuelles (deutscher Titel: Eleganter Unsinn), in dem er seine Thesen aus seiner Sicht erklärt und an Beispielen von Texten bedeutender postmoderner französischer Philosophen erläutert (namentlich Jean Baudrillard, Gilles Deleuze/Félix Guattari, Luce Irigaray, Julia Kristeva, Jacques Lacan, Bruno Latour und Paul Virilio und - obwohl kein Postmoderner, als historisches Beispiel - Henri Bergson). In diesem Buch gaben Sokal/Bricmont - neben der Verteidigung gegen den vermuteten Missbrauch der Wissenschaft - auch ein politisches Motiv für ihren Vorstoß an. Sie bekannten sich zur politischen „Linken“ und vertraten die Meinung, dass die zunehmende Verbreitung der postmodernen Denkrichtung in der Linken deren Fähigkeit zu wirkungsvoller Gesellschaftskritik schwäche.

[Bearbeiten] Literatur

  • Alan Sokal/Jean Bricmont: Impostures Intellectuelles (Intellektuelle Betrügereien), Paris 1997
    • englische Ausgabe: Fashionable Nonsense. Postmodern Intellectual's Abuse of Science, New York 1998
    • deutsche Ausgabe: Eleganter Unsinn. Wie die Denker der Postmoderne die Wissenschaft mißbrauchen, München 1999

[Bearbeiten] Weblinks

Siehe auch: Grubenhund, Epistemologie, Sozialkonstruktivismus, Wissenschaftlicher Witz

Kategorie:Philosophie (Sonstiges) Kategorie:Postmoderne

[Bearbeiten] Trepanation

Trepanation (v. französ.: trepan Bohrer) ist ein Begriff aus der Medizin und beschreibt operative Verfahren, bei denen meist knöchern oder auf eine andere Weise fest umschlossene Räume mechanisch eröffnet werden.

In der Neurochirurgie bezeichnet man mit Trepanation die operative Öffnung des Schädels, entweder zur Vornahme operativer Eingriffe im Schädelinnern oder auch zur Senkung des Schädelinnendrucks, des Hirndrucks. Man spricht in diesem Fall auch von Entlastungstrepanation. Die Öffnung des Schädels, teilweise einschließlich der Hirnhäute kann entweder in Form einer Bohrung oder auch eines ausgesägten Stück Knochens geschehen. Bis zum Wiedereinsetzen des Knochenstückes verbleibt dieses oft im Bauch. Somit wächst es schneller wieder an. Bei der Trepanation des Schädels kommen zwei verschiedene Operationsverfahren zur Anwendung: Bei der osteoplastischen Trepanation wird das aus dem Schädel entnommene Knochenstück wieder zum Verschluss der Operationswunde verwendet. Bei der osteoklastischen Trepanation wird der entstandene Defekt auf andere Weise geschlossen, z.B. durch Implantate aus Metall oder Kunststoff.

In der Technik: spezielle Verfahren, kleine und kleinste Bohrungen z. B. mittels Laser herzustellen

Die Elliot-Trepanation in der Augenheilkunde ist ein Verfahren zur Therapie des Glaukoms, bei dem der Augapfel operativ eröffnet und ein künstlicher Abfluss für das Kammerwasser unter die Bindehaut geschaffen wird.

In der Zahnheilkunde bezeichnet man die Eröffnung der Zahnhöhle als Trepanation. Diese wird z.B. im Falle einer Wurzelbehandlung nötig. Der Wundverschluss erfolgt in diesem Falle mit Kunststoff (Guttapercha).

[Bearbeiten] Anthropologie

[Bearbeiten] Geschichte

[Bearbeiten] Europa

Trepanationen (Schädelöffnugen) können seit dem Natufien und später weltweit nachgewiesen werden. Der französische Arzt Prunières entdeckte 1873 im Tal der Lozère mehrere durchbohrte steinzeitliche Schädel. Damals nahm man an, dass die Knochenstücke nach dem Tod ausgeschnitten wurden, um sie als Schmuck bzw. Amulett um den Hals zu tragen. Der französische Anthropoploge Paul Broca (1824-1880) entdeckte an einigen der 1873 gefundenen Schädeln Anzeichen von Heilungsprozessen an den Knochenrändern, womit bewiesen wurde, dass in der Frühzeit erfolgreiche Schädelöffnungen durchgeführt wurden. Mehr als 450 europaweite Trepanationen stammen aus dem Neolithikum. Sie stammen aus Österreich, der Schweiz, Großbritannien, Spanien, Portugal, Belgien, Polen, Dänemark, Schweden, Norwegen und Rußland. Der umfangreichste Nachweis findet sich für Frankreich mit mehr als 100 neolithischen Trepanationen. Die meisten dieser Schädel wurden im Department Lozere und in der Region Seine-Oise-Marne gefunden. In Mitteleuropa lassen sich die Anfänge der Trepanation bis in das frühe Neolithikum (etwa ab 4500 v. Chr.) belegen. Als eine der ersten misslungenen Trepanationen gilt der Eingriff am Schädel eines Bauern der Linienbandkeramischen ggf. auch der La Hoguette Kultur (etwa 5500 bis 4900 v. Chr.) von einem Gräberfeld von Höhnheim-Suffelsweyersheim im Elsass (Frankreich). Gelungene Trepanationen in der Jungsteinzeit Mitteleuropas erfolgten zur Zeit der Trichterbecherkultur (TBK), der Walternienburg-Bernburger Kultur und der Schnurkeramischen Kultur. Die von Medizinmännern der Walternienburg-Bernburger Kultur vorgenommenen Trepanationen sind - nach den Funden von verheilten Wundrändern zu schließen - in den allermeisten Fällen überlebt worden. Die vorzeitliche Trepanation wurde nicht aus medizinischen, sondern aus religiös-mystischen Gründen vorgenommen. Die eingedrungenen Dämonen würden durch die geschaffene Öffnung entweichen oder aber es wurde einem positiven Geistwesen die Möglichkeit eröffnet von dem betroffenen Besitz zu ergreifen. Auf Vorstellungen dieser Art geht z. B. die Tonsur zurück. Beleg dafür ist u. a., dass die Wunde nicht etwa verschlossen wurde, sondern das entnommene Knochenstück durchbohrt und als Amulett o. ä. getragen wurde. Trepanierte Personen endeten nicht in den normalen Erdgräbern sondern in der TBK in den herausgehobenen Kultbauten, den Megalithanlagen. Nach Untersuchungen zur Trepanationshäufigkeit und –technik in der Jungsteinzeit von J. Piek, G. Lidke, T. Terberger, U. von Smekal und M. R. Gaab ergibt sich folgendes Bild: Von den 113 gefundenen bzw. untersuchten Schädeln und 8 Fragmenten wiesen nur 6 Trepanationsspuren (5 vollendet) auf. 4 der Schädel waren männliche.

[Bearbeiten] Weltweit

Die erste Schädeltrepanation wurde vermutlich um 10.000 v. Chr. durchgeführt. Aus alten Papyrusschriften ist auch bekannt, dass spätestens im 3. Jahrtausend v. Chr. im alten Ägypten Schädel aufgeschnitten wurden. Einige Schädelfunde bestätigen dies. In Südamerika wurden mehrere Gräber (etwa 2000 Jahre alt) mit trepanierten Schädeln und chirugischen Werkzeugen gefunden. Die meisten Schädel wiesen Heilungsprozesse auf.

von ...
untersuchten
Schädeln
wiesen ...
Heilungsprozesse
auf
%
Europa 334 244 73%
Ägypten 14* 10 70%
Altes Peru 400 250 63%

[Bearbeiten] Moderne Geschichte

Der griechische Arzt Hippokrates (450-370 v. Chr.) benutzte für Schädelöffnungen Perforativ- und Kronentrepan. Das Christentum verbot im frühen Mittelalter Trepanationen an lebenden Menschen, so gab es nur sehr wenige geheime Kopfoperationen. Erst im 13. Jahrhundert wurde wieder öfters trepaniert. Eine Vielzahl von Trepanationen gab es im 16. Jahrhundert. Damals setzte man, neben den typischen Werkzeugen wie Hammer, Meißel oder Messer, auch Schraubapparate oder primitive Bohrgeräte ein. Neben den echten Ärzten gab es auch Scharlatane und Betrüger, die den Patienten gegen Geld angeblich Steine, Metall oder gar Tiere aus dem Kopf schnitten. Eine Kopfoperation wird in dem Gemälde "Die Narrenheilung" (Die Steinoperation) von Hieronymus Bosch dargestellt. Den Höhepunkt gab es im 18. und 19. Jahrhundert. Damals stieg die Sterblichkeit auch rapide an. Mit der Einführung von Betäubungsmitteln und der Antiseptik begann die moderne Gehirnchirugie.

[Bearbeiten] Trepanationen bei den Kisii (Ostafrika)

Die ersten schriftlichen Überlieferungen über die ostafrikanischen Trepanationen stammen von britischen und deutschen Beamten und Ärzten Ende des 19. Jahrhunderts. In Europa wurden diese Trepanationen erst um 1957 bekannt, als britische Ärzte erfolgreiche Schädeltrepanationen fotografierten und veröffentlichten. Sie konnten zwischen 20 und 35 Medizinmänner ausfindig machen, die noch Schädelöffnungen vornahmen. 1958 wurde die erste Trepanation vom Österreicher Max Lersch gefilmt, womit auch bestätigt wurde, dass keine Betäubungsmittel eingesetzt wurde. 1979 zählte der deutsche Arzt Rolf Meschig nur noch 6 Schädelöffner. Heute sind in Kenia Schädeltrepanationen ohne fachärtzliche Aufsicht offiziell verboten.

[Bearbeiten] Literatur

  • Ernst Probst: Deutschland in der Steinzeit, München 1991
  • Walkowitz J.E.: Das Megalithsyndrom. Band 36 in Beitraege zur Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas, 2003. ISBN 3-930036-70-3

[Bearbeiten] Weblinks

Kategorie:Archäologie Kategorie:Chirurgie

[Bearbeiten] Madentherapie

Goldfliege - Gattung Lucilia
vergrößern
Goldfliege - Gattung Lucilia

Bei der Madentherapie (auch: Biochirurgie) werden Maden der Goldfliegenart Lucilia sericata dazu eingesetzt, um chronische Wunden von nekrotischem Gewebe und Bakterienbefall zu reinigen.

Grundvoraussetzung für den medizinischen Einsatz ist die Besonderheit, dass die Goldfliegenmaden sich selektiv von abgestorbenem Gewebe ernähren; intaktes Gewebe wird geschont, und der Maden-Einsatz regt sogar die Heilung an.

Die Maden der Goldfliege besitzen eine extrakorporale Verdauung. Sie werden entweder als "Freiläufer" eingesetzt, das heißt sie befinden sich frei beweglich in der Wunde, oder in einem Beutel aus Polyvinylschaumstoff oder Gaze, der auf die Wunde aufgelegt wird. Die Abgabe von Verdauungssäften in die Wunde und die Aufnahme des angedauten, verflüssigten nekrotischen Gewebes erfolgt dann durch den Schaumstoff bzw. durch die Gaze hindurch. Die Akzeptanz bei Patienten und Pflegepersonal ist bei der zweiten Form der Madentherapie höher.

[Bearbeiten] Abbau von nekrotischen Wundbelägen

Viele chronische Wunden sind von einem Belag aus abgestorbenen Zellen und Wundsekret bedeckt. Diese Beläge behindern die Wundheilung, da sie zum einen ein mechanisches Hindernis bei der Wundbehandlung darstellen und zum anderen vom Blutkreislauf und somit vom körpereigenen Immunsystem abgeschnitten sind. Diese Wundbeläge stellen ideale Nährböden für Bakterien dar, die ihrerseits die Wundheilung behindern. Durch den Bakterienbefall kann eine Gangrän hervorgerufen werden, und in Extremfällen kann es zu einem Multiorganversagen kommen, wenn aus der Grenzzone zwischen nekrotischem und intaktem Gewebe toxische oder immunsuppressive (Immunreaktionen unterdrückende) Stoffe in den Blutkreislauf gelangen.

Da die Goldfliegenmaden sich fast ausschließlich von nekrotischem Material ernähren, stellen die Wundbeläge eine ideale Nahrungsquelle für sie dar. Die Goldfliegenlarven werden auf die zu behandelnde Wunde aufgebracht und scheiden dort permanent Verdauungssäfte aus. Die darin enthaltenen Enzyme dauen nur das abgestorbene Gewebe an und verflüssigen es. Dabei wird lebendes Gewebe nicht angegriffen oder geschädigt. Das sich bildende Gemisch wird von den Goldfliegenmaden aufgesogen und verdaut. Dabei nehmen die Goldfliegenmaden in wenigen Tagen um das Hundertfache zu. Dann stellen sie die Nahrungsaufnahme ein und müssen gegen neue, frisch geschlüpfte Goldfliegenmaden mit entsprechendem Appetit ersetzt werden. Nach mehreren Anwendungen bleibt eine vom nekrotischen Wundbelag befreite Wunde zurück, die dann besser weiterbehandelt werden kann und schneller abheilt.

[Bearbeiten] Antibakterielle Wirkung

Die Goldfliegenmaden beseitigen Bakterien, indem sie diese zusammen mit dem angedauten, abgestorbenen Gewebe aufsaugen und verdauen. Dabei ist unerheblich ob die Bakterien gegen einzelne Antibiotika resistent sind oder gar Multiresistenzen besitzen. Aus diesem Grund wird die Madentherapie auch bei Wunden angewandt, die mit (MRSA)-Stämmen oder anderen multiresistenten Bakterien infiziert sind. In kurzer Zeit kann dadurch der Bakterienbefall einer Wunde erheblich reduziert werden. Durch die Anwendung der Madentherapie kann der Einsatz von Antibiotika reduziert werden und damit sinkt die Gefahr der Entstehung weiterer Antibiotika-Resistenzen von Bakterien.

Des weiteren scheiden die Goldfliegenmaden mit ihren Verdauungssäften antibakterielle Stoffe aus und heben den pH-Wert in der Wunde durch Ausscheidung von Ammoniak und Ammoniakderivaten auf ein für Bakterien wenig verträgliches Niveau an.

[Bearbeiten] Förderung der Wundheilung

Die Goldfliegenmaden fördern die Wundheilung. Neben der Entfernung von Wundbelägen und Bakterien wird die Wundheilung und das Nachwachsen von frischem Gewebe durch Stoffe, die im Speichel der Goldfliegenmaden enthalten sind, angeregt und gefördert.

[Bearbeiten] Geschichte der Wundbehandlung mit Fliegenmaden

Schon seit Jahrtausenden ist dem Ngemba-Stamm der Aborigines die Wundbehandlung mit lebenden Fliegenmaden bekannt. Auch wurde sie von den Maya praktiziert. Die Maya sollen mit Tierblut getränkte Tücher in die Sonne gelegt haben, und nachdem Fliegen ihre Eier darauf gelegt hatten, sollen sie diese Tücher auf Wunden gelegt haben.

Im Mittelalter wurde immer wieder beobachtet, dass Wunden von Kriegsverletzten von Maden befallen waren. Eine gezielte Anwendung der Maden zur Wundbehandlung ist für diese Zeit nicht belegbar.

Als erster hielt der Franzose und Chirurg Ambroise Paré (1510-1590) Beobachtungen im Zusammenhang mit Fliegenmaden in Wunden verletzter Soldaten schriftlich fest.

1829 beschreibt der französische Chirurg Baron Dominique Jean Larrey seine Beobachtung, dass Maden einer bestimmten Fliege nur totes Gewebe entfernen und eine positive Wirkung auf die Wundheilung haben. Diese Beobachtung machte Larrey auf seinem Feldzug gegen Ägypten in Syrien. Der Versuch, diese Maden zur Wundbehandlung einzusetzen, scheiterte daran, dass er seine Soldaten nicht davon überzeugen konnte, die Maden auf ihren Wunden zu belassen.

Im amerikanischen Bürgerkrieg wurden Fliegenmaden dann wieder gezielt zur Wundbehandlung eingesetzt. John Forney Zacharias, ein Chirurg auf der Seite der Konföderierten Staaten von Amerika setzte Maden bei gangränösen Wunden ein. Zacharias beschreibt neben einer schnellen und effektiven Wundheilung auch eine hohe Überlebensrate seiner Patienten:

"I am sure I saved many lifes by their use, escaped septicemia and had rapid recoveries."

Der Einsatz der Fliegenmaden durch Zacharias blieb aber die Ausnahme. Wenngleich anderen Militärärzten die Vorteile, die ein Fliegenmadenbefall von Wunden hat, nicht verborgen blieb, konnte sich doch kein weiterer zu einer gezielten Anwendung durchringen.

1929 führte der US-amerikanische Chirurg William S. Baer die Fliegenmaden in der Zivilchirurgie ein. Baer war Professor für orthopädische Chirurgie an der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore, Maryland. Hier suchte er nach Therapien für seine Osteomyelitis-Patienten, unter denen auch viele Kinder waren. Bei 21 Patienten mit bis dahin therapieresistenter chronischer Osteomyelitis (Knochenmarksentzündung) setzte Baer in die eröffneten Läsionen für vier Tage Maden einer heimischen grünen Schmeißfliege. Dies wiederholte er über sieben Wochen. Nach zwei Monaten konnten alle 21 Patienten als geheilt entlassen werden. Dieser Erfolg bei den zuvor untherapierbaren Fällen sprach sich schnell herum. Die Nachfrage nach der Madentherapie war so groß, dass Baer und sein Schüler Santon K. Livingston eine Madenaufzucht errichteten, wodurch auch die Gefahr der Keimübertragung durch die Fliegenmaden reduziert wurde. Auf die Idee, Fliegenmaden als Behandlungsmethode einzusetzen, kam Baer, weil er im Ersten Weltkrieg Militärarzt war und 1917 zwei Soldaten behandelt hatte, die sieben Tage verwundet auf einem Schlachtfeld in Frankreich gelegen hatten. In deren Wunden befanden sich tausende Fliegenmaden. Nachdem Baer diese entfernt hatte, stellte er fest, dass die Wunden sauber waren und erstaunlich schnell und ohne Komplikationen heilten.

Zwischen 1930 und 1940 wurden über 100 medizinisch-wissenschaftliche Publikationen zum Thema Madentherapie veröffentlicht. In über 300 amerikanischen Krankenhäusern wurde die Madentherapie in der Praxis angewandt. Vom Pharmaunternehmen Lederle wurden Maden zur Wundbehandlung kommerziell produziert.

Durch die Einführung der Antibiotika Sulfonamid und Penicillin kam der Fortschritt in der Madentherapie zum Erliegen. Zwischen 1940 und 1990 erschienen lediglich vereinzelte Artikel, in denen beschrieben wurde, wie die Madentherapie als letzte exotische Behandlung bei hoffnungslosen Fällen eingesetzt wurde.

1988 wurde die Madentherapie von Wainwright für tot erklärt:

... Glücklicherweise ist die Madentherapie heute ein historisch totes Gewässer, deren Interesse eher in ihrer bizarren Natur als in ihren medizinischen Effekten liegt ... Eine Therapie, deren Ableben niemand nachtrauert ...

Diese Einschätzung hatte nicht lange Bestand. Schon in den frühen 90er Jahre wurde die Madentherapie durch die amerikanischen Ärzte Ronald Sherman und Edward Pechter erneut etabliert. Sie bauten im Veterans Administration Hospital in Long Beach/Kalifornien eine Fliegenzucht auf, in der sie Maden produzierten, die sie dann zur Wundbehandlung einsetzten. Die Erfolge, die sie mit der Madentherapie erzielten und die sie in klinischen Studien dokumentierten, weckten weltweit das Interesse der medizinischen Fachwelt.

1995 wurde durch Steve Thomas eine Produktionsstätte für Fliegenmaden in Großbritannien aufgebaut.

Seit 1996 werden Fliegenlarven zur Wundbehandlung von chronischen und infizierten Wunden am Krankenhaus Bietigheim angewendet. Seitdem werden dort etwa 1000 Patienten pro Jahr mit sterilen Fliegenlarven behandelt [14].

Seit 1999 wird die Madentherapie auch am Klinkum Ludwigsburg insbesondere beim diabetischen Fußsyndrom angewendet [15].

Seit April 1999 werden zum Beispiel an den Städtischen Kliniken Höchst Patienten mit Fliegenmaden behandelt [16].

In Deutschland haben sich die Firma Neocura und die Firma Biomonde als Hersteller und Vertreiber von Fliegenmaden etabliert. 2002 wendeten über 1000 Kliniken, Krankenhäuer und Arztpraxen die Madentherapie an.

Die Wirksamkeit der Madentherapie gegen Wundinfektionen - beispielsweise bei der postoperativen Wundbehandlung - ist 2004 von der Food and Drug Administration (FDA), das ist die amerikanische Arzneimittelzulassungsbehörde, bestätigt worden [17].

[Bearbeiten] Anwendungsbeispiele

Neben der Knochenmarksentzündung (Osteomyelitis) und der diabetischen Gangrän, bei der Gewebe abstirbt, wird die Madentherapie auch bei Unterschenkelgeschwüren (Ulcus cruris) und bei entzündlichen Druckstellen (Dekubitus) angewendet. Die Madentherapie ist verschreibungspflichtig.

[Bearbeiten] Kostenübernahme durch Krankenkassen

Ein Satz magere Jungmaden kostet an die 200 Euro (Stand: November 2005). Bisher hieß es, daß Krankenkassen die Kosten hierfür nicht erstatten, weil dieses Heilverfahren in einem bestimmten Heilmittel-Katalog nicht enthalten sei. Andererseits hat es im Jahr 2005 vor dem Sozialgericht Kiel wegen der Übernahme der Kosten für die ausgesprochen erfolgreiche Fliegenmadenbehandlung einer sehr langwierigen Beinwunde einen Prozeß gegeben, bei dem die Krankenkasse zur Kostenübernahme verurteilt wurde.

[Bearbeiten] Literatur

  • Wim Fleischmann, Martin Grassberger (02.2002): Erfolgreiche Wundheilung durch Maden-Therapie. TRIAS Verlag ISBN 3830430116

[Bearbeiten] Weblinks

Bitte beachten Sie den Hinweis zu Gesundheitsthemen!

Kategorie:Chirurgie Kategorie:Therapie {{Lesenswert}}

[Bearbeiten] Eigenharnbehandlung

Die Eigenharnbehandlung (synonym für Eigenurintherapie) bezeichnet die Anwendung des eigenen (Morgen-)Urins zu paramedizinischen Zwecken. Sie wird von ihren Anhängern zur Naturheilkunde gerechnet und soll als eine Reizkörper- und Regulations-Therapie die körpereigenen Abwehrkräfte anregen (unspezifische Immuntherapie). Des Weiteren befänden sich im Urin Mineralien und körpereigene keimtötende Substanzen, weshalb er - nach Meinung der Anwender mit therapeutischem Effekt- auch auf Wunden geträufelt werden könne. Positive Effekte sind jedoch nicht nachgewiesen.

Urin ist, wenn er den Körper verlässt, eine nahezu sterile Flüssigkeit. Erst nach Verlassen des Körpers beginnen Bakterien mit dem Zersetzungsprozess und vermehren sich in ihm rasant.

[Bearbeiten] Geschichte

Schon bei den Naturvölkern war die Eigenharnbehandlung anzutreffen und ist somit weit mehr als 2500 Jahre alt. Hippokrates von Kós (460 v.Chr - 375 v.Chr) empfahl in seinen Schriften Urin zur Diagnostik und als Therapeutikum. In Deutschland fand diese Behandlung Anfangs des 18. Jahrhunderts eine umfassende Betrachtung in der "Hylsamen Drecksapotheke" (um 1714).

[Bearbeiten] Anwendung

Obwohl es keinen Nachweis eines positiven Effektes gibt, wird die Eigenharntherapie bei folgenden Krankheiten angewendet:

  • Eigenharn-Injektionen
Hierbei wird der Harn vor der Injektion untersucht, keimfrei gemacht und dann subkutan injiziert. Es gibt auch Methoden, bei denen nur die wirksamen Bestandteile extrahiert und dann ähnlich der Homöopathie aufbereitet werden.

[Bearbeiten] Kontraindikation

Nach Meinung der Experten sind die Risiken und Nebenwirkungen gering. Gefährlich wird es bei:

  • dekompensierten Herzkreislauf-, Leber-, Nierenerkrankungen
  • Diabetes
  • Bluthochdruck
  • konsumierenden Erkrankungen wie Tuberkulose
  • fortgeschrittener Krebserkrankung
  • Schilddrüsenüberfunktion
  • akuten Erkrankungen mit hohem Fieber

[Bearbeiten] Kosten

Die Kosten für eine Eigenharn-Injektion betragen 10 bis 20 Euro und werden von den Krankenkassen nicht übernommen.

[Bearbeiten] Literatur

  • Allmann, Ingeborg: Die Heilkraft der Eigenharn-Therapie
  • Abele, Johann: Die Eigenharnbehandlung
  • Armstrong, John W.: The Water of Life
  • Carmen Thomas: Ein ganz besonderer Saft, Urin
  • Carmen Thomas: Blick über den Zaun -Urin weltweit. vgs 1994 (über ETM Gmbh)
  • Carmen Thomas: Erfahrungen mit Urin - Briefe zum besonderen Saft. vgs 1996
  • Pechek-Böhmer, Flora: Urin-Therapie
  • Malachov, Gennadi: Urin-Therapie
  • Kluge, Heidelore: Urin, Heilquelle des Menschen
  • Hötting, Hans: Lebenssaft Urin
Bitte beachten Sie den Hinweis zu Gesundheitsthemen!


Kategorie:Alternativmedizin Kategorie:Esoterik

[Bearbeiten] Projekt Blinkenlights

Blinkenlights am Haus des Lehrers
vergrößern
Blinkenlights am Haus des Lehrers

Blinkenlights ist ein Ausdruck des internationalen Hackerjargons (Blinkenlights (Jargon)) und bezeichnet diagnostische Lampen an den Frontseiten von Computern. Der Ausdruck entstammt pseudo-deutschen humorigen Warnschildern, die in den 1970er Jahren gerne in amerikanischen Rechenzentren aufgehängt wurden.

[Bearbeiten] Projekt Blinkenlights

Blinkenlights vom Berliner Fernsehturm aus gesehen
vergrößern
Blinkenlights vom Berliner Fernsehturm aus gesehen

Im Jahre 2001 wurde der Name Blinkenlights als Titel für eine Lichtinstallation im Haus des Lehrers am Alexanderplatz in Berlin gewählt. Sie fand zum 20. Jahrestag der Gründung des Chaos Computer Club am 12. September 2001 statt und wurde von Mitgliedern des Clubs erdacht und realisiert.

Hinter den Fenstern der oberen 8 Etagen des Gebäudes wurden Baustrahler auf selbstgebauten Holzständern installiert. Die Baustrahler wurden über je ein Relais von einem zentralen Computer ein- und ausgeschaltet. Damit fungierten die insgesamt 144 Lampen als riesiger Bildschirm (8 Etagen mit je 18 Fenstern). Um die Fenster wie große Pixel wirken zu lassen, wurden sie von innen mit Wandfarbe angestrichen.

Mit der Software BlinkenPaint konnte jedermann selbst Animationen am eigenen Computer erstellen und sie per E-Mail einsenden. Die Einsendungen wurden der Playlist hinzugefügt und ergänzten sich zu einem abwechslungsreichen Programm, das die ganze Nacht über lief.

Mit Hilfe eines Mobiltelefons konnte man außerdem - alleine oder zu zweit - das Computerspiel Pong spielen. Persönliche Liebesbotschaften - die so genannten Blinkenlights Loveletters - konnten nach Einsendung per Telefon abgerufen werden.

Die Betriebssoftware von Projekt Blinkenlights ist unter der GPL veröffentlicht und wird für zahlreiche Nachbauten eingesetzt.

[Bearbeiten] Arcade

Die Installation wurde am 23. Februar 2002 abgeschaltet, jedoch während der Nuit Blanche in Paris in einer neuen Variante namens Arcade wieder aktiviert. Diese neue Variante, welche im Tour de Lois der Bibliothèque nationale de France installiert war, war fähig, bis zu acht Graustufen darzustellen. Neben Pong konnten hier auch die Computerspiele Pac-Man, Breakout und Tetris mit dem Telefon gespielt werden.

Mit 520 bespielten Fenstern (20 Etagen mit je 26 Fenstern) und einer 3.370 m² großen Gesamtleuchtfläche war Arcade eine der größten interaktiven Lichtinstallationen aller Zeiten.

[Bearbeiten] Blinkenlights Reloaded

Während des 20. Chaos Communication Congress wurde Blinkenlights im Haus des Lehrers unter dem Namen Blinkenlights Reloaded noch einmal für zwei Wochen betrieben. Hier kam die gleiche Graustufentechnik wie in Paris zum Einsatz.

[Bearbeiten] Blinken-lite

Am 2. und 3. Oktober 2004 wurde in einem neunstündigen Hack das Haus des Lehrers noch einmal mit einer einfachen Blinkenlights-Installation beleuchtet, nämlich mit einem pulsierenden Herz. Unter anderem bestand der Grund für dieses Unternehmen wohl darin, dass am Samstagabend auf dem Alexanderplatz ein Teil der 150. Folge der erfolgreichen Fernsehshow Wetten dass..? ausgestrahlt wurde.

[Bearbeiten] BlinkenArea

Die Blinkenlightsinstallationen haben viele Menschen animiert, Nachbau- und Folgeprojekte zu starten. So sind einige Blinkenlights-und Arcade-Nachbauten, Eigenentwicklungen sowie zahlreiche Softwareprojekte entstanden. Diese Projekte sind unter http://www.blinkenarea.org/ zu finden.

[Bearbeiten] Weblinks

Kategorie:Hacker Kategorie:Computerkunst

[Bearbeiten] Dümmster anzunehmender User

Der Begriff Dümmster Anzunehmender User (kurz DAU, angelehnt an die Abkürzung GAU) wird heutzutage von erfahrenen Computernutzern für Benutzer verwendet, die viele Fehler im Umgang mit Computern begehen, den Grund für diese aber bei anderen suchen. Die Abkürzung DAU hat sich dabei als Akronym eingebürgert.

