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Antideutsche

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Antideutsche sind eine aus verschiedenen Teilen der radikalen antifaschistischen Linken hervorgegangene Strömung. Antideutsche wenden sich nach eigener Überzeugung speziell gegen einen deutschen Nationalismus der im Zuge der Wiedervereinigung erstarkt sei. Die Antideutschen sind innerhalb des linksradikalen Lagers Gegenstand heftiger Kontroversen. Die antideutsche Bewegung wird im Verfassungsschutzbericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz erwähnt.

Die von Antideutschen geäußerte Kritik richtet sich in großen Teilen an das linksradikale Lager und hier besonders an die sogenannten Antiimperialisten. Diese wiederum werfen der antideutschen Strömung vor, dass sie ausgehend von einer linken Gesellschaftskritik teilweise zu traditionell bürgerlich-konservativen Positionen gelangt sei, diese jedoch weiterhin in formal und rhetorisch linker Gewandung vertrete.

Radikale Vertreter der Antideutschen organisieren sich um die Berliner Zeitschrift Bahamas und die Freiburger Initiative Sozialistisches Forum. Gemäßigt antideutsche Positionen, die aus Debatten in der antinationalen Bewegung und Teilen der undogmatischen Linken hervorgehen, orientieren sich unter anderem lose an Zeitschriften wie der Phase 2. Die Wochenzeitung Jungle World und die Monatszeitung konkret dienen beiden Seiten als Plattform und lassen auch Kritiker der antideutschen Bewegung zu Wort kommen.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Positionen

Folgende Positionen werden zwar nicht von allen antideutschen Gruppen in gleichem Maße geteilt, haben aber durch bekanntere antideutsche Gruppen wie Bahamas oder ISF einen starken Bekanntheitsgrad erlangt und werden oft allgemein mit „antideutschen Positionen“ gleichgesetzt.

[Bearbeiten] Antisemitismus, Israel und Deutschland

Antideutsche sehen die Existenz von Juden in aller Welt und insbesondere im Staat Israel von verschiedenen Seiten bedroht - sowohl durch das Fortbestehen einer Ideologie der Volksgemeinschaft in den westlichen Ländern und insbesondere in Deutschland („Postfaschismus“), als auch durch die Ignoranz der europäischen Regierungen gegenüber dem erstarkendem Antisemitismus in der EU und besonders in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Besonders der virulente Antisemitismus in vielen islamischen Ländern sei ein nicht zu unterschätzender Angriff auf das Existenzrecht Israels und Bestandteil einer „Antisemitschen Internationale“.

Der deutsche Faschismus sei dabei das ideologische Vorbild dieser „islamfaschistischen“ Bewegungen, die ähnlich wie die Nationalsozialisten von der Idee einer weltweiten jüdisch-amerikanischen Verschwörung (vgl. Verschwörungstheorie) wie auch von einer völkisch-nationalen Blut-und-Boden-Ideologie geprägt seien. Das Attentat auf das World Trade Center am 11. September 2001 und zahlreiche Anschläge auf Synagogen und jüdische Menschen weltweit seien Alarmzeichen für den unverändert starken antisemitischen Vernichtungswillen in allen Teilen der Welt.

Aus dieser Analyse folgt für Antideutsche die Forderung nach unbedingter Solidarität mit Israel, welches als Staat der Holocaust-Überlebenden eine notwendige Zuflucht für verfolgte Juden aller Länder bilde und deshalb ein größeres Existenzrecht für sich beanspruchen könne als jeder andere Staat. Diese grundsätzliche „Israel-Solidarität“ beinhaltet bei vielen Antideutschen auch die volle Unterstützung für die konkreten und politischen militärischen Maßnahmen seitens der israelischen Regierung. Israel habe als Opfer beständiger Aggression durch palästinensische Organisationen das Recht, sich mit Maßnahmen wie Kontrollen, Sicherungsanlagen und gezielten Tötungen zu verteidigen. Insbesondere an dieser kontroversen Position vollzieht sich der Bruch und die Feindschaft zwischen traditionell pro-palästinensisch eingestellten Antiimperialisten und pro-israelischen Antideutschen.

