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Großserbien

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Das Schlagwort Großserbien (Serbisch: Велика Србија/Velika Srbija) wird verwendet, um ein potentielles Staatsgebilde zu bezeichnen, das in der serbischen Geschichte von manchen nationalistischen Gruppen angestrebt wurde. Dabei sollten alle Serben in einem einzigen, unabhängigen Staat vereinigt werden, der alle serbischen Siedlungsgebiete umfassen sollte, auch diejenigen, in denen die Serben in der Minderheit waren.

Die meisten serbischen Gruppierungen, denen „Großserbien“ als Ziel zugeschrieben wurde, verwendeten dieses Wort selbst allerdings nicht. Auch ist umstritten, inwiefern zwischen den unter diesem Begriff zusammengefassten politischen Bestrebungen eine inhaltliche Identität oder politische Kontinuität besteht.

Die angeblich angestrebten Grenzen von Großserbien (Virovitica-Karlovac-Karlobag-Linie)
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Die angeblich angestrebten Grenzen von Großserbien (Virovitica-Karlovac-Karlobag-Linie)

Inhaltsverzeichnis

Historischer Hintergrund

Ilija Garašanin (* 1821; † 1875), von 1843 bis 1854 Innenminister des damaligen Fürstentums Serbien unter Aleksandar Karađorđević gilt als der geistige Schöpfer der Idee der Schaffung Großserbiens. Inspiriert von Ideen des konservativen panslawistischen polnischen Emigranten Adam Czartoryski schrieb er Anfang 1844 seine Abhandlung Conseils sur la conduite à suivre par la Serbie.

Unterstützt durch die damalige Konzeption der französischen Diplomatie zur Lösung der „südosteuropäischen Frage“, schrieb er Ende 1844 das Werk Nacertanije (siehe englische Übersetzung).

Serbien hat bereits seine Entwicklung glücklich begonnen und wird sich als Grundlage seiner Existenz das serbische Königreich aus dem 13. und 14. Jahrhundert zum Vorbild nehmen müssen. Unsere Pflicht ist es jetzt, die Grundsteine und Mauern des ehemaligen serbischen Reiches auszugraben und unsere Zukunft unter den Schutz des historischen Rechtes zu stellen. (Ilija Garašanin)

Garašanin beschrieb in dem geheimen Dokument Nacertanije („Programm“) ein Szenario zur Vereinigung aller Serben (einschließlich der von Garašanin als Serben definierten meisten anderen Südslawen – so wurden zum Beispiel die Kroaten in Dalmatien von ihm als „Serben katholischer Glaubensrichtung“ betrachtet) in einem einzigen panslawistischen Staat nach einem Zerfall des Osmanischen Reiches und der Zurückdrängung Österreichs vom Balkan. Nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reichs in Europa sollte so eine weitere Expansion der Habsburger Monarchie in diese Gebiete verhindert werden.

Die Grundaussage dieses Memorandums bestand darin, dass die damals noch unter osmanischer Herrschaft stehenden Länder Bosnien, Herzegowina, Montenegro, Süd-Serbien, Sandschak, Nord-Albanien, Südwest-Bulgarien, Dalmatien und Teile des Gebietes zwischen Kroatien und Slowenien eine unteilbare Einheit bilden sollten, weil diese Gebiete mit Völkern des „nahezu gleichen Stammes“ besiedelt seien.

Diese erste schriftlich verfasste Programm der serbischen Außenpolitik wurde seinerzeit von der französischen und britischen Regierung unterstützt, um einer möglichen russischen Expansion bis zum Mittelmeer entgegenzuwirken.

Die Ideen von Garašanin’s waren jedoch nicht gewaltorientiert und forderten keine terroristische Methoden um das Serbentum auszuweiten

Mythologischer Hintergrund

Mehrere Herrscher des mittelalterlichen Serbien, wie beispielsweise Lazar Hrebeljanović, Stefan Nemanja, Rastko Nemanjić (Sava von Serbien) wurden von der Serbisch-Orthodoxe Kirche zu Heiligen erklärt. Insoweit wurden die Könige als Abgesandte für ein „auserwähltes Volk“ angesehen. Etwa zwei Jahre vor dem Ausbruch der Jugoslawienkriege wurden im Rahmen der Vorbereitungen zur 600-Jahr-Feier der Schlacht auf dem Amselfeld die sterblichen Überreste des serbischen Königs Lazar Hrebeljanović durch das Land zu Massenveranstaltungen getragen.

Gegenentwicklungen bei den orthodoxen Nachbarstaaten

Serben sind alle und Überall

Der bedeutendste serbische Linguist Vuk Karadžić vertrat die Ansicht, wonach alle Slawen, die den stokavischen Dialekt sprechen, Serben seien und die Serbische Sprache sprechen.