[Bearbeiten] Verwendung

Ein DAU sucht üblicherweise die Schuld für jede Art von Problemen bei anderen, etwa bei Händlern, beim Hersteller des Produktes oder bei dem Experten, von dem sich der DAU hat beraten lassen. Weiteres wichtiges Merkmal ist, dass ein DAU seinen Fehler nicht eingesteht und auch nicht dazulernen will.

Keine DAU jedoch sind Benutzer, die keine Ahnung haben, sich dies aber eingestehen.

Des Weiteren findet die Abkürzung DAU in Foren Verwendung, hier weniger um unerfahrenen Umgang mit Hard- oder Software zu bezeichnen, sondern für allgemein penetrante Dummheit, welche in der Regel durch ein wenig Nachdenken behoben werden könnte.

[Bearbeiten] Herkunft

Der Begriff stammt ursprünglich aus dem Bereich des Projektmanagement, u.a. der Informationstechnik, und ist dort als wertfreie Bezeichnung für die Vorstellung der am Projekt Beteiligten von den zukünftigen Anwendern des Produkts gebräuchlich. Wenn z. B. einem Programm die Eigenschaft DAU-tauglich zu sein zugeschrieben wird, bedeutet dies, dass das Programm auch ohne Hintergrundwissen der zukünftigen Anwender benutzbar und von ihnen intuitiv anwendbar ist, und dass auch mögliche Fehlbedienungen eingeplant sind.

Aus diesem Hintergrund wird der Begriff auch als allgemeine Bezeichnung für Benutzer ohne Hintergrundwissen verstanden, was zu Missverständnissen führen kann, wenn abfällig über DAUs geredet wird. IT-Verantwortliche und IT-Dienstleistende bezeichnen unbequeme Anfrager und Kunden gerne auch als DAU, obwohl der Begriff in diesem Fall falsch eingesetzt wird. In der Softwareentwicklung taucht der Begriff gelegentlich auf, um die Relevanz von "narrensicheren" Benutzeroberflächen zu verdeutlichen.

[Bearbeiten] Synonyme und verwandte Begriffe

[Bearbeiten] Synonyme

Synonyme zu DAU sind auch

  • PEBKAC (Acronym)
    problem exists between keyboard and chair
    deutsch: Problem befindet sich zwischen Tastatur und Stuhl
  • PEBCAM (Acronym, Anlehnung an "Webcam")
    problem exists between chair and monitor
    deutsch: Problem befindet sich zwischen Stuhl und Monitor
  • PICNIC' (Acronym)
    problem in chair not in computer
    deutsch:
    Problem im Stuhl nicht im Computer
  • OSI Layer 8
    Bei einem "OSI Layer 8" liegt das Problem nicht zwischen den spezifizierten Schichten 1 bis 7 (physikalische bis Anwendungsschicht), sondern bei der erfundenen Schicht 8: dem Benutzer
  • UserNotQualifiedException
    deutsch: "Benutzer nicht qualifiziert"-Fehler
  • Das Problem sitzt vor der Tastatur
  • DVD (Depp vom Dienst)
  • KpnzG(Kunde passt nicht zum Gerät)
  • DAB(Dümmster anzunehmnder Benutzer )

[Bearbeiten] Luser

Der Luser ist ein im englischen Sprachraum gebräuchlicher Begriff, der sich aus den Wörtern Loser (Verlierer) und User (Benutzer) zusammensetzt. Er entstand um 1975 am MIT. Das dortige Computersystem zeigte vor dem Einloggen eine Statusmeldung, die unter anderem die Anzahl der eingeloggten Benutzer enthielt, zum Beispiel '10 users'. Einer der Anwender hackte das System, so dass es statt 'users' 'losers' anzeigte. Dadurch fühlten sich einige User angegriffen. In der Folgezeit wechselte der angezeigte Text ständig zwischen den beiden Begriffen bis irgendjemand als Kompromiss 'lusers' eintrug. Dabei blieb es dann.

Oft wird aber auch angegeben, dass der Begriff "luser" aus local user entstanden ist, möglicherweise ist dies aber ein Backronym.

[Bearbeiten] LART

Systemadministratoren verwenden zum Disziplinieren von DAUs gerne ein LART (Luser Attitude Readjustment Tool, deutsch: Werkzeug zur Neuausrichtung der Luser-Einstellung), auch DAU-Peitsche oder Kabelpeitsche genannt - ein (mehr oder weniger) imaginäres Gerät oder Verfahren, um die Haltung des DAUs der Erwartung des Administrators anzunähern.

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Weblinks

Kategorie:Netzkultur

[Bearbeiten] Esoterische Programmiersprache

Esoterische Programmiersprachen sind Programmiersprachen, die nicht für ernsthafte Programmierung, sondern meistens als anspruchsvolle Scherze gedacht sind. Eine einfache Bedienung ist selten, teilweise werden Sprachen konzipiert, um möglichst komplizierte Algorithmen oder unverständliche Syntax zu haben, oft aber auch um neue Ideen auszuprobieren, oder um Möglichkeiten aufzuzeigen.

Die Programmierer möchten möglichst knifflige Rätsel schaffen, schlichtweg mal was anders machen, sich die Zeit vertreiben oder auch die ernsten Grundsätze des Programmierens veralbern. Auch wenn einige dieser Sprachen ernsthafte Hintergründe haben können, werden sie von Geeks oft nur des Spaßes wegen erfunden.

In manchen Fällen wie Brainfuck werden konventionelle Spracheigenschaften so weit wie möglich entfernt, bis eine turingmaschinenähnliche Sprache übrig bleibt.

[Bearbeiten] Beispielsprachen

Bekanntere Beispiele sind:

  • Beatnik (Wörter stehen für ihre Scrabble-Werte)
  • Befunge (zweidimensionale Sprache)
  • Brainfuck (winziger Compiler)
  • Chef (Code sieht aus wie ein Kochrezept)
  • INTERCAL (sollte das Programmieren erschweren)
  • Java2K (Wahrscheinlichkeitstheoretische Sprache)
  • Malbolge (erklärtermaßen schlimmste Programmiersprache)
  • Piet (Programmcode besteht aus Bildern)
  • Ook! (Syntax besteht einzig und allein aus dem Wort „Ook“, sowie den Zeichen: .?!)
  • Shakespeare (Code sieht aus wie ein Stück von Shakespeare)
  • Whitespace (Code besteht nur aus nichtdruckbaren Zeichen)

Eine umfangreichere Aufzählung befindet sich in der Liste esoterischer Programmiersprachen.

[Bearbeiten] Weblinks

!

[Bearbeiten] Shakespeare (Programmiersprache)

Die Shakespeare Programmiersprache (engl. SPL) ist eine Esoterische Programmiersprache von Jon Åslund and Karl Hasselström. Wie die Programmiersprache Chef, ist sie erschaffen worden, um Programm-Code anders aussehen zu lassen, als gewöhnlich erwartet, in diesem Fall wie ein Drama von Shakespeare.

[Bearbeiten] Beispielcode

Dies ist ein Teil des Standard „Hello World“-Programms in SPL. Die Aussagen weisen den anderen Charakteren numerische Werte zu und „Speak your mind“ ist ein Befehl an den anderen Charakter den Wert auszugeben.

                    Act II: Behind Hamlet's back.

                    Scene I: Romeo and Juliet's conversation.

[Enter Romeo and Juliet]

Romeo:
 Speak your mind. You are as worried as the sum of yourself and the
 difference between my small smooth hamster and my nose. Speak your
 mind!

Juliet:
 Speak YOUR mind! You are as bad as Hamlet! You are as small as the
 difference between the square of the difference between my little pony
 and your big hairy hound and the cube of your sorry little
 codpiece. Speak your mind!

[Exit Romeo]

Siehe [18] für den vollständigen „Hello World“-Quelltext

[Bearbeiten] Siehe auch

  • Beatnik

[Bearbeiten] Weblinks

Kategorie:Esoterische Programmiersprache

[Bearbeiten] Brainfuck

Brainfuck ist eine sogenannte esoterische Programmiersprache, entworfen vom Schweizer Urban Müller um 1993. Die Sprache wird manchmal auch Brainf*ck, Brainf*** oder BF genannt.


[Bearbeiten] Allgemeines

Müllers Ziel war es, eine einfache Turing-vollständige Sprache zu entwerfen, welche mit einem möglichst kleinen Compiler übersetzt werden konnte - inspiriert wurde er dabei durch False, einer anderen esoterischen Programmiersprache, deren Compiler nur 1024 Byte groß war. Er schaffte es schließlich, die zweite Version seines Compilers für den Amiga in lediglich 240 Byte zu schreiben. Brian Raiter gelang es, dies zu unterbieten, indem er - unter Verwendung von nur 171 Bytes - einen BF-Compiler für x86 Linux schrieb.

[Bearbeiten] Sprachdesign

Ein BF-Programm ähnelt stark der formalen Definition einer Turingmaschine. Statt eines Lese-/Schreibkopfes auf einem Band, Zuständen sowie einem frei definierbarem Alphabet werden jedoch im Sinne einer iterativen Programmiersprache ein Zeiger auf ein Datenfeld, Schleifenkonstrukte und eine rudimentäre ALU verwendet. Der Programmcode wird dabei separat vom Datenfeld gespeichert. (siehe Harvard-Architektur)

[Bearbeiten] Befehlssatz

Brainfuck besitzt acht Befehle, jeweils bestehend aus einem einzigen Zeichen:

Zeichen C-Äquivalent Semantik
> ++ptr; inkrementiert den Zeiger
< --ptr; dekrementiert den Zeiger
+ ++*ptr; inkrementiert den aktuellen Zellenwert
- --*ptr; dekrementiert den aktuellen Zellenwert
. putchar(*ptr); Gibt den aktuellen Zellenwert als ASCII-Zeichen auf der Standardausgabe aus
, *ptr = getchar(); Liest ein Zeichen von der Standardeingabe und speichert dessen ASCII-Wert in der aktuellen Zelle
[ while (*ptr) { Springt nach vorne, hinter den passenden ]-Befehl, wenn der aktuelle Zellenwert null ist
] } Springt zurück, hinter den passenden [-Befehl, wenn der aktuelle Zellenwert verschieden von null ist

Anmerkung: Es gibt verschiedene semantisch äquivalente Varianten der letzten beiden Befehle, die hier angegebenen lassen sich jedoch am effizientesten implementieren.

[Bearbeiten] Turing-Vollständigkeit

Für verschiedene BF-Umgebungen wurde Turing-Vollständigkeit bewiesen:

Bei einer BF-Variante mit endlicher Zellgröße sowie endlicher Feldgröße (z.B. BFmin) handelt es sich um einen endlichen Automaten; sie kann somit nicht turingvollständig sein.

[Bearbeiten] Beispielprogramme in Brainfuck

[Bearbeiten] Hello World!

Das folgende Programm gibt „Hello World!" und einen Zeilenumbruch aus.

++++++++++
[
   >+++++++>++++++++++>+++>+<<<<-
] Schleife zur Vorbereitung der Textausgabe
>++. Ausgabe von 'H'
>+. Ausgabe von 'e'
+++++++. 'l'
. 'l'
+++. 'o'
>++. Leerzeichen
<<+++++++++++++++. 'W'
>. 'o'
+++. 'r'
------. 'l'
--------. 'd'
>+. '!'
>. Zeilenumbruch

Zur besseren Lesbarkeit ist dieser Brainfuckcode auf mehrere Zeilen verteilt und kommentiert worden. Brainfuck ignoriert alle Zeichen, die keine Brainfuckbefehle sind. Alle Zeichen mit Ausnahme von +-<>[],. können deswegen zur Kommentierung der Quellcodes genutzt werden.

Zunächst wird die erste (die „nullte“) Zelle des Datenfelds auf den Wert 10 gesetzt (a[0] = 10). Die Schleife am Anfang des Programmes errechnet dann mit Hilfe dieser Zelle weitere Werte für die zweite, dritte, vierte und fünfte Zelle. Für die zweite Zelle wird der Wert 70 errechnet, welcher nahe dem ASCII-Wert des Buchstaben 'H' (ASCII-Wert 72) liegt. Die dritte Zelle erhält den Wert 100, nahe dem Buchstaben 'e' (ASCII-Wert 101), die vierte den Wert 30 nahe dem Wert für Leerzeichen (ASCII-Wert 32), die fünfte den Wert 10, welches dem ASCII-Zeichen „Line Feed“ entspricht und als Zeilenumbruch interpretiert wird (oder werden sollte, siehe dazu den Abschnitt „Implementierungen“).

Die Schleife errechnet die Werte, indem einfach auf die zu anfangs mit 0 initialisierten Zellen a[0]-mal 7, 10, 3 und 1 addiert wird. Nach jedem Schleifendurchlauf wird a[0] dabei um eins verringert, bis es den Wert 0 hat und die Schleife dadurch beendet wird.

Am Ende der Schleife hat das Datenfeld dann folgende Werte: a[0] = 0 a[1] = 70 a[2] = 100 a[3] = 30 a[4] = 10

Als nächstes wird der Zeiger auf die zweite Zelle des Datenfelds (a[1]) positioniert und der Wert der Zelle um zwei erhöht. Damit hat es den Wert 72, welches dem ASCII-Wert des Zeichen 'H' entspricht. Dieses wird daraufhin ausgegeben. Nach dem selben Schema werden die weiteren auszugebenden Buchstaben mit Hilfe der durch die Schleife initialisierten Werte, sowie der bereits verwendeten Werte, errechnet.

[Bearbeiten] Grundlagen der Programmierung in Brainfuck

Anmerkung: Obwohl die Zeichen // wie die aus anderen Programmiersprachen bekannten Kommentare aussehen, sind es keine. Deshalb wird das Pluszeichen in n+1 als ein Inkrementierbefehl ausgewertet. Die unten angegebenen Beispiele funktionieren daher nur, wenn man die Kommentare aus dem Programmtext löscht.

[Bearbeiten] Schleifen

Schleifen beginnen mit [ und enden mit ]. Die Schleife wird solange ausgeführt, wie der Wert der aktuellen Zelle ungleich Null ist. Die einfachste Form ist die Nullschleife, die die aktuelle Zelle dekrementiert, bis diese Null ist:

 [-]

[Bearbeiten] Rechenoperationen

  • Verschieben des Wertes einer Zelle in die nächste (zuerst Nullsetzung der Folgezelle, dann in einer Schleife Inkrementierung der Folgezelle, gleichzeitige Dekrementierung der aktuellen):
 >[-]<[>+<-]
  • Kopieren eines Wertes erfolgt durch das verschieben in 2 Folgezellen und anschließendes Zurückverschieben:
 >[-]>[-]            // nur notwendig wenn die beiden Variablen nicht leer sind
 <<[>+>+<<-]         // verschiebe Inhalt von Zelle n nach Zellen n+1 und n+2
 >>[<<+>>-]          // verschiebe Inhalt von Zelle n+2 nach Zelle n
 <<                  // gehe wieder auf Zelle n
  • Addition: p[1] = p[1] + p[0]; Nebeneffekt: p[0] = 0
 [>+<-]
  • Subtraktion: p[1] = p[1] - p[0]; Nebeneffekt: p[0] = 0
 [>-<-]
  • Multiplikation mit einer Konstanten: p[1] = p[0] * 5; Nebeneffekt: p[0] = 0

Es wird eine normale Verschiebung durchgeführt, wobei die Zielzelle nicht jeweils um eins, sondern um den entsprechenden Faktor erhöht wird.

 [>+++++<-]
  • Multiplikation mit einem Zellenwert: Hier wird der 2. Faktor wiederholt zum Produkt mittels obiger Kopierfunktion addiert:
 p[2] = p[0] * p[1]; Nebeneffekt: p[0] = p[3] = 0
 [>[>+>+<<-]>>[<<+>>-]<<<-]
  • Potenzieren: Eine Zahl mit +++ in eine Zelle zu schreiben, wird spätestens ab zweistelligen Zahlen mehr als aufwändig. Also behilft man sich mittels Potenzen:
 p[2] = 5^3 = 125; Nebeneffekt: p[0] = p[1] = 0
 +++++[>+++++[>+++++<-]<-]
  • Division funktioniert am einfachsten als restlose Division, alles andere resultiert in dem Fall in einer Endlosschleife. Die Idee ist ansonsten dieselbe wie bei der Multiplikation:
 p[1] = p[0] / 5; Nebeneffekt: p[0] = 0
 [>+<-----]
  • Restbehaftete Division in Brainfuck ist hingegen etwas komplizierter:
 // Der C-Code zum nachfolgenden Brainfuck-Programm
 while(p[0]--) {
   p[1]--; 
   p[2]++;
   if(p[1] == 0) {
     p[3]++;
     p[1] = p[2];
     p[2] = 0;
   }
 }
 // p[2] = p[0] % p[1]
 // p[3] = p[0] / p[1]
 // Nebeneffekt: p[0] = 0; p[1] = p[1] - p[0] % p[1]
 >>[-]>[-]>[-]>[-]<<<<<[->>+<-[>>>]>[[<+>-]>+>>]<<<<<]

[Bearbeiten] Weiteres

Weiterhin existiert die Programmiersprache Brainfuck2D, die das Brainfuck-Konzept in einen 2-dimensionalen Zeichenraum portiert. Dabei wird mit Textzeichen eine Schnur gebildet, deren Richtung den entsprechenden Brainfuck-Befehl angibt, wobei die Länge unbedeutend für die Anzahl der Aufrufe ist. Ein Befehl wird entsprechend der Summe aller Ziffern auf seinem Abschnitt wiederholt. So ist +********* der gleiche Befehl wie +; +93*** führt den Befehl jedoch zwölf Mal aus (9+3=12). Der Befehl +0**** wird nicht interpretiert, da er null Mal ausgeführt wird. Auf diese Weise kann man sich Platz für seine Schnur verschaffen, sollte dieser einmal nicht reichen. Ist der Verlauf der Schnur für den Interpreter nicht eindeutig erkennbar oder endet die Schnur, wird das Programm beendet.

Eine weitere, nicht ganz ernst gemeinte Variante von Brainfuck ist Ook!.

[Bearbeiten] Weblinks

[Bearbeiten] Implementierungen

Da Brainfuck keine standardisierte Programmiersprache ist, kann es zu Inkompatibilitäten kommen. Diese betreffen am häufigsten die verschiedenen Zeilenumbruchformate der Betriebssysteme Windows und Unix, sowie deren unterschiedliche Zeichencodes für die Eingabetaste. Da die meisten Brainfuckprogramme auf Unix-Umgebungen ausgelegt sind, werden im Folgenden die Implementierungen als „kompatibel“ bezeichnet, die diese Programme ausführen können. „Inkompatible“ Implementierungen sind dagegen auf Windows festgelegt und können die meisten Brainfuckprogramme, darunter auch die von Urban Müller, nicht korrekt übersetzen.

[Bearbeiten] Kompatible Implementierungen

[Bearbeiten] Inkompatible Implementierungen

[Bearbeiten] Weitere Links

Kategorie:Esoterische Programmiersprache

[Bearbeiten] Godwins Gesetz

Godwins Gesetz, im englischen Godwin’s Law ist ein geflügeltes Wort der Internetkultur, das von Mike Godwin 1990 geprägt wurde. Es besagt, dass im Verlaufe endloser Diskussionen, beispielsweise in Usenet-Newsgroups, irgendwann jemand einen Nazivergleich oder einen Vergleich mit Hitler einbringt. Einen ähnlichen Sachverhalt bezeichnete Martin Walser als Auschwitzkeule.

Der Begriff Gesetz wird hierbei im Sinne von Naturgesetz gebraucht. Üblicherweise wird die Diskussion nach einem Nazivergleich zwar beendet, jedoch keine Einigkeit erzielt. Derjenige, der die Nazis erwähnte oder seinen Diskussionsgegner als solchen bezeichnete, hat sich damit selbst disqualifiziert, egal worum es ging. Godwins Gesetz stellt sicher, dass jede Diskussion irgendwann ein Ende findet.

Eine absichtsvolle Beschwörung von Godwins Gesetz im Hinblick auf seine diskussionsbeendende Wirkung ist jedoch meist zum Scheitern verurteilt.

[Bearbeiten] Erstmalige Formulierung

Als das vermeintliche Gesetz in den frühen 1990ern bekannt wurde, war Godwin juristischer Berater der Electronic Frontier Foundation. Richard Sexton behauptet, dass das Gesetz eine Formalisierung seines Postings vom 16. Oktober 1989 [19] sei:

„Man kann eine Usenet-Diskussion als beendet bezeichnen, wenn einer der Teilnehmer Hitler und die Nazis herauskramt.“

Im strengen Sinne ist dies jedoch nicht so, da der tatsächliche Text von Godwins Gesetz nicht feststellt, dass ein solcher Verweis oder Vergleich die Diskussion „alt“ macht oder – wenn wir schon an diesem Punkt sind – dass ein solcher Verweis oder Vergleich bedeutet, dass die Diskussion vorbei ist.

Weil Godwin den im Usenet weitverbreiteten Diskussionsstil, seine Diskussionsgegner mit Nazivergleichen zu diskreditieren, unlogisch und anstößig fand, richtete er das Gesetz als ein Gegen-Mem ein. Sein Ziel war es nicht, Diskussionen zu beenden (oder sie sogar als „alt“ einzustufen), sondern Diskussionsteilnehmer darauf zu sensibilisieren, ob ein Vergleich mit den Nazis oder Hitler angemessen oder bloß eine rhetorische Übertreibung ist.

[Bearbeiten] Erweiterungen und alternative Formulierungen

Verschiedene Zusätze und Nachträge zu Godwins Gesetz sind von Internetnutzern vorgeschlagen worden, obwohl der Originalverweis zu den Nazis der beliebteste bleibt. Einige haben wie Godwins Gesetz einen wahren Kern, die meisten sind aber eher scherzhaft gemeint.

Addenda zum Gesetz umfassen:

Morgans Korollar zu Godwins Gesetz
Sobald ein solcher Vergleich aufkommt, wird jemand eine Nazi-Diskussion in alt.censorship beginnen.
Sircars Korollar
Wenn die Usenet-Diskussion die Themen Homosexualität oder Heinlein berührt, werden die Nazis oder Hitler binnen drei Tagen erwähnt.
Cases Korollar
Wenn das Thema Heinlein oder Homosexualität ist, wird die Wahrscheinlichkeit eines auftretenden Hitler/Nazi-Vergleichs gleich Eins.
Van der Leuns Korollar
Weil die globale Vernetzung steigt, wird die Wahrscheinlichkeit eines auftretenden Hitler/Nazi-Vergleichs gleich Eins.
Millers Paradoxon
Während sich ein Netzwerk entwickelt, konvergiert die Zahl von Nazivergleichen, denen nicht durch Zitat von Godwins Gesetz zuvorzukommen war, gegen Null.

[Bearbeiten] Alternativen zum Nazivergleich

Wo in einer Diskussion ein Hitler- oder Nazivergleich vermieden werden soll oder obsolet geworden ist, wird nicht selten zu qualitativ ähnlichen Vergleichen mit Stalin, dem Stalinismus, Sozialismus oder Kommunismus gegriffen. Weitere Möglichkeiten sind Honecker, Ulbricht, Karl-Eduard von Schnitzler, Ceausescu, Castro, Nordkorea, die Volksrepublik China. Oder es werden Vergleiche mit für kommunistisch gehaltenen oder aus anderen Gründen unbeliebten oder geächteten Personen, Organisationen und Ländern durchgeführt wie den Roten Khmer, der Roten Armee Fraktion (RAF), den Roten Brigaden, Slobodan Miloševic, Al-Qaida, den Taliban, George W. Bush, Saddam Hussein etc. Bemerkenswert ist, dass Michael Godwin 1990 ausgerechnet dieser Vergleich, als die Befreiung vom Kommunismus und der darauf folgenden Öffnung der Aktenschränke aktuell war, nicht eingefallen ist.

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Weblinks und Referenzen (engl.)

Kategorie:Kommunikation Kategorie:Usenet Kategorie:Netzkultur Kategorie:Satire

[Bearbeiten] Lena (Testbild)

Lena (auch Lenna) ist eines der meistverbreiteten Testbilder in der digitalen Bildverarbeitung. Es kommt zum Einsatz, wann immer die Funktionsweise eines Algorithmus demonstriert wird, zum Beispiel in Lehrbüchern oder Folienvorträgen. In diesem Zuge hat Lena in Informatikerkreisen einen gewissen Kultstatus erreicht.

Das Bild eignet sich unter anderem deshalb so gut als Testobjekt, weil es gleichermaßen aus großen, einfachen Flächen und Flächen mit vielen Details besteht.

Das ursprüngliche Lena-Bild stammt aus der Ausgabe des Männermagazins Playboy von November 1972. Es zeigt das schwedische Playmate Lena Sjööblom (vom Playboy „Lenna“ genannt). Das Original des als Testbild verwendeten Ausschnitts liegt in der Bilder-Datenbank des Signal & Image Processing Institute der University of Southern California (USA). Es misst 512 × 512 Pixel und hat eine Größe von 768 kB.

Über die dargestellte Lena Sjööblom ist bekannt, dass sie am 31. März 1951 in Schweden geboren wurde, 1988 durch den Journalisten einer Computerzeitschrift von der Zweckentfremdung ihres Fotos erfuhr und 1997 zum 50. Geburtstag der Konferenz der Society for Imaging Science and Technology eingeladen wurde, wo sie Autogramme gab und für Erinnerungsfotos zur Verfügung stand. Sie ist verheiratet und hat drei Kinder.

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Weblinks

Kategorie:Computergrafik

[Bearbeiten] Utah-Teekanne

Utah-Teekanne, mit PovRay 3.5 von Finlay McWalter erstellt.
vergrößern
Utah-Teekanne, mit PovRay 3.5 von Finlay McWalter erstellt.

Die so genannte Utah-Teekanne (englisch: Utah teapot) gehört zu den ältesten und bekanntesten Objekten der 3D-Computergrafik. Es handelt sich um ein einfaches rundes, teilweise konkaves mathematisches Modell einer Teekanne (der Innenhohlraum wurde nicht berücksichtigt). Martin Newell entwickelte sie 1975 im Rahmen seiner computergrafischen Forschungsarbeit an der Universität von Utah.

Newell benötigte ein einfaches mathematisches Modell eines Gebrauchsgegenstandes für seine Arbeit, und die Melitta-Teekanne seiner Frau schien geeignet: Die Form hat einige für die damaligen Zwecke notwendigen Eigenschaften; sie ist rund, hat Sattelpunkte und konkave Elemente (das Loch im Griff) und sieht auch ohne aufwändige Oberflächentextur recht ansprechend aus.

Nachdem Newell die mathematischen Formeln (überwiegend dreidimensionale Koordinaten) für das Modell entwickelt hatte, übernahmen andere Forschungsgruppen das Modell für ihre Arbeit, so dass das Objekt zu einem Referenzmodell für Computergrafik wurde, auch wenn das Rendern von dreidimensionalen Objekten später nicht mehr so viel Rechnerleistung beanspruchte, wie es das 1975 tat.

In Computerzeitschriften wurden über die Jahre regelmäßig Varianten der Teekanne präsentiert, und bekannte 3D-Softwareprogramme enthalten heute meist Beispielbilder oder -szenen, die die Teekanne enthalten. Die OpenGL-Grafikbibliothek GLUT enthält sogar eine Funktion namens glutSolidTeapot() und das renommierte 3D Animations Programm "3d Studio Max" enthält bis heute die Teekanne als Grundkonstruktionsobjekt in einer Ebene mit dem Zylinder und dem Quader.

Inzwischen hat sich die Teekanne zu einer Art Running Gag in der Computergrafikszene entwickelt und das Modell wurde in den ersten computeranimierten Kurzfilmen und später auch in großen Kinofilmen „versteckt“. Die Teekanne ist in Die Monster AG, Toy Story und in der Disney-Produktion von Die Schöne und das Biest zu „entdecken“. Auch im Computerspiel Serious Sam: The Second Encounter ist sie im Rahmen einer Benchmark-Spielstufe zu finden. Außerdem findet sie sich im Windows-Bildschirmschoner „3D-Rohre“, wo sie zufallsgesteuert (sehr selten) anstatt einer normalen Eckverbindung der Rohre dargestellt wird.

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Weblinks

Kategorie:3D-Computergrafik

[Bearbeiten] Bastard Operator From Hell

Der Bastard Operator From Hell (BOFH), zu deutsch etwa: Mistkerl-Systemadministrator aus der Hölle, ist eine jener Internetlegenden, über die man früher oder später stolpert. Die von Simon Travaglia geschriebene Geschichte um einen SysOp, der genau weiß, wie er seine User in Schach hält, gehört heute zur Pflichtlektüre angehender Systemadministratoren.

In Travaglias Geschichten wird der BOFH immer wieder von seinen Benutzern genervt, mit mehr oder weniger sinnvollen Fragen. Aus Rache, und damit die Benutzer ihn nicht weiter nerven, quält er sie – manchmal bis in den Tod. Als Inspiration nimmt er dabei den Ausredenkalender BOFH Excuse. Die häufigste Art der Tortur besteht darin, alle Dateien des Benutzers zu löschen. Dass die Backups unbrauchbar oder inexistent sind, dafür sorgt der BOFH ebenfalls.

Zahlreiche im Netz verfügbare Kopien sind mit folgendem Satz überschrieben:

Gefunden auf einem neuseeländischen FTP-Server zu einer Zeit, als die meisten von euch noch nicht mal wußten, dass man Komputer mit K schreibt.

Es gibt zahlreiche ähnliche Geschichten, die von BOFH abgeleitet wurden. Eine deutschsprachige Adaption von Florian Schiel ist der Bastard Assistant from Hell (B.A.f.H.), der seit geraumer Zeit mehr oder minder regelmäßig in einer Mailingliste seinen Arbeitskollegen das Leben schwer macht.