[Bearbeiten] Friedensbewegung

Einige traditionell eher dem linken Spektrum zugeordnete, vor allem moralisch orientierte Argumentationsmuster des prinzipiellen Antimilitarismus und Pazifismus werden von den Antideutschen abgelehnt. Sie argumentieren, die bürgerliche Gesellschaftsordnung sei ein wesentlicher Fortschritt gegenüber religiös-fundamentalistischen oder völkisch-nationalistischen Regimes. Deshalb seien die Kriege der USA gegen sogenannte "rückständige" Regime politisch zu begrüßen. Als Beispiele werden dafür der Zweite und Dritte Golfkrieg sowie der Sturz des Taliban-Regimes in Afghanistan 2001 genannt.

Der Friedensbewegung wird zudem eine Doppelmoral vorgeworfen. Sie habe die Zustände der Baath-Diktatur im Irak oder die Alltäglichkeit des antizionistischen und antisemitisch motivierten Terrors in/gegen Israel (beispielsweise durch fundamentalislamistische Selbstmordattentate) akzeptiert, ohne praktikable Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Die Friedensbewegung verwende außerdem höchst bedenkliche Symbole, Karikaturen und Feindbilder wie die des „hinterlistigen Strippenziehers“ oder des "Volksschädlings und Vampirs“, mit denen die Politik der USA und Israels kritisiert wird. Radikalere antideutsche Gruppen wie die Bielefelder Gruppierung Gruppe 8. Mai werfen der Friedensbewegung „Appeasement gegenüber dem antisemitischen Vernichtungswillen“ vor und bezeichnen das Ideal des Friedens in einem Flugblatt zum 8. Mai 2005 als „leer und verlogen“. Solange es Antisemitismus gebe, so die antideutsche Argumentation, könne es keinen Frieden geben, der letztlich die Antisemiten schütze und ihnen Handlungsmöglichkeiten gewähre.

[Bearbeiten] Kapitalismus

Obwohl sich Antideutsche selbst als Gegner des Kapitalismus und meist als Kommunisten verstehen, weisen sie darauf hin, dass einige Formen des Antikapitalismus, etwa Elemente der sogenannten Globalisierungskritik, Ausdruck eines versteckten, strukturellen Antissemitismus seien. Damit wird insbesondere gegen Bewegungen wie attac Stellung bezogen. Die in der globalisierungskritischen Bewegung populäre Forderung nach einer Regulierung der Finanzmärkte (z.B. Tobin-Steuer) argumentiert nach Meinung vieler Antideutscher mit einer problematischen Unterscheidung zwischem schaffendem und raffendem Kapital, die wesentlich von den Nationalsozialisten geprägt wurde und implizit - auch da, wo sie nicht entsprechend ausformuliert oder auch nur bewusst gemacht werde - auf das Stereotyp des „Geldjuden“ verweise. (Siehe auch Antijudaismus)

[Bearbeiten] Islam

Während linksradikale Gruppen traditionell die Diskriminierung von Migranten in Deutschland als zentrales Problem ansehen, äußern sich antideutsche Publikationen wie die Zeitschrift Bahamas zunehmend negativ über die Rolle von Migranten in der europäischen Gesellschaft. Analog zu bürgerlichen und rechten Parteien behaupten sie, dass das Ideal der Multikulturalität Freiräume für gewalttätige und kriminelle Islamisten schaffe, in denen eben die eingeforderten Toleranzräume für Minderheiten nicht mehr gälten.

[Bearbeiten] Ideologie

Die Antideutschen rücken weniger Klassenkampf und Arbeiterbewegung in den Vordergrund ihrer Programmatik, sondern wollen das internationale System und dessen Entwicklungsdynamik aus einem kritischen geschichtsphilosophischen Blickwinkel insbesondere der Kritischen Theorie betrachten. Demzufolge ist die europäische Aufklärung ein in weiten Teilen unvollendetes Projekt. Die Antideutschen gehen davon aus, dass ein Übergang zum Kommunismus nur mit und nicht gegen die real existierenden Kräfte der Aufklärung erfolgen kann. Als Kräfte der Aufklärung werden dabei die kapitalistischen Industrienationen mit Ausnahme Deutschlands gesehen. Sie lehnen den gegenwärtig von ihnen als Leitkultur innerhalb des Marxismus wahrgenommenen Antiimperialismus ab: Dieser habe nichts mit dem Werk Karl Marx’ zu tun, er weise vielmehr Ähnlichkeiten zu rechtsradikalen Positionen auf (siehe auch Querfront).

