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Anthroposophie

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Das Goetheanum in Dornach/Schweiz (erbaut 1928) ist der Sitz der Anthroposophischen Gesellschaft
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Das Goetheanum in Dornach/Schweiz (erbaut 1928) ist der Sitz der Anthroposophischen Gesellschaft

Als Anthroposophie, wörtlich die Weisheit vom Menschen, wird eine von Rudolf Steiner (1861-1925) begründete weltweit vertretene gnostische Weltanschauung mit europäischen Wurzeln bezeichnet. Die Anthroposophie wird von den ihr Nahestehenden als eine Erkenntnislehre angesehen, die zu eigenständiger Forschung auf geistigem Gebiet anleiten soll. Steiner betonte dabei die Freiheit des Menschen, der sich von allen Formen der Bevormundung, auch religiöser, emanzipieren solle, um einen individuellen, wenngleich systematischen Zugang zu Phänomenen der „übersinnlichen Welt“ zu erlangen. Die Impulse, die von der Anthroposophie ausgehen, umfassen so unterschiedliche Lebensbereiche wie Pädagogik/Heilpädagogik (Waldorfschule, Camphill), Medizin (anthroposophische Medizin), Landwirtschaft (biologisch-dynamische Landwirtschaft), Gesellschaft (Dreigliederung des sozialen Organismus), Bewegungskunst (Eurythmie), Religion (Die Christengemeinschaft) und Finanzwesen (Gemeinschaftsbank, Gemeinschaft für Leihen und Schenken). Als Zentrum der Anthroposophischen Gesellschaft wurde das Goetheanum in Dornach bei Basel erbaut. Der hier verwendete Begriff der Anthroposophie bezieht sich auf die von Steiner begründete Erkenntnispraxis. Im weiteren Sinne bezeichnet man aber auch die Summe von Steiners Schriften und Vorträgen oder die Lebenswirklichkeit der von ihm begründeteten Anthroposophischen Gesellschaft als „Anthroposophie“.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Begriff und Wirkung

Steiner wählte die Bezeichnung „Anthroposophie“ im Kontrast zu dem, was er in einem sehr weiten Sinn „Anthropologie“ nannte: Letztere behandele dasjenige, was der Mensch durch seine Sinne und den an die Sinnesbeobachtung sich haltenden Verstand über die Welt wissen könne; ersteres dagegen sei das „Wissen des Geistesmenschen“, und es erstrecke sich auf alles, was dieser in der „geistigen Welt“, d.h. im Übersinnlichen, wahrnehmen könne. Dabei verstand Steiner unter Anthroposophie einerseits eine umfassende („kosmologische“) Anschauung des Menschen und der Welt, die er als Lehre vertrat und verbreitete, andererseits aber auch einen Erkenntnisweg bzw. eine „wissenschaftliche“ Methode zur Erforschung des Übersinnlichen („Geistigen“).

Synonym zu der Bezeichnung „Anthroposophie“ verwendete Steiner auch andere Namen wie „Theosophie“, „Geheimwissenschaft“ oder „Geisteswissenschaft“, um seine Lehre und seine „Forschungsmethode“ zu kennzeichnen. Die Bezeichnungen „Theosophie“ und „Geheimwissenschaft“ gebrauchte er jedoch nur während seiner Tätigkeit im Rahmen der Theosophischen Gesellschaft (1902-1913), wobei „Geheimwissenschaft“ sich offenbar an die „Geheimlehre“ der Theosophin Helena Petrovna Blavatsky anlehnt. Steiners Begriff der „Geisteswissenschaft“ ist nicht zu verwechseln mit dem gebräuchlichen Sammelbegriff „Geisteswissenschaften“. Bei Steiner bezieht sich „Geist“ in diesem Zusammenhang auf eine übersinnliche Welt sowie auf höhere „Wesensglieder“ des Menschen, durch welche er diese geistige Welt wahrnehmen kann. In dem durch Wilhelm Dilthey geprägten Sammelbegriff „Geisteswissenschaften“ meint „Geist“ hingegen die Summe der kulturellen Errungenschaften der Menschheit.

Im engeren Sinne wurde der Begriff „Anthroposophie“ von Steiner als Titel einer Fragment gebliebenen Schrift aus dem Jahre 1910 verwendet (Gesamtausgabe [GA] 45). In dieser Programmschrift wurde die Anthroposophie in Anknüpfung an Ignaz Paul Vitalis Troxler als Mittler zwischen Theosophie und Anthropologie angesiedelt. Anthroposophie ist für Steiner dabei die Schaffung eines Bewusstseins des Menschentums. Es geht ihm um die Formulierung einer umfassenden Erkenntnistheorie zur menschlichen Bewusstwerdung. Da Steiner „Ich“ und „Welt“ nicht dualistisch geschieden vorstellt, will seine Anthroposophie Anleitung zur Selbst- und Welterkenntnis des Menschen zugleich bieten. Dies ist das monistische Programm des anthroposophischen Erkenntnisweges, das – mit Friedrich Nietzsche und Max Stirner – einen freien, individualistisch geprägten Menschen voraussetzt. Der Monismus ist dabei Naturerkenntnis und zugleich Erkenntnis der geistigen Welt.