Der BOFH hat Begriffe wie LART – Luser Attitude Readjustment Tool – oder auch den Luser – eine Wortverbindung aus Loser (englisch für „Verlierer“) und dem User (englisch für „Benutzer“) eingeführt.

[Bearbeiten] Literatur

  • Simon Travaglia: Bastard Operator from Hell, Plan Nine Publishing, ISBN 1-929462-17-4.
  • Simon Travaglia: Bastard Operator from Hell II: Son of the Bastard, Plan Nine Publishing, ISBN 1-929462-40-9.
  • Florian Schiel: Bastard Assistant from Hell. (B. A. f. H.). Ein Anti-Idyll, Schwarten Verlag, 1999, ISBN 3-929303-09-4.
  • Florian Schiel: B.A.f.H., Bastard Assistant from Hell, Goldmann, 2001, ISBN 3-442451-60-4.
  • Florian Schiel: Bastard Assistant Goes Overseas. Die USA-Wochen des berüchtigten Uni-Assistenten, Schwarten Verlag, 1998, ISBN 3-929303-12-4.

[Bearbeiten] Weblinks

[Bearbeiten] Siehe auch

  • Unix-Humor

Kategorie:Fiktive Person

[Bearbeiten] Blue Screen Of Death

Blue Screen Of Death
vergrößern
Blue Screen Of Death

Blue Screen Of Death (zu deutsch: Blauer Bildschirm des Todes; kurz auch BSOD) ist eine scherzhafte Beschreibung einer bestimmten Kategorie von Fehlermeldungen des Betriebssystems Microsoft Windows. Dabei wird die Bedienoberfläche des Betriebssystems vollständig durch einen blauen Bildschirm ersetzt, auf dem in weißer Schrift Fehlerinformationen erscheinen.

Ausgelöst werden diese Meldungen nicht durch Fehler in Anwendungsprogrammen, sondern durch Fehler in Gerätetreibern oder in der Hardware (z. B. Grafikkarte, Motherboard, Netzwerkkarte oder Speicher).

Geräte- und andere Hardwaretreiber werden in einem privilegierten Modus (Kernel mode) ausgeführt, wobei sie Zugriff auf Systemspeicherbereiche haben. Schreibt ein fehlerhafter Gerätetreiber Daten in einen Speicherbereich, der von anderen Systemteilen (auch anderen Gerätetreibern) benutzt wird, oder kann er wegen eines Hardwarefehlers nicht dorthin schreiben, so wird die Systemintegrität verletzt. Wenn das System in solchen Fällen weiterlaufen würde, bestünde die Gefahr der irreversiblen Zerstörung von Daten auf der Festplatte oder der Beschädigung von Hardware-Komponenten. Daher wird das System sofort angehalten und ist nicht mehr bedienbar, was wiederum ebenfalls nachteilige Wirkung auf die Datenintegrität haben kann.

Bei modernen Motherboards (siehe auch ATX) kann auch eine Überhitzung des Prozessors zu einem Blue Screen of Death führen, da die Temperaturkontrolle den Prozessor in den HALT-Modus setzt.

In den Windows-9x-Versionen sind diese Meldungen zur Problemlösung ungeeignet, da dem Anwender kaum Informationen mitgeteilt werden. Mit der Einführung von Windows NT 4.0 wird eine Fehlernummer und Fehlerbezeichnung angezeigt und zudem vier Zahlenwerte, mit deren Hilfe erfahrene und fachkundige Anwender unter Zuhilfenahme der Microsoft-Internetseite meist Fehlerursachen ausmachen können. Windows kann auch so konfiguriert werden, dass der Inhalt des Arbeitsspeichers auf die Festplatte geschrieben wird.

Bei MS-DOS-basierenden Windows-Versionen erfordert diese Meldung häufig, bei Windows NT-basierenden immer einen Neustart des Systems. In den „Home“-Versionen von Windows XP (Service Pack 1 und 2) wurde der erforderliche manuelle Neustart in der Standard-Konfiguration durch einen automatischen Neustart ersetzt; in kritischen Situationen kann dies jedoch zur Verklemmung (deadlock) des Systems führen. Dies gilt auch für Windows 2000. Erhält man auf einem Windows NT-basierenden Windows einen Bluescreen, so wurde das System noch sauber beendet.

[Bearbeiten] Weblinks

Commons: Blue Screen Of Death – Bilder, Videos und/oder Audiodateien

Kategorie:Microsoft Kategorie:Windows Kategorie:Benutzerschnittstelle

Vorlage:Navigationsleiste Computerabstuerze

[Bearbeiten] Engrish

Engrish ist die leicht humoristische Bezeichnung für insbesondere von Asiaten gesprochenes/geschriebenes fehlerhaftes Englisch. Häufig bezieht sich der Begriff Engrish auf syntaktisch und/oder orthographisch nicht korrekte englischsprachige Schlagwörter oder Sätze. Nicht selten werden besonders in Japan englischsprachige Sätze (und zunehmend auch die wohl noch exotischer wirkenden griechischen Buchstaben) z.B. in der Werbung und Populärkultur als Designelement benutzt und oft unverstanden falsch niedergeschrieben. Die Entstehung von lautmalerischen Fehlern ist durch die von dem lateinischen Alphabet unterschiedlichen Schriftsysteme begünstigt. Ein anderes Beispiel sind Hong-Kong-Raubkopien japanischer Zeichentrickfilme (Animes), die dort oft sehr schlechte, nur entfernt an Englisch erinnernde Untertitel erhalten haben, weil jemand mit guten Japanisch-, aber schlechten Englischkenntnissen hastig übersetzt hat. Eine Herausforderung, die wiederum zum Reiz beiträgt (Trashfaktor).

Das Wort Engrisch selbst spielt auf den Umstand an, dass Menschen aus Ostasien beim Umgang mit der englischen Sprache in Wort und Schrift häufig die Buchstaben R und L, die phonetisch sehr nahe beeinander liegen, verwechseln: in einer Reihe ostasiatischer Sprachen, wie der japanischen, einigen chinesischen und regional der thailändischen, gibt es die Buchstaben R und L als solche nicht. Es gibt in diesen Sprachen jeweils nur einen Laut aus diesem Phonem-Raum (dieser Laut ist allerdings in den betreffenden Sprachen nicht notwendigerweise der gleiche). Weil Sprecher solcher Sprachen daher normalerweise keinen Umgang mit den Phonemen R und L haben, ist es für sie meist nicht nötig und daher in Folge mangelnder Übung auch nicht möglich, sie auseinander zu hören oder den betreffenden Laut westlicher Sprachen korrekt auszusprechen.

Vor diesem Hintergrund kommt es häufig zur fehlerhaften Niederschrift von englischen Wörtern, wobei eine Verwechslung von R und L für sich genommen der häufigste, aber keineswegs der einzige Fehler ist. Andere Beispiele sind konzeptueller Art, wie bei Wörtern, die in jeweils einer Bedeutung Eins-zu-eins-Übersetzungen sind, im gewählten Kontext aber zu krassen und komischen Bedeutungsverschiebungen führen. Ein Beispiel für einen bekannt gewordenen engrishen Satz ist etwa: "All your base are belong to us".

Engrische Wörter werden gerne von englischsprachigen Asien-Touristen und Expats untereinander ausgetauscht, mitunter auch spaßeshalber absichtlich benutzt. Ein Hinweis auf die betreffenden Fehler gegenüber den "Engrish sprechenden" Asiaten führt dagegen fast immer zu einer unverzüglichen Korrektur.


[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Weblinks

Kategorie:Englische Sprache Kategorie:Japanische Sprache Kategorie:Mischsprache Kategorie:Englischvariante

[Bearbeiten] Fnord

Fnord ist ein Kunstwort, das von Robert Anton Wilson erfunden und durch die Illuminatus-Trilogie und begleitende Veröffentlichungen (wie die Principia Discordia – welche nicht von Wilson verfasst wurde) bekannt wurde. Es bezeichnet bewusste, aber allgemein schwer erkennbare Desinformation in Texten beziehungsweise in den Massenmedien. FNORD kann auch als Abkürzung für engl. Federal Network Organism Responsible for Destruction (dt. etwa „Für Zerstörung verantwortlicher föderaler Netzwerkorganismus“) gelesen werden; diese Bedeutung fällt ebenfalls in den hier besprochenen Rahmen von Desinformation.

Die bizarre Lautgestalt (anlautendes fn kommt in europäischen Sprachen selten vor) verweist auf eine paradoxale, fiktive Entität: Ein geheimes und unsichtbares Signal in Texten soll uneingeweihte Leser manipulieren (etwa zum Überlesen der so markierten Stelle zwingen) und nur für Eingeweihte (Illuminierte = „Erleuchtete“) sichtbar sein. Bei uneingeweihten Lesern verursacht es ein Gefühl der Verwirrung und Beunruhigung (siehe auch Fear, Uncertainty and Doubt).

Fnord verweist auf die klassische Technik aller mystifizierenden Desinformation, nämlich die Glaubwürdigkeit und Unangreifbarkeit eines Beweises (hier: die Existenz von Fnords) gerade dadurch zu untermauern, dass er für Ungläubige und Kritiker unverständlich oder unsichtbar bleiben müsse. Fnord ist nicht nur zum Insiderwitz der Verschwörungstheoretiker, Diskordianer und Illuminatus-Leser geworden, sondern wird darüber hinaus auch in Hacker-Kreisen und im Usenet verwendet, so zum Beispiel auch als Name für eine Webserver-Software.

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Weblink

Kategorie:Verschwörungstheorie Kategorie:Diskordianismus

[Bearbeiten] Heavy-Metal-Umlaut

Unter einem Heavy-Metal-Umlaut (auch englisch: röck döts) versteht man Umlaute im Namen einer (Metal-)Band. Umlaute und andere diakritische Zeichen geben dem (meist englischsprachigen) Bandnamen ein fremdartiges Erscheinungsbild, man spricht sogar von "Germanischer Härte". In die Aussprache des Namens fließt der Umlaut nicht mit ein.

[Bearbeiten] Entwicklung

Im Jahre 1969 veröffentlichte die deutsche Krautrock-Band Amon Düül ihr erstes Album. Allerdings ist die Verwendung von Umlauten hier durchaus noch relevant für die Aussprache: Amon steht für den ägyptischen Sonnengott, Düül ist eine türkische Sagengestalt.

Der willkürliche Umlaut in der Rockmusik wurde 1970 durch Blue Öyster Cult eingeführt. Man streitet sich zwar, ob der Gitarrist Allen Lanier oder der Produzent und Manager Sandy Pearlman die Idee hatte, aber man ist sich einig, damit die wagnerianischen Aspekte der Musik beschreiben zu wollen.

Motörhead und Mötley Crüe sollten die nächsten sein. Der Umlaut in Motörhead war eine Schöpfung des Grafikers, der das Cover für ihr erstes Album anfertigte: "Weil es einfach böse aussieht." (I. Kilmister, Sänger und Bassist). Am Gebrauch hielt man fest. Angeblich stammen die Umlaute bei Mötley Crüe von deren Lieblingsgetränk Löwenbräu.

Queensrÿche versahen den Buchstaben y mit zwei Punkten.

Die Umlautmanie der Rocker wurde durch Underground Zerø fortgesetzt, die das Sprachspiel auf die skandinavischen Sprachen ausdehnten.

Die Scherz-Band Spin¨al Tap setzten die Umlautzeichen über das N, einen Konsonanten. Diese ungewöhliche Konstruktion findet sich bisher nur in der Sprache Jacaltec in Guatemala, und die Schreiber des Drehbuchs zum Film This is Spin¨al Tap haben davon vermutlich nichts gewusst.

[Bearbeiten] Sprachen mit Umlauten

Viele Sprachen, die sich der Diakritika bedienen (z.B. Deutsch, Schwedisch, Türkisch, ...), beschreiben damit bestimmte Laute und verleihen den Wörtern nicht etwa einen emphatischen oder gar bösen Charakter. In vielen Sprachen wird ein hinterer Vokal durch Pünkchen zu einem vorderen Vokal (o->ö, ...), was dem Laien sogar als weicherer Klang vorkommen mag, so daß die bösgemeinten Umlaute wie eine Verniedlichung wirken können.

Auch besteht hier die Gefahr, dass die Umlaute in die Aussprache einfließen, wie die dadurch etwas verwirrten Mötley Crüe auf einer Deutschland-Tournee feststellten, als das Publikum "Mötley Crüe" skandierte, aber eben so, wie wenn man es auf Deutsch lesen würde.

[Bearbeiten] Der Heavy-Metal-Umlaut in der Popularliteratur

Vor allem englischsprachige Autoren verwenden in Szene-bezogenen Werken gerne diese fremdartigen Zeichen. In den Comic-Strips von Berkeley Breathed gibt es die Band Deathtöngue, die Songs wie "Let's run over Lionel Richie with a tank" zum Besten gibt.

Die Novelle Zodiac von Neal Stephenson beschreibt auch die fiktive Band Pöyzen Böyzen, die eine Person im Buch als "nicht so schlecht für eine Band mit zwei Umlauten" beschreibt.

1997 brachte die Satire-Zeitschrift The Onion einen Artikel mit dem Titel "Ünited Stätes Toughens Image With Umlauts" heraus. In dem Artikel geht es darum, dass eine Initiative im Kongress den Vorschlag einbrachte, mit den Umlauten im Namen würde eine quasi-metallische Härte dargestellt.

Der Journalist und Autor Steve Almond nannte sein Buch "Spandex and umlaut circuit", in dem er 2002 den Touralltag im Metal-Business beschrieb.

Der Rock-Kritiker Chuck Klostermann untertitelte 2003 sein Buch "Fargo Rock City" mit "A Heavy Metal Odyssee in Rural Nörth Daköta".

[Bearbeiten] Weitere Bands mit diakritischen Zeichen im Namen

Diese Liste hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit, viele in Europa unbekannte Bands wurden aus der englischen Wikipedia übernommen.

  • Die Metal-Band Fates Warning nannte ihr erstes Album "Night on Bröcken". Damit war der Hexenberg in Deutschland gemeint, der Umlaut diente der Coolness.
  • Die Grindcore-Band Assück aus Florida
  • Die New Yorker Glamrockgruppe Toilet Böys, deren Sänger Guy als Transvestit auftritt.
  • The Crüxshadows, eine Gothic-Band, ebenfalls aus Florida
  • Die australische Black- und Thrash Metal-Combo Deströyer 666
  • Die kalifornische Hardcoreband Circle Jerks brachten 1986 die LP "Wönderful", eine Heavy-Metal-Parodie heraus, auf der sie Lieder wie "American Heavy Metal Weekend" zum Besten geben.
  • Die Ärzte verwenden seit Erscheinen des Albums "Geräusch" drei Punkte über dem A, was aber von Fans auch als Parodie auf den Heavy-Metal-Umlaut angesehen wird. Auf manchen Merchandising-Artikeln wurden die drei Punkte durch Abbildungen der Köpfe der drei Bandmitglieder ersetzt.
  • King Køng, eine Punkband unter Beteiligung von Jan Vetter „Farin Urlaub“, wurde eigentlich "King Kong" gesprochen, was diverse Moderatoren allerdings nicht störte.
  • Hüsker Dü aus Minneapolis, eine Vorreiter-Gruppe der Punk- und Alternative-Szene. Sie peppten eine dänische Floskel (ungefähr "Erinnerst Du Dich") mit Umlauten auf. Einen ähnlichen Namen trägt die Punkband Schüssler Dü.
  • Die Amerikaner Lååz Rockit, die aber in der Presse auch mit "Lääz Rockit" geschrieben werden.
  • Die französische Zeuhl-Band Magma verwendet in ihren Texten eine Phantasiesprache, "kobaïanisch", welche dann zu entsprechenden Album- und Songtiteln führt, wie z.B. Mekanïk Destruktïw Kommandöh und Köhntarkösz.
  • Es gab auch eine West-Berliner Punkband der 80er Jahre namens Mekanïk Destruktïw Kommandöh
  • Die aus der Gegend um Toronto kommende Folk-Pop-Band Moxy Früvous
  • Die New Yorker Punkband Leftöver Crack, kurz LöC.
  • Die Mitglieder der Band Mudvayne nennen sich Chüd, Güüg, R-üd und Spüg.
  • Die spanische Band Mägo de Oz
  • Die Kanadier Voivod mit ihren Alben "RRRÖÖÖAAARRR" und "Dimension Hätröss" (Der Bandname wird stellenweise auch mit einem ï geschrieben)
  • Die englischen Space-Rock-Pioniere Hawkwind schrieben hinten auf ihr Album "In Search Of Space" (1971): "Technicäns Öf Spåce Ship Eårth This Is Yöür Cäptåin Speäking Yöür øåptåin Is Deäd"
  • Die finnische Punk-Band Ümlaut
  • Die deutsche Progressive Metal-Band Andy Belåq, deren Name sich durch gezielte Falschschreibung vom Zahnpflegeprodukt Blendax Anti-Belag ableitet
  • Die amerikanische Punk-Band "Mäd Cäddies" benutzen Heavy-Metal-Umlaute bei ihrer neuesten CD. Hier wird das "ä" in beiden Fallen allerdings auch so ausgesprochen.
  • Die Band Children of Umlaut aus San Francisco hat sinnigerweise keinen Umlaut im Namen.
  • Märtini Brös
  • Die Grindcore-Band Desücka aus Stuttgart.
  • Die deutsche Noisecore-Formation Lønd Lørd’s Ønd aus Ludwigshafen nahm nicht die deutschen, sondern das skandinavische Ø in ihren Namen auf, den sie aus dem Englischen heraus entlehnte.
  • Maxïmo Park aus Newcastle, Nordengland.
  • Blöod Düster aus Australien
  • Die Death/Black Metal Band Hypnös aus Tschechien
  • Die Niederländische Alternativ-Band Tröckener Keks
  • Die spanische Power Metal Band Vhäldemar
  • Die amerikanische video-only - Band Green Jellÿ, hatten Mitte der 90er mit "Three little Pigs" einen Hit auf den Musiksendern, siehe auch: VH-1 - Bio
  • Die amerikanische Punk-Band Descendents schrieben den Titel "Hurtin Crue" auf einigen Veröffentlichungen (z.B. auf dem Album Somery) auch mit Umlauten: "Hürtin Crüe"
  • Zwei von acht richtigen Schreibweisen der Diskordianer Die Epheser werden mit Umlaut geschrieben
  • Die deutschen d'Ê?TÕPHÕbiA verzieren ihren Bandnamen mit Diakritika gleich mehrerer Sprachen, nur nicht des Deutschen.

[Bearbeiten] Weblinks

Kategorie:Metal

[Bearbeiten] Nihilartikel

Nihilartikel (lat. nihil 'nichts'), auch U-Boote genannt, sind frei erfundene Einträge in Lexika zu Personen oder Dingen, die es außerhalb des Lexikons nicht gibt. Sie sollen als solche vom Leser mehr oder weniger schnell erkannt werden.

Dabei entsteht eine paradoxe Kommunikationssituation: Um etwas im Lexikon nachzuschlagen, benötigt man normalerweise eine Referenz aus anderen Kontexten von außerhalb des Lexikons. Bei einem erfundenen Lemma können derartige Referenzen nicht existieren. Der Artikel wird also im Idealfall nur nach dem Serendipity-Prinzip gefunden. Es gibt allerdings einfacher zu findende Nihilartikel, die entstehen, wenn zu einem plausiblen Lemma ein abweichender Eintrag gestellt ist. Ein Sonderfall derartiger Artikel ist die Übernahme oder Umwidmung von fiktiven Begriffen oder Namen aus fiktionaler Literatur in das (nicht-fiktionale) Lexikon (z. B. Morgensterns bekanntes Nasobem).

[Bearbeiten] Art und Wesen von Nihilartikeln

Es ist nicht immer einfach, den Nihilartikel als solchen zu erkennen. Dies gilt vor allem dann, wenn der Artikel etwa in mehreren Lexika erscheint oder weitergeführt wird. In einem solchen Fall kann die Eintragung in mehreren Lexika die Authentizität der Eintragung stützen und vortäuschen, dass es den beschriebenen Gegenstand tatsächlich gibt.

Das Aufdecken von Nihilartikeln gehört oft auch zum publizistischen Spiel der Lexikonredaktionen und -verlage. Dieses Spiel kann in einzelnen Fällen auch in weiteren Publikationen – etwa auch Lexika – als Wissenschaftsparodie oder -satire weitergeführt werden.

Über unentdeckte Nihilartikel, insbesondere auch in älteren Werken, lässt sich nur spekulieren. „Insider vermuten, dass jedes Lexikon falsche Stichwörter enthält.“ (Katharina Hein o.c.)

Die (stilistische) Spannweite der in ihrem Erscheinungsbild uneinheitlichen Texte bewegt sich zwischen Parodie oder Travestie und dem imitativen Pastiche, das unter Umständen gar nicht durchschaut wird. Der Anteil von erkennbaren Elementen parodistischer Schreibweise kann sehr unterschiedlich sein. Dadurch ergibt sich auch eine unterschiedlich große Differenz zu üblichen, ernstgemeinten Lexikoneinträgen. Bei einem Nihilartikel bleibt der Schematismus der Textsorte Lexikoneintrag in der Regel unangetastet.

In Lexikoneinträgen sind biographische Artikel literarischen Texten am ähnlichsten. Das kann auch der Grund dafür sein, dass unter den bekannten Nihilartikeln biographische Artikel besonders häufig vertreten sind.

Da bei dem illegalen Abschreiben von ganzen Lexika, die dann unter anderem Titel und in anderer Sprache publiziert werden, auch die Nihilartikel mitkopiert werden, können diese auch die Funktion haben, derartige Verletzungen des Copyright nachzuweisen.

[Bearbeiten] Einordnung in literarische Textgattungen

Für eine weiterreichende Einordnung von Nihilartikeln in die Kategorie der Fakes kann Umberto Ecos Vortrag „Für eine semiologische Guerrilla“ (New York 1967) (In: Umberto Eco, Über Gott und die Welt. Essays und Glossen. Aus dem Italienischen von Burkhart Kroeber. München, Wien 1985) als Ausgangspunkt genommen werden. Dabei könnte Zusammenhang hergestellt werden zu den Luther-Blissett-Fälschungen (vgl. Handbuch der Kommunikationsguerilla. Verlag Libertäre Assoziation Hamburg o. J. [1997]).

Die Definition von Fakes ist auch für Nihilartikel charakteristisch. Allerdings gehen die Intentionen in Nihilartikeln kaum über die Stufe von (Insider-)Scherzen (etwa in den Lexikonredaktionen und bei einem Teil der Leser) hinaus:

„Ein gutes Fake verdankt seine Wirkung dem Zusammenwirken von Imitation, Erfindung, Verfremdung und Übertreibung herrschender Sprachformen. Es ahmt die Stimme der Macht möglichst perfekt nach, um für einen begrenzten Zeitraum unentdeckt in ihrem Namen und mit ihrer Autorität zu sprechen [...]. Ziel ist, [...] einen Kommunikationsprozeß auszulösen, bei dem – oft gerade durch die (beabsichtigte) Aufdeckung der Fälschung – die Struktur der gefaketen Kommunikationssituation selbst zum Thema wird. [...]" (Handbuch o.c. S. 65)

[Bearbeiten] Verwandte Textarten

Im Gegensatz zu Nihilartikeln, die falsche Information in einem Gebrauchslexikon sind, gibt es auch noch literarische Lexikon-Fiktionen, etwa dem Eintrag „Uqbar“ in „The Anglo-American Cyclopaedia (New York, 1917)“, der zugleich vorhanden und nicht vorhanden ist, und den Artikeln in „A First Encyclopaedia of Tlön, Vol. XI, Hlaer to Jangr“, die für den Erzähler etwas weit Kostbareres und Schwierigeres darstellen als „die zusammenfassende Beschreibung eines falschen Landes“, die er „in einem Band einer gewissen Raubdruck-Enzyklopädie“ „entdeckt“ hatte. (Jorge Luis Borges, Tlön, Uqbar, Orbis Tertius [1941]. In: Jorge Luis Borges, Fiktionen (Ficciones). Erzählungen 1939-1944. Übersetzt von Karl August Horst, Wolfgang Luchting und Gisbert Haefs. Frankfurt 1992. Werke in 20 Bänden, Bd. 5 = Fischer Taschenbuch 10581)

Nihilartikel unterscheiden sich von ihrer Form als Wörterbuch- oder Lexikonartikel mit satirischer Schreibweise gegenüber anderen Medien eher durch ihren Charakter als Konterbande. Allerdings können auch Enzyklopädien, Lexika oder Wörterbucher als satirische Großformen dienen. Ein Beispiel dafür ist Ambrose Bierce, dessen bitterböse Lexikon-und Wörterbuchdefinitionen seit 1881 in der satirischen Wochenschrift „The Wasp“ (San Francisco) erschienen. Später auch in anderen Zeitungen und schließlich gesammelt als „The Cynic's Word Book“ (1906) bzw. „The Devil's Dictionary“ (1911). Bei Bierce kommen die Autoren von Wörterbüchern und Lexika nicht gut weg: „Lexikograph, subst.masc. Ein Schädling, [...]" (Ambrose Bierce, Aus dem Wörterbuch des Teufels. Auswahl, Übersetzung und Nachwort von Dieter E. Zimmer. Frankfurt 1966 = Insel-Bücherei Nr. 890).


Eine interessante Variante der Nihilartikel enthält eine von dem polnischen Sciene-Fiction-Autor Stanislaw Lem verfaßte Sammlung von Vorworten künftiger, noch ungeschriebener Bücher. Verfaßt schon im Jahre 1971, beschreibt der Band Imaginäre Größe Bücher, die angeblich im Jahr 2009 - 2029 erschienen sind (zur Zeit der Drucklegeung also 38-58 Jahre vorher). Am bemerkenswertesten ist das Vorwort zu Vestrands Extelopädie in 44 Magnetbänden aus dem Jahre 2011. In Zeiten lange vor PC und Public Internet ersonnen, klingen ihre Eigenschaften wie ein Vision der heutigen Wikipedia: die permanente Aktualisierung, die weltweite Verbreitung und beständige Verbesserung sind in diesem fiktiven Vorwort schon recht treffend vorweggenommen, zudem wird eine Textprobe der Seiten 871-880 mit Stichworten von "Proffertine" bis "Prolepsie" zum "Nachweis" der Ernsthaftigkeit inklusive einiger Grafiken vorgelegt.
Daneben hat Lem auch ein witzig-satirisches, manchmal zu Verballhornungen neigendes Computerlexikon verfaßt, das in der Zeit der frühen 1980er Jahre, als der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung noch beliebiger Computerjargon augenzwinkernd untergeschoben werden konnte, der für Laien ziemlich ernsthaft aussah, in Fachkreisen aber für große Erheiterung sorgte.

