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Antibiotikum

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Als Antibiotikum (v. altgriech. ἀντί-, „anstelle, gegen“ und βίος, „Leben“ mit lateinischer Endung; Mehrzahl Antibiotika) wird ein Medikament bezeichnet, mit dem Infektionskrankheiten behandelt werden. Antibiotika werden in der Medizin gegen bakterielle Infektionen oder Infektionen durch Protozoen eingesetzt.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Nomenklatur

Dem heutigen allgemeinen, wie auch fachsprachlichen Gebrauch nach wird das Wort „Antibiotikum“ synonym zu „Antiinfektivum“ gebraucht, wobei letzteres (auch im internationalen Sprachgebrauch) der sinnvollere Begriff ist. Im ursprünglichen Sinn sind Antibiotika natürlich gebildete Stoffwechselprodukte von Pilzen oder Bakterien, die schon in geringer Menge das Wachstum von anderen Mikroorganismen hemmen oder diese abtöten. Darüber hinaus werden inzwischen auch solche Medikamente mit antimikrobieller Wirkung (Antiinfektiva) als Antibiotika bezeichnet, die in der Natur nicht vorkommen und synthetisch oder gentechnisch gewonnen werden. Die Bezeichnung Chemotherapeutikum für Antiinfektivum leitet sich historisch vom Sulfonamid her, das als chemische Substanz das erste effektive Antiinfektivum darstellte. Dieser Begriff sollte nach Übereinkunft der entsprechenden Wissenschaftsdisziplinen aber den antineoplastischen (gegen Krebs u. ä. gerichteten) Medikamenten (beispielsweise Zytostatika) vorbehalten bleiben.

Antibiotika können

  • bakteriostatisch (Bakterien werden an der Vermehrung gehindert)
  • bakterizid (Bakterien werden zwar getötet, sind aber weiterhin physisch vorhanden)
  • bakteriolytisch (Bakterien werden getötet und deren Zellwand aufgelöst)

wirken.

Arzneimittel gegen Virusinfektionen heißen Virostatika, solche gegen Pilzinfektionen heißen Antimykotika und Mittel gegen Wurminfektionen nennt man Anthelminthika.

[Bearbeiten] Geschichte

Die Entdeckung und die Anwendung der Antibiotika gehören zu den bedeutendsten Entwicklungen der Medizingeschichte.

Als erstes wirksames Antiinfektivum wurde das Sulfonamid entwickelt. Sulfonamide sind keine Antibiotika im eigentlichen Sinne, sondern Wachstumsfaktoranaloga. Sie werden nicht von Mikroorganismen erzeugt, sondern durch chemische Synthese gewonnen. Das Wort Wachstumsfaktoranalogon bezeichnet eine Substanz, welche einem Wachstumsfaktor ähnlich ist, aber in der Zelle nicht dieselbe Funktion ausüben kann. Die Sulfonamide greifen beispielsweise in den Folsäurestoffwechsel der Bakterien ein, indem sie an Enzyme binden, die für die Folsäuresynthese wichtig sind, diese damit blockieren und einen weiteren Syntheseschritt verhindern. Sulfonamide werden heute meist in Kombinationen (Cotrimoxazol) eingesetzt.

Das zweite medizinisch anwendbare Antibiotikum nach den Sulfonamiden war Penicillin. Die Erfolge des Penicillins führten zur Suche und Entdeckung weiterer Antibiotika: Streptomycin, Chloramphenicol, Aureomycin, Tetracyclin u. v. a. m.

Der bekannteste „Produzent“ von Antibiotika ist der Schimmelpilz Penicillium chrysogenum (früher P. notatum). Sein Produkt, das Penicillin, ist ein Synonym für Antibiotikum. Tatsächlich jedoch werden heute die meisten medizinisch verwendeten Antibiotika biotechnologisch von Bakterien wie den Streptomyceten produziert.

Heute zählen Antibiotika zu den weltweit am häufigsten verschriebenen Medikamenten, mit dreizehn Prozent Marktanteil bilden sie den größten Einzelbereich im gesamten Arzneimittelverbrauch. Von den heute etwa 8.000 bekannten antibiotischen Substanzen werden nur etwa 80 therapeutisch angewendet. In Deutschland sind 2005 laut BfArM insgesamt 2775 Antibiotika-Präparate zugelassen. 1987 hatten 10 bis 15 dieser Präparate einen Marktanteil von etwa vier Fünftel des Gesamtumsatzes. Im Jahr 1997 betrug der Anteil des Penicillins 9 %.