Während der Antiimperialismus reklamiert, die Politik der USA sei interessengeleitet, gehen die Antideutschen davon aus, das sei nach Marx die normale Form jeder Politik. Im Zusammenhang mit dem "Kampf gegen den Terrorismus" stellen sich die Antideutschen auf den Standpunkt, dass der Marxismus durch seine Geschichtsphilosophie immer der schärfste politische Gegner der Theokratie gewesen sei und knüpfen an die Solidarität Karl Marx’ mit dem amerikanischen Präsidenten Abraham Lincoln an. Generell betrachten sie die gegenwärtige weltpolitsche Lage als Auseinandersetzung zwischen (westlicher) Demokratie und (arabischer) Theokratie, wobei den westlichen Staaten die unbedingte Solidarität auch der Linken zustehe. Auch der amerikanische Bürgerkrieg gegen die Sklaverei 1860-1865 sei zugleich interessengeleitet und fortschrittlich gewesen.

Da sie das System der Nationalstaaten als eine historische Übergangsphase zwischen der Theokratie und dem Kommunismus betrachten, unterscheiden Antideutsche zwischen Nationen, die es gegen den Rückfall in die Theokratie zu verteidigen gelte und anderen, die den Fortschritt in den Kommunismus aufhalten würden. An vorderster Front der Systemauseinandersetzung zwischen Demokratie und Theokratie stehe der Staat Israel. Mit der Entscheidung zum Einmarsch in den Irak hätten auch die USA begonnen, ihre alte Politik der Unterstützung fortschrittsfeindlicher Diktaturen aufzugegeben und die Theokratie als Hauptfeind zu erkennen. Deutschland hingegen (insbesondere unter Rot-Grün) beziehe sowohl ideologisch als auch praktisch eine Politik der Regimeerhaltung in antisemitischen Diktaturen wie z.B. Saudi-Arabien und dem Iran. Antideutsche kritisieren auch, dass die EU der größte internationale Geldgeber der palästinensischen Autonomiebehörde ist.

[Bearbeiten] Theoretische Vorbilder

In ihren theoretischen Grundlagen orientieren sich die Antideutschen an der Kritischen Theorie, teilweise auch am französischen Poststrukturalismus. Als Vorbilder gelten Theoretiker wie Marx und die aufklärerischen Philosophen Kant und Hegel, wobei auch die an diesen erfolgte Kritik vor allem durch Adorno und Horkheimer Beachtung gefunden hat.

Großen Einfluss auf Antideutsche hatte die Wertkritik. Diese geht davon aus, dass kapitalistische Herrschaft abstrakt sei, dass sie also nicht von konkreten Personen ausgehe, sondern vom „Wertprinzip“ der kapitalistischen Warenwirtschaft selbst. Prinzipiell seien alle Menschen gleichermaßen dieser Herrschaft unterworfen. Deshalb gebe es innerhalb dieses Systems, anders als beim traditionellen Marxismus, weder ein privilegiertes revolutionäres Subjekt (etwa die Arbeiterklasse), in das besondere Hoffnung zu setzen wäre, noch die Möglichkeit, diese Herrschaft durch den Sturz einer bestimmten herrschenden Klasse zu überwinden. Die Aussichten für eine mittelfristige Überwindung des Kapitalismus werden tendenziell pessimistisch beurteilt und stattdessen die Notwendigkeit individuellen, kritischen Denkens in den Mittelpunkt gerückt. Die in der Wertkritik enthaltene Kritik der bürgerlichen Aufklärung und des bürgerlichen Subjekts wird von den Antideutschen dabei oftmals abgelehnt.

[Bearbeiten] Historische Entwicklung

[Bearbeiten] Begriffsgeschichte

Markus Mohr und Sebastian Haunss gehen bei der Analyse der Begriffsgeschichte des Wortes „antideutsch“ auf „mehr oder minder explizit antideutsch motivierte Ideen und Gedanken“ zurück. So habe 1844 Karl Marx in seiner Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie den „Krieg den deutschen Zuständen! Allerdings!“ gefordert. Heinrich Heine formulierte in Die schlesischen Weber: „Deutschland, wir weben dein Leichentuch.“ Antideutsche Ideen habe auch Sebastian Haffner in den 1930er Jahren in seinen Büchern Germany: Jekyll & Hyde und Geschichte eines Deutschen entwickelt. Lord Robert Gilbert Vansittart habe allen Deutschen eine „pathologische Aggressivität“ unterstellt und sie als „die Störenfriede der Zivilisation seit Tacitus“ bezeichnet.