[Bearbeiten] Fundstellen

  • Allens Gesetz
    • In: Thomas Städtler, Lexikon der Psychologie. Wörterbuch. Handbuch. Studienbuch. Stuttgart 1998=Kröners Taschenausgabe Bd. 357. S. 28f.
  • Anghelucci
    • In: Meyers enzyklopädisches Lexikon in 25 Bänden. Mannheim, Wien, Zürich 9.Aufl.1971. Bd. 2. S. 200.
  • Apopudobalia
    • In: Der neue Pauly. Enzyklopädie der Antike. Hg. von Hubert Cancik und Helmuth Schneider. Altertum Bd. I. Stuttgart 1996. Sp.895.
  • Bach, P. D. Q.
    • In: MGG = Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik gegründet von Friedrich Blume hg. von Ludwig Finscher. Personenteil 1. Kassel usw. 2.Aufl.1999. Sp. 1551ff.
  • Baldini, Guglielmo
    • In: Propyläen Welt der Musik. Die Komponisten. Ein Lexikon in fünf Bänden von Alfred Baumgartner. 1. Bd. Berlin, Frankfurt 1989. S. 185f.
    • In: MGG = Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik gegründet von Friedrich Blume hg. von Ludwig Finscher. Personenteil 2. Kassel usw. 2.Aufl.1999. Sp. 97.
    • In: Riemann Musik Lexikon [1] Personenteil. Mainz121959. S. 91.
    • In: Riemann Musik Lexikon [4] Ergänzungsband Personenteil. Mainz 1972. S. 63.
    • In: The New Grove Dictionary of Music and Musicians. Ed. By Stanley Sadie. Bd. 2. London 1980. S. 64.
  • Banal-fundamentale-Disjunktoren
    • In: Thomas Städtler, Lexikon der Psychologie. Wörterbuch. Handbuch. Studienbuch. Stuttgart 1998=Kröners Taschenausgabe Bd. 357. S. 105.
  • Battista
    • In: Benedikt Jeßing, Bernd Lutz, Inge Wild (Hrsg.), Metzler-Goethe-Lexikon. Stuttgart, Weimar 1999. S. 42.
  • Binomi, Alessandro
    • In: Otto Forster: Analysis 1. Vieweg-Verlag, Braunschweig 1992. S. 204
  • Etcetera-Prinzip
    • In: Dietrich Schwanitz, Bildung, Eichborn, Frankfurt a.M. 1999. S. 402
  • Experiment
    • In: Benedikt Jeßing, Bernd Lutz, Inge Wild (Hrsg.), Metzler-Goethe-Lexikon. Stuttgart, Weimar 1999. S.130.
  • Extelopädie (in 44 Magnetbänden)
  • Feinhals
    • In; Jürgen Mittelstraß (Hrsg.), Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Bd. 1. Mannheim, Wien, Zürich 1980. S. 635f.
  • Freud
    • In: Gero von Wilpert, Goethe-Lexikon. Stuttgart 1998 = Kröners Taschenausgabe Bd. 407. S. 342.
  • Hingerl, Alois (Engel Aloisius)
  • Jägermeier, Otto
    • In: MGG = Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik gegründet von Friedrich Blume hg. von Ludwig Finscher. Personenteil Bd. 9. Kassel usw. 2. Aufl. 1999. Sp. 849.
  • KKK-Regel
    • In: Jürgen Falbe, Manfred Regitz (Hrsg.), Römpp Lexikon der Chemie, 9. Auflage, Stuttgart, 1995.
  • Kompressor
    • In: Jürgen Mittelstraß (Hrsg.), Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Bd. 2. Mannheim, Wien, Zürich 1984. S. 428f.
  • Kurschatten
    • In: Pschyrembel Wörterbuch Naturheilkunde und alternative Heilverfahren. Bearbeitet von der Wörterbuch-Redaktion des Verlages unter der Leitung von Helmut Hildebrandt. Berlin, New York 1996. S. 167.
  • Lexikokratie
    • In: Werner Fuchs u. a. (Hrsg.), Lexikon zur Soziologie. Opladen ²1978[1973]. S.461, (als einziger unsignierter Beitrag des Bandes!).
  • Mittelstreß
    • In: Jürgen Mittelstraß (Hrsg.), Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Bd. 2. Mannheim, Wien, Zürich 1984. S. 904.
  • Murphys Gesetz
    • In: Thomas Städtler, Lexikon der Psychologie. Wörterbuch. Handbuch. Studienbuch. Stuttgart 1998=Kröners Taschenausgabe Bd. 357. S. 710.
  • Nasobem
    • In: Brockhaus Enzyklopädie
  • Pilz
    • In: Walther Killy (Hrsg.), Literatur Lexikon. Autoren und Werke deutscher Sprache. Bd. 9. Berlin, Gütersloh 1991. S. 165f.
  • Rhetograph
    • In: Historisches Wörterbuch der Rhetorik. Bd. 7. Tübingen 2005 [anhand eines griechischen Vasenbildes wird behauptet, die Antike verfüge bereits über elektronische Laptops]
  • Steinlaus
    • In: Pschyrembel. Klinisches Wörterbuch mit klinischen Syndromen und Nomina Anatomica. Bearbeitet von der Wörterbuchredaktion des Verlages Walter de Gruyter. Berlin, New York 256. Aufl. 1990. S. 1583. [Zuerst in der 255. Auflage von 1986, dann erweitert, nicht in der 257. Auflage, erneut verändert und erweitert in der 258., 259. und 260. Auflage.]
  • Tomate
    • In: Karl-Heinz Leven (Hrsg.), Antike Medizin, Ein Lexikon. München (Verlag C.H.Beck) 2005, Spalte 871
  • Ugolinus de Maltero
    • In: Riemann Musik Lexikon. [2] Personenteil. Mainz 12.Aufl.1961. S. 824.
    • In: The New Grove Dictionary of Music and Musicians. Ed. By Stanley Sadie. Bd. 26. London 2001. S. 47.
  • Verschlafen
    • In: dtv-Lexikon in 20 Bänden. München 1999. Bd. 19. S. 159. [Zuerst 1966. Bd. 19. S.197. In den Auflagen nach 1982 nicht mehr enthalten, dann aber Wiederaufnahme in veränderter Fassung.]
  • VOGUÉ, Jean Pierre de
    • In: Appleton's Cyclopedia of American Biography. - New York, 1898
  • Ottilie Voß
    • In: Franz Brümmer, Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. 6. Auflage, Leipzig 1913.
    • In: Wilhelm Kosch, Deutsches Literatur-Lexikon. Biographisches und bibliographisches Handbuch. 2. Auflage, Bern, 1949-1958.
  • Zecken, Ixodida/Gemeine Steuer-Z.
    • In: Brockhaus - Die Enzyklopädie in 24 Bänden. Leipzig, Mannheim 20.Aufl.1999. Bd. 24. S. 481.
  • Zentralie
    • In: Jürgen Mittelstraß (Hrsg.), Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Bd. 4. Mannheim, Wien, Zürich 1996. S. 842.
  • Zweite Würzburger Schule
    • In: Thomas Städtler, Lexikon der Psychologie. Wörterbuch. Handbuch. Studienbuch. Stuttgart 1998=Kröners Taschenausgabe Bd. 357. S. 1258f.

[Bearbeiten] Nihilartikel in der wissenschaftlichen Literatur

Die Literatur über literarische Fälschungen und über Parodie, Travestie und Pastiche scheint das Phänomen bisher zu übergehen oder nur zu streifen. Ein Grund dafür kann sein, dass darin Lexikonartikel als Gebrauchstexte nicht mit im Blickfeld sind. Es folgt eine Liste mit Veröffentlichungen zum Thema:

  • J. A. Farrer: Literarische Fälschungen. Mit einer Einführung von Andr. Lang. Aus dem Englischen von Fr. J. Kleemeier. Leipzig 1907.
  • Elisabeth Frenzel: Fälschungen, literarische. In: Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte. 2. Auflage. Berlin 1958. Bd. 1, S. 444-450.
  • Karl Corino (Hrsg.): Gefälscht! Betrug in Politik, Literatur, Wissenschaft, Kunst und Musik. Nördlingen 1988.
  • Werner Fuld: Das Lexikon der Fälschungen. Fälschungen, Lügen und Verschwörungen aus Kunst, Historie, Wissenschaft und Literatur. Eichborn, Frankfurt 1999.
  • Diagonal. Zeitschrift der Universität-Gesamthochschule-Siegen. Zum Thema: Fälschungen. 1994, Heft 2.
  • Alfred Liede: Parodie. In: Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte. 2. Auflage. Berlin, New York 1977. Bd. 3, S. 12-72.
  • Theodor Verweyen, Gunther Witting: Die Parodie in der neueren deutschen Literatur. Eine systematische Einführung. Darmstadt 1979.
  • Wolfgang Karrer: Parodie, Travestie, Pastiche. München 1977 UTB 581.
  • Winfried Freund: Die literarische Parodie. Sammlung Metzler Bd. 200, Stuttgart 1981.
  • Michael Ringel: 15 „U-Boote“ in Nachschlagewerken. In: Das listenreiche Buch der Wahrheit. Wertloses Wissen hoch 10. S. Fischer, Frankfurt am Main 1998. S. 202-213
  • Michael Ringel: „28 Nihilartikel in Nachschlagewerken“. In: „Ringels Randnotizen“. S. Fischer, Frankfurt am Main 2005. S. 196-224

Dagegen finden sich im Feuilleton gelegentlich Glossen zu einzelnen Stichwörtern, aber auch zusammenfassende Darstellungen und Beispielsammlungen (z. B.: Michael Ringel, Fehlerquelle. In: Süddeutsche Zeitung Magazin 41, 1998. Katharina Hein, Der Orthodidakt. In: Berliner Morgenpost 16. Juli 2000).

[Bearbeiten] Weblinks

Eine umfangreichere Sammlung im Netz scheint nicht zu existieren. (u.a. Auskunft: og@carpe.com (Oliver Gassner) 20. November 2001.)

Kategorie:Lexikon, Enzyklopädie Kategorie:Täuschung Nihilartikel

[Bearbeiten] Rosa Elefant

Der rosa Elefant ist der klassische Topos für eine alkoholbedingte Halluzination. Auch die Wirkung anderer Drogen wie LSD wird oft mit diesem unwahrscheinlichen Tier assoziiert, das zudem gelegentlich flugfähig sein soll.

Der Ursprung der rosa Elefanten liegt im englischen Sprachraum ("pink elephants"). Nach 1890 wurde zunächst die Farbe Rosa mit dem Suff assoziiert, in Kombination mit Elefanten taucht sie 1913 im Roman John Barleycorn (dt. "König Alkohol") von Jack London auf. Darin heißt es:

"There are, broadly speaking, two types of drinkers. There is the man whom we all know, stupid, unimaginative, whose brain is bitten numbly by numb maggots; who walks generously with wide-spread, tentative legs, falls frequently in the gutter, and who sees, in the extremity of his ecstasy, blue mice and pink elephants. He is the type that gives rise to the jokes in funny papers."
"Es gibt im allgemeinen zwei Sorten von Trinkern. Zum einen der Mann, den wir alle kennen, dumm, einfallslos, das tumbe Hirn zerfressen von tumben Maden; gemessenen Schrittes läuft er auf seinen zögernden Beinen, fällt ständig in die Gosse und sieht auf dem Höhepunkt seines Rausches blaue Mäuse und rosa Elefanten. Er ist es, über den die Zeitungen Witze drucken."

Der rosa Elefant wurde zum geflügelten Wort und wurde unter anderem in dem beliebten Schlager "Pink Elephants" von Guy Lombardo (1932) besungen. In den deutschen Sprachraum drang er wohl erst nach dem Zweiten Weltkrieg ein. 1983 bewarb die Deutsche Bahn ihr Sonderprogramm "Rosarote Wochen" mit rosa Elefanten.

Auch in der Filmgeschichte hat er seine Spuren hinterlassen. Berühmt ist die Szene Pink Elephants on Parade aus dem Disney-Zeichentrickfilm Dumbo (1941). Auch dem Trinker Barney Gumble aus der Zeichentrickserie Die Simpsons erschien in der Folge D'oh-in' in the Wind im alkoholisierten Zustand dieses Tier.

Pink Elephant war auch der Name eines niederländischen Musiklabels der 1960er und 1970er Jahre, bei dem unter anderem die Band Shocking Blue unter Vertrag war.

In den USA ist pink elephant auch eine spöttische Bezeichnung für Mitglieder der Log Cabin Republicans, der Organistion schwuler, lesbischer und bisexueller Anhänger der Republikanischen Partei. Der Elefant ist das Wappentier der Partei, während die Farbe rosa häufig mit Homosexualität in Verbindung gebracht wird.

In der DDR wurde der Begriff rosa Elefant von Kabarettisten heimlich benutzt. Es bezeichnete ein Vorgehen gegen die staatliche Zensur. Jede Aufführung musste vorher abgenommen werden. Aussagen, die politisch unerwünscht waren, wurden gestrichen. Um nun doch möglichst viele Anspielungen durchzubekommen, wurden extreme Anspielungen in die Rohfassung eingebaut. Diese wurden dann von den Zensurstellen bei der Vorführung gestrichen. Gleich nach diesen extremen Dingen wurden dann die eigentlich beabsichtigten Anspielungen miteingebaut, die direkt nach den großen Anspielungen der Zensurbehörde entgingen. Sozusagen: Eine kleine Maus sieht man nicht gleich nach einem rosa Elefanten.

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Links

Kategorie:Redewendung Kategorie:Fiktives Tier

[Bearbeiten] Plansprache

Portal-Logo Portal:Konstruierte Sprachen – Übersicht über Wikipedia-Inhalte zum Thema Konstruierte Sprachen

Als Plansprache bezeichnet man eine menschliche Sprache, deren Entwicklung von einem bewusst und planmäßig ausgearbeitetem Sprachprojekt ihren Ausgang genommen hat. Plansprachen sind meist für die Erleichterung der internationalen Kommunikation bestimmt und werden in diesem Fall auch als internationale Plansprachen, oder etwas veraltet als Welthilfssprachen, bezeichnet.

Von der Vielzahl von Sprachprojekten, die bisher von Einzelpersonen oder kleinen Gruppen von Personen veröffentlicht wurden, haben nur einige wenige eine breitere praktische Anwendung gefunden. Diese ist Voraussetzung für die Herausbildung einer Sprachgemeinschaft als sozialem Träger der Entwicklung vom Sprachprojekt zur Sprache. Die nicht selten angetroffene begriffliche Gleichsetzung von Sprachprojekt und Plansprache führt zu falschen Schlussfolgerungen. Viele Vorurteile gegenüber Plansprachen gehen darauf zurück.

Plansprachen werden in der linguistischen Diskussion den Ethnosprachen (oder ethnischen Sprachen) gegenübergestellt, die sich über einen langen Zeitraum im Sprachgebrauch einer ethnischen Gruppe herausgebildet haben.

Untersuchungen der Sprachgeschichte des Esperantos im Zeitraum von 1887 bis heute lassen den Schluss zu, dass sich Plansprachen, ungeachtet ihrer anders gearteten Entstehung, nach grundlegend gleichen Gesetzmäßigkeiten weiterentwickeln wie Ethnosprachen.

Man betrachtet die Plansprachen meist als Untergruppe der konstruierten Sprachen. Eine konstruierte Sprache nennt sich nur dann eine Plansprache, wenn sie mit dem Ziel, für menschliche Kommunikation benutzt zu werden, entwickelt wurde. Meistens sollen Plansprachen entweder als „Welthilfssprachen“ eine Verständigung zwischen unterschiedlichen Sprachen und Kulturen ermöglichen oder als logische Basis zur Erforschung und Entwicklung neuer Sprachen dienen. Das bekannteste Beispiel ist Esperanto. Weitere Plansprachen sind zum Beispiel Ido, Interlingua, Interlingue (früher: Occidental) und Volapük sowie die nicht zur einfachen Verständigung geschaffenen logischen Sprachen wie etwa Loglan, Lojban und Teran. Plansprachen bilden in ihren Aspekten die Forschungsgegenstände der Interlinguistik.

Neben gesprochenen bzw. geschriebenen Welthilfssprachen gibt es auch zwei Gebärden-Hilfssprachen, nämlich Gestuno, das gewisse Erfolge hatte, und Signuno.

[Bearbeiten] Kontroverse über die Basis einer Welthilfssprache

Schon früh entstand in der Weltsprachenbewegung eine Kontroverse. Es gab und gibt Fürsprecher einer Plansprache, die bei aller Aufnahme von Elementen ethnischer Sprachen doch eine ausgeprägte Eigenständigkeit besitzt und sich dementsprechend "autonom" weiterentwickelt. Bekanntestes Beispiel für eine autonome Plansprache ist das Esperanto.

Einen anderen Standpunkt in der Debatte nahmen die Anhänger einer Plansprache ein, die sich möglichst eng an die romanischen Sprachen bzw. das Latein anlehnen sollte. Ziel war es, eine „natürlichere“ Welthilfssprache zu entwickeln, die dem "gebildeten Westeuropäer" gleichsam auf den ersten Blick gewohnt und verständlich erscheinen sollte. Zwei dieser „romanisierenden“ oder allgemeiner gesagt naturalistischen Plansprachen erlangten eine gewisse Bedeutung: Latino sine flexione und Interlingua. Diese beiden Sprachen ähneln sich sehr und sind auch gegenseitig einigermaßen gut verständlich. Sie ähneln allerdings in vielem Dialekten, denen verbindliche Normen fehlen. Ein passives Verständnis ist für Kenner romanischer Sprachen und des Englischen wesentlich leichter zu erreichen als eine aktive Sprachbeherrschung. Darüber hinaus sind sie für Sprecher nicht-romanischer Sprachen wesentlich schwerer zu erlernen als Esperanto, da ihre Struktur stark europäisch-romanischen Mustern folgt. Esperanto hat ebenfalls eine weitestgehend auf romanischen Wurzeln bestehenden Wortschatz, ist aber von seiner Struktur eher mit den so genannten agglutinierenden Sprachen zu vergleichen. Eine vermittelnde Stellung, die die Vorzüge beider Gruppen zu verbinden sucht, ist Occidental.

[Bearbeiten] Geschichte

Bild:Sol-re-sol.png
die Silben sol, re und sol im Namen der Plansprache Solresol

[Bearbeiten] Antike

Schon aus der griechischen Geschichte bekannt sind die ersten Versuche, Welthilfssprachen zu schaffen, die dazu gedacht sind, die Verständigung zwischen verschiedenen Sprachen zu erleichtern.

[Bearbeiten] 19. Jahrhundert

Nach Solresol 1817 bzw. 1856 (die Sprache der Kinder im Spielbergs Film Unheimliche Begegnung der dritten Art, 1977) war Volapük die zweite Plansprache überhaupt, die nennenswerte Verbreitung gefunden hat. Volapük wurde 1879/80 vom badischen Prälaten Johann Martin Schleyer geschaffen. Anfangs sehr erfolgreich, brach die Bewegung jedoch schnell wieder zusammen, da die Sprache doch relativ schwer zu erlernen war. Darüber hinaus betrachtete Schleyer Volapük als sein geistiges Eigentum, über das nur er zu verfügen hatte. Mit dem Erscheinen von Esperanto 1887, das wesentlich leichter zu erlernen ist, war Volapük praktisch gescheitert und viele der früheren Volapük-Anhänger wechselten zu Esperanto oder wandten sich ganz von der Idee einer Plansprache ab.

[Bearbeiten] 20. Jahrhundert bis zum Zweiten Weltkrieg

1903 schlug der italienische Mathematiker G. Peano ein von M. Bodmer vereinfachtes Latein, das Latino sine flexione, vor. Latino sine flexione wurde auch Interlingua genannt; es darf jedoch nicht mit dem späteren Interlingua der IALA verwechselt werden. 1907 erschien dann Ido als ein Reformprojekt ausgehend vom Esperanto. Da aber in immer kürzeren Zeitabständen neue Verbesserungsvorschläge herauskamen, entstand ein Chaos, so dass schließlich auch Ido immer mehr Anhänger verlor, die sich teilweise wieder der Esperanto-Bewegung, teilweise anderen plansprachlichen Projekten anschlossen. Mit dem ersten Esperanto-Weltkongress 1905 begann eine erstaunliche Erfolgsgeschichte, die innerhalb dreier Jahrzehnte eine große Zahl an Sprechern, Originalliteratur, wissenschaftlichen Werken etc. hervorbrachte. Mit dem Aufstieg Hitlers, Stalins sowie anderer totalitärer Regime begann eine Zeit, in der alle Anhänger internationaler Verständigung zwischen einfachen Menschen mit Misstrauen betrachtet wurden. So landeten einige Anhänger von Plansprachen in sowjetischen Straflagern (GULAG) oder Konzentrationslagern. Dadurch wurden die Strukturen der Plansprachenbewegung geschwächt, da besonders in der Sowjetunion die führenden Aktivisten ermordet oder seelisch zerstört wurden. Die Plansprachenvereine in mehreren Ländern Europas waren zwangsaufgelöst oder zerstört, und viele Menschen hatten nach dem Krieg andere Sorgen als den Wiederaufbau der Plansprachenbewegung, die deshalb in einen „Dornröschenschlaf“ verfiel.

[Bearbeiten] Seit dem Zweiten Weltkrieg

Mit dem Ausbruch des Kalten Krieges nach dem Zweiten Weltkrieg versuchten die jeweiligen Siegermächte ihre Nationalsprache jeweils zur internationalen Weltsprache zu machen. Französisch verlor nach dem Verlust der Kolonien Frankreichs in den 1960er Jahren und der Erweiterung der EU jedoch immer schneller an Bedeutung, Russisch verschwand nach den Zusammenbruch des Sowjet-Imperiums fast augenblicklich als internationale Welthilfssprache in den Ländern außerhalb der ehemaligen Sowjetunion. In der englischsprachigen Welt gab es nach dem Sieg im Zweiten Weltkrieg kaum Bestrebungen, eine Welthilfssprache aufzubauen (einzige Ausnahme ist „Basic English“ bzw. sein Nachfolger „Simple English“) und auf Grund der politischen und wirtschaftlichen Dominanz der Vereinigten Staaten erlangte das Englische immer mehr Einfluss.

Als Ende der 1970er Jahre der Sieg des Englischen immer deutlicher wurde, waren fast alle Versuche gescheitert, eine andere Sprache als allgemeine Weltsprache zu etablieren. (Für den schnellen Erwerb eines Englisch für die internationale Kommunikation ist Basic Global English entwickelt worden). Die Esperanto-Bewegung verfügte in den 1970er Jahren noch über eine gewisse Anzahl von zum Teil glühenden Anhängern. Deshalb entstand eine neue Richtung der Esperanto-Bewegung, die sich nicht mehr zum Ziel setzte, Esperanto statt Englisch zur Weltsprache zu machen, sondern ihre eigene gewachsene pazifistische-völkerverständigende Kultur zu pflegen. Diese neue Esperanto-Kultur hat dann auch bis heute nicht nur überlebt, sondern ist stetig gewachsen und dabei auch vielfältiger geworden.

Seit dem Beginn des Kampfes der USA gegen den Terror und insbesondere dem Irak-Krieg meinen manche Esperantoanhänger, dass der Unmut über die Dominanz des Englischen in weiten Teilen der Welt wachse, und das Interesse an einer neutralen Sprache wiedererwacht sei. Als einzig „überlebende“ Konkurrenten zum Englischen sehen sie heute Esperanto und Interlingua. Dabei wird behauptet, Interlingua sei vor allem eine in wissenschaftliche Publikationen zur Verfassung von Resümees („Abstracts“) gebrauchte Sprache, die kaum je gesprochen werde. Esperanto dagegen sei eine auf einer vergleichsweise vielschichtigen Bewegung „von unten“ ruhende, oft auch auf Kongressen für jedermann gesprochene Sprache, die mittlerweile jene oben skizzierte, eigene „Esperanto-Kultur“ entwickelt habe.

[Bearbeiten] Neue Herausforderungen

Mit der Erweiterung der EU wird das Sprachproblem innerhalb der Gemeinschaft immer drängender. Statt elf hat die EU seit den 1. Mai 2004 zwanzig Amtssprachen. Nach einer Anfangsphase, in der Französisch in der damaligen EWG eindeutig dominierte, zeichnet sich heute eine wachsende Dominanz des Englischen in der EU ab. So wurden in den letzten Jahren hunderte Stellen in der EU nur für englische Muttersprachler ausgeschrieben, wogegen der Esperanto-Weltbund vor dem europäischen Gerichtshof klagte.

Nach Meinung mancher Esperantisten dränge es zu einer Entscheidung, ob alle Europäer die Dominanz des Englischen akzeptieren und Englisch de facto zur EU-Amtssprache werde, oder ob es eine neutrale, einfacher zu erlernende Sprache geben werde, die keine Sprachgemeinschaft der EU bevorzuge, worunter sie natürlich Esperanto verstehen. Esperanto kann aber nach Meinung mancher Kritiker die eigenen Anforderungen nicht erfüllen. So bevorzugt Esperanto schon aufgrund des Vokabulars Sprecher romanischer Sprachen gegenüber den anderen Sprachgemeinschaften in der EU. Das ist besonders im Esperanto ein wesentlicher Punkt, weil die grammatischen Regeln des Esperanto so einfach sind, dass sie beim Lernen kaum ins Gewicht fallen.

[Bearbeiten] Vorbehalte gegenüber Plansprachen

Viele Menschen sind nicht dazu bereit, eine "künstliche" Sprache zu erlernen, die noch von relativ wenigen Menschen gesprochen wird, in keinem Land Amtssprache ist und deshalb auch ein niedriges Prestige besitzt.

[Bearbeiten] Liste der Plansprachenprojekte

Die bekanntesten der ca. 1000 Plansprachenprojekte sind:

A bis I:

I bis N:

N bis W:

Zu einer Sprache mit vielfältigen Funktionen und langfristig stabiler Sprechergemeinschaft hat sich bisher lediglich Esperanto entwickelt. Ido und Interlingua haben diese Entwicklung zum Teil, jedoch nicht in gleichem Maße, vollzogen.

[Bearbeiten] Literatur

  • Detlev Blanke: Internationale Plansprachen. Eine Einführung, Berlin: Akademie-Verlag 1985
  • Benoît Philippe: Sprachwandel bei einer Plansprache am Beispiel des Esperanto, Konstanz: Hartung-Gorre, 1991

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Weblinks

Kategorie:Sprache

[Bearbeiten] Schibboleth

Dieser Artikel beschäftigt sich mit Schibboleths im Sinne eines Sprachtests. Für eine Beschreibung des gleichnamigen Authentifzierungsverfahrens siehe Shibboleth (Internet).

Bei Schibboleths handelt es sich um Sprachmittel, die in inter- oder intrakulturellen Kommunikationssituationen klassifizierende, indexikalische Funktion übernehmen. Es kommt also auf den Sprachgebrauch an, der eine sprachliche Auffälligkeit zu einem Schibboleth macht.

[Bearbeiten] Etymologie

Schibboleth (mit Shin: ?????????, mit Samech: ????????) ist ein hebräisches Wort und bedeutet wörtlich 'Getreideähre', wird aber in der Bedeutung von 'Kennwort' oder 'Codewort' verwendet. Hintergrund ist eine Stelle aus dem Alten Testament, Buch Richter Kapitel 12 Vers 5ff. Dort heißt es:

(...) Und wenn ephraimitische Flüchtlinge (kamen und) sagten: Ich möchte hinüber! fragten ihn die Männer aus Gilead: Bist du ein Ephraimiter? Wenn er nein sagte, forderten sie ihn auf: Sag doch einmal „Schibboleth". Sagte er dann „Sibboleth", weil er es nicht richtig aussprechen konnte, ergriffen sie ihn und machten ihn dort an den Fluten des Jordan nieder. So fielen damals zweiundvierzigtausend Mann am Ephraim.

Ausspracheweisen dienten hier dazu, Personen in die Dichotomie Feind - Nichtfeind zu kategorisieren.

[Bearbeiten] Schibboleths im deutschsprachigen Raum

Im deutschsprachigen Raum gibt es verschiedene Schibboleths, die meist scherzhaft dazu verwendet werden, Nicht-Ortsansässige als solche zu identifizieren. Das wird dadurch erreicht, dass das Schibboleth verschiedene Aspekte der lokalen Mundart so vereinigt, dass das Wort für einen Außenstehenden nicht korrekt auszusprechen ist - besonders nicht in dem angetrunkenen Zustand, in dem dieser Brauch meist gepflegt wird. Mancherorts gilt man als Einheimischer ehrenhalber, wenn es einem gelingt, den lokalen "Sprachtest" zu bestehen. Das wohl bekannteste deutsche Schibboleth ist Oachkatzlschwoaf, siehe unten.

[Bearbeiten] Deutsch (Hochdeutsch)

Die Worte Streichholzschächtelchen, Eichhörnchen und Strickstrumpf gelten als Sprachtest für Ausländer, da sie vor allem auf Grund der vielen Konsonanten und ch-Laute recht schwer auszusprechen sind.

[Bearbeiten] Bairisch / Österreichisch: Oachkatzlschwoaf

(Oachkatzl = 'Eichhörnchen', Schwoaf = 'Schweif') ist ein Schibboleth zur Erkennung von Muttersprachlern einer österreichischen oder bairischen Mundart. Dieses Schibboleth war vor allem während der Besatzungszeit nach dem Zweiten Weltkrieg bei der Kommunikation mit US-Soldaten sehr beliebt.

Wer diesen Sprachtest nicht besteht, wird in Bayern grundsätzlich unabhängig von seiner tatsächlichen Herkunft als Preiß (gerne auch als Sau-Preiß) bezeichnet.

Wird der Test wider Erwarten doch bestanden, wird das Opfer meist aufgefordert, das Wort Schwoachbatzlkoaf (ein Buchstabendreher des ursprünglichen Wortes) auszusprechen. Dieses Wort ergibt zwar keinen Sinn, ist aber schwierig auszusprechen.

Wiktionary: Oachkatzlschwoaf – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme und Übersetzungen

[Bearbeiten] Bayern: De Köinrin håds Bschteck zschpâd bschtöid

Dieser Satz ist sowohl Schibboleth als auch Zungenbrecher und bedeutet 'Die Kellnerin hat das Besteck zu spät bestellt'.

[Bearbeiten] Österreich: regionale Varietäten

Kärnten: schnupfatns'n
Der Satz Wenn's an Tabak hätt'n, schnupfatns'n? ('Wenn Sie Tabak hätten, würden Sie ihn schnupfen?') gilt in Kärnten als Test der Kenntnisse der lokalen Mundart.

Oberösterreich: Öödigödögi
Dieses Wort, das gemeinhin unter Oberösterreichern als Zeichen der Zugehörigkeit empfunden wird, ist weder ungarisch noch türkisch, sondern bedeutet auf Hochdeutsch 'Öltiegeldeckel'.

Ostösterreich:
Zwischn zwa Zwetschgnbam wochsn zwa pfundige Pfludern bedeutet 'Zwischen zwei Pflaumenbäumen wachsen zwei große Pfludernbäume'.

Wien: Zwirnsknäuerl
Besonders von Wienerinnen und Wienern der älteren Generation wird dieses Wort (auf Standarddeutsch 'Zwirnsknäuel') – wegen der markanten Konsonantencluster und des typischen Diminutivsuffixes -erl – gerne als Schibboleth verwendet.

[Bearbeiten] Plattdeutsch: Eekkattensteert

Der Eekkattensteert (Eekkatter = 'Eichhörnchen', Steert = 'Schweif') ist die norddeutsche Antwort auf Oachkatzlschwoaf, insbesondere da dieses Wort für Bayern (in diesem Zusammenhang gerne Bazi genannt) kaum auszusprechen ist.

[Bearbeiten] Niederländisch: Scheveningen

In den Niederlanden wird gerne das Wort Scheveningen als Sprachtest verwendet.

[Bearbeiten] Kölsch

In Köln wird gelegentlich das Kunstwort Kanaljevüjjelcheszüngelcheszüppche ('Süppchen aus den Zünglein von Kanarienvögelchen') als scherzhafter Sprachtest für die Kölner Mundart, das Kölsch, benutzt. Verbreiteter ist die Aufforderung: Sag ens Blootwoosch ('Sag mal "Blutwurst"'). Die korrekte Antwort darauf ist nicht „Blootwoosch“, sondern „Flönz“ (der kölsche Mundartausdruck für 'Blutwurst').

[Bearbeiten] Schweiz: Chuchichäschtli

Im Schweizerdeutschen wird meist das Wort Chuchichäschtli ('Küchenkästchen') verwendet. Auf Berndeutsch ist zudem auch das Wort Miuchmäuchterli bekannt, wird aber eher selten verwendet.

Am Untersee (westlicher Teil des Bodensees) gibt es einige Ortschaften mit sehr ausgeprägtem Dialekt: en Chraapfe voll Saapfe d Laatere abschlaapfe ('einen Korb voller Seife die Leiter hinab tragen').

In der Region Basel ist auch das Wort Cheerchechoor ('Kirchenchor') bekannt.