In den 70ern und 80ern wurde verstärkt auf dem Gebiet der Antibiotika geforscht. Moderne Arzneistoff-Forschung widmet sich mehr Therapien von Volkskrankheiten, also Tumoren, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Alzheimer und Osteoporose.

[Bearbeiten] Wirkung

Ansatzpunkt für die gewünschte Wirkung ist eine Struktur oder ein Mechanismus, der in menschlichen Zellen so nicht vorkommt. So kann die Wirkung z. B. durch eine Hemmung der bakteriellen Zellwandsynthese, der Proteinsynthese am Ribosom, der DNA-Replikation oder der Folsäuresynthese erfolgen. Denn Bakterien sind die einzigen Organismen, deren Zellwand aus Murein (dieser Zucker kommt weltweit nur in Bakterien vor – kein anderes Lebewesen kann es produzieren) besteht, sie haben andere Ribosomen zur Proteinbiosynthese und andere Enzyme zur DNA-Replikation als der Mensch. Menschliche Zellen bilden auch keine Folsäure wie Bakterien, sondern nehmen sie fertig mit der Nahrung auf. Nur so ist es möglich, dass Antibiotika für den Menschen vergleichsweise gut verträglich sind.

Man unterscheidet: β-Lactame (Penicilline, Cephalosporine, Monobactame, Carbapeneme; Clavulansäure oder Sulbactam werden als β-Lactamase(=Penicillinase)-Hemmer in Kombination gegeben (bes. bei Carboxy-Penicillinen)), Glycopeptide, Tetracycline, Makrolide, Polypeptide, Chinolone und Sulfonamide.

Diese Gruppen der AB (Antibiotika) besitzen unterschiedliche Angriffsorte und Wirkungsweisen:

β-Lactame binden an das PBP (Penicillin-Binde-Protein)(oder auch Transpeptidase). Dieses Protein ist zuständig für das Entstehen der Peptidbindungen in der Zellwand. Durch das inaktive PBPs entstehen beim Bakterienwachstum Löcher in der Zellwand und dies ist die Ursache für das Eindringen von Wasser. Nach gewisser Zeit platzt die Bakterienzelle. β-Lactame wirken bakterizid.

Glycopeptide: Ihr Angriffsort ist auch die Zellwand, allerdings fügen sie sich direkt in die Struktur der Zellwand ein. Dadurch entstehen wieder Löcher und Wasser kann eindringen. Sind für den Einsatz gegen gram-positive Bakterien geeignet. Ihre Wirkungsweise ist bakterizid.

Tetracycline wirken gegen gram-positive und gram-negative Bakterien. Tetracycline lagern sich an die 30 S-Ribosomenuntereinheit an und verhindern damit die Anlagerung der t- RNA. Dadurch können keine Proteine gebildet werden. Die Wirkungsweise ist bakteriostatisch. Der große Nachteil dieser AB, sie binden sich an Calciumionen, die sehr wichtig für Knochenaufbau bei Kindern und auch zuständig für die Festigkeit der Zähne sind. Wenn das Calciumion an das AB gebunden ist, kann es nicht mehr weiter vom Körper verwendet werden. Darum sollte bei Einnahme des AB keine Milch getrunken werden.

Aminoglycosid-AB lagern sich auch an die 30s Ribosomen an, wobei aber die Proteinbiosynthese noch stattfindet. Es entstehen Nonsensproteine, die das Bakterium nicht nutzen kann und sogar den Aufbau der Zellwand schädigen. --> bakteriostatisch

Makrolid-AB binden sich an die 50 S-Ribosomenuntereinheiten an. Die Anlagerung der m-RNA kann nicht mehr erfolgen. Daraus folgt: die Proteinbiosynthese kann nicht mehr stattfinden! Darum nennt mann sie auch Translationshemmer. --> bakteriostatisch

Polypeptid-AB haben ihren Angriffsort in der Cytoplasma-membran. Die Kontrollmechanismen sind gestört, dadurch können unerwünschte/ schädliche Stoffe eindringen.