In der Neuen Linken taucht erstmals auf der Titelseite des linksradikalen Untergrundblattes 883 aus Berlin in der 27. Ausgabe vom 14. August 1969 die Formulierung „Anti-deutsche Agitation“ auf. Es „scheint dieser Begriff offenbar von der militant-antikommunistisch eingestellten Frontstadtbevölkerung den protestwilligen Studenten entgegen gehalten worden zu sein“, so Mohr und Haunss. Auch ein in den 80er Jahren populärer Song der Hamburger Punk-Band Slime drückt antideutsche Einstellungen aus: „Deutschland muß sterben, damit wir leben können“.

Der Begriff Antideutsche ist vor 1989 noch eine relativ diffuse Fremdbezeichnung für die innerdeutsche antipatriotische Bewegung wie auch für die Politik der Alliierten gegenüber Deutschland im Zweiten Weltkrieg. Seine heutige Prägung erfuhr der Begriff erst sehr viel später, indem er als Selbstbezeichnung von einer spezifischen theoretischen Strömung innerhalb der Linken wieder aufgegriffen wurde.

[Bearbeiten] Entstehung der antideutschen Strömung

Die heute in der radikalen Linken diskutierten Inhalte des Begriffes antideutsch sind erst zu Beginn des Jahres 1989 in einem Kreis namens Radikale Linke markant geworden. Gebildet hat sich dieser Kreis im „Umfeld von in der Grünen Partei pleite gegangenen linken Grünen, Trotzkisten, Mitgliedern des Kommunistischen Bundes, der Zeitschrift konkret und anderen linksradikalen Gruppierungen (...) Aus diesem Kreis, an dem auch Autonome der unterschiedlichsten Couleur beteiligt waren, wurde nach dem Fall der Mauer wesentlich eine Kampagne unter dem Motto ‚Nie wieder Deutschland‘ vorangetrieben.

Hintergrund war der Zusammenbruch des Realsozialismus Ende der 80er Jahre und die darauf folgende deutsche Wiedervereinigung. Die Befürchtung eines Wiedererstarkens des deutschen Nationalismus sahen nicht nur die Antideutschen in den frühen 90er Jahren durch zahlreiche Fälle von Gewalt gegen Nichtdeutsche bestätigt, so u.a. durch das Pogrom von Rostock-Lichtenhagen und den Mordanschlag auf die Solinger Familie Genç. Zu diesen Ausbrüchen xenophob und nationalistisch motivierter Gewalt kam die Zunahme staatlicher Repression gegen Migranten, so etwa die drastische Einschränkung des Asylrechts durch eine große Koalition aus CDU, FDP und SPD im Jahre 1994.

Die sich herausbildende antideutsche Strömung konzentrierte ihre Aufmerksamkeit ursprünglich stark auf die mögliche Gefährdung Polens und Frankreichs durch deutsches Großmachtstreben. Deutschland, so wurde befürchtet, könne Polen gegenüber territoriale Ansprüche erheben und in Frankreich Volksgruppenpolitik betreiben, die auf eine Abspaltung der Bretonen, Elsässer und anderer regionaler Sprachgruppen ziele.

Während solche Befürchtungen von weiten Teilen der autonomen Linken geteilt wurden, sorgte die Befürwortung des zweiten Golfkriegs von 1991 gegen den Irak erstmals für massive Zerwürfnisse. Eine Hauptrolle spielte hierbei die Hamburger Zeitschrift konkret, dessen Herausgeber Hermann L. Gremliza sich aus Gründen der Israelsolidarität vehement für den von der Regierung Kohl finanziell massiv unterstützten Krieg aussprach. Noch weiter ging der antideutsche Vordenker Wolfgang Pohrt, der in Ausgabe 03/91 von Gremlizas Zeitschrift gar den Einsatz der israelischen Atombombe gegen Bagdad forderte.