Die Anthroposophie hatte und hat bedeutende Anhänger aus dem Bereich des Kulturlebens, namentlich in der Kunst, darunter Joseph Beuys, Wassily Kandinsky, Franz Marc, Christian Morgenstern, Bruno Walter, Oscar Lüthy und Michael Ende. Sympathisanten waren etwa Alexej Jawlensky, Jorge Luis Borges, Piet Mondrian, Richard Neutra, Le Corbusier, Henry van de Velde, Frank Lloyd Wright, Eero Saarinen, Erich Mendelsohn und Hans Scharoun (s. auch Organische Architektur). Von den heute lebenden Architekten bezeichnet vor allem Frank O. Gehry Steiner als Inspirationsquelle. Auch über den Kreis der direkten Anhänger hinaus ist ein Einfluss Steiners feststellbar. Hermann Hesse, der ein distanziertes Verhältnis zu Steiners Lehre hatte, veröffentlichte etwa 1926/27 verschiedene Gedichte in der Zeitschrift „Individualität“, die von dem anthroposophischen Gründungsmitglied und zeitweiligem Steiner-Sekretär Willy Storrer herausgegeben wurde. Auch Paul Klee rezipierte Steiner mit kritischer Distanz. Ein Teil dieses enormen und vielschichtigen Einflusses Rudolf Steiners auf verschiedene Kunstrichtungen wird erst allmählich aufgearbeitet. [1]

[Bearbeiten] Wortgeschichte

Die Bezeichnung „Anthroposophie“ wurde bereits in der frühen Neuzeit verwendet. In einem anonymen Buch mit dem Titel Arbatel de magia veterum, summum sapientiae studium (1575), das dem Esoteriker und Neuplatoniker Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim zugeschrieben wird, wird Anthroposophie (ebenso wie Theosophie) der „Wissenschaft des Guten“ zugerechnet und mit „Kenntnis der natürlichen Dinge“ bzw. „Klugheit in menschlichen Angelegenheiten“ übersetzt.

Anfang des 19. Jahrhunderts prägte der Schweizer Arzt und Philosoph I.P.V. Troxler (1780-1866) den Begriff „Anthroposophie“ in Anlehnung an seine Biosophie (Elemente der Biosophie, 1806). Im Sinne der Vorläufer der Lebensphilosophie, vor allem des Naturphilosophen Schelling, bei dem Troxler studiert hatte, sollte Biosophie „Naturerkenntnis durch Selbsterkenntnis“ bedeuten. Die Erkenntnis der menschlichen Natur nannte Troxler Anthroposophie. Die Philosophie – und alle Philosophie sei Naturerkenntnis – muss ihm zufolge zur Anthroposophie werden. Diese wird als eine „objektivierte Anthropologie“ vorgestellt, die vom „ursprünglichen Menschen“ ausgehen soll. In der menschlichen Natur vereinen sich demzufolge in einem mystischen Vorgang Gott und Welt.

Auch Immanuel Hermann Fichte verwendete das Wort 1856 in „Anthropologie – Die Lehre der menschlichen Seele“ und bezeichnete damit eine „gründliche Selbsterkenntniss des Menschen“, die „nur in der erschöpfenden Anerkenntnis des Geistes“ liege. Wahrhaft gründlich oder ergründend könne sich der „Menschengeist“ aber nicht erkennen, ohne damit der „Gegenwart oder Bewährung des göttlichen Geistes an ihm inne zu werden“.

Der Religionsphilosoph Gideon Spicker, der eine „Religion in philosophischer Form auf naturwissenschaftlicher Grundlage“ anstrebte und den Konflikt zwischen Glauben und Wissen, zwischen Religion und Naturwissenschaft als das Grundproblem seines Lebens und Denkens ansah, formulierte das Programm einer Anthroposophie, ebenfalls im Sinne „höchster Selbsterkenntnis“: „Handelt es sich aber in der Wissenschaft um die Erkenntnis der Dinge, in der Philosophie dagegen in letzter Instanz um die Erkenntnis dieser Erkenntnis, so ist das eigentliche Studium des Menschen der Mensch selbst, und der Philosophie höchstes Ziel ist Selbsterkenntnis oder Anthroposophie.“ (Die Philosophie des Grafen von Shaftesbury, 1872). Spickers Ideal umfasste in der Religion die Einheit von Gott und Welt als selbstverantwortete Erkenntnis unter Anwendung von Vernunft und Erfahrung.

Der österreichische Philosoph und Herbartianer Robert Zimmermann (1824-98), Schöpfer der „Philosophischen Propädeutik“, wählte die Bezeichnung „Anthroposophie“ 1882 als Titel einer Programmschrift, die ein System idealer Weltsicht auf realistischer Grundlage zu beschreiben suchte („Anthroposophie im Umriß. Entwurf eines Systems idealer Weltsicht auf realistischer Grundlage“, 1882). Zimmermann, bei dem Steiner Philosophie-Vorlesungen hörte, wollte in seinem System über die „Schranken und Widersprüche, die der gemeine Erfahrungsstandpunkt in sich trägt“, hinausgehen und eine „Philosophie des Menschenwissens“ errichten, die als Wissenschaft von der Erfahrung ausgeht, aber, wo es das logische Denken erfordert, über sie hinausreicht.

Rudolf Steiner verwendete den Namen „Anthroposophie“ zunächst in sehr freier Weise. So hielt er 1902 in dem von ihm geleiteten Berliner Literatenkreis „Die Kommenden“ eine Vortragsserie mit dem Titel: Von Zarathustra bis Nietzsche. Entwicklungsgeschichte der Menschheit an Hand der Weltanschauungen von den ältesten orientalischen Zeiten bis zur Gegenwart, oder Anthroposophie. Über den Inhalt dieser Vorträge ist nichts Näheres überliefert. Parallel dazu sprach er erstmals öffentlich (im Rahmen des Giordano Bruno-Bunds) über die von da an durch ihn vertretene Theosophie (Titel: Monismus und Theosophie), wobei er inhaltlich an Immanuel Hermann Fichte anknüpfte. Im Rahmen der Theosophischen Gesellschaft sprach Steiner erstmals 1909 über „Anthroposophie“, wobei er diese neben die schon existierende Theosophie stellte, „ähnlich wie im Mittelalter neben die Theologie die Anthropologie“ gestellt wurde (Anthroposophie, Psychosophie, Pneumatosophie, GA 115). Nachdem er 1902 eine historische Betrachtung von Weltanschauungen „Anthroposophie“ genannt hatte, entwickelte er jetzt unter dem selben Namen eine erweiterte Sinneslehre, die eine Brücke zwischen Theosophie und Anthropologie bilden sollte. Zur Wortgeschichte merkte er dabei an: „Das Wort ist schon einmal gebraucht worden. Robert Zimmermann hat eine Anthroposophie geschrieben, aber er unternahm sie mit höchst unzulänglichen Mitteln (...). Er hat sie herausgesponnen mit den ausgesogensten, abstraktesten Begriffen, und dieses Gespinst war dann seine Anthroposophie.“ Eine schriftliche Fassung seiner „anthroposophischen“ Sinneslehre brachte Steiner nicht zu Ende; sie wurde posthum als Fragment publiziert (Anthroposophie - ein Fragment, GA 45).