Chinolone sind im Grunde genommen keine AB nach der alten Definition. Sie werden 100% synthetisch hergestellt, darum sind sie auch nicht biologisch abbaubar. Sie werden auch Gyrasehemmer genannt. Das Enzym DNA-Gyrase ist für das platzsparende Verdrillen der DNA- Stränge zuständig, aber auch dafür, während der Replikation die auftretenden Spannungen im DNA-Strang zu beseitigen. Durch die Gabe des AB wird dieses Enzym inaktiviert.

Sulfonamide werden auch als Wachstumsfaktoranaloga bezeichnet. Dies liegt an ihrer Wirkungsweise. Sie stören die Folsäuresynthese. Weil Folsäure sehr wichtig für die Nucleinsäuresynthese ist, wird damit die Vermehrung der Bakterienzelle behindert.

[Bearbeiten] Nebenwirkungen

In der Regel sind Antibiotika gut verträglich und haben eine große therapeutische Breite. Hauptnebenwirkungen sind Allergien, Störungen der Darmflora (Antibiotika-assoziierte Diarrhoe und das Auftreten von Pilzinfektionen, selten pseudomembranöse Colitis). Eher selten verursachen Antibiotika organtoxische Wirkungen, z. B. Gentamicin Nieren- und Hörschäden. Manche Antibiotika wie Bacitracin oder Colistin zeigen bei systemischer (innerlicher) Verabreichung so starke Nebenwirkungen, dass sie nur örtlich angewendet werden. Man spricht in diesem Falle von Lokalantibiotika.

Bei manchen Infektionen wie z. B. der Lues können Antibiotika eine sog. Herxheimer Reaktion auslösen, bei der der Organismus mit Giftstoffen aus abgetöteten Bakterien überschwemmt wird.

[Bearbeiten] Therapeutischer Einsatz

Zur Therapie wählt der Arzt Antibiotika aus, die gegen die für die Infektion ursächlichen Bakterien wirksam sind. Ist genügend Zeit vorhanden, kann im Labor ein Antibiogramm erstellt werden und das richtige Mittel gewählt werden (gezielte Therapie). In Notfällen muss die Behandlung ohne genaue Kenntnis des Erregers sofort (oft auch intravenös) begonnen werden, z. B. bei Hirnhautentzündung oder Nierenbeckenentzündung bei Säuglingen, da bei Verzögerungen solcher Infektionen oft Lebensgefahr gegeben ist. Dabei kommen Antibiotika mit einem breiten Wirkspektrum zum Einsatz, die gegen die wahrscheinlichen Erreger der jeweiligen Infektion wirksam sind (sog. kalkulierte Therapie). Nach der Bestimmung der Keime werden die Antibiotika dann auf eine gezielte Therapie umgestellt. Die Therapie muss über einen gewissen Zeitraum fortgesetzt werden, um sicher alle Erreger abzutöten und Resistenzentwicklungen und Infektionswechsel zu vermeiden. Die Kombinationstherapie gegen Tuberkulose dauert sogar sechs Monate, auch wenn die Symptome viel früher nachlassen.

[Bearbeiten] Resistenz

Unter Antibiotikaresistenz versteht man die Widerstandsfähigkeit von Bakterien gegen Antibiotika. Bei resistenten Bakterien führt die Behandlung mit einem bestimmten oder mehreren Antibiotika nicht zum Absterben bzw. der Wachstumshemmung der Bakterien. Antibiotikaresistenz ist ein wachsendes Problem.

