Privacy Policy Cookie Policy Terms and Conditions Georg Iwanowitsch Gurdjieff - Wikipedia

Georg Iwanowitsch Gurdjieff

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Georg Iwanowitsch Gurdjieff (russisch Георгий Иванович Гюрджиев, Georgij Ivanovič Gjurdžiev, *13. Januar 1872 in Alexandropol; † 29. Oktober 1949 in Paris) war ein griechisch-armenischer Esoteriker, Autor, Choreograph und Komponist. Bekannt wurde er als Lehrer des Vierten Weges und Begründer einer weltweiten und verzweigten Anhängerschaft.

Seine Bedeutung ist umstritten und seine Lehre heutzutage oft entstellt; dennoch ist sein Einfluss selbst bis in moderne psychotherapeutische Verfahren hinein erkennbar (vgl. Enneagramm).

Die Praxis diverser sogenannter "Schulen" des Vierten Weges zeigt allerdings ein deutliches Missbrauchspotenzial des Gurdjieff'schen Systems.


Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Leben

Geboren am 13. Januar 1872 im griechischen Viertel der Stadt Alexandropol (heute Gjumri) und aufgewachsen in Kars, verbrachte Gurdjieff später vermutlich Jahre in Zentralasien, Nordafrika und anderen „Orten verborgener esoterischer Traditionen“. Deren Spuren war er seit seiner frühen Jugend begegnet, wie er in seinem, von Peter Brook (1979) verfilmten, teils autobiographischen Werk Begegnungen mit bemerkenswerten Menschen schreibt.

In der Öffentlichkeit erschien Gurdjieff erstmals 1912 in Russland. Er begann Studien-Gruppen zu leiten, deren Teilnehmer ein umfangreiches esoterisches Wissen in täglichen Übungen anwenden sollten, um sie so zu einer voll- und eigenständigen Entwicklung ihres menschlichen Potenzials zu befähigen. Während dieser Sankt Petersburger Zeit (bis 1917) stieß sein bekanntester Schüler Pjotr Demjanowitsch Uspenski zu ihm, der bald darauf als Erster über Gurdjieffs System zu publizieren begann.

Die russischen Revolutionswirren zwangen Gurdjieff und seine Studenten dann zu einer langen Odyssee über den Kaukasus nach Tiflis, wo er im September 1919 ein erstes Institut eröffnete. Aufgrund der zunehmend instabileren Situation auch in Tiflis hatte dieses jedoch nur etwa 7 Monate Bestand, und eine inzwischen deutlich verkleinerte Gruppe folgte Gurdjieff 1920 weiter bis Konstantinopel.

1921 führte sein Weg schliesslich nach Westeuropa. Er fuhr mit der Eisenbahn über Sofia, Belgrad, Budapest und Prag nach Berlin und liess sich Ende August zunächst in Schmargendorf bei Dresden nieder; noch im November des gleichen Jahres hielt er erste Lesungen in Berlin.

Nach einer weiteren kurzen Station in London und Südengland ging er schliesslich nach Frankreich und eröffnete am 1. Oktober 1922 das Institut für die harmonische Entwicklung des Menschen im Schloss Prieuré in Fontainebleau bei Paris. Dort zog er schnell eine weitere, illustre Schülerschaft internationaler Künstler und Intellektueller an (darunter Frank Lloyd Wright, Katherine Mansfield, und A. R. Orage) und lehrte, unter anderem, seine ‚Heiligen Tänze‘ oder ‚Movements‘. Zu gewissen Anlässen in der Prieuré, 1923 im Théâtre des Champs-Elysées in Paris sowie bei einer ersten Reise nach Amerika im Frühjahr 1924 ließ er diese auch öffentlich aufführen. (Bis 1939 folgten zunächst 7 weitere Amerika-Reisen, eine letzte dann im Winter 1948/1949)

Nachdem 1933 die Prieuré geschlossen wurde und auch später während der deutschen Besatzung setzte er die Arbeit mit seinen Schülern in einer Wohnung in der Rue des Colonel Renard N° 6 in Paris fort. Es wird berichtet, er habe alle seine jüdischen Schüler vor den Nazi-Schergen geschützt und gerade rechtzeitig vor der Deportation der Pariser Juden (im Juli 1942) in Sicherheit gebracht.

Gurdjieff genoss nach dem Krieg eine zunehmende internationale Publizität, und es kamen, neben vielen Neugierigen und Schaulustigen, immer wieder neue Schüler zu ihm, darunter etwa auch eine "lesbische Gruppe" junger amerikanischer Künstlerinnen um Kathryn Hulme; sein schriftstellerisches Werk scheint jedoch unvollendet. [...]