Als es 1913 zum Bruch mit der Theosophischen Gesellschaft kam und Steiner eine neue Bezeichnung für das wählen musste, was er bisher als „Theosophie“ vertreten hatte, entschied er sich für „Anthroposophie“. Später (1916) schrieb er darüber: „Als es sich vor einer Anzahl von Jahren darum handelte, unserer Sache einen Namen zu geben, da verfiel ich auf einen solchen, der mir lieb geworden war, deshalb, weil ein Philosophie-Professor, dessen Vorträge ich in meiner Jugendzeit gehört habe, Robert Zimmermann, sein Hauptwerk 'Anthroposophie' genannt hat.“ (Gesammelte Aufsätze, GA 35, S. 176)

[Bearbeiten] Die Anthroposophie bei Rudolf Steiner

Rudolf Steiner im Alter von 18 Jahren (1879)
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Rudolf Steiner im Alter von 18 Jahren (1879)

Die Anthroposophie Rudolf Steiners versteht sich als eine christliche und humanistische Methode der Bewusstseinsentwicklung. Sie schöpft aus okkulten und esoterischen Quellen und umfasst Elemente des Gnostizismus und des Rosenkreuzertums. Aufgrund dieser Verbindung sehr unterschiedlicher Ströme wurde sie von Kritikern schon zu Steiners Lebzeiten etwa als synkretistische Weltanschauung, eklektischer Mystizismus oder Obskurantismus eingeordnet. Sie beinhaltet einen umfassenden („kosmischen“) Evolutionsbegriff sowie ein vielschichtiges Bild der Wiederverkörperung (Reinkarnation) und des Schicksals (Karma). Anders als in der Theosophie, aus der sie hervorging, spielt in der Anthroposophie das Christentum – in „individualisierter“ Form – eine zentrale Rolle.

Unter „Anthroposophie“ bei Rudolf Steiner versteht man zum einen seine Lehren, zum anderen den von ihm entwickelten „geisteswissenschaftlichen“ Schulungsweg, der es möglich machen soll, die theoretischen Lehren nachzuvollziehen.

Steiner selbst wollte die Anthroposophie immer als „Erkenntnisweg“ bzw. wissenschaftliche Methode zur Erforschung der „geistigen Welt“ verstanden wissen: „Unter Anthroposophie verstehe ich eine wissenschaftliche Erforschung der geistigen Welt, welche die Einseitigkeiten einer bloßen Natur-Erkenntnis ebenso wie diejenigen der gewöhnlichen Mystik durchschaut, und die, bevor sie den Versuch macht, in die übersinnliche Welt einzudringen, in der erkennenden Seele erst die im gewöhnlichen Bewusstsein und in der gewöhnlichen Wissenschaft noch nicht tätigen Kräfte entwickelt, welche ein solches Eindringen ermöglichen“ (Philosophie und Anthroposophie, GA 35).

Die anthroposophische Bewegung ist soziologisch, weltanschaulich-religiös und politisch sehr heterogen. Die Interpretation von Steiners Werk ist auch aufgrund der verschiedenen Themengebiete und des großen Umfangs (28 Schriften und ca. 5900 Vorträge) innerhalb der Anthroposophie nicht einheitlich.

[Bearbeiten] Die Geschichte der Anthroposophie

Die Geschichte der Anthroposophie begann 1902, indem Rudolf Steiner die Leitung der deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft übernahm und eine eigene Spielart der Theosophie auszuarbeiten begann. Aufgrund zunehmender Differenzen mit der Präsidentin der Theosophischen Gesellschaft, Annie Besant, die vor allem die Stilisierung des jungen Jiddu Krishnamurti zu einer Art Messias durch Besant und Charles W. Leadbeater betrafen, kam es 1913 zum Bruch mit der Theosophischen Gesellschaft. Steiner gründete in Köln die Anthroposophische Gesellschaft, der sich die meisten in Deutschland lebenden Theosophen anschlossen und die bald auch in anderen Ländern präsent war. In diesem Zusammenhang benannte Steiner seine bisherige Theosophie in „Anthroposophie“ um.

1913 begannen in Dornach bei Basel (Schweiz) die Arbeiten am ersten Goetheanum, das als Veranstaltungsstätte und Zentrum der Gesellschaft dienen sollte. Parallel dazu kam es zu vielfältigen Aktivitäten im sozialen, kulturellen und gesellschaftlichen Bereich. 1919 gründete etwa Emil Molt, Generaldirektor der Zigarettenfabrik Waldorf-Astoria, in Stuttgart für die Kinder seiner Arbeiter und Angestellten die erste Waldorfschule, deren Leitung Steiner selbst übernahm. 1921 wurde die Pharmafirma Weleda AG gegründet, die anthroposophische und homöopathische Arzneimittel herstellt und vertreibt. 1922 gründete eine Gruppe von Theologen die Christengemeinschaft, eine Bewegung zur Erneuerung des Christentums mit anthroposophischer Ausrichtung.