[Bearbeiten] Arten der Antibiotikaresistenz

  • Primäre Resistenz: Als primär wird eine Resistenz bezeichnet, wenn ein Antibiotikum bei einer bestimmten Gattung oder Spezies eine Wirkungslücke besitzt. So wirken beispielsweise Cephalosporine nicht bei Enterokokken und Ampicillin nicht bei Pseudomonas aeruginosa
  • Sekundäre Resistenz: Diese Form der Resistenz zeichnet sich durch den Verlust der Wirksamkeit eines Antibiotikums bei einem primär nicht resistenten Bakterium aus. Sie kann spontan durch Mutation oder durch Übertragung entstehen.
    • Resistenz durch Mutation: Mutationen im Genom finden in einer Größenordnung von ca. 10-7 statt und sind rein zufällig. Sie können zur Resistenz gegen ein Antibiotikum führen.
    • Resistenz durch Übertragung: Bakterien können über die Vorgänge der Transformation, Transduktion und Konjugation untereinander genetische Informationen übertragen, die auf Plasmiden lokalisiert sind. So können auch Resistenzgene (mit-)übertragen werden.

[Bearbeiten] Resistenzmechanismen

  • Beta-Laktamase: Von den Bakterien gebildetes Enzym Beta-Laktamase spaltet Beta-Laktam-Antibiotika noch vor Entfaltung ihrer Wirkung.
  • Veränderte Zielstruktur: Der Angriffspunkt des Antibiotikums (z.B. die Ribosomen) ist verändert.
  • Stoffwechsel-Bypass: Der Stoffwechselschritt, den ein Antibiotikum behindert oder aufhebt wird durch einen anderen ersetzt.
  • Membranpermeabilität: Die Zellmembran wird so verändert, dass die antibiotische Substanz sie nicht mehr durchdringen kann.
  • Penicillinbindungsproteine: Die Penicillinbindungsproteine werden verändert (z.B. MRSA).

[Bearbeiten] Resistenzbestimmung

Die Resistenzbestimmung erfolgt in einem mikrobiologischen Labor. Es werden in der Regel automatisierte und in jedem Fall standardisierte Verfahren angewendet. Nach der Resistenzbestimmung werden die nachgewiesenen Keime als S - sensibel, I - Intermediär oder R - resistent bezeichnet. Die Resistenzbestimmung dient dem Mikrobiologen und dem behandelnden Arzt zur Auswahl einer gezielten antibiotischen Therapie.

[Bearbeiten] Vorkommen

In den USA sind etwa 70 % der in Krankenhäusern erworbenen infektiösen Keime resistent gegen mindestens ein Antibiotikum. Oft sind Patienten mit Bakterienstämmen infiziert, die gegen mehrere Antibiotika resistent sind (Multiresistenz).

Sogenannte Problemkeime sind dabei vor allem der Methicillin-resistente S. aureus (MRSA), Pseudomonas spec. und Escherichia coli. Schätzungen des Centers for Disease Control and Prevention gehen für die USA von zwei Millionen im Krankenhaus erworbenen Infektionen für das Jahr 2004 aus, mit etwa 90.000 Todesfällen.

Für andere Industrienationen gelten im Moment niedrigere Zahlen. In England und Wales verstarben 1992 51 Patienten an Infekten mit resistenten Mikroben, im Jahre 2002 waren es 800. In Schweden, Norwegen, den Niederlanden und Dänemark fallen die Resistenzquoten wesentlich besser aus, weil hier weniger großzügig verschrieben wird.

Besonders anfällig sind Patienten mit Immunschwächen wie Schwerkranke oder mit HIV infizierte Personen. Auch bei Transplantationen liegt eine Gefährdung vor, weil diese Patienten Immunsuppressiva einnehmen, um der Gefahr entgegenzuwirken, dass das Immunsystem des Körpers das Transplantat abstößt.

Beunruhigend sind Resistenzen gegen Vancomycin, das bei manchen Infektionen als letztes Mittel (last resort antibiotica) und wirksame Waffe auch gegen hartnäckige Krankenhaus-Keime gilt. 1986 wurde das erste Vancomycin-resistente Darmbakterium entdeckt, 1997 trat dann der erste teilweise resistente Stamm von S. aureus auf, der ernste Wund- und Operationsinfektionen verursacht. In den USA wurde erstmals 2002 über den ersten vollständig Vancomycin-resistenten S. aureus-Stamm berichtet. Mittlerweile gibt es S. aureus-Stämme (MRSA), die gegen nahezu alle Antibiotika resistent sind. Fachleute warnen davor, dass diese Situation zu einer weltweiten Krise bei der Behandlung von Infektionskrankheiten eskalieren könnte (Nature, Vol 431, S. 892, 2004).