Georg Iwanowitsch Gurdjieff starb, nachdem er wenige Tage zuvor mitten im Movement-Unterricht einen Zusammenbruch erlitt, am 29. Oktober 1949 im Alter von 77 Jahren im amerikanischen Krankenhaus von Neuilly und wurde auf dem Friedhof von Avon beigesetzt.

[Bearbeiten] Werk

Gurdjieff präsentierte ein System für eine ganzheitliche menschliche Entwicklung, das er selbst einmal „esoterisches Christentum“ nannte. Ihm zufolge kann der Mensch sich der göttlichen Wahrheit bzw. einem höheren Bewusstsein nur nähern, wenn alle Teile oder "Zentren", die den Menschen ausmachen, harmonisch entwickelt werden: das Denken, das Fühlen und die Bewegungen des Körpers. Ein grundlegendes Symbol zu dieser „Arbeit an sich selbst“ wird von ihm im Enneagramm dargestellt.

Das Enneagramm-Symbol
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Das Enneagramm-Symbol

Er spricht auch von einem Vierten Weg als Synthese und Weiterentwicklung der drei traditionellen Wege des Mönchs, des Yogis und des Fakirs. Demnach verläuft der Vierte Weg im Leben - nicht etwa hinter Klostermauern oder im fernen Himalaya - und in 3 idealerweise synchronen Linien:

  • der bewussten Auseinandersetzung mit (oder Arbeit an) sich selbst
  • der gemeinsamen Arbeit und des bewussten Austausches mit Gleichgesinnten
  • der Arbeit für die Schule bzw. die Lehre

Wesentliche Elemente dieser Arbeit sind:

  • die beständige Übung der inneren Achtsamkeit (Sich seiner selbst erinnern)
  • die Nicht-Identifikation, z.B. mit Vorlieben und Abneigungen (Bewusstes Leiden)
  • das (gemeinsame) Studium universaler Gesetzmässigkeiten, wie sie im Enneagramm und im sogenannten Schöpfungsstrahl von Gurdjieff dargestellt werden

Neben vielen unbekannten Quellen enthält Gurdjieffs System also Elemente des Sufismus (islamische Mystik), gewisser buddhistischer und hinduistischer Traditionen sowie essenisch-christlicher Mystik. Es gibt auch Anhaltspunkte für einen nicht unbedeutenden pythagoräischen Einfluss, betrachtet man etwa die deutliche Affinität bei den mathematisch-systemischen Lehren wie z.B. dem Gesetz der Oktave sowie den musikalischen Werken Gurdjieffs.

Zu seinen wichtigsten Schülern zählen neben Pjotr Demjanowitsch Uspenski und A. R. Orage (der die ersten amerikanischen Gruppen leitete) noch Jeanne de Salzmann, John G. Bennett und der Pianist Thomas de Hartmann. Mit diesem komponierte er gemeinsam auch über 300 Stücke sogenannter "Sacred Music", die z.B. auch von Keith Jarrett gespielt und publiziert wurde (Sacred Hymns, 1980). Darüberhinaus hinterliess Gurdjieff eine Reihe streng choreografierter Movements.

Als Opus Magnum gilt die dreibändige Schrift Beelzebubs Erzählungen für seinen Enkel - Eine objektiv unparteiische Kritik des Lebens des Menschen: in einer Art analog-kosmologischer Science-Fiction erzählt darin Beelzebub, als Bewohner einer weit entfernten und harmonischen Welt, seinem Enkel Hassin die lange und lehrreiche Geschichte seiner Abenteuer, Erfahrungen und Begegnungen, die er im Verlauf mehrerer Aufenthalte auf der Erde erlebte.

Heute haben sich weltweit zahlreiche sogenannte "Schulen" und Gruppierungen etabliert, die sich auf Gurdjieff berufen. In Nordamerika gibt es zwischen 5.000 und 15.000 Anhänger; verlässliche Zahlen liegen nicht vor. Es gibt keine einheitliche Organisation dieser Anhänger.

[Bearbeiten] Rezeption & Kritik

Gurdjieffs Bedeutung ist umstritten. Entweder wird er als charismatischer Meister anerkannt, der fundamental neues Wissen in den westlichen Kulturraum brachte und dessen bemerkenswerte Präsenz bis heute in vielfältiger Weise nachwirkt - oder schlicht als wirrer Scharlatan mit großem Ego und Selbstdarstellungstrieb abqualifiziert. Seine Biografie und sein Werk bieten je nach Perspektive genug Stoff für beide Einordnungen.