[Bearbeiten] Schwaben

Hier ist die folgende Phrase beliebt und bekannt:

a oagnehm grean agstrichns Gartateerle ('eine widerlich grün angestrichene Gartentüre')

Die Schwierigkeit für den Nicht-Schwaben ergibt sich in der ungewohnten Aussprache der aufeinander folgenden Nasallaute. Ebenfalls oft in Schwaben verwendet ist die schwäbische Form des Bairischen Die Köinrin håds Bschteck zschpåd bschtöid: Dr Babschd hots' Spätzlesbsteck z'spät b'stellt (Der Papst hat das Spätzle-Besteck zu spät bestellt).

[Bearbeiten] Schibboleths in der geschriebenen Sprache

Als Schibboleths in der geschriebenen Sprache bezeichnet man Merkmale, die einen, im besten Fall ohne Kenntnis der betreffenden Sprache, schnell erkennen lassen, um welche Sprache es sich handelt. Im einfachsten Fall sind dies charakteristische diakritische Zeichen an Buchstaben wie dem deutschen ä oder dem ungarischen o und u.

[Bearbeiten] Siehe auch

Kategorie:Schriftzeichen Kategorie:Altes Testament Kategorie:Soziolinguistik

[Bearbeiten] Apostrophitis

Apostrophitis austriaca
vergrößern
Apostrophitis austriaca
Apostrophitis germanica
vergrößern
Apostrophitis germanica
Apostrophitis catastrophica
vergrößern
Apostrophitis catastrophica

Apostrophitis ist eine polemische Bezeichnung für die falsche Verwendung des Apostrophs; der auf solche Weise falsch gebrauchte Apostroph wird zuweilen als Kapostroph oder Deppenapostroph bezeichnet.

Richtig müsste es eigentlich Apostrophose heißen. Die Endung -itis bezeichnet im medizinischen Sprachgebrauch eine Entzündung. Ein krankhafter Zustand, wie hier der Fall, verlangt aber fachsprachlich die lateinische Endung -ose.

[Bearbeiten] Ausprägungen

Falsche Apostrophe sind in folgenden Fällen anzutreffen:

  • Beim Genitiv: Die häufigste Form der Apostrophitis ist das abgetrennte Genitiv-s, der so genannte (angel)sächsische Genitiv, wie bei Bio’s Bahnhof. Diese Schreibweise ist in der neuen deutschen Rechtschreibung in Ausnahmefällen zulässig, um den Wortstamm hervorzuheben: Andrea’s Friseursalon (statt Andreas Friseursalon) zur deutlicheren Unterscheidung von Andreas’ Friseursalon. Nach den alten deutschen Rechtschreibregeln ist diese Schreibweise generell falsch. Wegen der optischen Anklänge an das angelsächsische Schriftbild wird sie gerne benutzt, um Geschäften oder Lokalen einen Hauch von "Weltläufigkeit" zu geben (Tim's Bistro, Meyer's). Eine besonders extreme Form stellt die Abtrennung des Fugen-S bei Komposita. In Dresden etwa gibt es ein Einkauf'seck, in Templin ein Bahnhof’s-Restaurant
  • Beim Plural: Häufig werden Apostrophe auch fälschlicherweise bei der Mehrzahlbildung von Lehnwörtern und Abkürzungen gesetzt. Beispiele: Snack’s, CD’s. Dieses Problem besteht übrigens auch im englischen Sprachraum.
  • Beim Imperativ: Ebenfalls falsch ist der Apostroph bei der Befehlsform (z. B. Geh’ mit mir.).
  • Bei Adjektiven, die von Personennamen abgeleitet sind: Diese sind nur dann richtig, wenn der Name besonders hervorgehoben werden soll und groß geschrieben wird. Nach alter deutscher Rechtschreibung wird der Name der Person stets ohne Apostroph geschrieben. Ursprünglich stand an dieser Stelle -i-, das später durch einen Apostroph ersetzt wurde, der aber seit langem als veraltet und regelwidrig gilt. Regelgerecht nach neuer deutscher Rechtschreibung ist also zipfsches Gesetz oder zur besonderen Betonung auch Zipf’sches Gesetz, nie jedoch zipf’sches Gesetz und auch nicht, wie nach der alten deutschen Rechtschreibung, Zipfsches Gesetz (außer natürlich am Satzanfang).
  • Vereinzelt treten auch willkürliche Apostrophe in anderen Fällen auf wie bei nicht’s, abend’s, recht’s oder samstag’s. Häufig werden dabei Wortendungen aus Konsonant und s getrennt.
  • Bei Auslassung von Vokalen im Dialekt, z. B. Beis’l, Hax’n, Gosch’n: Nach den amtlichen Regeln darf ein Apostroph hier nur gesetzt werden, wenn das Wort bei schriftlicher Wiedergabe „undurchsichtig“ ist.

Eine Nebenentwicklung der „Apostrophitis“ ist, dass heute häufig eines der diakritischen Zeichen ´ (Akut) und ` (Gravis) anstelle des eigentlichen Apostrophs (’) gesetzt wird.

[Bearbeiten] Geschichte

Die falsche Verwendung von Apostrophen ist keine neue Erscheinung, insbesondere beim Genitiv. Im 19. Jahrhundert war diese Schreibweise sogar die übliche. Der Duden missbilligte sie zunächst nur: Bei Genitiven sei es „nicht erforderlich“, einen Apostroph zu setzen. Sie wurde erst in der Reform der deutschen Rechtschreibung von 1901 abgeschafft. In allen Epochen des 20. Jahrhunderts sind Fälle des fehlerhaften Apostrophengebrauchs belegt, etwa in Briefen aus der Kaiserzeit oder der Zeit des Nationalsozialismus. Die erste nach der Eroberung durch die Alliierten erschienene Ausgabe einer deutschen Zeitung beispielsweise, die Aachener Nachrichten vom 24. Januar 1945, wies die Titelschlagzeile „Alliierte Flugzeuge zerschlagen Rundstedt’s Rückzugskolonnen“ auf. Traditionsreiche Handelsmarken mit Genitiv-Apostroph sind unter anderem Beck’s Bier, Kaiser’s Kaffeegeschäft oder Hoffmann’s Gardinenneu. Auch Thomas Mann verwendet regelmäßig den Genitiv-Apostroph: Baron Harry’s, Johnny’s, Amra’s

In Großbritannien bezeichnet man den fälschlichen Gebrauch des Apostrophs beim Plural-s als greengrocer’s apostrophe und unterstellt damit, der Gemüsehändler könne mit diesem Zeichen nicht richtig umgehen und den Plural mit dem Genitiv verwechseln. (fresh carrot’s).

[Bearbeiten] Der englische Genitiv als Ausnahme im Deutschen

Englische Handelsmarken und Franchise-Geschäfte enthalten als Markennamen gelegentlich einen Namen mit Apostroph und angehängtem Genitiv-s, wie beispielsweise McDonald’s. Dies ist im Englischen korrekt und stellt eine elliptische Veränderung von McDonald’s restaurant oder McDonald’s corporation dar. So heißt es auch korrekt im Englischen I go to the grocer's.

Es liegt die Vermutung nahe, dass sich deutsche Restaurants bei ihrer eigenen, deutschen Namensgebung gerne fälschlicherweise an dieser Schreibweise orientieren.

[Bearbeiten] Kritik

Als Kritik am überflüssigen Apostroph wird vorgetragen, dass es (wie auch das „Deppenleerzeichen“ Agovis) die Lesegeschwindigkeit verringere, da es zum Innehalten führe. Das heißt, es erschwert das Überfliegen von Texten, da die Aufmerksamkeit weg von den sinntragenden Wörtern hin zu sinnarmen Syntaxzeichen gelenkt wird.

Zudem verändert der Apostroph das Schriftbild: Ein Apostroph hat eine Überlänge, ragt also aus den Buchstabenzeilen nach oben heraus und fügt zusätzliche Leerstellen zwischen Buchstaben ein. Beides führt zu einem unruhigeren, zerrisseneren Schriftbild.

Siehe auch: Plenk, Klempen

[Bearbeiten] Weblinks

Kategorie:Typografie

[Bearbeiten] Übersetzungsfalle

Eine Übersetzungsfalle ist eine sprachliche Erscheinung, die oft fehlerhafte Übersetzungen provoziert. Man spricht sinnbildlich davon, wenn bestimmte fremdsprachige Wörter oder bestimmte Erscheinungen in Texten regelmäßig fehlerhaft, ganz oder teilweise sinnentstellt in die eigene Sprache übertragen werden. Grund dafür ist mangelnde Sprachkenntnis, die Fehlassoziationen und falsche Schlussfolgerungen verursacht.

[Bearbeiten] Arten von Fehlern

  • Falsche Freunde – „False Friends“,
  • Übersetzen des falschen Homonyms
  • free rides - falsche, aber ähnliche Grammatikkonstruktionen, darunter auch
    • verfälschende Nichtübersetzungen,
    • gewohnheitsbedingte Übersetzungsfehler und -fallen oder
    • verräterische Wendungen, die die fremdsprachigen Spuren erkennen lassen.
    • das Festhalten an grammatischen Konstruktionen, die im übersetzten Text merkwürdig klingen.
      • Vielzahl an Genitivkonstruktionen: „Die Viola des Vaters des Komponisten des Orchesters der Hauptstadt der Oblast.“
      • Anhäufung von Partizipialkonstruktionen: „Die untergehende, dunkelrot scheinende, hellrotleuchtende, mit den letzten Strahlen leuchtende und doch wärmende, alle erfreuende Sonne …“

[Bearbeiten] Ein Beispiel aus dem Englischen

  • Wort: Concept
  • Falsche Übersetzung, Scheinübersetzung: Konzept
  • Korrekte Übersetzung: Begriff, Vorstellung
  • Das englische Äquivalent zu deutsch Konzept wäre idea.

Bei häufiger und dauerhaft falscher Übersetzung kann so ein Wort aber auch zum Standard werden und die ursprüngliche Bedeutung aus der anderen Sprache übernehmen.

Beispiele aus der Programmierung: Control structure eigentlich = Steuerstruktur, wird aber in der Form Kontrollstruktur übersetzt, das Wort "Steuerstruktur" wird nicht verwendet. In dem Fall wird ein "falscher Freund" zum "wahren Freund". Oder Ausprägungen von Klassen in der Objektorientierung werden als Instanzen bezeichnet, obwohl die korrekte Übersetzung des englischen Begriffes Instance hier Exemplar wäre.

[Bearbeiten] Falsche Freunde

Fremdwort scheint zu sein bedeutet aber
billion Billion amerikanisches Englisch Milliarde (britisches Englisch - auch Billion - je nach Quelle und Zeit der Entstehung)
to control kontrollieren steuern
vital vital sehr wichtig
invalid invalide ungültig
to realize realisieren (fertigstellen) bemerken, wahrnehmen
sensible sensibel bewusst, sinnvoll, spürbar
eventually eventuell schließlich, letztendlich
must not muss nicht darf nicht
concrete konkret Beton
become bekommen unter anderem "werden"
slip Slip Unterkleid, Unterrock
however wie auch immer aber, jedoch
silicon Silikon Silizium

Siehe hierzu auch: Falscher Freund, Liste falscher Freunde

[Bearbeiten] Übersetzungsfehler durch Einzelübersetzung von Bestandteilen

Übersetzungsfehler, die durch Einzelübersetzung von Bestandteilen des Ausdrucks in der Ursprungssprache entstehen:

Nicht-deutsches Wort scheint zu sein bedeutet aber
Highway (Englisch) Autobahn (Über)Landstraße
high school (Englisch) Hochschule Für diese Schulform gibt es keine exakte Entsprechung. Am besten man belässt es bei der englischen Bezeichnung.
half-life (Englisch) halbes Leben Halbwertszeit (radioaktiver Zerfall)
overhear (Englisch) überhören mitbekommen, zufällig hören; (überhören = fail to hear, ignore)
oversee (Englisch) (etwas) übersehen beaufsichtigen, betreuen
power series (Englisch) Kraftserie Potenzreihe

[Bearbeiten] Beabsichtigte, scherzhafte Übersetzungsfehler

Nicht-deutsches Wort gibt vor zu sein bedeutet aber
Garibaldi (Italienisch) Schnellkochtopf Giuseppe G. (1807-1882), italienischer Freiheitskämpfer
Mubarak (Arabisch) Kuhstall Mohamed Hosni M., ägyptischer Präsident
Fidel Castro (Spanisch) Geigenkasten Fidel Castro Ruz, Präsident von Kuba
Buenos Aires (Spanisch) Frohe Ostern Gute Winde, Hauptstadt Argentiniens
Buenos días (Spanisch) schöne Bilder Guten Tag
Muchas gracias (Spanisch) viel zu rauchen Vielen Dank
Helsinki Sonnenuntergang Hauptstadt Finnlands

[Bearbeiten] Weblinks

Kategorie:Übersetzung

[Bearbeiten] Rekursives Akronym

Als rekursives Akronym bezeichnet man eine Abkürzung, die in der Erklärung ihrer Bedeutung auf sich selbst verweist. Rekursive Akronyme sind normalerweise Initialwörter. Der Begriff wird auch für Abkürzungen gebraucht, die eigentlich keine Akronyme sind. Die meisten rekursiven Akronyme treten in der Open-Source-Szene auf.

[Bearbeiten] Konstruktionsmethode

Echte rekursive Akronyme lassen sich mit einer einfachen Methode konstruieren:

  1. Denke Dir ein Akronym für Dein Projekt aus, am besten eins, das man aussprechen kann:
    → z.B. Acronyme-Recursion-Finder
  2. Erweitere dieses Akronym vorne um einen Buchstaben, am besten so, dass sich ein aussprechbares, noch besser ein sinnvolles Wort ergibt, beispielsweise mit einem B:
    → das ergibt dann BARF
  3. Verwende dann das ganze Akronym als seinen ersten Teil
    → womit es dann zum BARF-Acronyme-Recursion-Finder geworden ist.

[Bearbeiten] Beispiele

  • BLAG Linux And GNU
  • BARF-Acronyme-Recursion-Finder
  • CAVE Automatic Virtual Environment
  • HURD - HIRD of Unix-Replacing Daemons
    • HIRD - HURD of Interfaces Representing Depth
  • LAME Ain't an Mp3 Encoder
  • MICO Is CORBA
  • PHP Hypertext Preprocessor
  • Tim ist müde
  • VISA International Service Association
  • WINE Is Not an Emulator
  • ZINC is not commercial
  • ZILE is lossy emacs
  • Zinf Is Not Freea*p
  • Zope Object Publishing Environment
  • UND noch diverse ...

Beispiel eines rekursiven Akronyms in Palindromgestalt, dessen Selbstreferenzierung neben der ihm wesenhaften Autarkie auch seine sich selbst genügende Bedeutung und den durch reflexive Kausalität ad absurdum geführten Ursprung seiner selbst umfasst:

  • RupApuR - Rekursives und palindromiales Akronym, paradoxerweise ursprünglich: RupApuR

[Bearbeiten] Keine "Echten" Rekursionen

  • GNU is Not Unix
  • ANNA is Not aN Acronym
  • CArL (Carl AlexandeR Lerdorf, Sohn des PHP-Vaters Rasmus Lerdorf)
  • BUND für Umwelt und Naturschutz Deutschland
  • BAMs in Action and Motion

Kategorie:Abkürzung

[Bearbeiten] Redundantes Akronym

Ein redundantes Akronym ist ein spezieller Pleonasmus. Er tritt auf wenn man in einer Phrase ein Akronym mit einem Begriff verbindet welcher bereits im Akronym enthalten ist. Beispiel ist die PIN-Nummer, die "persönliche-Identifikationsnummer-Nummer".

Dieses Phänomen bezeichnet man auch als RAS-Syndrom, also redundantes Akronym-Syndrom steht, was wiederum selbstbezüglich ist. Eine weitere, ebenfalls selbstbezügliche Bezeichnung ist PNS-Syndrom, also PIN-Nummer-Syndrom steht.

[Bearbeiten] Beispiele

Weitere Beispiele finden sich in der Liste von Tautologien.

[Bearbeiten] Fehlinterpretierte Phrasen

Einige Phrasen werden als redundante Phrasen interpretiert, sind es aber nicht unbedingt:

  • DIN-Norm - Deutsches Institut für Normung
  • SMS-Nachricht - Short Message Service

[Bearbeiten] Gründe

Durch den Zusatz, der eigentlich redundant ist, wird eine schnelle Klassifikation im inneren Sprachzentrum eines Menschen ermöglicht. Ein wichtiger Grund ist die Analogie zu anderen Bildungen: PIN-Nummer, Geheimnummer, Kontonummer. Die Redundanz erhöht daher die Verständlichkeit. Häufig ist auch nur das Akronym bekannt und nicht dessen Bestandteile.

[Bearbeiten] Siehe auch

Kategorie:Abkürzung

[Bearbeiten] Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz

Das Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz (RflEttÜAÜG) war im Jahr 1999 im deutschen Bundesland Mecklenburg-Vorpommern Teil eines Gesetzesvorhabens mit dem vollständigen Namen Rinderkennzeichnungs- und Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz (RkReÜAÜG). Dieses Gesetz sollte die Übertragung der Überwachungsaufgaben der Etikettierung von Rindfleisch und der Kennzeichnung von Rindern regeln.

Bei der Einbringung des Gesetzes in den Landtag brachen die Abgeordneten in schallendes Gelächter aus. Der mecklenburg-vorpommersche Landwirtschaftsminister Till Backhaus entschuldigte sich daraufhin für die "mögliche" Überlänge des Gesetzestitels.

1999 wurde es von der Gesellschaft für deutsche Sprache für die Wahl zum Wort des Jahres vorgeschlagen.

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Weblinks

Kategorie:Rechtsquelle (Deutschland) Kategorie:Lebensmittelrecht Kategorie:Langes Wort

Kategorie:Rind

[Bearbeiten] Ghoti

Ghoti ist ein fiktives Wort aus der englischen Sprache. Die Erfindung wird dem irischen Schriftsteller George Bernard Shaw zugeschrieben. Das Wort soll die fehlende Logik der englischen Schriftsprache, beziehungsweise deren verstümmelte Phonem-Graphem-Korrespondenz persiflieren, denn „Ghoti“ wird wie das englische Wort „fish“ [f??] (dt.: „Fisch“) ausgesprochen.

[Bearbeiten] Zusammensetzung

  • Das <gh> soll wie in „laugh“ oder „cough“ als [f] ausgesprochen werden,
  • das <o> wie in „women“ entspräche einem [?]
  • und das <ti> würde als [?] wie in den Worten „nation“ oder „martial“ ausgesprochen

[Bearbeiten] Kritik

Obwohl dieses Konstrukt als beliebtes Argument für eine englische Rechtschreibreform gilt, so hat es doch seine Haken:

  1. <gh> wird am Anfang eines Wortes nie als [f],
  2. <o> wird ausschließlich beim Wort „women“ (Plural von „woman“) als [?], und
  3. <ti> wird am Ende eines Wortes nie, außerdem sonst fast ausschließlich bei Lehnwörtern aus dem Latein als [?] ausgesprochen.
  4. Durch eine Rechtschreibreform in Richtung einer Lautschrift würde viel etymologische Information verloren gehen.

Sämtliche Argumente können allerdings nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass die gegenwärtige Rechtschreibung der englischen Sprache ein – im Vergleich zu anderen Sprachen – sehr hohes Fehlerpotenzial birgt (sowohl bei Menschen, die die Sprache als Fremdsprache lernen, als auch bei Muttersprachlern).

[Bearbeiten] Neuere Lesart

Eine andere Lesart, die bekannt geworden ist, setzt sich folgendermaßen zusammen:

  • Das <gh> wird hier wie in „night“ oder „fight“,
  • das <o> wie in „people“,
  • das <t> wie in „ballet“ oder „gourmet“,
  • das <i> schließlich wird wie in „business“ ausgesprochen.

Strenggenommen dürfte man das Wort „Ghoti“ also überhaupt nicht aussprechen, da kein genanntes Graphem in diesen Wörtern einen eigentlichen Laut repräsentiert.

[Bearbeiten] Siehe auch

  • Shaw-Alphabet – Versuch eines englischen phonologischen Alphabets

Kategorie:Englische Sprache Kategorie:Phonologie

{{Lesenswert}}

[Bearbeiten] Baldwin Street

Baldwin Street
vergrößern
Baldwin Street

Die Baldwin Street ist laut Guinness-Buch der Rekorde die steilste Straße der Welt. Sie befindet sich im North East Valley, 3,5 km nördlich von Dunedin, Neuseeland. Die maximale Steigung der 200 Meter langen Straße beträgt 1:2.86 (20° oder 38%).

Im Laufe der Jahrzehnte ist die Straße eine bekannte Sehenswürdigkeit der Stadt geworden. Sie ist mehrmals von neuseeländischen und ausländischen Medienquellen erwähnt worden.

Jedes Jahr im Februar gibt es ein Rennen, das „Baldwin Street Gutbuster“, bei dem diese Straße mit Inline-Skates einmal hinauf und anschließend wieder hinunter zu fahren ist. Seit 2002 gibt es eine Benefiz-Veranstaltung, bei der über 10.000 runde Schokolade-Süßigkeiten den Berg hinunterrollen und die Sponsoren des Gewinners Preise erhalten.

In der Wertung der steilsten Straßen der Welt folgen Filbert Street und 22nd Street in San Francisco, welche beide eine Steigung von 31.5% (etwa 17°) aufweisen.

[Bearbeiten] Weblinks

Kategorie:Bekannte Straße Kategorie:Neuseeland

[Bearbeiten] Hewitt (Hügel)

Ein Hewitt (engl. hill in England, Wales or Ireland over two thousand feet) bezeichnet einen Hügel in England, Wales oder Irland, der mindestens 2000 Fuß bzw. 609,6 Meter hoch ist und sich aus seiner Umgebung mindestens 98 Fuß erhebt. Diese skurrile Einteilung wurde von Alan Dawson eingeführt.

Es sind derzeit 525 Hewitts verzeichnet, 178 in England, 137 in Wales und 211 in Irland. Schottland wurde von Dawson nicht mitgezählt, da es hier zu viele Berge gibt. Es wird aber in anderen Einteilungen mitgezählt, bzw. hat sogar eigene Einteilungen.

In Großbritannien zählt das "Sammeln" von Hewitts als skurrile Freizeitbeschäftigung (sog. "Peak Bagging").

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Weblinks

Kategorie:Geographie (Großbritannien) Kategorie:Geographie (Irland)

[Bearbeiten] Planstadt

Eine Planstadt ist eine Stadt oder ein Stadtteil, deren Grundriss ein deutlich erkennbarer Plan zugrunde liegt. Dies erfordert, dass die bebaute Fläche zur Planung völlig frei war oder zumindest durch gezielten Abbruch, Zerstörung im Krieg oder in einer Brandkatastrophe freigeräumt wurde.

Planstädte gab es in vielen Epochen der Geschichte, bereits in der Antike wurden Städte nach strengen Mustern angelegt. Fast jede Gründungsstadt ist im weiteren Sinne eine Planstadt, da zumindest die Hauptwege mit der Position der Stadttore, öffentliche Plätze, ggf. Verlauf der Stadtmauer sowie die Lage von öffentlichen Gebäuden festgelegt wurden. Allerdings hatte jede Epoche eigene Vorstellungen, die von einem gerade vorherrschenden Ideal oder Prinzipien abgeleitet waren (Idealstadt, Verbesserung der Städte). Manche dieser Prinzipien sind heute nicht mehr verständlich, wie etwa die Pläne mittelalterlicher Städte, die heute als unkontrolliert gewachsen erscheinen oder vielfach überformt sind.

Typische Planstädte in Europa sind die Stadtgründungen des Barock mit geometrischen Stadtgrundrissen, die man im engeren Sinne als Planstädte bezeichnet.

Schema der Mannheimer Innenstadt
vergrößern
Schema der Mannheimer Innenstadt
Strassenkarte der Planstadt La Chaux-de-Fonds (Schweiz)
vergrößern
Strassenkarte der Planstadt La Chaux-de-Fonds (Schweiz)

Einige Beispiele von Planstädten und deren Grundrissen:

Moderne Planstädte


[Bearbeiten] Weblinks

Kategorie:Städtebau

[Bearbeiten] Inversionsweltbild

Das Inversionsweltbild (oder Transformationsbild) besagt, dass wir auf der Innenseite einer hohlen Erde mit dem Durchmesser von 12740 km leben. Die Planeten, die Sonne und die Sterne befinden sich im Inneren dieser Kugel. Es ist eine Spiegelung des Universums an der Erdoberfläche.

Das Inversionsweltbild basiert auf folgenden Axiomen:

  1. Alle Längen verkürzen sich umso mehr, je näher sich etwas dem Mittelpunkt der Hohlwelt zubewegt.
  2. Nur die Lichtstrahlen, die sich exakt auf den Mittelpunkt zubewegen, sind geradlinig, alle anderen sind kreisförmig und gehen durch den Mittelpunkt (alle Lichstrahlen sind also verallgemeinerte Kreise durch den Mittelpunkt).
  3. Die Lichtgeschwindigkeit nimmt ab, je näher sich das Licht dem Mittelpunkt zubewegt.

Da die Strecken zum Zentrum immer kürzer werden, folgt aus Axiom 1, dass sich alles verlangsamt, je näher man zum Zentrum der Kugel gelangt, auch das Licht. Die Lichtgeschwindigkeit ist also nicht konstant. Das Zentrum selbst kann nicht erreicht werden. Die Auswirkungen dieser Axiome kann der Betrachter innerhalb der Welt jedoch nicht wahrnehmen.

Mathematisch können diese Axiome so formuliert werden, dass sie in keinem Punkt dem gängigen Verständnis der Physik widersprechen. Es handelt sich dann rein mathematisch um eine Inversion bezüglich der Erdoberfläche. Die Formeln zur Berechnung von Planetenbahnen werden dabei allerdings kompliziert und unanschaulich. Vergleichbar zum geozentrischen Weltbild kommt der Erde eine herausragende Stellung im Universum zu. Nur eben nicht im Zentrum, sondern am Rand. Das Inversionsweltbild und das geozentrische Weltbild verzichten also zugunsten einer speziellen Stellung der Erde, und damit des Menschen, auf eine einfache mathematische Darstellung physikalischer Zusammenhänge.

Rein mathematisch steht die Theorie mit keiner klassischen physikalischen Theorie im Widerspruch, da jedes Koordinatensystem entsprechend umgerechnet werden kann (siehe Link unten). Allerdings verlieren durch das Inversionsweltbild einige der Prinzipien (Symmetrien), aus denen die Theorie hergeleitet wurde ihre Gültigkeit. So widerspricht die Theorie dem Noether-Theorem, womit die fundamentalen Erhaltungssätze der Physik nicht mehr gelten würden, oder auch die Annahme Galileis und Newtons, dass die physikalischen Gesetze in allen Punkten des Raums die selben sind. In der allgemeinen Relativitätstheorie ist es dagegen im allgemeinen nicht möglich, ein das Universum umspannendes Koordinatensystem anzugeben, so dass eine Umformulierung im Sinne der Hohlwelttheorie unmöglich wird. Auch die spezielle Relativitätstheorie basiert auf der Annahme, dass es kein absolutes Koordinatensystem gibt, so dass die Hohlwelttheorie in der oben genannten Form keine relativistischen Effekte erklären kann. Um relativistische Effekte zu erklären, sind die obigen Axiome also nicht ausreichend und es müssten weitere Regeln eingeführt werden, um die Hohlwelttheorie zu stützen.

Philosophisch könnte die Annahme der Hohlwelttheorie die neue Frage aufkommen lassen, was denn außerhalb der Kugel sei, in der wir uns befinden. Aus den Axiomen und der wissenschaftlichen Erforschung des "Erdinneren" folgt allerdings, dass sich dort die Erde gegen unendlich erstreckt. Wenn man ein gerades Loch nach außen, vom Weltmittelpunkt fortweisend, bohren würde, würde der Tunnel sich immer weiter ausdehnen, bis er sich im Unendlichen auf die andere Seite der Welt umstülpt und sich dort wieder dem Weltmittelpunkt nähert, bis er die Erdoberfläche durchbricht. Nur der eine unendlich dünne Strahl, der ganz genau vom Weltmittelpunkt fortweist, würde ins Unendliche verschwinden. Dadurch könnte man ein Objekt durch den Tunnel durchschicken, das dann in endlicher Zeit praktisch vollständig an der gegenüberliegenden Seite der Erde angelangt, was auch der üblichen Welttheorie entspricht

Mit mathematisch ähnlichen Methoden kann man allerdings in jedem beliebigen kugelförmigen Objekt, in jedem Stein und sogar in jedem Atomkern ein unendlich großes Universum postulieren, dessen Inhalt diskutiert werden könnte, was die Theorie gegen das Sparsamkeitsprinzip von Ockhams Rasiermesser widersprechen lässt und damit in den Bereich des Fragwürdigen treibt.

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Weblinks

http://home.arcor.de/welt777/straube.htm Kategorie:Sonstiges (Astronomie)

[Bearbeiten] Bant

Bant war eine Insel in der Emsmündung nordwestlich von Marienhafe. Die erste Erwähnung stammt etwa aus dem Jahr 800. Durch Torfabbau und Salzgewinnung kam es zu einer Erosion der Küstenlinie. Die Insel ging um 1170 in einer Sturmflut unter bzw. brach auseinander. Das neben den Inseln Borkyn, Just, Ruise (Buise) und Norderoog (dem späteren Norderney) übriggebliebene kleine Eiland Bant verschwand um 1750. Brauchbares Kartenmaterial aus der Zeit vor dem 16. Januar 1362 ("erste grote Mandränke", verheerendste bekannte Nordsee-Sturmflut des Mittelalters) ist nicht vorhanden.

Häufig vermutet wird ein Zusammenhang mit der Insel Burchana, von der Plinius der Ältere um 50 n. Chr. berichtet. Die Vorstellung, dass die Inseln Juist, Norderney bzw. Buise, Borkum und Bant um die Zeitenwende eine einheitliche Inselfläche bildeten, ist aber aus geologischen Gründen in mehrfacher Hinsicht nicht haltbar. So war Bant ehemaliges Festland, während die übrigen Ostfriesischen Inseln aus Sanddünen entstanden.