[Bearbeiten] Ursachen

Eine wichtige Ursache ist die unkritische Verschreibung von Antibiotika. Beispielhaft ist die Verschreibungspraxis bei Bronchitis, bei der nur fünf Prozent der Hustenfälle auf Bakterien zurückzuführen sind, der Rest wird durch Viren verursacht, gegen die Antibiotika keinerlei Wirkung zeigen. Durch diesen breiten Einsatz bilden sich Resistenzen, bei einem echten Bedarf wirken die Antibiotika dann nicht mehr. Antibiotika dürfen deshalb nur eingesetzt werden, wenn sie eindeutig indiziert sind. Dies gilt zum Beispiel für Lungenentzündung und fieberhafte Harnwegsinfektionen. Die Therapie muss konsequent zu Ende geführt werden. Ein weiterer kritischer Punkt ist der unzureichende Abbau von Antibiotika im Körper. Dadurch gelangen Antibiotikareste ins Abwasser und Bakterien können in den Abwasserkanälen bzw. Kläranlagen durch den dauernden Selektionsdruck Resistenzen ausbilden.

Auch durch unterdosierte Antibiotika können Bakterien Resistenzen ausbilden und Resistenzgene untereinander austauschen. Dieser Gen-Austausch findet insbesondere in Krankenhäusern statt, wo unterschiedliche Bakterienstämme in Kontakt miteinander kommen können und von Bett zu Bett getragen werden. So wird die Bildung von Resistenzen gefördert und auch die Verbreitung resistenter Keime (infektiöser Hospitalismus).

Eine weitere wichtige Ursache für die immer schnellere Verbreitung von Resistenzen ist die Verwendung von Antibiotika zum prophylaktischen Einsatz und als Wachstumsförderer in der landwirtschaftlichen Tierzucht. Mehrere europäische Länder haben diese Praktik deshalb in der Massentierhaltung zur Nahrungsmittelerzeugung seit Mitte der 90er Jahre untersagt. In Folge konnte die Resistenzrate zwar reduziert werden, dennoch bleibt die Ausbreitung der Resistenzen besorgniserregend (Wegner, H. C. Cur. Opin. Microbiol. 6, 439-445, 2003). Ab 2006 sind sogenannte Leistungsverstärker oder Mastbeschleuniger EU-weit verboten. Infektionen am Vieh dürfen weiterhin mit Antibiotika behandelt werden, was jedoch aus Tierschutzgründen auch nötig ist. Trifft es ein Geflügel, darf die gesamte Herde gleichzeitig behandelt werden. Die Schlachtung darf jedoch erst nach einer gewissen Zeit erfolgen, in der das Tier die Medikamente abgebaut hat (Wartezeit). Besonders über den Genuss roher Eier und ungenügend gebratenen Fleischs kommt es zur Infektion von Menschen. Vereinzelt kam es auch zu Übertragungen über Nutzpflanzen, welche mit der Gülle von mit Medikamenten behandelten Tieren gedüngt wurden.

Gegen manche Antibiotika bilden sich schneller Resistenzen als gegen andere. So bilden sich z. B. gegen Makrolide schnell Resistenzen, weil sie nur ein bestimmtes Enzym (die Translokase) hemmen (Einschritt-Resistenzmuster). Ist die Translokase mutiert, wirken sie u. U. nicht mehr. Deshalb gibt es gegen Makrolide bereits zunehmend Resistenzen, obwohl sie erst in den 90er Jahren entwickelt wurden. Dagegen greift Penicillin an sechs verschiedenen sog. Penicillin-binding-Proteins an. Es wird heute noch für viele Indikationen verwendet, obwohl es schon seit Jahrzehnten existiert.

Bisweilen setzt man Kombinationen von Antibiotika ein, um die Entwicklung von Resistenzen unwahrscheinlicher zu machen und die Wirkung zu verstärken. Dabei gilt als Faustregel, dass bakterizide Antibiotika nicht mit nur bakteriostatischen Antibiotika kombiniert werden sollen, weil diese durch langsameres Bakterienwachstum die bakterizide Wirkung schwächen würden. Dagegen ist es sinnvoll, denselben Stoffwechselweg an unterschiedlichen Stellen zu hemmen. Deshalb kombiniert man Sulfonamide mit anderen Folsäureantagonisten.