Den Krieg gegen Jugoslawien im Frühjahr 1999 lehnten die Antideutschen ebenso ab wie der größte Teil der Linken. Die Antideutschen beurteilten ihn als Wiederholung der Konstellation des Zweiten Weltkrieges, in dem Jugoslawien Opfer deutscher Aggression geworden war. Daraus leiteten sie die Forderung nach „bedingungsloser“ Solidarität mit dem Regime von Slobodan Milošević ab, während viele andere linke und pazifistische Strömungen auch die Taten der serbischen Seite kritisierten. Dies führte zum Bruch zwischen Antideutschen und den sogenannten Antinationalen.

Gleichzeitig passte die massive Kriegsbeteiligung der früheren Westalliierten nicht zu dem von den Antideutschen gezeichneten Bild. Diese erklärten das Verhalten der USA damit, diese hätten sich nicht aus freien Stücken für den Krieg entschieden, sondern seien von Deutschland in diesen hineingetrieben worden. Zu dieser Argumentation gehörte auch eine entsprechend hoch angesetzte Einschätzung der weltpolitischen Machtstellung Deutschlands. So schrieb die Jungle World, die USA seien die einzig verbliebene Macht, die in der Lage sei, „Deutschland die Stirn zu bieten“.

[Bearbeiten] Nach der Al-Aqsa-Intifada

Nach Beginn der zweiten Intifada in Israel/Palästina kam es zu einer schroffen Polarisierung zwischen den eher traditionellen Linken auf der einen und den nunmehr als eigenständige Strömung erkennbaren Antideutschen auf der anderen Seite. Seitdem steht die Solidarität mit dem Staat Israel und die Kritik an antizionistischen Haltungen im Vordergrund des antideutschen Selbstverständnisses. Die Anschläge vom 11. September 2001 führten darüber hinaus zu einer vehementen Zurückweisung von einzelnen Theorie-Elementen des Antiimperialismus sowie antiamerikanischer Tendenzen innerhalb der Linken.

Während Frankreich aufgrund seines vorgeblich staatsbürgerlich und nicht völkisch definierten Nationenbegriffs ursprünglich das positive Gegenbild zu Deutschland darstellte, kühlte die antideutsche Frankreichliebe im Verlauf der Kriege gegen Afghanistan und Irak deutlich ab. Hauptgrund war die Haltung Frankreichs in Bezug auf den Irak und den israelisch-palästinensischen Konflikt. Von nun an wurden die USA neben Israel zum wichtigsten Bezugspunkt antideutscher Identität erhoben. Das Tragen der US-amerikanischen Nationalflagge gehört seit dieser Zeit zum Standard antideutscher Kundgebungen.

Die negative Bewertung Deutschlands wurde zudem auf das gesamte Old Europe ausgeweitet. Diese abwertend gemeinte Benennung der europäischen kriegskritischen Staaten durch US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld ging bald in den festen Sprachgebrauch antideutscher Publikationen über und erscheint dort stets als ein zu bekämpfendes Modell. Der US-Armee bescheinigen Antideutsche dagegen, dass ihre Kriegseinsätze in Afghanistan und dem Irak Akte „tätigen Antifaschismus’“ darstellten. Von der Redaktion der Zeitschrift Bahamas wird der amerikanische Präsident George W. Bush als „A Man of Peace“ tituliert. ([1])

Die Unterstützung des Afghanistan-Kriegs und der von den USA initiierten Irak-Kriege seit 1991 durch zahlreiche antideutsche Aktivisten, mehr noch aber der Vorwurf, dass die Kritik am Islamismus sich bei manchen Vertretern dieser Strömung in einem rassistischen Register abspiele, führte nach und nach zu einer Spaltung in zwei Lager, polemisch manchmal als Softcore- und als Hardcore-Antideutsche bezeichnet. Erstere sehen letztere wiederum häufig als Postantideutsche an, weil sie die Kritik an den Deutschen durch rassistische Positionen gegenüber Muslimen eingetauscht hätten. Viele Antideutsche sehen im Islam starke Tendenzen eines „Islamfaschismus“, der durch Muslime weder erkannt noch bekämpft werde.

Insbesondere das Mitführen israelischer oder US-amerikanischer Nationalflaggen durch Vertreter der antideutschen Strömung führte auf Demonstrationen schon zu körperlichen Auseinandersetzungen mit anderen Linken.