Bant war außerdem der Name eines der Dörfer, aus denen die Stadt Wilhelmshaven gebildet wurde.

Kategorie:Ostfriesland Kategorie:Insel (Deutschland)

[Bearbeiten] Brennender Berg

Ehemaliger Sandsteinbruch im Brennenden Berg
vergrößern
Ehemaliger Sandsteinbruch im Brennenden Berg

Der Brennende Berg ist ein Naturdenkmal in den saarländischen Orten Dudweiler und Sulzbach-Neuweiler. Es handelt sich dabei um ein schwelendes Kohlenflöz, das im 17. Jahrhundert in Brand geraten ist und noch heute brennt.

[Bearbeiten] Brand

Entstanden ist der Brand um das Jahr 1668. Die genaue Brandursache ist unklar. Wahrscheinlich handelte es sich um eine Selbstentzündung durch Druck und Zersetzung in Folge von wilder Kohlengräberei. Überliefert wird hingegen, dass ein Hirte an einem Baumstock ein Feuer entzündet und sich über dessen Wurzeln die Glut bis in das Flöz übertragen haben soll.

Dudweiler Bürger haben anfangs versucht, die Glut mit Wasser zu bekämpfen, was aber erfolglos blieb.

Das Flöz brennt nicht mit offener Flamme, sondern glimmt. Zu Beginn war die Glut noch durch Spalten im Fels zu sehen, darüberhinaus kam es zu starken Rauchentwicklungen. Der Brand begann sich allerdings bereits Ende des 18. Jahrhunderts abzuschwächen. Heute sind teilweise noch Dämpfe zu beobachten, außerdem ist immer noch Wärme zu spüren.

[Bearbeiten] Tourismus

Der Brennende Berg ist eine der Sehenswürdigkeiten der Region. Er ist ein beliebtes Ziel für Ausflüge und schulische Wandertage.

Auch Johann Wolfgang von Goethe besuchte im Juni 1770 den Brennenden Berg. Auf den Goethebesuch macht heute eine Gedenktafel aufmerksam. Goethe schrieb später in seinen Erinnerungen über den Besuch:

„Wir hörten von den reichen Dutweiler Steinkohlengruben, von Eisen- und Alaunwerken, ja sogar von einem brennenden Berge, und rüsteten uns, diese Wunder in der Nähe zu beschauen. [...] Wir traten in eine Klamme und fanden uns in der Region des brennenden Berges. Ein starker Schwefelgeruch umzog uns; die eine Seite der Höhle war nahezu glühend, mit rötlichem, weißgebranntem Stein bedeckt; ein dicker Dampf stieg aus den Klunsen hervor und man fühlte die Hitze des Bodens auch durch die starken Sohlen.“ (Lit.: Goethe)

[Bearbeiten] Siehe auch

das Naturdenkmal Chimaira in der heutigen Türkei

[Bearbeiten] Literatur

  • Johann Wolfgang von Goethe: Dichtung und Wahrheit. Zweiter Teil. Zehntes Buch. 1812. (Internetfundstelle)
  • Martin Schuto: Neue Wirtschaftszweige — Alaunhütten, Kokserzeugung, Sudhaus. In: 1000 Jahre Dudweiler 977–1977. Saarbrücker Zeitung Verlag. Saarbrücken 1977. S. 228–233.
  • Karl Heinz Ruth: Die Alaungewinnung am Brennenden Berg. In: Historische Beiträge aus der Arbeit der Dudweiler Geschichtswerkstatt. Band 5. Saarbrücken 1988, S. 1–17. (Bezugsquelle)

[Bearbeiten] Weblinks

Commons: Brennender Berg – Bilder, Videos und/oder Audiodateien

Kategorie:Naturdenkmal Kategorie:Saarbrücken

49° 17' 20" N, 7° 3' 13" O

[Bearbeiten] Magic Roundabout

Dieser Artikel beschreibt eine spezielle Art der Verkehrsführung in Swindon/England. Weiteres zur gleichnamigen Fernsehsendung siehe: Magic Roundabout (TV).
Karte des Magic Roundabout
vergrößern
Karte des Magic Roundabout

Der Magic Roundabout (en. magischer Kreisverkehr) in Swindon, Südengland ist eine Art der Verkehrsführung, welche aus einem großen Kreisverkehr in der Mitte und fünf kleineren, ringförmig um den inneren Kreisverkehr angeordneten, Kreisverkehren besteht.

[Bearbeiten] Geschichte

Der Kreisverkehr wurde im September des Jahres 1972 eingeweiht. Er war der erste richtige Magic Roundabout, nachdem in Colchester, Essex, nur ein Versuchsmodell installiert worden war. Der Roundabout von Swindon war hingegen von Anfang an dazu gedacht, eine stark staugefährdete Kreuzung, an der sich fünf wichtige Straßen treffen, zu entschärfen. Dort war der Verkehr immer wieder täglich zur rush hour förmlich zum Erliegen gekommen.
Heute fließt dort der Verkehr sogar zu den Stoßzeiten noch relativ flüssig, obwohl der Magic Roundabout für das viel geringere Verkehrsaufkommen der 1970er Jahre geplant worden war.

Entwickelt wurde der Magic Roundabout als "multi-mini roundabout" vom britischen Road Research Laboratory (RRL).
In den äußeren Kreisverkehren läuft der Verkehr, wie in Großbritannien üblich, im Uhrzeigersinn (Linksverkehr!) und im inneren Kreisverkehr läuft der Verkehr entgegen dem Uhrzeigersinn (wie im restlichen Europa mit Rechtsverkehr üblich). Die Fahrer, welche aus den sich treffenden Straßen kommen, fahren also zunächst in den jeweiligen kleinen Kreisverkehr ein, so sie nicht sofort wieder links abbiegen müssen, um sich von dort in den großen Kreisverkehr im Inneren einzuordnen. Dieser wird an der gewünschten Ausfahrt wieder über den jeweiligen kleinen Kreisverkehr verlassen.

Am Tag der Eröffnung wurden die Straßen zunächst gesperrt und dann nach und nach geöffnet. Steve Dudley war an dem Tag der zuständige Polizeibeamte und sagte, er habe diesen Tag als sehr nervenaufreibend in Erinnerung, aber es habe auf Anhieb funktioniert.

[Bearbeiten] Vorteile gegenüber herkömmlichen Kreisverkehren

Der Magic Roundabout führt die am stärksten frequentierten Straßen Swindons in einer Kreuzung zusammen. Die Einrichtung eines herkömmlichen Kreisverkehres hätte zu erheblichem Rückstau in den Zufahrtsstraßen geführt, da in einem normalen Kreisverkehr im schlimmsten Falle alle Zufahrten wegen der Fahrzeuge aus einer Zufahrt warten müssen. Die kleinen Kreisverkehre dienen als Zufahrtsventil; sie erlauben es den Fahrzeugen aus jeder Zufahrt nach und nach in den inneren Kreisverkehr einzufahren. Dies ermöglicht die optimale Nutzung des Straßenraumes durch die Fahrzeuge, da die Abstände der Fahrzeuge im Verkehrsfluß verkleinert werden und sich negative Auswirkungen von Stauungen (Verzögerungen beim Anfahren, Auffahrunfälle etc.) minimieren. Die Fahrzeuge sind im Magic Roundabout zwar langsamer unterwegs, als in einem normalen mehrspurigen Kreisverkehr, aber dafür ist der Verkehrsfluß gleichmäßiger und konstanter.

[Bearbeiten] Verhältnis der Autofahrer zum Magic Roundabout

Das Verhältnis der Einheimischen zu "ihrem" Magic Roundabout ist recht ambivalent. Einerseits sind die Swindoner stolz auf dieses Bauwerk (von dessen Art es ca. ein halbes Dutzend in Großbritannien gibt), aber es gibt auch einen weit verbreiteten Scherz über den Magic Roundabout, welcher besagt, dass das Bauwerk die Verkehrsprobleme der Kreuzung gelöst habe, indem es die Autofahrer derart verängstigte, dass diese nun Schleich- oder Umwege fahren, um den Magic Roundabout zu meiden. Auch erfreuen sich die Einheimischen nach eigener Aussage an der Verwirrung und teilweise auch Verzweiflung ausländischer Besucher, welche versuchen das Verkehrsgeschehen am Magic Roundabout zu begreifen. Es wird immer wieder von Touristen berichtet, welche vor dem Magic Roundabout völlig verzweifelt ihren PKW abstellen und sich nicht getrauen in den Kreisverkehr einzufahren bzw. entgegen ihrer beabsichtigen Fahrtroute sofort links abbiegen, um nicht in den Kreisverkehr einfahren zu müssen.

[Bearbeiten] Unfälle

Obwohl viele Autofahrer von der Komplexität der Verkehrsführung zunächst überfordert sind, gab es seit ihrer Einführung nur 14 schwere und 80 leichte Unfälle. Dies liegt unter der für eine derartige Kreuzung zu erwartenden Zahl. In die meisten Unfälle waren Radfahrer oder Fußgänger verwickelt, für die es nun rings um den Magic Roundabout einen Ring von Fußgängerampeln gibt. Daher haben diese Unfälle nach den Umbaumaßnahmen weiter abgenommen.

[Bearbeiten] Weitere Kuriositäten

In Swindon gibt es auch das Octagon, ein System von Fünf sternförmig angeordneten Kreisverkehren und den North Star, ein System von Vier Kreisverkehren. Diese verfügen aber nicht über den zentralen gegenläufigen Kreisverkehr des Magic Roundabout, sondern sind über normale Straßen miteinander verbunden.

[Bearbeiten] Fotogalerie

[Bearbeiten] Weblinks

Kategorie:England Kategorie:Straßenbau

[Bearbeiten] Ich bin ein Berliner

52° 29' 8" N 13° 20' 35" O

Gedenktafel an Kennedys Rede am Rathausportal
vergrößern
Gedenktafel an Kennedys Rede am Rathausportal
 Eintrag ins Goldene Buch der Stadt Berlin
vergrößern
Eintrag ins Goldene Buch der Stadt Berlin
 Notizen zu den fremdsprachigen Passagen: Ish bin ein Bearleener – kiwis Romanus sum – Lasd z nack Bearleen comen
vergrößern
Notizen zu den fremdsprachigen Passagen: Ish bin ein Bearleener – kiwis Romanus sum – Lasd z nack Bearleen comen
 Manuskript der Rede
vergrößern
Manuskript der Rede

Ich bin ein Berliner“ ist ein berühmtes Zitat aus einer Rede von John F. Kennedy am 26. Juni 1963 vor dem Rathaus Schöneberg, anlässlich des 15. Jahrestags der Berliner Luftbrücke und des ersten Besuchs eines US-amerikanischen Präsidenten nach dem Mauerbau am 13. August 1961, mit dem er seine Solidarität mit der Bevölkerung von West-Berlin ausdrücken wollte.

Im Originaltext der Rede kam der Ausspruch zweimal vor:

  1. „Two thousand years ago the proudest boast was ‚Civis Romanus sum‘. Today, in the world of freedom, the proudest boast is ‚Ich bin ein Berliner‘.“
    (Vor zweitausend Jahren war der stolzeste Satz ‚Ich bin ein Bürger Roms‘. Heute, in der Welt der Freiheit, ist der stolzeste Satz ‚Ich bin ein Berliner‘.)
  2. „All free men, wherever they may live, are citizens of Berlin, and, therefore, as a free man, I take pride in the words ‚Ich bin ein Berliner‘!“
    (Alle freien Menschen, wo immer sie leben mögen, sind Bürger von Berlin, und deshalb bin ich als freier Mensch stolz darauf, sagen zu können ‚Ich bin ein Berliner‘!)

Kennedy notierte sich auch die Sätze:

  • Lasst sie nach Berlin kommen
  • Civis Romanus sum

und übte zuvor mit dem Journalisten Robert H. Lochner diese Passagen im Amtszimmer des Berliner Bürgermeisters Willy Brandt und ließ sich eine Transkription aufschreiben. Im Hinblick auf die UdSSR erntete er den Widerspruch seiner Berater.

[Bearbeiten] Referenzen

Während des Balkankonflikts in den 1990ern referierte Madeleine Albright diese Worte, wohl anmerkend sie wolle im Hinblick auf Kennedy nicht unbescheiden wirken, aber doch auf die geschichtliche Parallele verweisen: „Ja sam Sarajevka!“

[Bearbeiten] Trivia

In den USA entstand in den 1980er Jahren eine so genannte Urban Legend, nach der sich Kennedy durch unsauberen Gebrauch der deutschen Grammatik zum Gespött der Berliner gemacht habe. Die Legende behauptet, der grammatikalisch korrekte Satz hätte „Ich bin Berliner“ heißen müssen (ohne unbestimmten Artikel), und Kennedys Wendung wäre von den Berlinern als „Ich bin ein Marmeladengebäck“ (Marmeladen-Krapfen) verstanden worden. Obwohl diese Behauptung jeglicher grammatikalischer Grundlage entbehrt, erfreut sie sich in den USA immer noch großer Beliebtheit.

Abgesehen davon, dass der unbestimmte Artikel im Deutschen korrekterweise bei Nomen verwendet wird, die als Stellvertreter einer Klasse auftreten, würde sich auch kein Bürger Berlins als Hefegebäck verstehen, da letzteres dort „Pfannkuchen“ heißt. Der Satz ist also korrekt und wurde auch vor der Rede entsprechend verifiziert. Das Gelächter des Publikums bezog sich auf eine folgende Bemerkung des Präsidenten, mit der er dem Simultandolmetscher für die Übersetzung seines deutschen Satzes ins Deutsche dankte.

Interessanterweise wird die Geschichte mittlerweile auch von deutschen Muttersprachlern unreflektiert aus dem Englischen übernommen.

Richtig ist weiterhin, dass Kennedy gemäß der eigenen, in der Hektik erstellten Transskription sprach und zwar mit einem anderen Fehler: Civis Rumanus sum [ kiuiz romanus sum ].

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Weblinks

Wikisource: John F. Kennedy - Rede vor dem Rathaus Schöneberg am 26. Juni 1963 – Quellentexte

Kategorie:Berliner Geschichte Kategorie:Politisches Schlagwort Kategorie:Rede Kategorie:1963

[Bearbeiten] MacGuffin

MacGuffin ist der von Alfred Hitchcock geprägte Begriff für mehr oder weniger beliebige Objekte oder Personen, die in einem Film nur dazu dienen, die Handlung auszulösen oder voranzutreiben ohne selbst von besonderem Interesse zu sein. Vor allem in Krimis und Thrillern ist der MacGuffin neben dem klassischen Whodunit ein verbreitetes Mittel, um Spannung über die gesamte Filmhandlung hinweg aufrechtzuerhalten.

Ein typischer MacGuffin ist z. B. ein Dokument mit einer Geheimformel, kompromittierenden Informationen oder illegalen Abmachungen, das in die Hände eines mehr oder weniger Unbeteiligten gerät, genauso gut kann es eine Tasche mit der Beute eines Bankraubs sein – für die Filmhandlung ist der Inhalt des Dokuments oder das Geld in der Tasche von untergeordneter Bedeutung, sie konzentriert sich auf die Jäger-Beute-Konstellation, die der Besitzerwechsel nach sich zieht und die daraus folgenden dramatischen Situationen von Verfolgung und Flucht, bei denen der Zuschauer sich mit dem Gejagten identifiziert. Ein anschauliches Beispiel ist der Koffer, der im Film Pulp Fiction herumgetragen wird. Er ist zwar Auslöser der Handlung, der Zuschauer erfährt jedoch an keiner Stelle, was der Koffer überhaupt enthält.

In einer 1939 gehaltenen Rede an der Columbia-Universität definierte Hitchcock den MacGuffin so: „Zwei Schotten fahren in der Eisenbahn und der eine fragt den anderen, was da im Gepäcknetz liege. ‚Oh, das ist ein MacGuffin.‘ ‚Was ist ein MacGuffin?‘ ‚Ein MacGuffin ist ein Apparat, um in den Bergen von Adirondack Löwen zu fangen.‘ ‚Aber es gibt gar keine Löwen dort.‘ ‚Nun, dann ist es eben auch kein MacGuffin.‘“

Slavoj Zizek bezeichnet den Ring in Richard Wagners Ring des Nibelungen als den „größten MacGuffin aller Zeiten“ und als Beispiel für das sogenannte Objekt klein a in der lacanschen Theorie der Psychoanalyse.

siehe auch: Red Herring

[Bearbeiten] Literatur

Francois Truffaut: Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht? Heyne, 2003. ISBN 3-453-86141-8

[Bearbeiten] Weblinks

Kategorie:Filmtechnik

[Bearbeiten] Strange Fruit

Dieser Artikel handelt von Billie Holidays Song. Für weitere Bedeutungen siehe Strange Fruit (Begriffsklärung).

Strange Fruit (engl. Sonderbare Frucht) ist ein Musikstück, das seit dem Auftritt der afroamerikanischen Sängerin Billie Holiday 1939 im Café Society in New York City weltweit bekannt wurde. Das von Abel Meeropol komponierte und getextete Lied gilt als eine der stärksten künstlerischen Aussagen gegen Lynchmorde in den Südstaaten der USA und als ein früher Ausdruck der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung. Der Ausdruck Strange Fruit hat sich als Symbol für Lynchmorde etabliert.

Die im Lied angesprochene Strange Fruit ist der Körper eines Schwarzen, der an einem Baum hängt. Der Text gewinnt seine emotionale Schlagkraft vor allem dadurch, dass er das Bild des ländlichen und traditionellen Südens aufgreift und mit der Realität der Lynchjustiz konfrontiert. In der zweiten Strophe heißt es beispielsweise: Idyllische Szene des galanten Südens/die herausquellenden Augen, der verdrehte Mund/der Duft von Magnolien süß und frisch/dann ein plötzlicher Geruch von brennendem Fleisch.

Southern trees bear a strange fruit,
blood on the leaves and blood at the root,
black body swinging in the Southern breeze,
strange fruit hanging from the poplar trees.

Bäume im Süden tragen sonderbare Früchte
Blut auf den Blättern und Blut an der Wurzel
Schwarze Körper schaukeln in der Brise des Südens
Sonderbare Früchte hängen von den Pappeln

[Bearbeiten] Hintergrund

"... for the sun to rot/for a tree to drop/Here is a strange and bitter crop."
vergrößern
"... for the sun to rot/for a tree to drop/Here is a strange and bitter crop."

Auch nach dem Ende der Sklaverei und der Reconstruction-Ära war Rassismus noch eine alltägliche Begebenheit in den USA. Das oberste Gericht der USA hatte Rassentrennung unter dem Grundsatz Getrennt, aber gleich zugelassen, was in der Praxis nur sehr selten auf ein aber gleich hinaus lief. Nach eher konservativen Annahmen des Tuskegee Institute wurden in den Jahren 1889 bis 1940 insgesamt 3.833 Menschen gelyncht; 90 Prozent dieser Morde fanden in den Südstaaten statt, vier Fünftel der Opfer waren Afroamerikaner. Oft war nicht einmal ein Verbrechen als Anlass des Mordes nötig; wie im Fall Emmett Till reichte manchmal damit die Schwarzen nicht zu aufmüpfig werden als Begründung. 1939 hatte es bereits drei Lynchmorde gegeben, eine Umfrage in den Südstaaten ergab, dass sechs von zehn Weißen die Praxis des Lynchens befürworteten.

[Bearbeiten] Die Sängerin: Billie Holiday

Die Sängerin Holiday hatte sich 1939 bereits aus dem Elend ihrer Jugend herausgearbeitet. Sie hatte Produktionen mit Count Basie, Glenn Miller und Artie Shaw aufgenommen und galt als verkaufsträchtige Jazz-Sängerin und ausgezeichnete Unterhaltungsmusikerin. Die damals 24jährige hatte zu dieser Zeit neu im Café Society angefangen; vorher war sie in einem New Yorker Hotel gezwungen worden, den Frachtaufzug zu benutzen – bezeichnenderweise in einem, das nach Abraham Lincoln benannt war. Sie war in ihrem Leben zahlreichen Formen des Rassismus ausgesetzt. Ihr Vater starb 1937 vor allem deshalb, weil sich alle Krankenhäuser der Gegend weigerten, einen Afroamerikaner zu behandeln. Sie sagte dazu: Nicht die Lungenentzündung tötete ihn, Dallas tötete ihn.

Der Song sticht im Repertoire Holidays heraus. Während sie sowohl als elegante Jazz-Sängerin wie auch als ausdrucksstarke Blues-Interpretin bekannt war, erreichte sie vor allem mit Strange Fruit Weltruhm. Das öffentliche Bild von Billie Holiday und dem Song verschmolzen miteinander: Sie war nicht mehr nur die Frau, die ihr Publikum verführen und rühren konnte, sie war fähig, es regelrecht zu erschüttern. Einige ihrer Bekannten behaupten, dass sie intellektuell nicht fähig gewesen sei, auf dem Abstraktionsniveau des Songs überhaupt zu begreifen, wovon dieser handelte. Das erscheint jedoch unglaubwürdig – zum einen aufgrund ihres Vortrags, aber auch, weil Lynchjustiz damals derart gegenwärtig war, dass es unwahrscheinlich ist, dass eine Schwarze nicht hätte begreifen können, worum es geht. Holiday selbst wollte, dass ihre Autobiographie die letzten beiden Worte des Lieds, Bitter Crop (dt: Bittere Ernte), im Titel enthielt, der Verlag sah aber keine Möglichkeit dazu.

[Bearbeiten] Der Komponist und Texter: Abel Meeropol

Abel Meeropol war russisch-jüdischer Lehrer aus der Bronx und Mitglied der kommunistischen Partei der USA. Er sah ein Foto des Lynchmords an Thomas Shipp und Abram Smith, das ihn nach eigenen Aussagen für Tage verfolgte und nicht schlafen ließ. Daraufhin schrieb er das Gedicht Bitter Fruit und veröffentlichte es unter dem Pseudonym Lewis Allan im Magazin New York Teacher und der kommunistischen Zeitung New Masses. Später schrieb er das Gedicht in den Song Strange Fruit um. Die Erstaufführung erfolgte durch Meeropols Frau bei einer Versammlung der New Yorker Lehrergewerkschaft. Strange Fruit gewann eine gewisse Popularität innerhalb der US-amerikanischen Linken. Barney Josephson, der Inhaber des Café Internationals, hörte davon und stellte Meeropol und Holiday einander vor. Obwohl Meeropol später noch andere Songs schrieb, darunter auch einen Hit für Frank Sinatra, hing sein Herz immer besonders an diesem Stück. Um so verletzter war er, als Holiday in ihrer Autobiographie behauptete, dass Strange Fruit von ihr und ihrem Klavierspieler Sonny White geschrieben worden sei.

[Bearbeiten] Café Society

Das Café Society war ein Club der linken und liberalen Intellektuellen und der New Yorker Bohème im Greenwich Village. Obwohl überwiegend von Weißen besucht, fand sich doch ein gemischtes Publikum ein – es war der einzige New Yorker Club außerhalb Harlems, der überhaupt Weißen und Schwarzen gleichzeitig offenstand. Der Betreiber Barney Josephson war sowohl ein vehementer Anhänger der "Rassenintegration" wie von gutem Jazz und guter Unterhaltung.

[Bearbeiten] Aufführung

Holiday zögerte anfangs, Strange Fruit in ihr Programm aufzunehmen – zu sehr wich das Lied von ihrem sonstigen Repertoire ab. Nach der ersten Aufführung herrschte Stille im Café Society. Erst nach einiger Zeit begann zögernder, sich steigernder Applaus.

Die bis dahin gesungenen Versionen hatten das Gedicht entweder als linkes Kampflied oder mit oft übermäßigem Pathos vorgetragenes Mitleidsstück aufgeführt. Bei Billy Holiday jedoch verwandelte es sich in einen Vortrag von atemberaubender Unmittelbarkeit und Eindringlichkeit. Ein Biograph von Holiday bemerkte dazu: "Bei vielen Coverversionen hat man das Gefühl, eine hervorragende Aufführung eines hervorragendes Songs zu hören; wenn Billie sang, hatte man das Gefühl direkt am Fuß des Baumes zu stehen." Diese Interpretation sprach ein weit größeres Publikum als bisher an und schaffte es, über die ohnehin interessierten Kreise Beachtung zu finden. Damit wurde der Horror der schwarz-weißen Beziehungen, den eine große Bevölkerungsmehrheit nur passiv hinnahm, wieder als gesellschaftlich Problem wahrnehmbar.

Strange Fruit wurde im Café Society Holidays Abschlusssong. Sämtliche Lichter bis auf ein Spotlight auf die Sängerin wurden ausgeschaltet, sie selbst hielt die Augen während der Einleitung geschlossen. Sofort nach der Aufführung ging sie ab und verschwand. Dem folgte in der Regel Stille und keine weitere Musik: als klares Zeichen, dass jetzt das Ende des Auftritts erreicht sei.

Holiday verwendete den Song in ihrem Repertoire nun als eine Art Abschlusszugabe: sowohl, um ihn mit einem ihr sympathischen Publikum zu teilen als auch, um ein Publikum herauszufordern, das ihr nach ihrer Meinung den Respekt verweigerte. Sie schrieb dazu in ihrer Autobiografie: "Dieses Lied schaffte es, die Leute die in Ordnung sind, von den Kretins und Idioten zu trennen." In den Südstaaten, durch die sie ohnehin selten tourte, spielte Holiday das Lied noch seltener, da sie wusste, dass es Ärger auslösen würde. In Mobile, Alabama wurde sie aus der Stadt gejagt, nur weil sie versucht hatte, das Lied zu singen.

[Bearbeiten] Aufnahmen

Holidays damalige Plattenfirma Columbia Records weigerte sich, Strange Fruit auf Platte zu produzieren. Da die Firma kein offizielles Statement herausgab, kann heute über den Grund nur gemutmaßt werden. Zum einen wohl, weil das Lied insbesondere für das weiße Publikum der Südstaaten als politisch zu anstößig und geschäftsschädigend aufgefasst worden wäre, zum anderen aber wohl auch, weil es stilistisch einen zu großen Bruch mit dem Standard-Repertoire von Holiday bedeutet hätte, das größtenteils aus typischer Nachtclubmusik bestand. Immerhin erhielt sie die Freigabe, das Lied für Commodore Records, eine kleine jüdische New Yorker Plattenfirma aufzunehmen.

Obwohl der Song zum Standardrepertoire der US-amerikanischen Musikgeschichte gehört und beliebt ist, wird er doch selten gehört oder gespielt. Insbesondere die Version von Billie Holiday beschreiben viele Hörer als psychisch verstörend oder gar physisch schmerzhaft. Die Herausforderung für einen Interpreten, den Song aufzuführen – und damit in direkten Vergleich zu den Holiday-Versionen zu treten – gilt als enorm, daher weichen viele dieser Herausforderung aus.

Andere berühmte Versionen des Songs sangen Josh White, Carment McRae, Eartha Kitt, Cassandra Wilson, Nina Simone, Tori Amos, Pete Seeger, Diana Ross, Robert Wyatt und Sting, Tricky produzierte einen Remix, und Lester Bowie mit seiner Brass Fantasy spielte eine Instrumentalversion ein.

Joel Katz drehte 2002 eine Dokumentation über den Song. Der einzige humoristische Umgang mit dem Begriff "Strange Fruit" klingt in dem britischen Film "Still Crazy" an, in dem alternde Rockstars ihre ehemalige One-Hit-Band "Strange Fruit" wieder aufleben lassen.

Billie Holiday selbst nahm das Lied mehrfach auf, es findet sich auf unzähligen ihrer Compilations, wie auf Samplern. The Commodore Master Takes enthält die erste Aufnahme, eine Version in besonderer Umgebung in Dead and Gone 2. Death Songs, des deutschen Trikont-Labels.

[Bearbeiten] Wirkung

In seiner Symbolkraft gilt Strange Fruit als ähnlich wichtig für die Bürgerrechtsbewegung wie die Aktion von Rosa Parks. Neben We Shall Overcome und vielleicht noch Bob Dylans The Murder of Emmett Till ist kein anderes Lied derart mit dem politischen Kampf um schwarze Gleichberechtigung verwoben. Bei seiner Einführung noch als Schwarze Marseillaise gefeiert, beziehungsweise als Propagandastück bekämpft, wurde es im Laufe der Zeit immer mehr als überpolitisch wahrgenommen: als musikalische Einforderung der Menschenwürde und Gerechtigkeit. Besonders einflussreich in der Rezeption war Angela Davis' Buch: Blues Legacies and Black Feminism. Während Holiday oft als "bloße Unterhaltungssängerin", die quasi als Medium für den Song diente, porträtiert wurde, zeichnete Davis auf dem Hintergrund ihrer Untersuchungen das Bild einer selbstbewussten Frau, die sich der Wirkung und des Inhalts von Strange Fruit sehr bewusst war. Oft genug setzte Holiday ihn gezielt ein. Obwohl er zu ihrem Standardrepertoire gehörte, variierte sie ihn wie keinen anderen in der Art der Vorführung. Das Lied interpretierte Davis als maßgeblich für die Wiederbelebung der Tradition von Protest und Widerstand in der afroamerikanischen und US-amerikanischen Musik und Kultur. Das Time Magazine bezeichnete Strange Fruit 1939 als Musikalische Propaganda, kürte das Lied aber 60 Jahre später zum Song des 20. Jahrhunderts. Strange Fruit war lange Zeit in den USA im Radio unerwünscht, die BBC weigerte sich anfangs das Lied zu spielen, im südafrikanischen Radio war das Lied in der Zeit der Apartheid offiziell verboten.