[Bearbeiten] Andere Anwendungsgebiete

Antibiotika werden auch als Selektionsmittel in der Molekularbiologie verwendet. Beim Klonieren wird die Eigenschaft der Resistenz gegen ein bestimmtes Antibiotikum als Erkennungszeichen benutzt, ob ein Stamm ein bestimmtes Gen trägt, das man dem Bakterium einbauen möchte. Sowohl das neue Gen als auch die Resistenzinformationen sind auf einem Plasmid lokalisiert. Das Bakterium wird auf einem Medium vermehrt, welches das entsprechende Antibiotikum enthält. Dadurch wird auch ein späterer Verlust des Plasmids verhindert, da bei Verlust auch die Resistenz verloren geht und das Bakterium auf dem Medium stirbt.

[Bearbeiten] Systematik nach Wirkprinzip

Angriffspunkte der Antibiotika bei Bakterien
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Angriffspunkte der Antibiotika bei Bakterien

[Bearbeiten] Kritik

Die Wirksamkeit von Antibiotika steht außer Frage und ist in vielen Fällen lebensrettend. Der zum Teil unkritische und massenhafte Einsatz von Antibiotika zur Krankheitsbekämpfung und bis vor kurzem sogar zur Krankheitsvorbeugung und Leistungssteigerung in der Tiermast wird von vielen Medizinern angemahnt. Doch neben dem relativ gut untersuchten und oben beschriebenen gravierenden Problem der Resistenzbildung stellen auch die beschriebenen Nebenwirkungen ein nicht zu unterschätzendes Problem dar: Systemisch wirkende (und hier insbesondere die über den Verdauungstrakt zugeführten) Antibiotika können die immunrelevante Darm- und Scheidenflora schädigen, indem sie dort lebende nützliche Bakterienpopulationen abtöten oder zumindest schädigen. Die Gewichtung der verschiedenen Bakterienarten im Darm oder in der Scheide verschiebt sich, so dass die Vermehrung normalerweise seltener Bakterien oder auch Pilze begünstigt werden kann. So kann es zu postantibiotischen Infektionen kommen, Beispiele sind die Antibiotika-induzierte Diarrhoe, die durch das Bakterium Clostridium difficile ausgelöste pseudomembranöse Colitis oder die durch den Hefepilz Candida albicans ausgelöste Kandidose, die die häufigste vaginale Pilzinfektion darstellt.

Ob eine solche Entgleisung mit Ernährungsbausteinen oder naturheilkundlichen Mitteln wie Naturjoghurt ausgeglichen werden kann, ist fraglich. Wird Naturjoghurt gegessen, sollten mindestens zwei Stunden Abstand zur Antibiotikaeinnahme eingehalten werden, da Milchprodukte die Resorption von vielen Antibiotika, insbesondere Tetracyclinen, behindern können. Der Nutzen einer lokalen Anwendung von Naturjoghurt in der Vagina konnte nicht nachgewiesen werden.[1]

Ein weiteres Risiko sind Penicillin- oder Sulfonamidallergien, die insbesondere bei intravenöser Gabe gefährlich werden können (anaphylaktischer Schock).

Auch die Langzeitfolgen des Antibiotikaeinsatzes wurden bisher kaum untersucht. Die Endosymbiontentheorie der amerikanischen Biologin Lynn Margulis weist darauf hin, dass die menschlichen Zellorganellen evolutionsbiologisch aus einer Kooperation verschiedener Bakterienarten entstanden sein könnten. Antibiotika könnten -nicht nur deswegen- auch menschliche Zellen schädigen.(Quelle?) Einzige Ausnahme sind die Penicilline, die wegen ihres Wirkungmechanismus fast nur Bakterien ins Visier nehmen (Eukaryonten und Endosymbionten bilden kein Murein) und im Allgemeinen -von allergischen Reaktionen abgesehen- sehr gut verträglich sind und teilweise auch in der Schwangerschaft angewendet werden können.