Gleichzeitig formierten sich Gegner. In der Silvesternacht 1922/23 brannte das aus Holz errichtete erste Goetheanum bis auf seine Grundmauern nieder, vermutlich von Unbekannten in Brand gesetzt. Daraufhin entwarf Steiner ein zweites, größeres Goetheanum aus Beton, das erst 1928 fertiggestellt wurde. 1923 reorganisierte sich die Anthroposophische Gesellschaft als Dachorganisation von unabhängigen Landesgesellschaften in zahlreichen europäischen Staaten; Rudolf Steiner wurde Vorsitzender und außerdem Leiter der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft. Nach Steiners Tod 1925 übernahm Albert Steffen diese Position.

[Bearbeiten] Die Anthroposophie im Nationalsozialismus

Am 1. November 1935 wurde die Anthroposophische Gesellschaft wegen ihrer „Beziehungen zu ausländischen Freimaurern, Juden und Pazifisten im Deutschen Reich verboten. Schon vorher hatten alle jüdischen Mitglieder ihre Ämter in der Gesellschaft abgegeben. Ein Großteil von ihnen war ausgetreten. Nach dem Verbot bemühten sich einige Anthroposophen um eine Wiederzulassung. Diese Versuche scheiterten 1939 endgültig, als Rudolf Heß die „Gleichbehandlung mit ehemaligen Freimaurern“ anordnete. Die acht Waldorfschulen durften bis 1940 keine Einschulungen mehr vornehmen. Zwei Schulen wurden verboten (1938 Stuttgart und 1941 Dresden). Die restlichen mussten aus finanziellen Gründen schließen. Von den acht anthroposophischen heilpädagogischen Heimen wurden drei massiv bedroht, davon zwei geschlossen. Trotz dieser Repressionsmaßnahmen gab es auch Mitglieder, die sich mit dem System arrangierten oder sogar aktiv in den Gremien der NSDAP mitarbeiteten. Hohe Wertschätzung fand die biologisch-dynamische Landwirtschaft bei einigen NS-Größen, was jedoch auf ihre „Ursprünglichkeit“ und nicht auf die spirituelle Begründung zurückzuführen ist.

[Bearbeiten] Nachkriegszeit

Nach dem Krieg konnte die Bewegung, deren Zentrum in der Schweiz erhalten geblieben war, auch in Deutschland und Österreich schnell wieder Fuß fassen. Schwerpunkte ihrer Tätigkeit blieben Pädagogik, Medizin und Landwirtschaft (vgl. Demeter-Landwirtschaft). Weltweit sind zahlreiche Waldorfschulen und Waldorfkindergärten, die auf Steiners Pädagogik basieren, in Betrieb (lt. Selbstdarstellung: 877 Schulen in 57 Ländern), dazu entsprechende Studiengänge und Kurse in Waldorf-Pädagogik. Eine Bank mit anthroposophischer Zielsetzung wurde 1960 in Bochum gegründet (GLS-Gemeinschaftsbank). 1969 entstand das Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke, eine zum damaligen Zeitpunkt zukunftsweisende Einrichtung. Auch die Universität Witten/Herdecke, Deutschlands älteste Privatuniversität, hat überwiegend anthroposophische Gründer, allen voran Gerhard Kienle. Zur Zeit sind nach Aussagen der Anthroposophischen Gesellschaft weltweit über 10 000 anthroposophische Einrichtungen in 103 Ländern tätig.

[Bearbeiten] Die anthroposophische Erkenntnispraxis

Steiners Erkenntnisse entstammten nach seinen Angaben einer ihm seit seiner Kindheit bewussten und von ihm methodisch vertieften geistig-übersinnlichen Schau (s. z.B. Akasha-Chronik). In seinem philosophischen Frühwerk entwickelte er einen erkenntnistheoretischen Monismus, der wesentlich auf einer Auseinandersetzung mit Kant („Kritik der reinen Vernunft“) und dem Neokantianismus beruht. Steiner plädierte für einen „ethischen Individualismus“, der in Max Stirner und dem Anarchismus von Benjamin R. Tucker oder John Henry Mackay Verwandtes findet. Weitere Einflüsse sind Goethe, Hegel (Phänomenologie), Fichte (deutscher Idealismus), Nietzsche und Ernst Haeckel. Deren Lehren wurden von Steiner allerdings sehr selektiv, individuell bzw. eklektizistisch herangezogen und ausgelegt (s. insb. Wahrheit und Wissenschaft und Die Philosophie der Freiheit).

Ab 1902 trat Steiner eindeutig christlich und esoterisch auf. Die Frage, inwieweit dies einer Wandlung in seinem Leben (er selbst spricht von einem „Erweckungserlebnis“) zuzuschreiben ist, ist – auch unter Anthroposophen – nicht entschieden. Auch wie sich die Wende philosophisch auf Steiners Gesamtwerk ausgewirkt hat, konnte bislang zumindest noch nicht abschließend geklärt werden. Nach Steiner befindet sich der Mensch (und die gesamte, also auch die geistige Welt) in beständiger Entwicklung (Evolution). Das Ziel des anthroposophischen Schulungsweges sei es, durch Meditation, Selbsterziehung und Beobachtung auf einer lebenslangen 'Suche', höhere Bewusstseinsebenen zu erreichen. Dieser Schulungsweg sei individuell auszugestalten und könne von jedem Menschen beschritten werden.

[Bearbeiten] Das Menschenbild der Anthroposophie

Steiners Anthroposophie stellt den Menschen in das Zentrum ihrer Betrachtungen. So beschreibt er in seinen beiden grundlegenden Werken Theosophie (1904) und Die Geheimwissenschaft im Umriss (1910) erst ausführlich das „Wesen des Menschen“, bevor er zur sonstigen Welt übergeht.