[Bearbeiten] Literatur

  • Clarke, Donald: Billie Holiday. Wishing on the Moon. München, Piper 1995. ISBN 3-49203-756-9 (Mit ausführlichen Interviews von Freunden und Bekannten Holidays zur Entstehung und Aufführung).
  • Davis, Angela: Blues Legacies and Black Feminism. Diverse Ausgaben, z. B. Vintage Books 1999 ISBN 0-67977-126-3 (Mit einflussreichstem Essay zur Interpretation des Songs).
  • Margolick, David and Hilton Als: Strange Fruit. Billie Holiday, Café Society and an Early Cry for Civil Rights. Running Press, 2000. ISBN 0-76240-677-1 (Vorwort von Cassandra Wilson. Mit einer Diskografie der verschiedenen Aufnahmen bis 2000.)
  • Margolick, David und Hilton Als: Strange Fruit. The Biography of a Song., Ecco 2001. ISBN 0-06095-956-8
  • Holiday, Billie: Lady sings the blues, Autobiographie. Aufgezeichnet von William Dufty. Edition Nautilus, 1992. ISBN 3-89401-110-6

[Bearbeiten] Weblinks

{{exzellent}}

Kategorie:Jazzkomposition Kategorie:Lied Kategorie:Rassismus Kategorie:1939

[Bearbeiten] Sebastian Sailer

Sebastian Sailer
vergrößern
Sebastian Sailer

Sebastian Sailer, mit Taufnamen Johann Valentin Sailer (* 12. Februar 1714 in Weißenhorn; † 7. März 1777 in Obermarchtal), war ein deutscher Prämonstratenser, Prediger und Schriftsteller des Barock. Er wurde besonders bekannt durch seine Komödien in oberschwäbischem Dialekt und gilt als Begründer und Meister der schwäbischen Mundartdichtung.

[Bearbeiten] Leben und Werk

Sailer wurde als Sohn eines gräflich Fuggerschen Amtsschreibers in Weißenhorn geboren. Bereits als Schüler trat er ins Prämonstratenserkloster Obermarchtal ein. 1730 nahm er den Klosternamen Sebastian an, 1732 legte er die Ordensgelübde ab und 1738 wurde er zum Priester geweiht. Ab 1739 war er an der Klosterschule in Obermarchtal als Lehrer unter anderem für Kirchenrecht tätig. Daneben war er Pfarrer der klostereigenen Dörfer Seekirch am Federsee und Reutlingendorf (heute Ortsteil von Obermarchtal).

Die Schwäbische Schöpfung
vergrößern
Die Schwäbische Schöpfung

[Bearbeiten] Die schwäbische Schöpfung

Am 10. November 1743 führte er im Kloster Schussenried sein neues Singspiel Schöpfung der ersten Menschen, der Sündenfall und dessen Strafe (später bekannt als Die schwäbische Schöpfung) auf. Das Werk, das als das unübertroffene Meisterwerk Sailers gilt, versetzt auf liebevolle, wenn auch derbe Weise die biblische Schöpfungsgeschichte um Adam und Eva in die Welt oberschwäbischer Bauern. Gottvater, Adam und Eva sprechen und singen auf der Bühne in oberschwäbischem Dialekt. Die Komödie war sehr erfolgreich und wurde 1796 sogar – wahrscheinlich unter Einbeziehung Sailers eigener Melodien – von dem Weingartener Klosterkomponisten Meingosus Gaelle als Oper Adam und Evas Erschaffung vertont. Die Schwäbische Schöpfung fand zu allen Zeiten viele Freunde, erlebte – wenn auch erst nach Sailers Tod – zahlreiche, teils illustrierte Ausgaben und wird noch heute etwa im Rahmen der jährlichen Sebastian-Sailer-Tage in Obermarchtal immer wieder aufgeführt. Die Anfang des 20. Jahrhunderts im Kloster Mehrerau aufgefundene Fortsetzung der Schöpfungsgeschichte Kain und Abel lässt sich Sailer nicht sicher zuordnen und könnte – auch aufgrund der hochdeutschen Teile – eine Bearbeitung oder ein Werk eines Nachahmers ein.

Der Franzosenengel aus Der Fall Luzifers
vergrößern
Der Franzosenengel aus Der Fall Luzifers
Luzifer auf dem Abort, aus Der Fall Luzifers
vergrößern
Luzifer auf dem Abort, aus Der Fall Luzifers

[Bearbeiten] Der Fall Luzifers

Sailers Dialektkomödie Der Fall Luzifers lässt sich nicht genau datieren, muss aber aufgrund einer Referenz auf die Hinrichtung Joseph Süß Oppenheimers nach 1738 entstanden sein. Die skurrile Komödie erzählt von der Teufelswerdung Luzifers und der Notwendigkeit, entbehrliche Schutzengel von der Erde zurückzuholen, um die himmlischen Heerscharen zu verstärken. Sailer verspottet in der Komödie, indem er Sprachen und Dialekte parodiert, die Eigenheiten der Völker und ihre Sünden. So prangert der Franzosenengel den Hochmut an, der Schwabenengel geißelt die Völlerei, der Schweizerengel den höllischa Giz (Geiz), und auch ein bayerischer Hanswurst tritt auf. Luzifer wird gegen Ende in ein Toilettenhäuschen eingesperrt, und schließlich wird ihm zur Strafe für jede seiner Untaten der Genuss eines Schlucks Bodenseeweins angedroht, den Sailer anscheinend nicht sonderlich schätzte.

[Bearbeiten] Die sieben Schwaben

Auch in Sailers weltlichem Schwank Die sieben Schwaben, in dem sieben wackere Schwaben auf Hasenjagd gehen, bietet sich Raum für seinen Spott. Die Hauptfiguren sind ein badischer Aufschneider, der verfressene Spätzlesschwab, der schlafmützige Nestlerschwab, der aufsässiger Mückenschwab, der schmutzige Spiegelschwab, der grobe Blitzschwab, der ehrgeizige Suppenschwab und ein redseliger Allgäuer. Im Schwank Schwäbischer Sonn- und Mondfang versuchen schwäbische Bauern, das Wetter zu kontrollieren, indem sie Sonne und Mond einfangen wollen. Sailers hauptsächlich in Alexandrinern verfasste Schauspiel Die Schultheißenwahl zu Limmelsdorf wurde in der Klosterschule Obermarchtal aufgeführt und enthält Elemente des Schwanks wie eines Lehrstücks.

[Bearbeiten] Gefragter Prediger und vielseitiger Autor

Von 1756 an war Sailer Pfarrer in Dieterskirch. 1761-1763 besuchte er wiederholt den kunstsinnigen Grafen Friedrich von Stadion in Warthausen, wo er auch Christoph Martin Wieland und Sophie von La Roche begegnete.

Sailer war ein gefragter Prediger und war für seine Predigten häufig auf Reisen. 1750 wurde er von der mächtigen Reichsabtei Salem eingeladen, die Predigt anlässlich der Überführung des Gnadenbilds in die Wallfahrtskirche Birnau zu halten. 1762 reiste er nach Augsburg und Landsberg am Lech, 1764 hielt er die Ignatius-von-Loyola-Predigt bei den Jesuiten in Würzburg, 1766 hielt er die Kirchweihpredigt anlässlich der Tausendjahrfeier des Klosters Ottobeuren und 1767 die St.-Ulrichs-Predigt für die schwäbische Landesgenossenschaft in Wien. Auf dieser Reise erhielt er sogar eine Privataudienz bei Maria Theresia.

Als Maria Theresias Tochter Maria Antonia (die spätere französische Königin Marie Antoinette) auf der Reise von Wien zu ihrer Hochzeit nach Paris am 1. Mai 1770 auch das Kloster Obermarchtal besuchte, wurde ihr zu Ehren Sailers Huldigungskantate Beste Gesinnungen Schwäbischer Herzen (in einer einfältigen Kantate abgesungen) aufgeführt. In dem amüsanten Stück wechseln pathetische hochdeutsche Verse von Marchtalls Genius und der Liebe mit schwäbischen der vier Bauern Theißle, Joackele, Veitle und Michel und des Chors.

Auch in Sailers Kantate auf die Aderlässe wird ein hochdeutsch sprechender Doktor mit einem oberschwäbischen Bauern konfrontiert, bis hin zu einem "zweisprachigen" Duett (Herr Dokter! krank bi-n-i, As beißt mi, und klimmt mi / Freund! schick nur zum Bader, Lass öffnen ein Ader). Gegen Ende tendieren auch des Doktors Worte zum Dialekt.

1771 veröffentlichte Sailer zur Sechshundertjahrfeier des Klosters seine Klostergeschichte Das Jubilierende Marchtall.

In seiner Prosakomödie Die schwäbischen heiligen drei Könige (um 1771, abzuleiten aus einer Erwähnung des 4. Russischen Türkenkriegs auf der Krim durch die drei Könige) vermischte Sailer die Legende mit der dörflichen Welt seiner Heimat. Herodes wird als schwäbischer Dorfwirt dargestellt, die heiligen drei Könige begehren als Sternsinger Speis und Trank, was die findige Wirtsfrau jedoch mit Hinweis auf das Fastengebot vor dem Dreikönigsfest ablehnt.

1773 erlitt Sailer einen Schlaganfall und zog sich von seiner Pfarrstelle in Dieterskirch in das Kloster Obermarchtal zurück. Nach seinem Tod 1777 wurde er in der Mönchsgruft des Klosters beigesetzt.

[Bearbeiten] Bedeutung und Eigenart

Zu seinen Lebzeiten war Sailer außerhalb seiner Pfarreien vor allem als Prediger und Gelehrter bekannt. Sein Nachruhm gründet jedoch auf seinen schwäbischen Dialektdichtungen, die in der Tradition der altbairischen Rustikaltravestien und der Salzburger Benediktinerkomödie stehen und am ehesten mit den oberösterreichischen Mundartkomödien des Lambacher Benediktinermönchs Maurus Lindemayr zu vergleichen sind. Monika Küble hält in einem Aufsatz von 2003 die Vorstellung, Sailer habe seine Dialektkomödien als volksnaher Seelsorger den Bauern seiner Pfarrgemeinden zur Unterhaltung vorgeführt, für eine romantische Verklärung. Sie sieht Sailers Publikum in den adeligen und bürgerlichen Kreisen etwa am Warthauser Musenhof des Grafen von Stadion, wo man sich auch über die satirische Darstellung von Wielands Biberacher Mitbürgern in dessen Geschichte der Abderiten amüsierte. (Lit.: Küble, 2003) Die wenigen bekannten Zeugnisse von Aufführungen verweisen eher auf ein klösterliches Publikum: Die Schwäbische Schöpfung zumindest wurde vor dem Konvent des mit dem Kloster Obermarchtal befreundeten Stiftes Schussenried uraufgeführt; auch der lateinische Prolog zielt auf ein gebildetes Publikum; die Schüler der Klosterschule in Obermarchtal führten die Schultheißenwahl auf. Der Humor in Sailers Werken ist nie herablassend oder denunzierend. So kann davon ausgegangen werden, dass – wer auch immer das Publikum gewesen sein mag – Sailer mit seinen schwäbischen Pfarrkindern, nicht jedoch über sie lachte.

Sailer war der erste Autor, der den schwäbischen Dialekt nicht nur einsetzte, um zu karikieren oder eine gewisse Leutseligkeit zu gewinnen. Er handelte auch die ihm wichtigen Themen konsequent in erstaunlich originalgetreuer Mundart ohne jede hochdeutsche Glättung oder Verniedlichung ab. Die Übertragung des biblischen Geschehens in die Lebenswelt der oberschwäbischen Landbevölkerung verrät die erstaunliche Einfühlungskraft Sailers – immerhin ein auf der Höhe seiner Zeit stehender anerkannter Theologe – in das Leben seiner Gemeindekinder. Er integriert den bäuerlichen Alltag vielfältig in das theologische Geschehen der Bibel (das Paradies hat selbstverständlich eine Gartentür – Gott Vatter gôht grad zuar Gatathür rei) - bis hin zu direkten, einfallsreichen Übertragungen von Bibelzitaten. Mit den Worten Gottvaters:

Nuits ischt Nuits und wead Nuits weara,
drum hau-n-i wölla a Wealt gebäara,
grad um dui Zeit,
wo's nimma viel schneit
und bessare Lüftla geit.

beginnt seine Schwäbische Schöpfung, die der Schöpfer aus einleuchtenden Gründen in den Frühling verlegt hat:

Im Sommer eaba,
dô geit as mit Weatter an au'b'schtändigs Leaba,
wenn's durnat, wenn's blitzat und haglat;
wia bald ischt as g' scheha, dass as Weatter drei' schlecht,
denk noache, ob's ebba-n-itt au so gauh' mecht.
Zuadeam, wenn as hoiß,
hôt oinar viel Schwoiß.
Im Früehling ischt g'schwinder ällz g'schaffat und g'naglat.

Mangels Mitarbeitern greift Gott selbst zur Hand:

Auhne Menscha, auhne Goischter
bin i seall dar Zimmermoischter.

und bläst schließlich Adam in genauer Analogie zu 1. Mose 2, 7 den lebendigen Odem ein:

Bursch, wach auf!
Huescht und schnauf!
Pf! Pf!
...
Nieaß, zur Prob! (Adam niest)
Healf dar Gott! Jetz leabt ar, Gott Lob!

Woher Sailer 40 Jahre vor der Montgolfière und 160 Jahre vor dem ersten Flugzeug Kenntnis der Flugkrankheit hatte, ist unbekannt. Wackelnde Kutschen hat er aber wahrscheinlich auf seinen langen Reisen als Prediger zur Genüge kennen gelernt . Adam jedenfalls jammert, als er von Gottvater im Flug mitgenommen wird:

Adam: Um tausad Gotts willa, i fluig wie a Balla.
Gott Vatter, i bitt-ana, lau'd mi itt falla!
Gott Vater: Druck d'Auga zua, thua itt so schreya.
Adam: As g'schwindlat mar oimôl, i moi' i müess speya.

Adam fühlt sich bald einsam, und der Vers Ich muss auch bei den Leuten sein aus seiner Arie kann getrost als Sailers eigenes Credo verstanden werden:

Karthäuser leabat so;
i muass au bey dia Leuta sey',
suscht g' schmorrat mir mei' Maga ei'.
's ka' sey', i henk mi no.
Krieg i Krankhoit und Trüebsala,
wear wead nôh da Dokter zahla?

Bei Sailer sind Adam und Eva ein von Anfang an zankendes Ehepaar, das sich schon um die Rippe streitet, aus der Eva entstanden ist. Schon bald seufzt Adam:

O wär i no ledig
und hätt no koi' Weib,
so brucht i koi' Predig,
i bey ar itt bleib.
O liaber Gott Vatter! Ui gib i sui hoi',
i leg mi dô nieder, will leaba-n-alloi!

Ähnliche Pointen sind noch heute im Volkstheater, in Büttenreden und in Comedyshows sichere Lacher, und ein Publikum des 18. Jahrhunderts dürfte auf solche Späße gerade aus dem Munde eines Prämonstratensers besonders lebhaft reagiert haben. Adams Stoßseufzer nach seinem Apfelbiss (Dar Tuifel hôt is b'schissa; o hätt i itt drei' bissa) dürfte bis heute gestrenge Sittenwächter provozieren. Da Sailer aber im Kloster Obermarchtal sogar die Huldigungskantate für die künftige französischen Königin im schwäbischen Dialekt verfassen durfte, ist davon auszugehen, dass wenigstens seine Klosteroberen mit seiner Art zu schreiben einverstanden waren und diese zumindest nicht behinderten.

Die erst nach Sailers Tod veröffentlichte Schwäbische Schöpfung wurde geschätzt von Dichtern wie Johann Wolfgang von Goethe, der "durch Sailern höchlich ergötzt" war, und Eduard Mörike, der sie "mit hellem Behagen" gelesen hat und gerne daraus zitierte. Trotz ihrer Wertschätzung sind jedoch weder der Hesse Goethe noch der Schwabe Mörike mit Dichtungen in Mundart hervorgetreten, obgleich Goethe in Dichtung und Wahrheit II,6 schrieb: Jede Provinz liebt ihren Dialekt: denn er ist doch eigentlich das Element, in welchem die Seele ihren Atem schöpft. Martin Stern (1956) sieht Sailers Schöpfung immerhin als Vorspiel zu Goethes Farcen.

Der Schriftsteller Wilhelm Schussen schrieb 1924: Man hat Gerhart Hauptmann zuliebe schlesisch, Fritz Reuter zuliebe plattdeutsch und Ludwig Thoma zuliebe oberbayrisch gelernt. Man müßte diesem prachtvollen Sailer zuliebe auch oberschwäbisch lernen.

[Bearbeiten] Werke

[Bearbeiten] Werke in schwäbischem Dialekt

Sailers schwäbischer Dialekt ist einerseits von seiner Heimatstadt Weißenhorn (heute im bayerischen Schwaben gelegen) geprägt, andererseits von dem deftigen Dialekt seiner dörflichen oberschwäbischen Pfarreien.

  • Schöpfung der ersten Menschen, der Sündenfall und dessen Strafe (Die schwäbische Schöpfung, Komisches Singspiel, 1743)
  • Der Fall Luzifers (komisches Singspiel, nach 1738)
  • Die sieben Schwaben, oder: Die Hasenjagd (Schwank, um 1756)
  • Beste Gesinnungen Schwäbischer Herzen (Kantate, 1770)
  • Die Schultheißenwahl zu Limmelsdorf (Schauspiel, 1770)
  • Die schwäbischen heiligen drei Könige (Komödie, 1771)
  • Bauernhochzeit (Erzählgedicht)
  • Peter als Gott Vater (Erzählgedicht)
  • verschiedene Gelegenheits-Singspiele, die neben lateinischen und hochdeutschen Passagen auch Dialektstellen enthalten

[Bearbeiten] Theologische und historische Werke

  • Vier Sendschreiben wider H. P. Aug. Dornblüth (unter dem Pseudonym Benastasii Liares, 1755-1756)
  • Das Marianische Orakel (Erbauungsbuch, 1763)
  • Kempensis Marianus (lateinisches Erbauungsbuch, 1764)
  • Geistliche Reden (3 Bände, 1766-1770)
  • Das jubilierende Marchtall oder Lebensgeschichte des hochseligen Konrad Kneers. Weiland dreyzehnten Abtens des besagten unmittelbaren freyen Reichsstifts, des heiligen exempten Ordens von Praemonstrat an der Donau in Schwaben / nebst Vortrab von dessen Stiftung, und Nachtrab dessen Vorstehern binnen 600 Jahren, aus sichern Urkunden niedergeschrieben von Sebastian Sailern (Geschichtswerk, 1771)
  • Geistliche Schaubühne (Oratorientexte, 1774)

[Bearbeiten] Ausgaben

  • Das Jubilierende Marchtall, Obermarchtal 1771 (Nachdruck: Hrsg. von Wolfgang Schürle. Konrad, Weißenhorn 1995 ISBN 3-87437-370-3)
  • Sebastian Sailers geistliche Schaubuehne des Leidens Jesu Christi. In gesungenen Oratorien aufgefuehrt. Rieger, Augsburg 1774 (Nachdruck: Konrad, Weißenhorn 1997 ISBN 3-87437-394-0)
  • Adams und Evens Erschaffung und ihr Sündenfall, 1783 (Faksimile: Biberacher Verlagsdruckerei, Biberach 1977)
  • Schriften im schwäbischen Dialekte. Hrsg. von Sixt Bachmann, Buchau am Federsee 1819
    • Nachdruck, Ulm 1827
    • Neuauflagen, Ebner'sche Buchhandlung, Ulm 1842-1893 (bis 1860 mit Illustrationen von Julius Nisle, später mit Illustrationen von G. Heyberger)
    • Nachdruck mit Einführung und Erläuterungen von Franz Georg Brustgi, Knödler, Reutlingen 2000 ISBN 3-87421-061-8
    • Neu hrsg. von Hans Albrecht Oehler. Konrad, Weißenhorn 2000 ISBN 3-87437-437-8
  • Ausgewählte Dialektdichtungen aus den Schriften Sebastian Sailers. Hrsg. und Lebensbeschreibung von Johann Schneiderhan. Friedrich Alber, Ravensburg 1907
  • Die biblischen und weltlichen Komödien des hochwürdigen Herrn S. Sailer weiland Kapitulars im Kloster zu Obermarchthal. Hrsg. von Dr. Owlglass, Langen, München 1913
  • Die schwäbische Schöpfungsgeschichte. Mit Zeichnungen von Fr. Bilek. Günther, Stuttgart 1948
  • Dreikönigspiel. Die schwäbischen heiligen drey Könige.; Die sieben Schwaben. Lustspiel in 2 Teilen. Neubearbeitung von Carl Oskar Renner. Höfling, München 1949
  • Die Schöpfung der ersten Menschen, der Sündenfall und dessen Strafe. Hrsg., Nachwort und Übersetzung des lateinischen Prologs ins Schwäbische von Sebastian Blau, Marbach am Neckar 1956
  • Sebastian Sailer. Jubiläumsausgabe zum 250. Geburtstag des Dichters. Hrsg. von Lorenz Locher, Selbstverlag, Munderkingen 1965
  • Schwäbische Schöpfung samt Sündenfall. Neu bearbeitet und hrsg. von Alfred Weitnauer, Verlag für Heimatpflege Kempten 1968
  • Die Schöpfung. Hrsg. von Martin Stern, Reclam, Stuttgart 1969 (UB 4231)
  • Die Schöpfung der ersten Menschen, der Sündenfall und dessen Strafe. Erneuert und verhochdeutscht von Ernst Leopold Stahl. Chronos-Verlag Mörike, Hamburg ca. 1970
  • Meingosus Gaelle: Adam und Evas Erschaffung. Aufnahme: SWF, 1989. LP-Ausgaben mit Libretto: SWF, Baden-Baden 1987 und Attempto-Verlag, Tübingen 1987. CD-Ausgabe mit Libretto: Deutsche Austrophon, Diepholz 1999
  • Meingosus Gaelle: Adam und Evas Erschaffung. Eine komische Oper nach P. Sebastian Sailers "Schwäbischer Schöpfung". Hrsg. von Maria Bieler, Rudolf Faber und Andreas Haug. Partitur. Friedemann Strube, München und Berlin ca. 2001 ISBN 3-921946-50-6

[Bearbeiten] Literatur

  • Sixt Bachmann: Vorrede, in: Sebastian Sailer, Schriften im schwäbischen Dialekte, Buchau am Federsee 1819
  • Robert Lach: Sebastian Sailers "Schöpfung" in der Musik. Denkschriften, Band 60. Kaiserliche Akademie der Wissenschaften, Wien 1916
  • Lieselotte Lohrer: Sebastian Sailers Komödien. Gießen 1943
  • Martin Stern: Sebastian Sailers "Schöpfung". Ein Vorspiel zu Goethes Farcen. In: Jahrbuch der Deutschen Schiller-Gesellschaft 9. 1956, S. 131-166
  • Sebastian Sailer. Jubiläumsausgabe zum 250. Geburtstag des Dichters. Hrsg. von Lorenz Locher, Selbstverlag, Munderkingen 1965
  • Hans Albrecht Oehler: Sebastian Sailer. 1714-1777. Chorherr, Dorfpfarrer, Dichter. Marbacher Magazin, Band 76. Deutsche Schillergesellschaft, Marbach am Neckar 1996 ISBN 3-929146-49-5
  • Anton Gälli (Hrsg.): Adam und Evas Erschaffung. Eine comische Oper aus Schwaben von Sebastian Sailer. In Musik gesetzt von Meingosus Gaelle. Im Vergleich der Texte. Gälli, München 2003 ISBN 3-929262-05-3
  • Monika Küble: Schwäbische Dialektliteratur bis 1800. Von den "Suavischwaifigschwetzigen Schwäbischen Froschgoschigen breiten schwatzmäulern". In: Ulrich Gaier, Monika Küble, Wolfgang Schürle (Hrsg.): Schwabenspiegel. Literatur vom Neckar bis zum Bodensee 1000-1800. Band II. Aufsätze. Oberschwäbische Elektrizitätswerke, Ulm 2003 ISBN 3-937184-01-5, S. 41-53

[Bearbeiten] Weblinks

{{Exzellent}}

Sailer, Sebastian Sailer, Sebastian Sailer, Sebastian Sailer, Sebastian Sailer, Sebastian Sailer, Sebastian Sailer, Sebastian Sailer, Sebastian Sailer, Sebastian Sailer, Sebastian Sailer, Sebastian Sailer, Sebastian Sailer, Sebastian


[Bearbeiten] Mehran Karimi Nasseri

Mehran Karimi Nasseri (persisch: ????? ????? ????? [me?'r??n k?æri?'mi? n??se'ri?]; 1942 in Soleiman, Iran) ist ein Mann, der im Pariser Flughafen Charles de Gaulle lebt.

Sein außergewöhnliches Schicksal begründete eine Urban Legend und wurde zur Grundlage von zwei Spielfilmen und ebenso vielen Dokumentarfilmen.

[Bearbeiten] Leben

Da Nasseri selbst immer wieder unterschiedliche Angaben zu seiner Herkunft und Geschichte gibt, ist es nicht leicht, seinen Lebensweg nachzuzeichnen. Folgende Angaben können aber als gesichert gelten:

Nach einem Studium in England wurde er wegen Protesten gegen das iranische Shah-Regime unter Mohammad Reza Pahlavi 1977 verhaftet und später aus seinem Heimatland ausgewiesen. 1988 flog er nach Paris in der Absicht, nach London zu reisen. In Paris wurden jedoch seine Reisedokumente gestohlen - Nasseri konnte nun weder seinen Status als Flüchtling noch seine Identität nachweisen. In London wurde seine Einreise daher abgelehnt und man schickte ihn zurück nach Paris, wo man ihm auch die Einreise nach Frankreich verbot. Da Nasseri ohne seine Papiere kein Herkunftsland angeben konnte war es unmöglich, ihn auszuweisen.

Als Staatenloser richtete er sich in den folgenden Jahren im Terminal 1 des Flughafen Charles de Gaulle ein, wo er seitdem lebt.

Der französische Anwalt Christian Bourguet übernahm seinen Fall und konnte 1999 ein Gerichtsurteil erreichen, das Nasseri die Einreise nach Frankreich erlaubte. Nasseri lehnte es jedoch ab, die Einreisedokumente zu unterzeichnen - er nannte sich inzwischen Sir Alfred Mehran (obwohl er kein Sir ist), die Papiere lauteten aber auf seinen iranischen Geburtsnamen.

Ende 2004 lief in Deutschland Terminal an, ein Film von Steven Spielberg, der auf dem Schicksal Nasseris beruht. Tom Hanks spielt die Rolle des Staatenlosen, allerdings sind die dargestellte Person und ihr Heimatland fiktiv. Nasseri hat für seine Geschichte 275.000 US-Dollar erhalten, lehnt es jedoch weiterhin ab, seine langjährige Heimat, das Terminal 1, zu verlassen.

[Bearbeiten] Weblinks

Nasseri, Merhan Karimi Nasseri, Merhan Karimi

[Bearbeiten] Nipper

Nipper (* 1884 in Bristol; † September 1895 in Kingston upon Thames, England) war der Hund, der auf dem Logo der RCA aufmerksam der Stimme seines Herrchens lauscht.

Seinen Namen (zu deutsch: Kneifer oder Kneifzange) verdankte er seiner Vorliebe, Besuchern des Hauses und Passanten in die Wade zu beissen. Über die Herkunft von Nipper ist sehr wenig bekannt. Sein erstes Herrchen, Mark Barraud, hatte ihn wahrscheinlich auf der Straße aufgelesen. Man kann aber davon ausgehen, dass Nipper ein Terrier-Mischling war.

Nipper lauscht der Stimme seines Herrn
vergrößern
Nipper lauscht der Stimme seines Herrn

Nach dem Tod von Mark Barraud nahm ihn sein jüngerer Bruder Francis, von Beruf Maler, bei sich auf. Dessen Phonograph übte eine ungeheure Faszination auf den Hund aus, der oft andächtig vor diesem Rekorder saß und herauszufinden versuchte, woher die Stimme seines Herrchens kam.

Francis Barraud war von diesem Schauspiel derart beeindruckt, dass er nach Nippers Tod ein Gemälde davon anfertigte. Die neu gegründete Gramophone Company kaufte ihm das Bild, inklusive Copyright, 1899 für insgesamt 100 Pfund ab, um es in ihren Zeitungsannoncen zu verwenden. Das Logo wurde in der Folge so populär, dass Gramophone den Namen ihres Plattenlabels in "His Master's Voice" (auch bekannt als Plattenladenkette HMV) änderte.

Nipper wurde im Londoner Stadtbezirk Kingston upon Thames beerdigt. An der Stelle seines Grabes befindet sich heute der Parkplatz einer Bankfiliale, worauf eine Gedenktafel im Eingangsbereich der Bank hinweist.

[Bearbeiten] Weblinks

Kategorie:Rundfunk Kategorie:Musikindustrie Kategorie:Individuelles Tier

[Bearbeiten] Erhu

Erhu
vergrößern
Erhu

Die Erhu (chinesisch: ??) ist ein zweisaitiges chinesisches Streichinstrument ohne Bünde und ohne Griffbrett. Während der Song-Dynastie wurde dieses Instrument zunächst in Südchina populär, deshalb wird die Erhu auch ?? Nanhu (? Nan = Süden, südlich) genannt. Bereits während der Tang-Dynastie kamen Vorläufer der Erhu nach China, die ihrerseits ihren Ursprung in Persien hatten.

Die in der Regel in Quinte (D/A, was den zwei mittleren Saiten der europäischen Geige entspricht) gestimmten Metallsaiten (traditionell wurden jedoch Saiten aus Seide verwendet) führen von den Wirbeln durch eine um den Hals gewickelte Schnur zu einem kleinen Schallkörper aus Rosenholz (es werden verschiedene Hölzer verwendet, meist Rothölzer) mit einer Membran aus Schlangenhaut, die von den Saiten - ähnlich wie bei einem Banjo - in Schwingungen versetzt wird. Den Hals der Erhu bildet ein Stab, der bei einfacheren Varianten aus Bambus, bei besseren Instrumenten ebenfalls aus Rotholz besteht. Die Bogenhaare (aus Roßhaar) des Bambusbogens sind zwischen den Saiten eingespannt. Gespielt wird sie im Sitzen, das Instrument auf die Knie stützend, indem die Bogenhaare durch die Saiten gezogen werden. Die Finger der Linken berühren beide Saiten, drücken sie allerdings nicht bis zum Hals nieder, da kein Griffbrett vorhanden ist. Durch verschieden starkes Niederdrücken der Saite können verschiedene Glissando- und Vibratoeffekte entstehen. Durch leichtes Aufsetzen der Finger können Flageolettetöne produziert werden. Im 19. Jahrhundert avancierte die Erhu in China zum Hauptinstrument der Nationaloper sowie zum Soloinstrument in der U-Musik. In der heutigen chinesischen Musik zählt die Erhu immer noch zu den populärsten Instrumenten.