Gemäß dieser Definition wären große Teile Kroatiens, und Bosnien-Herzegowinas mit größtenteils katholischer Bevölkerung die sich nicht als Serben fühlen, serbisches Siedlungsgebiet.

Gemäß Karadžićs linguistischer Definition der Serbischen Nation wären jedoch die torlakisch sprechenden Bewohner Südserbiens keine Serben.

Das Umsiedlungsprogramm

Am 7. März 1937 legte Vasa Cubrilović (* 1897; † 1990), damals Professor an der Philosophischen Fakultät der Universität Belgrad, der Regierung eine vertrauliche Denkschrift mit dem Titel Iseljavanje Arnauta („Aussiedlung der Albaner“) vor, in der er detaillierte Pläne zur systematischen Umsiedlung aller Albaner aus dem heutigen Gebiet des Kosovo aufzeigt.

Cubrilović galt als Anhänger der Ideen von Ilija Garašanin und empfahl in seiner Denkschrift die Massenumsiedlung der albanischen Bevölkerung des Kosovo nach Albanien und in die Türkei, da alle Bemühungen, die Anzahl der Albaner durch Kolonisierung zu verringern, bisher wirkungslos geblieben seien. Zur Durchsetzung dieses Vorhabens sah sein Memorandum drastische Maßnahmen (die von der Belgrader Regierung zurückgewiesen wurden) vor, zum Beispiel Geld- und Haftstrafen, Nichtanerkennung der alten Grundbuchauszüge, Außerkraftsetzen von Konzessionen sowie Berufsverbote und Entlassungen – jenen Albanern aber, die mit ihrer Aussiedlung in die Türkei einverstanden seien, sollte der Staat seiner Meinung nach großzügig unter die Armee greifen.

1938 schloss die Regierung in Belgrad mit der türkischen Regierung (nach dem Vorbild des griechisch-türkischen Bevölkerungsaustausches von 1923) ein Abkommen über die Aussiedlung von 40000 als ‚türkisch’ eingestuften (nach heutiger Bezeichnung: moslemischen) Familien in die Türkei, das allerdings dann wegen des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs nicht mehr in die Tat umgesetzt wurde.

Die Schwarze Hand

Unter der Führung von Dragutin Dimitrijevic Apis wurde die Geheimorganisation Schwarze Hand zu einer terroristischen Bewegung: Unter dem Motto "Ujedinjenje ili Smrt" (Vereinigung oder Tod) stand diese Organisation hinter dem Mord am Habsburger Erzherzog Franz Ferdinand beim Attentat von Sarajevo, die in ihrem Verlauf den Ersten Weltkrieg auslöste. Die Hauptzielsetzung dieser Organisation war, alle Gebieten, in denen Serben leben, territorial mit dem Königreich Serbien zu vereinigen. Diese expansionistische Zielsetzung bezog sich auf die seinerzeit zu Österreich-Ungarn gehörenden Teile Bosnien-Herzegowinas und Kroatiens.


Zweiter Weltkrieg

Während des zweiten Welkriegees kämpfte die großtenteils royalistischen Tschetnik Truppen unter der Führung von Draža Mihailović für ein neues Königreich Jugoslawien. Einer der wenigen intellektuellen Anhänger Mihajlovics, Stevan Moljević, veröffentliche in seinem im Jahr 1941 erschienenen Papier „Homogenes Serbien“, dass „ein großes Serbien geschaffen werden sollte, und nicht nur Bosnien-Herzegowina und den größten Teil Kroatiens sondern auch Teile Ungarns, Bulgariens und Rumäniens umfassen sollte“. Moljevićs Ideen wurden jedoch nie umgesetzt, da die Tschetniks von den Tito-Partisanen militärisch besiegt wurden.

Moljevićs kartografische Exkursionen werden jedoch bis in die heutige Zeit zum modernen serbisch nationalistischen Repertoir gezählt. Die gilt auch für das Programm der Serbisch Radikalen Parte, der größten Partei des heutigen Serbien.

Die 1990er Jahre

1986 erstellte die Serbische Akademie der Wissenschaften (SANU) ein internes, 74-seitiges Sanu-Memorandum (siehe englische Übersetzung), verfasst von maßgeblichen Personen der Akademie unter Leitung von Dobrica Ćosić, einer damals führenden Figur der serbischen Innen-, Außen-, Kultur- und Wissenschaftspolitik.