Zunächst trug der eskalierende Streit zwischen Antideutschen und Antiimperialisten zu einer deutlichen Schwächung der autonomen Linken bei. Allerdings erhielten die Antideutschen in den letzten Jahren regen Zulauf von Seiten junger Antifa-AktivistInnen, so dass sie sich bundesweit als eigene Bewegung etablieren konnten. In vielen Orten hat sich die anfängliche Hysterie im Streit zwischen den verfeindeten Fraktionen der Linken wieder gelegt, so dass vielerorts beide Seiten in Zweckbündnissen zusammenarbeiten oder gar das Grundverständnis einer Solidarität mit Israel und einer Absage an völkischen Widerstand als politische Positionen akzeptiert haben.

[Bearbeiten] Zukunftsaussichten

Patrick Hagen (siehe Literatur) vermutet, dass die antideutsche Strömung den Zenit ihres Einflusses auf die Linken überschritten habe. Früher einflussreiche Persönlichkeiten wie Jürgen Elsässer und Wolfgang Pohrt hätten sich aus der Szene zwischenzeitlich verabschiedet. Es spreche einiges dafür, dass sich die Strömung zukünftig politisch weiter nach rechts entwickeln werde. Der Islam scheint mittlerweile Deutschland als Hauptfeind der Antideutschen abgelöst zu haben, was unerwartete Richtungswechsel gezeitigt habe:

Auf dem Weg zur Realpolitik wird auch die Bundesrepublik nicht mehr nur als Feind gesehen. Vor dem Irak-Krieg forderten Thomas Uwer und Thomas von der Osten Sacken in einem Memorandum von der Bundesregierung, dass diese sich ‚aktiv in die Gestaltung einer post-Saddam Ordnung einbringt:‘ ‚Es kann umgekehrt nicht im Interesse der Bundesrepublik Deutschland sein, alleine am Status Quo eines zum Zusammenbruch verurteilten Regimes festzuhalten.‘

[Bearbeiten] Kritik und Kontroverse

Aufgrund ihrer Positionen, die teilweise in diametralem Gegensatz zur traditionellen Linken stehen, sind die Antideutschen Gegenstand beständiger heftiger Kontroversen. Zudem sind auch innerhalb der Strömung Zerwürfnisse und Spaltungen keine Seltenheit, wobei diese i. d. R. unter häufigem Einsatz von Antisemitismusvorwürfen (Beispiel: ([2])) ausgetragen werden.

Die im Folgenden referierte oder zitierte Kritik stammt überwiegend von Vertretern der radikalen Linken. Dies liegt in erster Linie daran, dass es sich bei der Kontroverse um antideutsche Positionen ganz überwiegend um eine innerlinke Auseinandersetzung handelt. Einige der genannten Autoren waren für die Entstehung einzelner antideutscher Politikkonzepte selbst sehr prägend. Die meisten Stellungnahmen entstammen dem von Gerhard Hanloser herausgegebenen Sammelband Sie warn die Antideutschesten der deutschen Linken (siehe Literatur).

Kern der Kritik ist die Feststellung einer Wendung der Antideutschen nach rechts bzw. einer „Rückkehr in die bürgerliche Wertegemeinschaft“ unter Aufgabe aller linker Essentials.

[Bearbeiten] Israel als Projektionsfläche für „Solidarisierungsfetischisten“

Scharfe Kritik an „solidarisierungswütigen Israelfreunden“ übt der israelische Soziologe Moshe Zuckermann. In einem Beitrag Was heißt: Solidarität mit Israel? kritisiert er den ideologischen Blick auf Israel seitens der Antideutschen. Diese missbrauchten Israel als „pure Projektionsfläche für eigene Befindlichkeiten“. Ihre „bedingungslose Solidarität“ sei eine Farce, „die die reale Tragödie in eine Narrenposse verwandelt“.

Stattdessen fordert er, die israelische Gesellschaft in ihrer geschichtlichen, politischen, sozialen und gesellschaftlichen Komplexität und Heterogenität wahrzunehmen. „Ideologisch durchwirkte Abstraktionen“ seien kontraproduktiv. „Besonders unappetitlich“ seien sie, so Zuckermann über das Israel-Bild der Antideutschen, wenn sie aus Deutschland kämen und die Juden beträfen.