Ähnlich wie Blavatsky, an deren Lehren er vor allem zu Beginn seiner Tätigkeit in der Theosophischen Gesellschaft häufig anknüpfte, unterschied Steiner verschiedene „Wesensglieder“ des Menschen. Dabei vermied er jedoch eine Festlegung auf ein bestimmtes Gliederungsschema, wie es bis dahin in der Theosophie üblich war, sondern führte ganz im Kontrast dazu oft verschiedene Schemata ineinander über, die Freiheit der Perspektive gegenüber starren Schemata betonend. Außerdem übernahm er die Inhalte seiner „Menschenkunde“ nicht wie Blavatsky aus der indischen Philosophie, sondern entwickelte sie aus Ansätzen im deutschsprachigen Geistesleben mehr oder weniger neu.

Die erste umfassende schriftliche Darstellung des anthroposophischen Menschenbilds erschien 1904 noch unter dem Titel Theosophie. Darin wählte Steiner als Ausgangspunkt Goethes erkenntnistheoretischen Essay Der Versuch als Vermittler von Objekt und Subjekt (1793) - und erhob damit implizit den Anspruch, seine „Theosophie“ inhaltlich an seine frühere Tätigkeit als Goethe-Herausgeber und als Autor einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung (1886) anzuschließen. Mit Goethe stellte er fest, dass der Mensch „in einer dreifachen Art mit der Welt verwoben ist. - Die erste Art ist etwas, was er vorfindet, was er als eine gegebene Tatsache hinnimmt. Durch die zweite Art macht er die Welt zu seiner eigenen Angelegenheit, zu etwas, was eine Bedeutung für ihn hat. Die dritte Art betrachtet er als ein Ziel, zu dem er unaufhörlich hinstreben soll“: als ein „gleichsam göttliches Wesen“ (Goethe) die Wahrheit zu erkennen und entsprechend handeln zu können. Diese drei Arten des Verhältnisses des Menschen zur Welt nannte Steiner nun „Leib“, „Seele“ und „Geist“. Dabei distanzierte er sich ausdrücklich von jeder bisherigen Belegung dieser Worte: „Wer irgendwelche vorgefassten Meinungen oder gar Hypothesen mit diesen drei Worten verbindet, wird die folgenden Auseinandersetzungen notwendig missverstehen müssen.“ (Theosophie, 1904)

Diese drei Grundbegriffe der anthroposophischen „Menschenkunde“ differenzierte Steiner weiter, indem er jeweils drei leibliche, seelische und geistige Wesensglieder unterschied. Als Abwandlung der daraus resultierenden neunfachen Gliederung leitete er auch ein siebengliedriges Schema ab, das mit dem bis dahin unter Theosophen gebräuchlichen, auf Blavatsky zurückgehenden Schema zu vergleichen, aber nicht mit diesem identisch ist. In der einfachsten Variante unterschied Steiner nur die drei leiblichen Wesensglieder und subsummierte alles andere unter der Bezeichnung „Ich“. Dieses viergliedrige Schema basiert auf der damals allgemein anerkannten Klassifikation der drei Naturreiche der Mineralien, Pflanzen und Tiere und fügt als viertes „Reich“ den Menschen hinzu, der mit seinen drei Leibesgliedern an allen Naturreichen beteiligt ist, aber mit seinem Ich aus der Natur herausragt:

  • Der physische Leib

Unter den Begriff „physischer Leib“ fasst Steiner den sichtbaren mineralisch-physischen Körper von Mensch, Tier, Pflanze und Stein. Dieser ist den physikalischen Begebenheiten der Erde ausgesetzt, wenn er nicht, wie bei Mensch, Tier und Pflanze noch von anderen „Leibern“ durchzogen wird. Laut Steiner zerfällt der alleinige „physische Leib“ beim Menschen, den chemischen Gesetzmäßigkeiten gehorchend, ein Prozess, der beim Tode des Menschen durch den Verwesungsprozess gekennzeichnet ist, und mit dem Tod beginnt ein Auflösungsprozess des „Leibergefüges“.

  • Der Ätherleib oder Lebensleib

Steiner hat im Laufe seines Lebens die Bezeichnung „Ätherleib“ nie als zufriedenstellend empfunden. An verschiedenen Stellen tauchen auch die Begriffe „Lebensleib“ und „Bildekräfteleib“ auf. „'Äther' bezeichnet hier etwas anderes als den hypothetischen Äther der Physik. Man nehme die Sache einfach als Bezeichnung...“ (Theosophie).

Der Ätherleib ist laut Steiner als übersinnlicher Teil sehr dem Physischen oder Äußerlichen verhaftet. Er soll belebender Teil des physisch-mineralischen Körpers sein. Im Gegensatz zu Letztgenanntem, der durch äußere Kräfte seine Gestalt findet, gestalte der Ätherleib aus dem Inneren des menschlichen Wesens heraus ständig den physischen Leib neu. Beim Menschen sei er auch Träger von Denkkräften und Gewohnheiten.

  • Der Astralleib

Mit dem Astral- oder Empfindungsleib reagiert der Mensch auf die Außenwelt. Dieses Wesensglied ist das Empfindende im Menschen als Teil seiner Seele, so Steiner in Theosophie. Im Astralleib erlebt der Mensch seine Begierden und Leidenschaften.

  • Das Ich

Das 'Ich' ist der eigentliche, ewige Wesenskern des Menschen: „... mit seinem 'Ich' ist der Mensch ganz allein. – Und dieses 'Ich' ist der Mensch selbst. Das berechtigt ihn, dieses 'Ich' als seine wahre Wesenheit anzusehen. Er darf deshalb seinen Leib und seine Seele als die 'Hüllen' bezeichnen; innerhalb deren er lebt; und er darf sie als leibliche Bedingungen ansehen, durch die er wirkt.“ Dieses Ich ist nicht zu verwechseln mit dem „Alltags-Ich“, das sich dem Menschen als seine Persönlichkeit darstellt. Das Verständnis des 'Ich' in der Anthroposophie weist über dieses hinaus, es beheimatet das Geistige des Menschen. „Die Sinneserscheinungen offenbaren sich dem 'Ich' von der einen, der Geist von der anderen Seite. Leib und Seele geben sich dem 'Ich' hin, um ihm zu dienen; das 'Ich' aber gibt sich dem Geiste hin, dass er es erfülle. Das 'Ich' lebt in Leib und Seele; der Geist aber lebt im 'Ich'.“ (a.a.O.)