Dieses Dokument kann als der neuerliche programmatische Entwurf eines Großserbien interpretiert werden. Es sah die Lösung der „Kosovo-Frage“ als eine Überlebensfrage des gesamten serbischen Volkes, die Zurückdrängung der Arbeiterselbstverwaltung und die Revision der Verfassung von 1974 vor. Laut diesem Papier war es eine angebliche „slowenisch-kroatisch antiserbische Koalition“, die das serbische Volk entrechtete und es zwang, über mehrere Republiken verteilt zu leben und damit seine geistigen und kulturellen Wurzeln einzuschränken, so dass Serbien damit letztlich die eigentliche unterdrückte Nation Jugoslawiens sei. Erst ein gemeinsamer Staat, der unter Einschränkung der Mitspracherechte anderer Nationalitäten alle serbischen Gebiete auch außerhalb der Republik Serbien umfasse, würde die Gleichberechtigung Serbiens mit den anderen Republiken ermöglichen. Zu diesem Zeitpunkt gab es in Serbien die autonomen Provinzen Kosovo und Vojvodina mit weitreichenden Mitsprache- und Vetorechten, die für ethnische Gruppen (Albaner bzw. Ungarn) eingerichtet worden waren, denen keine eigene Teilrepublik in Jugoslawien zugestanden worden war.

Im Jahr 1989 hielt der damalige serbische Präsident Slobodan Milošević anlässlich einer Feier auf dem historischen Boden des Amselfeldes (wo 600 Jahre zuvor das damalige serbische Reich von den Osmanen geschlagen worden war) die historische Rede, die vielfach als "Brandrede" bezeichnet wurde, da sie ein starkes Serbien propagieren und die Ursache für die Jugoslawienkriege gewesen sein soll. Dem widersprechen allerdings Aussagen in dieser Rede wie der folgende Satz, der in den meisten Übersetzungen nicht erwähnt wurde: "Jugoslawien ist eine multinationale Gemeinschaft und kann nur überleben auf der Basis völliger Gleichberechtigung aller Nationen, die in ihr leben." Zum Inhalt dieser Rede siehe Linkangaben.

Sein Satz Niko nesme da vas bije! („Niemand darf euch mehr schlagen“), den er 1987 serbischen Demonstranten bei Priština (nach Übergriffen auf serbische Zivilisten im Kosovo) zurief, soll den aufkeimenden Nationalismus auf allen Seiten weiter angeheizt haben. Manche politische Beobachter jener Zeit waren vielfach der Meinung, dass Milošević den serbischen Nationalismus bewusst schüre, um seine Macht in Serbien zu stärken. Wenige Jahre später kam es zu einer Reihe von Kriegen, die allein in Bosnien über 200 000 Menschenleben forderten und zu den größten Gräueltaten in Europa seit dem zweiten Weltkrieg führten.

Das großserbische Konzept wurde von den anderen Völkern Jugoslawiens als auch ausländischen Beobachtern kritisiert

  • Fragwürdige historische Rechtfertigungen für Gebietsansprüche, etwa Beispielsweise der Versuch der Eroberung der Stadt und Region um Dubrovnik und anderer Teile Dalmatiens die bis in heutige Tage als historische Teile Serbiens betrachtet werden. Diese Behauptungen wurden von den Bewohner dieser Gebiete, der kroatischen Regierung und der internationalen Staatengemeinschaft abgelehnt.

Gegenwart

Der Versuch, das auseinanderbrechende Jugoslawien gewaltsam zusammenzuhalten und aus den auch von Serben bewohnten Gebieten einen gemeinsamen Staat zu schaffen, ist gescheitert. Die daraus resultierenden Jugoslawienkriege haben sogar dazu geführt, dass die serbischen Siedlungsgebiete geschrumpft sind: Ein Teil der Serben floh aus Kroatien und dem Kosovo, die bosnische Republika Srpska ist dem einheitlichen Bosnien angegliedert und Montenegro ist seit dem Jahr 2006 ein souveräner Staat.

Slobodan Milošević, der sich seit dem 29. Juni 2001 bis zu seinem Tod am 11. März 2006 vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag als einer der Hauptverantwortlichen für die Jugoslawienkriege verantworten musste, wurde vorgeworfen, ein Großserbien angestrebt und die Jugoslawische Volksarmee mit dem Ziel eingesetzt zu haben, jene Grenzen zwischen den Teilrepubliken, die nach dem Zweiten Weltkrieg von einer speziellen Kommission unter dem Vorsitz von Milovan Đilas größtenteils nach ethnischen und historischen Kriterien definiert wurde, zu Serbiens Gunsten neu zu ziehen.

Bei den serbischen Parlamentswahlen Ende 2002 wurde die Srpska Radikalna Stranka (Serbische Radikale Partei, SRS), mit 28 Prozent der Stimmen stärkste Partei. Die SRS tritt offen dafür ein, den Staat Serbien im Sinne des großserbischen Konzepts entlang der Virovitica-Karlovac-Karlobag-Linie zu vergrößern. Sie blieb jedoch in der Opposition.


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