[Bearbeiten] Relativierung der Geschichte

Wolf Wetzel und Ulrich Enderwitz kritisieren die Gleichsetzung der geschichtlichen Konstellation von 1945 mit der heutigen internationalen Situation. Die Befreier von 1945 könnten heute nicht die gleichen antifaschistische Position geltend machen. Antideutschen wird vorgeworfen, mit dieser Relativierung der Geschichte einen „imperialistischen“ Krieg gegen den Irak einerseits zu legitimieren und andererseits Widersprüche des postfaschistischen deutschen Subjekts auf ein Ersatzobjekt zu projizieren.

Das Konzept des Islamfaschismus stößt auch bei vielen Antirassisten auf Unmut, nicht zuletzt weil sich manche antideutsche Islamkritik inhaltlich den Positionen rechtspopulistischer und rechtsradikaler xenophober Bewegungen wie der Liste Pim Fortuyn oder des Vlaams Blok annähert. Prominentes Beispiel für diese Annäherung waren die Sympathiebekundungen der Bahamas für Pim Fortuyn nach der Ermordung Theo van Goghs ([3]). Allgemein wird am Begriff des „Islamfaschismus“ kritisiert, dass er problematisch sei, weil er zu einer unscharfen Definition des Faschismus führe. Auch wird das Fehlen von Kritik an anderen autoritären Religionen, etwa dem Christentum, kritisiert.

[Bearbeiten] Affirmation des Kapitalismus

Für Gerhard Hanloser entwickelte sich die antideutsche Bewegung heute aus einer „fehlgeschlagenen Selbstkritik“ von „oftmals nationalistischen und populistischen Linken“ – insbesondere der K-Gruppen - zu einem „affirmative turn“, der die „herrschenden Verhältnisse“ nicht mehr einer „radikalen Kritik“ unterziehe. Er umschreibt diese Haltung mit einem ironischen Motto „Vereinzelt euch, seid stark, individualistisch und konsumistisch, damit auch ihr euch nicht zum deutschen Volksgenossen eignet“. Ex-Bahamas-Initiator Bernhard Schmidt behauptet vor diesem Hintergrund einen neoliberalen Rechtsruck bei der Bahamas.

Der Antisemitismusforscher Enderwitz sieht in aktuellen antideutschen Politikkonzepten den „unternommenen Versuch, unter dem Eindruck des weltweiten Bedrohungsszenariums Gesellschaftskritik durch die obsessive Bornierung auf Faschismus und Antisemitismus in eine Affirmation des Kapitalismus und seiner globalen, alias imperialistischen, Entfaltung umzufunktionieren“.

Robert Kurz sieht die Grundlage der Affirmation der kapitalistischen Gesellschaft vor allem in der Denunziation jeglicher sozialer Bewegungen insbesondere in Deutschland durch Etikettierung dieser Bewegungen als „Volksbewegungen“, was in antideutschen Kreisen oft als Synonym für Völkische Bewegungen gebraucht wird. Auch würden Antideutsche, so Kurz, eine unrealistische Forderung nach „vermittlungsloser Feindschaft“ zum Kapitalverhältnis vertreten.

[Bearbeiten] Kritikbegriff

Kritisiert wird von Ilse Bindseil (Text), dass auch die Antideutschen ebenso wie der Mainstream sich letztlich nicht mit den Konsequenzen von Auschwitz für die deutsche Gesellschaft und für die eigene Biographie beschäftigten. Sie sieht im moralischen Sektierertum der Antideutschen die „Suche nach Flucht in die Unschuld“ der Nach-68er, die erkennen mussten, dass der Bruch mit der Generation sie nicht vor den Zuständen der „Postfaschistischen Gesellschaft“ schütze. Statt der Komplexität von Themen wie Auschwitz gerecht zu werden, bestehe, wie in der Gesamtgesellschaft auch, in diesem Teil der Gesellschaft der Hang zu unterkomplexen Reflexions- und Handlungsschemata, die letztlich vom Ausgangsproblem ablenkten und dieses nicht mehr transparent erscheinen ließen. „Das Böse musste her, damit der Riss in der Biographie gekittet werden konnte“ (Ilse Bindseil).