Nach Steiner befindet sich der Mensch auf einem Entwicklungsweg zur „Läuterung“ der beschriebenen Leiber. Ein Durchdringen der eigenen Leidenschaften, Gewohnheiten usw. durch das 'Ich' sei u.a. der derzeitige Entwicklungsweg. „Das Ich wird immer mehr Herrscher über Leib und Seele.“

Durch den Tod, bei dem sich die höheren Leiber vom physischen Leib trennen, löse sich zunächst der Ätherleib, später der Astralleib in einem speziellen Ablauf auf, und das Ich gehe in ein geistiges Reich ein, indem es mit Hilfe höherer Wesenheiten auf die physische Welt wirkt und sich auf die Wiedergeburt in einer veränderten physischen Umgebung vorbereitet. Diese werde auch von dem individuellen Schicksal und der konkreten Lebensgestaltung des Menschen bestimmt.

[Bearbeiten] Kritik an Steiners Anthroposophie

[Bearbeiten] Fehlende Wissenschaftlichkeit

Für Kritiker, die die Wissenschaftlichkeit der Anthroposophie bestreiten, handelt es sich bei Steiners als synkretistisch verstandener Weltanschauung um eine Pseudowissenschaft bzw. eine Spielart der Esoterik. Deren zentrale Postulate zeichnen sich gerade dadurch aus, dass sie nicht wissenschaftlich überprüfbar sind (d.h. nicht intersubjektiv, falsifizierbar, empirisch überprüfbar und allgemein zugänglich).

Geheimwissenschaft (Okkultismus) ist eine von Steiner selbst verwendete Bezeichnung, mit der er ausdrückte, dass seine Lehre über das bloße „Verstandesdenken“ hinausgehe. An H.P. Blavatskys Secret Doctrine (Geheimlehre) anknüpfend, publizierte er 1910 unter dem Titel „Die Geheimwissenschaft im Umriss“ eine Zusammenfassung seiner bis dahin entwickelten „theosophischen“ Lehre. Fortgeschrittene Schüler seien demnach selber zu übersinnlichen Wahrnehmungen imstande. Die daraus hervorgehenden „Mitteilungen“ seien jedoch für jedermann gedanklich nachvollziehbar.

Steiner nahm für sich in Anspruch, in der so genannten Akasha-Chronik (Blavatsky) „lesen“ zu können, einer Art kosmischem Gedächtnis, in dem alles Wissen über Vergangenheit und Zukunft gespeichert sein soll. Aus dieser Quelle teilte Steiner Details über Atlantis mit, korrigierte christliche Evangelien, enthüllte Geheimnisse ägyptischer Priester oder traf Prophezeiungen, etwa über das Kommen des „Christus im Aetherischen“ in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts. Die von ihm begründete Anthroposophie fußt somit laut Kritikern auf dem Anspruch, über Zugang zu unumstößlichen Wahrheiten zu verfügen. Diese Wahrheiten, so Steiner, stünden jedoch nicht in einem Widerspruch zur empirischen Wissenschaft. Sie seien vielmehr intersubjektiv überprüfbar.

Allein an diesen beiden Proklamationen, so der schwedische Philosoph Sven Ove Hansson[2], ließen sich Steiners Aussagen falsifizieren. Erstens sei es niemandem, der auf Steiners Schulungsweg gegangen ist, bis heute gelungen, wie dieser in der Akasha-Chronik zu lesen, und zweitens ließe sich allein anhand von Steiners Aussagen über Quantenphysik und Relativitätstheorie leicht zeigen, dass seine spirituellen Erkenntnisse zu anderen Ergebnissen führten als die Experimente der modernen Wissenschaft. Diese und ähnliche Überlegungen bewogen Kritiker, der Anthroposophie die selbstproklamierte Wissenschaftlichkeit abzusprechen.

[Bearbeiten] Rassismusvorwürfe

In Steiners weitausgreifendem Werk (das allerdings vielfach auf ungeprüften Mitschriften seiner Vorträge beruht) finden sich wiederholt Aussagen über menschliche Rassen, also völkische Ideen, wie sie auch bei Arthur Moeller van den Bruck vorkommen, den Steiner persönlich kannte, oder bei Oswald Spengler, dessen Buch „Der Untergang des Abendlandes“ er mehrfach rezensierte. Das Vorhandensein menschlicher Rassen in unterschiedlichen Entwicklungsstufen sei eine Tatsache, die sich aus seinen Forschungen ergeben habe.