[Bearbeiten] Weblinks

Kategorie:Streichinstrument Kategorie:Chinesische Musik

[Bearbeiten] John Titor

Jemand, der sich John Titor nannte, behauptete in den Jahren 2000 und 2001, ein Zeitreisender aus dem Jahr 2036 zu sein, um aus dem Jahr 1975 einen bestimmten IBM-Computer zu holen. Er veröffentlichte mehrere Schreiben, Dokumente, Zeichnungen und Fotos und beantworte Fragen in Chat-Rooms und Foren. Auf den Fotos ist seine Zeitmaschine zu sehen, die Krümmung eines Laserpointer-Strahls durch das Feld der Zeitmaschine, sowie die Dokumentation dieser Maschine. Er sagte mehrere Ereignisse voraus, beispielsweise einen sich allmählich ausweitenden Bürgerkrieg in den USA ab 2005 bis 2015, der 2015 mit einem Atomkrieg endet, bei dem 3 Milliarden Menschen umkommen. Er sagte den allmählichen Zerfall des Westens voraus. Er sagte jedoch auch, dass diese Zukunft abgewendet oder abgemildert werden kann, da das nur in der Vergangenheit seiner Zeitlinie so gewesen sei. Es gäbe jedoch viele mögliche Zeitlinien. Erstmals tauchte er im Jahr 2000 im Internet und Usenet auf, Mitte 2001 verschwand er; nach eigenen Angaben musste er zurück ins Jahr 2036.

[Bearbeiten] Weblinks

Titor, John

[Bearbeiten] Official Monster Raving Loony Party

Die Official Monster Raving Loony Party ist eine britische Partei, die seit ihrer Gründung 1983 an Unterhauswahlen teilnimmt. Obwohl sie absichtlich mit bizarr wirkenden Programmen an die Öffentlichkeit trat, wurden doch mittlerweile einige ihrer frühen Forderungen umgesetzt, etwa Pässe für Haustiere, die Abschaffung der Sperrstunde in Pubs oder Senkung des Wahlalters auf 18 Jahre. Die Partei machte es in Großbritannien öffentlich, dass die Europäische Gemeinschaft damals Milch und Butter in Bergwerken versenkte, um den Preis zu halten. Aufgrund des öffentlichen Aufschreis wurde diese Praxis danach eingestellt.

Die Partei wurde 1983 von Screaming Lord Sutch gegründet, der bereits seit den 1960ern politisch aktiv war. Inspiriert wurde ihre Gründung wahrscheinlich von einem Monty Python-Sketch, in dem die Silly Party und die Sensible Party gegeneinander antraten. Die Official Monster Raving Loony Party errang einige Erfolge auf kommunaler Ebene. In manchen Gegenden bildete sie die erste ernsthafte Opposition zu den dort seit Jahrzehnten dominierenden Parteien.

Bei den Unterhauswahlen 2005 forderte sie:

  • Abschaffung der Einkommenssteuer, da diese während der Napoleonischen Kriege nur temporär eingeführt, aber nie wieder aufgehoben wurde. Ein Programmpunkt, der seit 1983 im Programm steht.
  • Die Weigerung, dem Euroraum beizutreten, dafür soll der Rest Europas eingeladen werden, das Britische Pfund als Währung zu akzeptieren.
  • Fahrer dürfen in Kreisverkehren geradeaus fahren, wenn es keinen anderen Verkehr gibt, da dann „das Fahren durch Milton Keynes sicherer wäre“.
  • Verkehrspolizisten, die „zu dumm“ für normale Polizeiarbeit sind, sollen zu Geistlichen umgeschult werden.
  • Parlamentsabgeordnete sollen auf ihre Kostenpauschale in Höhe von £118.000 verzichten. Diese wird dann an die Armen und Bedürftigen verteilt, „sodass diese es stattdessen verschwenden können.“
  • Jeder Parlamentarier, in dessen Wahlkreis ein Sportgelände einer Schule verkauft wird, soll anstatt dessen seinen eigenen Garten zur Verfügung stellen, damit die Kinder dort Sportunterricht haben können.
  • Alle Autobahnen sollen zu Express-Radwegen umgebaut werden.
  • Die Verkehrsbeobachtung mit Blitzlichtgeräten wird abgeschafft. Stattdessen werden Geräte angeschafft, die Autos automatisch auf die Geschwindigkeitsbegrenzung abbremsen, sobald sie das Gerät passieren.

[Bearbeiten] Weblinks

Kategorie:Britische Partei

[Bearbeiten] Banksy

Banksy Anarquist Rat
vergrößern
Banksy Anarquist Rat

Banksy (* 1975 in Bristol, Großbritannien) ist ein weltweit bekannter britischer Straßenkünstler. Seine Schablonengraffiti (so genannte "Pochoir") sind in London sehr bekannt, er ist jedoch auch schon weltweit in anderen Städten aktiv geworden. Obwohl er sich bemüht seinen Namen geheim zu halten, gehen Zeitungen davon aus, dass er mit richtigem Namen Robin oder Robert Banks heißt.

urinierender Soldat
vergrößern
urinierender Soldat

Bansky bedient sich der Taktiken der Kommunikationsguerilla und den Adbusters um eine alternative Sichtweise auf politische und wirtschaftliche Themen zu bieten. Er verändert und modifiziert dabei oftmals bekannte Motive und Bilder. Allerdings hat er auch schon Auftragsarbeiten für wohltätige Zwecke angenommen (z.B. Greenpeace) sowie für Firmen wie Puma und MTV. Für seine Gemälde verlangt er bis zu 25000£. Dies führt dazu das andere Künstler und Aktivisten ihm Kommerzialisierung und Ausverkauf vorwerfen.

Neben seinen Graffiti hängt Banksy auch eigene Arbeiten ungefragt in Museen auf. Sowohl im Londoner Tate Modern, New Yorker Museum of Modern Art, Metropolitan Museum of Art, the Brooklyn Museum, sowie im American Museum of Natural History hingen im März 2005 unbemerkt seine Arbeiten. Im Mai 2005 wurde Banksys Version einer Höhlenmalerei, die einen jagenden Menschen mit Einkaufswagen zeigte, im British Museum gefunden.

Banksy hat einige Bücher im Eigenvertrieb herausgegeben, diese Bücher enthalten Bilder seiner Arbeiten aus verschiedenen Ländern, einige seiner Gemälde und sind von Banksy selbst kommentiert. Sein erstes Buch, "Banging your head against a brick wall", erschien in schwarz-weiß, sein zweites Buch "Existencilism" erschien in Farbe. 2004 erschien sein drittes Buch "Cut it out"

[Bearbeiten] Weblinks

[Bearbeiten] Literatur

  • "Banging Your Head Against a Brick Wall" - Verlag Weapons of Mass Distraction - ISBN 0954170407
  • "Exitstencilism" - Verlag Weapons of Mass Distraction - ISBN 0954170415
  • "Cut it out" - Verlag Weapons of Mass Distraction - ISBN 0954496000
  • "Wall and Piece" - Verlag Random House - ISBN 1-8441-3786-4 (Zusammenfassung obiger drei Bücher)

Kategorie:Kunst

[Bearbeiten] Jackalope

Der Jackalope (eigentlich "The Fabulous Jackalope") ist ein in den USA (zumindest im Nordwesten) sehr populäres Fabeltier, das eine Kreuzung aus Hase (Jackrabbit) und Antilope (Antelope) darstellt, also einen Hasen mit Geweih. In Souvenir-Shops sind Plüschtiere, Postkarten, Becher und T-Shirts mit Jackalope-Motiven zu bekommen.

Auf dem Cover des Computerspiels „Sam & Max Hit the Road“ wird unter anderem auch ein Jackalope dargestellt.

Recherchen vor Ort lassen vermuten, dass das Fabeltier auf einen Video-Clip, der in "America's funniest home videos" gezeigt wurde, zurückgeht. Da es eine amerikanische Art von Hase namens antelope jack rabbit (Lat.: Lepus alleni) gibt, kann weiter vermutet werden, woher der Macher des Clips seine Idee nahm.

Eine ähnliche Kreatur ist der bayrische Wolpertinger. Stärker ist seine Ähnlichkeit zu dem Rasselbock.

[Bearbeiten] Weblinks

Kategorie:Fabeltier

[Bearbeiten] Wolpertinger

Wolpertinger (frei nach Albrecht Dürer)
vergrößern
Wolpertinger (frei nach Albrecht Dürer)

Der Wolpertinger ist ein bayerisches Fabelwesen. Volkstümliche Fabelwesen mit ähnlichen Eigenschaften gibt es auch in anderen Regionen, deren mythische Verwandtschaft mit dem Wolpertinger ungeklärt sind.

[Bearbeiten] Etymologie

Weitere gängige Bezeichnungen für den Wolpertinger sind:

  • der Kreißl, (seit 1753, Brüder Grimm)
  • "Hirschbockbirkfuchsauergams" Ludwig Ganghofer
  • Wurzeltiger (Schreibweise allerdings amtlicherseits verneint)

Die bayrischen Namen des Wolpertingers können leicht variieren, je nach Gegend kann er auch Wolperdinger, Woipertinger, Woiperdinger oder Volpertinger heißen.

In Niederösterreich ist der Begriff Raurackl sehr geläufig. Leider variiert die Schreibweise von Ort zu Ort (Rauhrackel, Raurakl,...)

[Bearbeiten] Darstellungen

Eine moderne lusitanische Interpretation des bayrischen Wolpertingers vom Künstler Miguel Horta aus Lissabon
vergrößern
Eine moderne lusitanische Interpretation des bayrischen Wolpertingers vom Künstler Miguel Horta aus Lissabon

In bayrischen Wirtshäusern (oder Wirtshäusern anderer Bergregionen) werden oft präparierte Fälschungen ausgestellt. Es gibt in den besagten Gaststätten sehr unterschiedliche Meinungen, ob der Wolpertinger tatsächlich existiert.

Im Wolpertinger-Museum in Mittenwald oder im Deutschen Jagd- und Fischereimuseum in München können einige Exemplare begutachtet werden. Dort wird auch versucht, eine Systematik in die verschiedenen Arten des Wolpertinger (Gemeiner Steßprotzerl, Oberpfälzer Rammeschucksn, etc.) zu geben.

[Bearbeiten] "Jagd"

In vielen Berichten ist die Jagd nach dem Wolpertinger romantisch verklärt. Eine bekannte Jagdregel lautet: "Wolpertinger können ausschließlich von jungen, gutaussehenden Frauen gesichtet werden, wenn diese sich in der Abenddämmerung bei Vollmond der Begleitung eines rechten, zünftigen Mannsbildes anvertrauen, das die richtigen Stellen an abgelegenen Waldrändern kennt."

[Bearbeiten] Andere Fabelwesen

Andere geographisch nahe verwandte Arten sind vermutlich der thüringische beziehungsweise sächsische Rasselbock, der österreichische Raurackl sowie der Schweizer Dilldapp. In Sachsen ist der Wolpertinger auch unter dem Namen "Ichneumon" oder "Ychneumon" bekannt.

Die Verwandtschaft zu den pfälzischen Elwetritschen bzw. deren Population ist zur Zeit noch nicht nachgewiesen.

[Bearbeiten] Siehe auch

Liste von Fabelwesen, Jackalope, Skvader

[Bearbeiten] Literatur

Auch in der Literatur findet der Wolpertinger seinen Platz:

Walter Moers beschreibt in seinen Zamonien-Romanen Wolpertinger als hundeähnliche Wesen mit kleinen Geweihen. (siehe Zamonien)

  • Alfons Schweiggert(Verf.), Kaut, Angelika (Fotos): Und es gibt sie doch! Die Wahrheit über die Wolpertinger, Pfaffenhofen/Ilm: Ludwig, 1988, Broschiert, 56 Seiten, ISBN 3778733257
  • Alfons Schweiggert: Der Wolpertinger oder der gehörnte Hase. Eine ernsthafte Untersuchung eines bayerischen Phänomens, München, 1994.

Weitere Titel (nicht alle dem Autor bekannt):

  • M. Heim; H. Reiser: Mit dem Wolpertinger leben. Ein Verhaltensratgeber
  • Alfons Schweiggert: Das endgültige Wolpertinger Handbuch
  • Alfons Schweiggert: Alles über den Wolpertinger oder Bayerns heimliches Wappentier ist unter uns
  • Peter Kirein: Der Wolpertinger lebt. Warum die Bayern mehr Haare haben. Ein Beitrag zur Jagdkunde
  • Paul Schallweg: Der Wolpertinger. ISBN 3475527952
  • Reginald Huber: Vom Adler bis zum Wolpertinger - Das bairische Bestiarium. Bayerland VA, ISBN 3892511888
  • Michael Heim: Der Wolpertinger lebt. Lipp, ISBN B0000BRIVD
  • Peter Kirein: Der Wolpertinger lebt. Lipp, ISBN 3874905012

[Bearbeiten] Musik

  • ´S Wolpertinger Fanga (Das Wolpertinger-Fangen), 1995, von Schariwari

[Bearbeiten] Weblinks


Kategorie:Fabeltier Kategorie:Bayern

[Bearbeiten] Elwetritsch

Die Elwetritsch (auch Elwedritsch, Ilwedritsch u. ä., Plural Elwetritsche oder Elwetritschen, lat. bestia palatinensis) ist ein vogelähnliches Fabelwesen, von dem in Südwestdeutschland und hier vor allem in der Pfalz berichtet wird.

Elwetritsche von Gernot Rumpf in der Speyerer Gedächtniskirche
vergrößern
Elwetritsche von Gernot Rumpf in der Speyerer Gedächtniskirche

[Bearbeiten] Verbreitung

Der Verbreitungsraum der Erzählungen von der Elwetritsch erstreckt sich vom Pfälzer Wald im Westen nach Osten über die Rheinebene hinweg bis in den südhessischen Odenwald. Als "Hauptstadt" der Elwetritschen gilt Neustadt an der Weinstraße, wo auch ein Elwetritschen-Brunnen steht, den Gernot Rumpf geschaffen hat. Andere Quellen dagegen nennen Dahn in der Südwestpfalz (gleichfalls mit einem Elwetritschen-Brunnen) oder Erfweiler bzw. andere Gemeinden als heimliche Hauptstädte der Fabelwesen. Besonders selten sind sie allerdings im Nordpfälzer Bergland.

Pennsylvaniadeutsche sind der Meinung, nach Amerika ausgewanderte Pfälzer (von denen diese Volksgruppe vorwiegend abstammt) hätten einige "Elbedritschlicher" mitgenommen, "so ass sie kenn Heemweh gricke deete" (hochdeutsch wörtlich: damit sie kein Heimweh kriegen täten).

Auch in der Oberpfalz kommt das Tier, dort unter dem Namen Ebatrietscherl bekannt, vereinzelt vor. Vermutlich wurde es im späten Mittelalter von den Söhnen der Pfälzer Kurfürsten eingeführt, als sie damals in Amberg das Regieren lernen sollten.

[Bearbeiten] Schreibweise und Wortherkunft

Die überregional gebräuchlichste Schreibweise ist Elwetritsch (Quelle: Suchmaschinenabfragen 2003). In der Pfalz halten sich Elwetritsch und Elwedritsch in etwa die Waage. Elbe-, Elfe-, Ilbe- und Ilwe-(t/d)ritsch sowie Elwetrittche werden erheblich seltener gebraucht.

Die Herkunft des zweiten Wortteils ist unklar und strittig, während der erste eindeutig Bezug nimmt auf die Elfen als Wesen aus der germanischen Mythologie.

[Bearbeiten] Aussehen

Elwetritschen werden meist als hühnerähnlich beschrieben. Allerdings seien die Flügel der Tiere kaum zu gebrauchen, weshalb sie überwiegend im Unterholz oder unter den Rebstöcken lebten. Der Legende nach sind sie eine Kreuzung von Hühnern, Enten und Gänsen, die sich mit im Wald lebenden Fabelwesen wie Kobolden und Elfen vermischt hätten. Manchmal werden Elwetritschen auch mit einem Hirschgeweih abgebildet, ihr Schnabel wird oft als sehr lang dargestellt.

[Bearbeiten] Vorkommen im Alltag

[Bearbeiten] Jagd

Falle zur nächtlichen Jagd auf Elwetrischen im Pfälzer Wald
vergrößern
Falle zur nächtlichen Jagd auf Elwetrischen im Pfälzer Wald

In einigen Pfälzer Gemeinden können Besucher an einer Elwetritschenjagd teilnehmen. Diese wird als eine "hohe Kunst" ausgegeben, da Elwetritschen als sehr scheu gelten. Jagdzeit sind dunkle Neumondnächte. Der Fänger benötigt einen Sack, eine Öllampe und einen Knüppel. Natürlich sind auch Treiber vonnöten. Diese versuchen, durch lautes "Tritsch, tritsch"-Rufen und durch das Schlagen mit Stöcken gegen Bäume oder Weinbergspfähle die Elwetritschen aufzuscheuchen, damit sie in den Sack des (häufig ahnungslosen) Fängers flüchten. Dieser wird gelegentlich heimlich im Freien zurückgelassen, bis er endlich durchgefroren - und ohne Jagdbeute - heimfindet. Dann gibt es den obligatorischen Festschmaus und dazu passende Getränke zum Aufwärmen, z. B. Wein oder Obstbrände. In einem Weingut im pfälzischen Bissersheim wird sogar ein spezieller "Elwedritsche-Drobbe" (-Tropfen) hergestellt.

[Bearbeiten] Fußball

Im Frankenthaler Vorort Flomersheim wird alljährlich im August ein Fußballturnier um einen Wanderpokal ausgetragen, der Elwedritsche-Pokal heißt und den der örtliche Keramikkünstler und Pfälzer Mundartdichter Walter Rupp (s. u. "Literatur" und "Weblinks") gefertigt hat.

[Bearbeiten] Forschung

Im Verbreitungsgebiet der Fabelwesen wird die Elwetritsch nicht nur im Rahmen der Erzählforschung oder Volkskunde, sondern auch als wissenschaftlicher Witz zoologisch und damit vorgeblich naturwissenschaftlich untersucht. So versucht ein pfälzisches Forscherteam unter Leitung des Neustadter Agrarbiologen Dr. Stephan Dreyer in Zusammenarbeit mit noch nicht ganz namhaften "Tritschologen" die Existenz von Elwetritschen auch in anderen Wirbeltiergruppen zu belegen.

Zur Weiterpflege und Modernisierung der Systematik werden gar Fisch-, Lurch-, Kriechtier- und Säugetiertritschen diskutiert. Gehandelt hat bereits die pfälzische Gemeinde Otterstadt bei Speyer. Sie ließ 2004 durch Gernot Rumpf den Otterdritschenbrunnen errichten, der die Verbindung zwischen Elwetritschen und Fischottern herstellt.

Historisch und fabel-"naturwissenschaftlich" erwiesen scheinen die "verwandtschaftlichen" Beziehungen zum bayerischen Wolpertinger (Hirschgeweih, Säugetierbezug) zu sein. Auch deswegen ist die überwiegende Definition und biologische Klassifizierung der Tritschen - ob Elwe-, Ilwe- oder sonstige - als Vögel oder vogelartige Fabelwesen in Frage zu stellen.

[Bearbeiten] Brauchtumspflege

In mehreren pfälzischen Städten gibt es Vereine, die sich der Brauchtumspflege der pfälzischen Sagen annehmen. Der älteste ist der Elwetrittche-Verein von 1982 e. V. in Landau. Ferner gibt es in Pirmasens eine Elwetritsche-Akademie.

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Literatur

Gedichte und Texte über die Elwetritschen haben - teils in Hochdeutsch, teils in Pfälzer Mundart - geschrieben:

[Bearbeiten] Weblinks

Kategorie:Rheinland-Pfalz Kategorie:Kurpfalz Kategorie:Fabeltier Kategorie:Humor

[Bearbeiten] Society for the Prevention of Calling Sleeping Car Porters "George"

Ein Schlafwagen-Schaffner der Pullman Company.
vergrößern
Ein Schlafwagen-Schaffner der Pullman Company.

Die Society for the Prevention of Calling Sleeping Car Porters „George“ (SPCSCPG) war eine Organisation, die von Schlafwagen-Schaffnern gegründet wurde, um die herabwürdigende und rassistische Praxis zu bekämpfen, alle Schaffner unabhängig von ihrem tatsächlichen Namen „George“ zu nennen.

Dies bezieht sich auf George Pullman und die Pullman Company, die einen großen Teil der nordamerikanischen Schlafwagen herstellte und betrieb. Die Schaffner waren überwiegend Afro-Amerikaner, daher wurde auf sie der Brauch angewendet, Sklaven nach dem Namen ihres Besitzers zu benennen. Die Gesellschaft wurde von weißen Eisenbahnmitarbeitern, die tatsächlich George hießen, begründet, die entweder ungehalten über diese Praxis waren, oder die Gründung als Witz sahen.

Die Gesellschaft hatte bis zu 31000 Mitglieder, darunter König Georg V. von England, den amerikanischen Baseball-Spieler George Herman „Babe“ Ruth und den französischen Politiker Georges Clemenceau.

[Bearbeiten] Literatur

  • Larry Tye: Rising from the Rails: Pullman Porters and the Making of the Black Middle Class. Henry Holt, 2004, ISBN 0805070753.
  • Larry Tye: Choosing Servility To Staff America’s Trains. In: AFP Reporter. 1/21 [21]

Kategorie:Schienenverkehr

[Bearbeiten] David Rice Atchison

David Rice Atchison
David Rice Atchison

David Rice Atchison (* 11. August 1807 in Kirklevington (damals Frogtown), Kentucky26. Januar 1886) war ein Senator des Bundesstaates Missouri, USA. Manchmal wird er fälschlicherweise als "elfeinhalbter" Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika bezeichnet.

Geboren in Kentucky wurde aus Atchison ein Anwalt und Farmer im westlichen Missouri. Dort engagierte er sich in der Politik und erhielt ein Mandat in dere Legislative. Im verhältnismäßig jungen Alter von 36 Jahren rückte er in den Senat nach, als einer der Senatoren Missouris verstarb. Bis 1855 vertrat der seinen Staat als Senator in Washington (D.C.)

[Bearbeiten] Präsident für einen Tag?

[Bearbeiten] Ursprung der Legende

David Rice Atchison's Grabstein.
vergrößern
David Rice Atchison's Grabstein.

Es wird behauptet, dass Atchison technisch gesehen einen Tag lang Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika war - am Sonntag, 4. März 1849. An diesem Tag endete nämlich die Amtszeit von James K. Polk als Präsident, sein Nachfolger Zachary Taylor war aber noch nicht eingesetzt, da er sich weigerte an einem heiligen Sonntag den Amtseid zu leisten. Aus selbigem Grund übernahm sein Vize-Präsident, Millard Fillmore, sein Amt auch noch nicht. Da das Amt nicht verwaist sein darf, sei Atchison in seiner Funktion als Präsident pro tempore (Stellvertreter des Senatspräsidenten) für kurze Zeit nachgerutscht.

[Bearbeiten] Die Tatsachen

Tatsächlich ist es wahr, dass falls der Präsident und sein Vize ausfallen, der Präsident pro tempore die Funktion des Präsidenten übernimmt. Doch da die Amtszeiten von James K.Polk und seines Vizepräsidenten am Mittag des 4. März zu Ende gingen, war auch die Amtszeit von Atchison zu dem Zeitpunkt beendet. So übernahm er nie das Amt des Präsidenten.

Weder Krankheit noch Tod hinderten Taylor und Fillmore an der Übernahme des Amtes. Zudem waren sie die gewählten Nachfolger, es gab also kein Machtvakuum. Und falls Taylor nicht Präsident war, weil er den Amtseid nicht geleistet hat, so war es Atchison aus gleichem Grund bestimmt auch nicht.

Der höchste Beamte im Staat - James Buchanan als Außenminister - wäre am ehesten noch Präsident für einen Tag gewesen. Interessanterweise erhielt jener bei normalen Wahlen im Jahre 1856 seine eigene Präsidentschaft.

Weiterhin könnte man spitzfindig anmerken, dass Atchison zehn Minuten vor Fillmore und Taylor seinen Amtseid ablegte und so theoretisch für diese kurze Zeit Präsident war. Doch leistete und leistet jeweils auch der Vize-Präsident seinen Amtseid vor dem Präsidenten, was ihn jeweils auch für sehr kurze Zeit zum Präsidenten machen würde. Dies war und ist offensichtlich aber nie der Fall gewesen. Somit scheint die Forderung, Atchison zum offiziellen Präsidenten zu machen, absurd.

[Bearbeiten] Atchsion's Meinung

Als Atchison gefragt wurde, was er denn am 4. März 1849 gemacht habe, antwortete er angeblich: "Ich war im Bett. Die vorherigen zwei oder drei Tage waren mit den Abschlussarbeiten des Senats sehr anstrengend gewesen und ich schlief an jenem Sonntag die meiste Zeit." Lachend behauptete er weiter, seine Präsidentschaft sei die ehrlichste gewesen, die das Land jemals hatte.

[Bearbeiten] Weblinks


Atchison, David Rice Atchison, David Rice Atchison, David Rice Atchison, David Rice Atchison, David Rice

[Bearbeiten] Mill Ends Park

Mill Ends Park, der kleinste Park der Welt.
vergrößern
Mill Ends Park, der kleinste Park der Welt.

Der Mill Ends Park in Portland (Oregon) ist der kleinste Park der Welt. Der "Park" ist ein 60 cm breiter Kreis, der 1948 als Standort für einen Laternenmast gedacht war. Als dieser nicht errichtet wurde, pflanzte Dick Fagan, ein Journalist des Oregon Journal, dort Blumen und begann, in einer regelmäßigen Kolumne über die Vorgänge im Park zu berichten. Im Jahr 1976 wurde Mill Ends Park ein offizieller Park der Stadt Portland.

Die Fläche des Parks beträgt 0,3 m². Attraktionen des Parks sind unter anderem ein Swimmingpool für Schmetterlinge sowie ein Miniaturriesenrad (welches mit einem normal großen Kran angeliefert wurde).

[Bearbeiten] Weblinks

Kategorie:Parkanlage

[Bearbeiten] Arschleder

Arschleder
vergrößern
Arschleder
Bergmann, der auf dem Leder einfährt (nach Georg Agricola)
vergrößern
Bergmann, der auf dem Leder einfährt (nach Georg Agricola)

Das Arschleder zählt zur Kleidung des Bergmannes. Es diente als Schutz vor dem Durchwetzen des Hosenbodens bei der Arbeit, insbesondere beim Einfahren in tonnlägige Schächte.

Georg Agricola schrieb in seinem Buch De re metallica 1556: „so sitzend die Berghäwer auf ihr Arsleder, das um die Lenden gebunden, dahinter herabhanget.“

Später wurde es auch in schmuckvollen Ausführungen zum Habit (Paradeuniform) bei Bergparaden getragen. Bei bergmännischen Brauchtumsveranstaltungen wird dieses Utensil auch für den so genannten Arschledersprung genutzt.

Das Arschleder hat auch seinen Eingang ins bergmännische Liedgut gefunden. So heißt es in der letzten Strophe der im Ruhrgebiet gesungenen Fassung des Steigerlieds:

Die Bergleut sein kreuzbrave Leut' / denn sie tragen das Leder vor dem Arsch bei der Nacht / denn sie tragen das Leder vor dem Arsch bei der Nacht / und saufen Schnaps, und saufen Schnaps.



[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Weblinks

Kategorie:Bergbau Kategorie:berufskleidung

[Bearbeiten] /Autoren

Static Wikipedia 2008 (no images)

aa - ab - af - ak - als - am - an - ang - ar - arc - as - ast - av - ay - az - ba - bar - bat_smg - bcl - be - be_x_old - bg - bh - bi - bm - bn - bo - bpy - br - bs - bug - bxr - ca - cbk_zam - cdo - ce - ceb - ch - cho - chr - chy - co - cr - crh - cs - csb - cu - cv - cy - da - de - diq - dsb - dv - dz - ee - el - eml - en - eo - es - et - eu - ext - fa - ff - fi - fiu_vro - fj - fo - fr - frp - fur - fy - ga - gan - gd - gl - glk - gn - got - gu - gv - ha - hak - haw - he - hi - hif - ho - hr - hsb - ht - hu - hy - hz - ia - id - ie - ig - ii - ik - ilo - io - is - it - iu - ja - jbo - jv - ka - kaa - kab - kg - ki - kj - kk - kl - km - kn - ko - kr - ks - ksh - ku - kv - kw - ky - la - lad - lb - lbe - lg - li - lij - lmo - ln - lo - lt - lv - map_bms - mdf - mg - mh - mi - mk - ml - mn - mo - mr - mt - mus - my - myv - mzn - na - nah - nap - nds - nds_nl - ne - new - ng - nl - nn - no - nov - nrm - nv - ny - oc - om - or - os - pa - pag - pam - pap - pdc - pi - pih - pl - pms - ps - pt - qu - quality - rm - rmy - rn - ro - roa_rup - roa_tara - ru - rw - sa - sah - sc - scn - sco - sd - se - sg - sh - si - simple - sk - sl - sm - sn - so - sr - srn - ss - st - stq - su - sv - sw - szl - ta - te - tet - tg - th - ti - tk - tl - tlh - tn - to - tpi - tr - ts - tt - tum - tw - ty - udm - ug - uk - ur - uz - ve - vec - vi - vls - vo - wa - war - wo - wuu - xal - xh - yi - yo - za - zea - zh - zh_classical - zh_min_nan - zh_yue - zu -