Gerhard Hanloser bemängelt, hieran anknüpfend, eine „Kritische Kritik“, wie Karl Marx sie in Bezug auf Bruno Bauer als bloß theoretisierende, nicht aber praktische Kritik bekämpfte. Diese „Kritische Kritik“ sei letztlich, so Hanloser, nur eine „Selbstbespiegelung vermeintlich kritischer Geister“. Kritik verkomme so als „Habitus“ und setze sich mit „Denunziation“ und „Polemik“ gleich, wie sich auch im oft unsachlichen Stil antideutscher Publikationen widerspiegele.

[Bearbeiten] Denkmuster

Der Wertkritiker Robert Kurz kritisiert in seinem Buch „Die antideutsche Ideologie“ sowie in mehreren seiner Aufsätze, dass die binäre Weltsicht, mit der Antideutsche die Welt erklären (meist nach dem Muster „barbarisch“ vs. „aufklärerisch“), vom binären Gut-Böse-Schema des von ihnen bekämpften Antiimperialismus strukturell kaum zu unterscheiden sei. So würde das Modell beispielsweise für die Erklärung des 3. Reichs versagen, da er übersehe, dass die „barbarische“ Bewegung des Nationalsozialismus in der gewesenen Form der industriellen Massenvernichtung von Menschen ohne die Grundlage der Zivilisation und der technischen Rationalität nicht denkbar gewesen sei.

Gleichzeitig würden, so Kurz, Antideutsche sich selbst strukturell in jenen Denkmethoden bewegen, die sie selbst bei anderen als „deutsch“ bezeichneten. Statt sich tatsächlich an das Individuum zu wenden und den Massenansatz konsequent abzulehnen, würde gerade von Antideutschen bevorzugt in Kategorien von Nationen, Rassen und Volksgemeinschaften gedacht. Weiterhin ist Robert Kurz der Auffassung, dass das Wort „Aufklärung“ oft zu einem leeren Schlagwort verkommen sei.

[Bearbeiten] Quellen

    [Bearbeiten] Literatur

    [Bearbeiten] Antideutsche Standardwerke

    • Joachim Bruhn: Was deutsch ist: Zur kritischen Theorie der Nation. ça ira, Freiburg 1994, ISBN 3-924627-38-X
    • Matthias Küntzel: Djihad und Judenhaß. Über den neuen antijüdischen Krieg. ça ira, Freiburg 2002, ISBN 3-924627-06-1
    • Initiative Sozialistisches Forum: Flugschriften. Gegen Deutschland und andere Scheußlichkeiten, ça ira, Freiburg 2001, ISBN 3-924627-77-0
    • Gerhard Scheit: Suicide Attack. Zur Kritik der politischen Gewalt, ça ira, Freiburg 2004, ISBN 3-924627-87-8

    [Bearbeiten] Kritische Reflexionen Antideutscher Politik

    • Ulrich Enderwitz: Konsum, Terror und Gesellschaftskritik. Eine Tour d’horizon. Unrast, Münster 2005, ISBN 3-89771-437-X
    • Gerhard Hanloser (Hrsg.): „Sie warn die Antideutschesten der deutschen Linken“. Zu Geschichte, Kritik und Zukunft antideutscher Politik. Unrast, Münster 2004, ISBN 3-89771-432-9
    • Patrick Hagen: Die Antideutschen und deren Rezeption. Ein Blick auf die Debatte der Linken über Israel. Magisterarbeit an der Universität Köln 2004
    • Robert Kurz: Die antideutsche Ideologie. Vom Antifaschismus zum Krisenimperialismus: Kritik des neuesten linksdeutschen Sektenwesens in seinen theoretischen Propheten. Unrast, Münster 2003, ISBN 3-89771-426-4
    • Wolf Wetzel: Antideutsche Kriegsführung. Ein Lehrgang für AnfängerInnen und Fortgeschrittene In: Krieg ist Frieden. Über Bagdad, Srebrenica, Genua, Kabul nach ... Unrast, Münster 2002, ISBN 3-89771-419-1, Online-Fassung

    [Bearbeiten] Weblinks

    [Bearbeiten] Überblick

    [Bearbeiten] Publikationen

    [Bearbeiten] ‚Extreme‘ Antideutsche

    [Bearbeiten] Gemäßigte Antideutsche

    Andere Sprachen

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