Aus Kreisen der politischen Linken kam daher schon früh der Vorwurf auf, Steiners Lehre sei faschistoid (Ernst Bloch: Erbschaft dieser Zeit. Frankfurt 1956). Später wurde ein expliziter Rassismusvorwurf erhoben, wieder vor allem aus dem Umfeld linker Kritik. In Steiners Werk finden sich tatsächlich vereinzelt Passagen, die besonders vor dem Hintergrund der späteren NS-Rassenpolitik den Vorwurf des Rassismus stützen. So griff Steiner etwa zeitweise die Wurzelrassenhypothese der Theosophie auf und beschäftigte sich, wenn auch überwiegend distanziert kritisch, mit „Rassenmystikern“ wie Guido von List[3] und Lanz von Liebenfels, die er persönlich kannte. Eine zentrale Annahme in der Theosophie ist, die menschlichen Rassen seien Stufen einer Entwicklung von niederen zu immer höheren Stadien. Dieses Ideengebäude wurde später von der Ariosophie aufgegriffen, einer ideologisch geprägten Denkrichtung, die mit spekulativen Herleitungen eine Überlegenheit von Rassen vermeintlich germanischer Abstammung gegenüber allen anderen Völkern zu beweisen suchte und laut der die „arische Heldenrasse“ die höchste Stufe zur Vollkommenheit darstelle.[4] Der Begriff „arische Wurzelrasse“ kommt in den 300 Bänden der Gesamtausgabe mit 89.000 Seiten an gerade 10 Stellen vor. Auch hatte sich Steiner bereits 1909 wieder von dem Rassenbegriff der Theosophie distanziert: „Es ist ja durchaus begreiflich, dass eine jede Bewegung sozusagen ihre Kinderkrankheiten hat und dass man im Anfang der theosophischen Bewegung die Sache so dargestellt hat, als wenn sozusagen die Erde in sieben Zeiträume zerfiele - man nannte das Hauptrassen - und jede der Hauptrassen in sieben Unterrassen; und dass das alles sich so stetig wiederholen würde, so dass man immer von sieben Rassen sprechen könnte und sieben Unterrassen. Aber man muß über die Kinderkrankheiten hinauskommen und sich klar sein darüber, daß der Rassenbegriff aufhört eine jegliche Bedeutung zu haben gerade in unserer Zeit.”[5]

1997 – im Europaratsjahr gegen den Rassismus – wurde die Verwendung dieser und ähnlicher Vorstellungen der Theosophie seitens der Anthroposophie Rudolf Steiners in den Blick genommen. In den Niederlanden wurde eine Kommission von Wissenschaftlern, die der Anthroposophie nahestehen, unter Leitung eines international tätigen Menschenrechtsanwaltes gebildet, die das gesamte 300 Bände umfassende Oeuvre mit 89 000 Textseiten systematisch auf entsprechende Aussagen hin überpüfte. Die Kommission kam zu dem Ergebnis, dass davon 67 Textstellen diskriminierenden Inhalt haben, 16 enthielten Aussagen, die in den Niederlanden heute strafbar seien. Die Kommission urteilt jedoch insgesamt: „Das anthroposophische Menschenbild Rudolf Steiners steht auf der Grundlage der Gleichwertigkeit aller menschlichen Individualitäten und nicht auf einer vermeintlichen Überlegenheit der einen Rasse gegenüber einer anderen.“ Es befänden sich zwar eine Reihe sehr problematischer Äußerungen in Steiners Werk, die allerdings für die Anthroposophie nicht konstitutiv seien. Den Vorwurf des Antisemitismus wies die Kommission zurück. Sie erklärte, dass sich Steiner stets gegen Antisemitismus eingesetzt, wenngleich er dessen Verbreitung anfangs schwer unterschätzt und erst um 1900 sein Urteil revidiert habe. Insgesamt herrschen über die Tragweite der entsprechenden Textstellen geteilte Ansichten: Während Einige darin dennoch den Beweis einer antisemitischen Gesinnung Steiners sehen, argumentieren Andere, dass allein die quantitative Auflistung (< 1 Promille) zeige, dass die Äußerungen nicht zentral für Steiners Werk gewesen sein könnten, zudem habe er sich in seinem Werk deutlich gegen antisemitische Gesinnungen ausgesprochen, wie an anderen Textstellen deutlich werde.

[Bearbeiten] Die Problematik der anthroposophischen Christologie

Die anthroposophische Christologie enthält gnostische Elemente, die neben der Lehre von Reinkarnation und Karma Angriffspunkte der konfessionellen Kritik geworden sind. Zwar betont Steiner die „Wissenschaftlichkeit“ der Anthroposophie, die wertfreien Aufschluss über die Religionen der Menschheitsgeschichte geben solle: „Den Religionen gegenüber kann sie [die Geisteswissenschaft,anm.] einzig und allein nur die Aufgabe haben, zu einem tieferen Verständnis der religiösen Wahrheiten zu führen. [...] Es wird so vielfach verkannt, dass die Geisteswissenschaft im Grunde auf einem ganz anderen Boden steht als irgendein Religionsbekenntnis“ (in Das Ereignis der Christus-Erscheinung in der Ätherischen Welt, 1910). Auf der anderen Seite spricht Steiner von „christlicher Wissenschaft“, was die Problematik seines Wissenschaftsbegriffs zeigt. „Darin besteht das Christliche [der anthroposophischen Wissenschaft, Anm.], dass man den Ausgleich sucht [...] aber ohne abergläubisch, ohne frömmelnd zu sein“ (in Vom Leben des Menschen und der Erde; über das Wesen des Christentums, 1923). Diese religiösen Bestandteile seines Werkes werden oft kritisiert, so z.B. die eklektische Verknüpfung von Christentum und Reinkarnationslehre. So steht in der Anthroposophie die Erlösung nicht am Ende eines einzigen, sondern am Ende vieler Leben. Sie stelle sich ein, wenn sich der Mensch durch viele Verkörperungen hindurch zu einem Wesen, das einen eigenen Platz in den himmlischen Hierarchien einnimmt, entwickelt habe.