Auch ist die radikale Kritik Gurdjieffs am "modernen Menschen" und dessen psychologischer Verfassung für Viele konsternierend, da sie scheinbar mitleidlos das bisherige Selbstbild auf fundamentale Weise in Frage stellt: bezeichnet Gurdjieff uns doch als tatsächlich willenlose Geschöpfe, die in schlafähnlichem Unverstand den wechselnden Einflusssphären des Universums ausgesetzt sind. Nur wer über solche Kränkungen hinweg den Wunsch für einen Zugang zu den methodischen Inhalten und deren lebendiger Praxis hegt, wird Gurdjieff und sein System wertschätzen können.

Tatsache ist, dass Gurdjieff ein Gedankengut in den Westen brachte, das (wie etwa das Enneagramm) bis dato gänzlich unbekannt war. Seine tiefe Menschlichkeit ist in zahlreichen Zeugnissen dokumentiert - etwa Fritz Peters' "Eine Kindheit mit Gurdjieff" oder Frank Lloyd Wrights öffentliche Referenz nach Gurdjieffs Tod. Seine heute noch vorhandene Anhängerschaft weist jedoch Brüche und unterschiedlichste Verzweigungen auf, die zum Teil schon vor seinem Tod zu beobachten waren (vgl. Pjotr Demjanowitsch Uspenski / John Godolphin Bennett / Jeanne de Salzmann).

Gurdjieff wird auch zunehmend durch Gruppierungen diskreditiert, die zwar den Anspruch auf seine Nachkommenschaft erheben, in Wirklichkeit aber nichts weiter als einen Personenkult um den jeweiligen selbsternannten und oft erkennbar am persönlichen Profit orientierten „Lehrer“ und dessen fragwürdigen manipulativen Methoden darstellen.

Einige dieser „Schulen“ zeigen typische Sektenmerkmale: sie entwickeln ihre eigene, einzig an den Zielen des Lehrers ausgerichtete Ethik, verwenden eine hermetische Sprache, verbieten Kontakte nach außen und weisen streng-hierarchische Ordnungsstrukturen auf. Hinzu kommen rigide Methoden (für die Schüler) mit meist spartanischen Rahmenbedingungen, die manchmal an Gehirnwäsche erinnern. Gerät es in falsche Hände, besitzt das System Gurdjieffs also ein gefährliches Potenzial. Gurdjieff selbst betonte dies mehrfach. (vgl. Vierter Weg) Ungeachtet dessen übt seine Lehre weiterhin eine gewisse Anziehungskraft aus. Wirkliche Gurdjieff-Schulen machen allerdings keine Werbung: sie zu finden, gilt als erste Beitrittsvoraussetzung.

[Bearbeiten] Literatur

[Bearbeiten] Werke von Gurdjieff

  • Beelzebubs Erzählungen für seinen Enkel (1950)
  • Begegnungen mit bemerkenswerten Menschen (1963)
  • Aus der wirklichen Welt (Views from the Real World, 1973)
  • Das Leben ist nur wirklich, wenn „ich bin“ (1974)
  • The Herald of Coming Good (1988)

[Bearbeiten] Literatur über Gurdjieff und seine Lehre

  • P. D. Ouspensky: Auf der Suche nach dem Wunderbaren. (1949)

(die anderen Werke Uspenskis stellen mehr oder weniger dessen eigene Lehre dar)

  • J.G. Bennett: Gurdjieff, Making a New World
  • J.G. Bennett: Masters of Wisdom
  • J.G. Bennett: Transformation
  • J.G. Bennett: Deeper Man
  • J.G. Bennett: Witness
  • Jean Vaysse: Toward Awakening. (1980)
  • René Daumal: Mount Analogue. (1974)
  • Maurice Nicoll: Psychological Commentaries on the Teachings of Gurdjieff and Ouspensky. (1980, 6 Bände)
  • Jane Heap: The Notes of Jane Heap
  • Kathleen Riordan Speeth: The Gurdjieff Work
  • Luba Gurdjieff: A Memoir with Recipes
  • J. Fuchs: Forty Years After Gurdjieff
  • Henry Tracol: The Taste for Things that are True
  • John Pentland: Exchanges Within
  • J. Needleman: Money and the Meaning of Live
  • J. Needleman / G.Baker: Gurdjieff
  • J. Moore: Gurdjieff, the anatomy of a myth
  • J. Moore: GURDJIEFFIAN CONFESSIONS, a self remembered
  • Louis Pauwels: Gurdjieff der Magier. Paul List Verlag, München(1956)

[Bearbeiten] Weblinks


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