Kinder, die im ersten Lebensjahr mit Antibiotika behandelt werden, haben möglicherweise ein zweifach erhöhtes Asthmarisiko.[2]

Es ist allgemein bekannt und nachgewiesen, dass Tetracycline Zahnschmelzdefekte verursachen können. Bei Verabreichung von Tetracyclinen vor dem achten Lebensjahr werden diese während der Mineralisation, in Form von Komplexen mit Kalzium-Orthophosphat, in den Zahnschmelz eingelagert. Die Oxydation der genannten Komplexe führt letztlich zu den bekannten blass-gelben bis braun-grauen Verfärbungen. Sowohl Milchzähne als auch bleibende Zähne können davon betroffen werden.

Bei leichteren bakteriellen Infektionen ist ein Nutzen der Antibiotikatherapie auch nicht erwiesen. Weiterhin sind einige Erkrankungen, beispielsweise obere Atemwegsinfekte, oft viral bedingt und Antibiotika bei dieser Pathogenese unwirksam (Ausnahme: Eine bakterielle Superinfektion soll verhindert werden).

Aus diesen und weiteren Gründen sollte die Indikation für eine Antibiotikatherapie kritisch (zurückhaltend) gestellt werden.

Antibiotika können auch durch Impfungen (Pneumokokken, HiB, Influenza) eingespart werden.

[Bearbeiten] Antibiotika und Antibiotikarückstände in der Umwelt

Eintragsquellen von Arzneimitteln und Arzneimittelrückständen in die Umwelt
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Eintragsquellen von Arzneimitteln und Arzneimittelrückständen in die Umwelt

Arzneimittel, und damit auch Antibiotika, sind aufgrund ihrer Bestimmung in der Regel biologisch hochaktive Stoffe, die selbst oder deren Metabolite (Stoffwechselprodukte) in der Umwelt bei entsprechenden Konzentrationen zu Schäden führen können. Aufgrund verbesserter Analysetechniken werden seit etwa Mitte der 1990er Jahre vermehrt Arzneimittel bzw. deren Rückstände in Oberflächen-, Grund- und Trinkwässern nachgewiesen. In den letzten 50 Jahren wurde insgesamt rund eine Million Tonnen verschiedener Antibiotika in die Biosphäre freigesetzt. Eintragsquellen in die Umwelt sind neben den Ausscheidungen (Urin, Kot) von Mensch und Tier auch weggeworfene ungebrauchte Arzneimittel.

Es wird befürchtet, dass sich durch das Vorhandensein von Arzneimitteln bzw. deren Rückstände in der Umwelt leichter Resistenzen insbesondere bei Bakterien gegen Antibiotika ausbilden können.

Antibiotika werden in immer zunehmenderem Maße in der Massentierhaltung eingesetzt; wenn ein Tier an einem bakteriellen Infekt o. ä. erkrankt ist, wird der ganze Bestand mit Antibiotika behandelt. Die Folgen sind noch nicht erforscht, das Antibiotikum kann dadurch unwirksam werden,da die Bakterien resistent werden können.

[Bearbeiten] Quellen

  1. Marie Pirotta, et al. Effect of lactobacillus in preventing post-antibiotic vulvovaginal candidiasis: a randomised controlled trial. In: BMJ 2004; 329(7465): 548
  2. Marra, et al. Does antibiotic exposure during infancy lead to development of asthma?: a systematic review and metaanalysis. In: Chest 2006; 129(3): 610-8

[Bearbeiten] Literatur

  • Ursula Theuretzbacher: Mikrobiologie im klinischen Alltag. Erreger, Diagnostik, Therapie. Kohlhammer, Stuttgart 1999/2005 (2. Auflage) ISBN 3-17-016665-4
  • Claus Simon, Wolfgang Stille: Antibiotika-Therapie in Klinik und Praxis. Schattauer, Stuttgart 1985, ISBN 3-7945-1970-1
  • Peter Heisig: Was ist neu an Ketoliden und Oxazolidinonen? Wirkungs- und Resistenzmechanismen. In: Pharmazie in unserer Zeit 33(1), S. 10-19 (2004), ISSN 0048-3664
  • Radka Alexy, Klaus Kümmerer: Antibiotika in der Umwelt. KA-Abwasser, Abfall 52(5), S. 563-571 (2005), ISSN 1616-430X

[Bearbeiten] Weblinks

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