[Bearbeiten] Quellen

  1. zum Einfluss auch auf Künstler, die keine expliziten Anhänger waren, siehe Reinhold Johann Fäth, Rudolf Steiner Design - Spiritueller Funktionalismus Kunst, Diss. Uni-Konstanz (2004)
  2. Ist die Anthroposophie eine Wissenschaft? Siehe hierzu auch die Replik von Klaus Frisch: Was Anthroposophie nicht ist
  3. In „Von Seelenrätseln“ (1917) wehrte sich Steiner explizit dagegen mit der „absonderlichen Rassenmystik Guido Lists“ in Verbindung gebracht zu werden. In einem Vortrag (in Menschliche und menschheitliche Entwicklungswahrheiten, 1917) distanzierte er sich von List: „Ich habe zu Guido von List keine andere Beziehung, als dass ich einstmals von ihm, den ich gekannt habe, als er noch ein verständiger Mensch war und seinen Roman ‚Carnuntum‘ geschrieben hatte, in dem Anfang der achtziger Jahre, eine Abhandlung bekommen habe, in der Zeit, als ich noch die ‚Luzifer-Gnosis‘ herausgab; da habe ich sie zurückgeschickt als dilettantisch und unbrauchbar. Das ist die einzige Beziehung, die ich zu Guido von List habe.” Rudolf Steiner über Guido von List, bei Anthroposophy.com
  4. der Historiker Eduard Gugenberger wird in einem Dokumentarfilm des ORF über die okkulten Wurzeln des Rassismus mit den Worten zitiert: „Die Wurzelrassenlehre der Theosophie ist ein rassistisches Denkgebäude, das der Menschheit aufzeigt, wie sie sich in Rassen, von niederen zu immer höheren Stadien entwickelt hat, mit der arischen Rasse als höchster Entwicklungsstufe, wobei die niederen Rassen dazu verdammt sind, nach und nach abzusterben, zum Wohle eben der höheren Rasse. Dieses Ideengebäude wurde später von der Ariosophie, von Lanz Liebenfels und Guido von List, aufgegriffen und sehr stark auf das Germanentum, auf die Ariergläubigkeit der Zeit umgemünzt.“ Zitiert nach Petrus van der Let: „Bedenkliche Ansichten Rudolf Steiners über Rassen”, in: Tangram Nr. 6 (Bulletin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus EKR, Bern), vorgehalten auf: akdh.net
  5. Rudolf Steiner, Die tieferen Geheimnisse des Menschheitswerdens im Lichte der Evangelien (GA 117), 4.12.1909, S. 151f. Siehe dazu auch die Zitatensammlung von Lorenzo Ravagli, Rudolf Steiner und die Überwindung des Rassismus, 7/2004, Anthroposophy.com. Zum Streit in der Sache auch: Rudolf Steiner und der Rassismus: Arier, Atlantis und Akasha, Süddeutsche Zeitung vom 25. Juli 2006 und: Vom theosophischen Vokabular früh distanziert (Leserbrief), Süddeutsche Zeitung vom 2. August 2006

[Bearbeiten] Literatur

[Bearbeiten] zur Anthroposophie allgemein

  • Becker, Kurt E.: Anthroposophie.Revolution von innen, Fischer Verlag, Frankfurt, 1984
  • Ziegler, Renatus: Anthroposophie : Quellentexte zur Wortgeschichte. In: Beiträge zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe, Heft Nr. 121, Herbst 1999 (Hrsg.: Rudolf Steiner-Nachlassverwaltung, Dornach)
  • Heisterkamp, Jens: Was ist Anthroposophie? Eine Einladung zur Entdeckung des Menschen. Dornach : Verl. am Goetheanum, 2000. ISBN 3-7235-1089-2
  • Baumann-Bay, Lydie und Andreas: Achtung, Anthroposophie! : ein kritischer Insider-Bericht. Zürich : Kreuz, 2000. ISBN 3-268-00255-2
  • Badewien, Jan: Die Anthroposophie Rudolf Steiners. München : Evangelischer Presseverband für Bayern, 1994. ISBN 3-583-50662-6
  • Barz, Heiner: Anthroposophie im Spiegel von Wissenschaftstheorie und Lebensweltforschung. Zwischen lebendigem Goetheanismus und latenter Militanz. Weinheim : Deutscher Studien-Verlag, 1994. ISBN 3-89271-458-4
  • Lutterbeck, Ernst: Anthroposophie verstehen : eine Einführung nach persönlichen Erfahrungen. Paderborn : Möllmann, 1997. ISBN 3-931156-21-4

[Bearbeiten] zu Spezialthemen

  • Binder, Andreas: Wie christlich ist die Anthroposophie? Standortbestimmungen aus der Sicht eines evangelischen Theologen. Stuttgart : Urachhaus Verlag 1989. ISBN 3-87838-611-7 (2. Aufl.)
  • Kriele, Martin: Anthroposophie und Kirche. Erfahrungen eines Grenzgängers. Freiburg im Breisgau; Basel; Wien : Herder, 1996. ISBN 3-451-23967-1
  • Okruch, Stefan: Wirtschaft und Anthroposophie – Darstellung und Kritik des Konzepts Rudolf Steiners. Bayreuth : Verlag PCO, 1993. ISBN 3-925710-50-7
  • Werner, Uwe: Anthroposophen in der Zeit des Nationalsozialismus : 1933 - 1945. München : Oldenbourg, 1999. ISBN 3-486-56362-9
  • Ravagli, Lorenzo: Unter Hammer und Hakenkreuz : der völkisch-nationalsozialistische Kampf gegen die Anthroposophie. Stuttgart: Verlag Freies Geistesleben, 2004. ISBN 3-7725-1915-6
  • Bierl, Peter: Wurzelrassen, Erzengel und Volksgeister : die Anthroposophie Rudolf Steiners und die Waldorfpädagogik. Aktualisierte und erweiterte Neuausgabe. Hamburg : Konkret-Literatur-Verlag, 2005. ISBN 3-89458-242-1
  • Reinhold Johann Fäth: Rudolf Steiner Design - Spiritueller Funktionalismus Kunst, Phil. Dissertation Universität Konstanz, 2004 (Elektronische Dissertation).
  • Werner Blaser: Natur im Gebauten. Rudolf Steiner in Dornach. Birkhäuser-Verlag für Architektur, Basel 2002 (Rezension).

[Bearbeiten] Weblinks

Wiktionary: Anthroposophie – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme und Übersetzungen

[Bearbeiten] Anthroposophie in der Diskussion

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