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Evolution

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Dieser Artikel behandelt die Evolution der Lebewesen. Der Artikel Evolution (Begriffsklärung) verweist auf weitere Bedeutungen von „Evolution“.

Biologische Evolution, die von der Evolutionsbiologie erforscht wird, ist die zeitliche Veränderung in den vererbbaren Eigenschaften der Populationen von Lebewesen. Sie wird bestimmt durch die Veränderung von Allelfrequenzen der Gene von Generation zu Generation. Mit der Zeit kann dieser Vorgang zur Speziation führen, der Entwicklung einer neuen Spezies. Biologische Evolution ist ein Ansatz zur naturwissenschaftlichen Erklärung für die Entstehung und Veränderung der Arten im Laufe der Erdgeschichte. Neben der biologischen Evolution gibt es auch Theorien über kosmische, chemische und soziokulturelle Evolution.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Begriffsherkunft

Der Begriff wurde 1774 von dem Schweizer Naturforscher Albrecht von Haller (1708-1777) für seine Vorstellung von der Entwicklung des Menschen geprägt. Er war der Ansicht, dass die Embryonen bereits im Spermium oder in der Eizelle fertig ausgebildet vorlägen. Diese "Homunculi" (Einzahl Homunculus, vom lat. Diminutiv für Mensch) enthalten in ihren Keimzellen wiederum kleine Menschen und so weiter bis in alle Unendlichkeit, ähnlich dem Prinzip der russischen Matroschka-Puppen. Antoni van Leeuwenhoek (1623-1723) glaubte, diese Homunculi bei der Beobachtung von Spermien mit seinem Mikroskop bereits gesehen zu haben.

[Bearbeiten] Ziel und Gegenstand der Evolutionsbiologie

Das Ziel der Evolutionsbiologie ist die Rekonstruktion der zeitlichen Abfolge der einzelnen Erscheinungsformen oder auch Phänotypen der Organismen. Dies führt zu einem hypothetischen Stammbaum der Organismen. Dabei ergeben sich Erkenntnisse über Gesetzmäßigkeiten und Mechanismen der Biologischen Evolution. Grundlage des Erklärungsansatzes ist die Evolutionstheorie.

Die Evolutionsbiologie beschäftigt sich insbesondere mit den Änderungen und Wandlungen, die bei der Entstehung von Arten eine Rolle spielen, und setzt diese Änderungen in einen Bezug zu den Umweltbedingungen.

Diese Anpassungsprozesse verlaufen nicht zielgerichtet. Es gibt keinen Mechanismus, der es einer Art ermöglicht, apriori die Erfolgschancen der neuen Eigenschaften dieser Art in einem gegebenen Lebensraum sicher zu bestimmen (was das Vorauswissen der Zukunft bedeutete). Vielmehr sind die Wege, die die Evolution durch Ausbildung neuer phänotypischen Merkmale einschlägt, vom Zufall bestimmte Experimente der Natur, die sich unter den jeweils gegebenen Umweltbedingungen als erfolgreich erweisen oder nicht. Organismen, deren Merkmale dabei eine erfolgreiche Reproduktion wahrscheinlicher machen und die daher als besser angepasst betrachtet werden, setzen sich gegenüber anderen Organismen (intra- oder interspezifisch) durch. Dabei ist zu beachten, dass dies nur selten durch direkte Konkurrenz, wie z. B. Kampf, geschieht.

[Bearbeiten] Beobachtungen, die für die Evolutionstheorie Bedeutung haben

[Bearbeiten] Beobachtungen aus Tier- und Pflanzenzucht

Züchtungen von Pflanzen und Tieren decken einige der Möglichkeiten der Formen- und Leistungsvielfalt, die in einer Stammform liegen, auf. Sie lassen erkennen, wie manche Merkmalskomplexe zusammenhängen und nach bestimmten Regeln verändert werden. Sie zeigen aber auch Grenzen der Veränderung auf, wenn die entsprechenden Züchtungen ohne Hilfe des Menschen in der Natur nicht überleben oder sich fortpflanzen könnten. Auf Grund der bekannten Verwandtschaft der Organismen einer Züchtungslinie (Zuchtbuch, Zuchtbeschreibungen) lassen sich erbliche Variationen identifizieren und ihre Zusammenhänge zu Veränderungen im Erbgut untersuchen.

Die folgenden Beispiele illustrieren die Vielfältigkeit von Züchtungen.

[Bearbeiten] Taubenzucht

Die etwa 200 gezüchteten Taubenrassen stammen alle von der Felsentaube ab. Viele herausgezüchtete Bau-, Leistungs- und Verhaltens-Merkmale würden in einer natürlichen Umgebung die Fitness der Tauben deutlich herabsetzen:

  • Prachtgefieder (Pfauentaube, Perückentaube)
  • stark vergrößerter, aufblasbarer Kropf (Kropftaube)

aber auch

  • verbesserte Flugleistung und Orientierung (Brieftaube)

[Bearbeiten] Pflanzenzüchtung

Wildkohl
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Wildkohl

Aus dem Wildkohl (Brassica oleracea) gingen zahlreiche Nutzpflanzen hervor, die sich durch die besondere Ausbildung einzelner Pflanzenorgane auszeichnen:

  • Blattkohl Brassica oleracea variatio viridis mit vergrößerten und verdickten Blättern
  • Kohlrabi B. oleracea var. gongylods mit verdicktem Wurzel-Stiel-Übergang
  • Rosenkohl B. oleracea var. gemmifera mit vergrößerten Dauerknospen
  • Weiß- oder Rotkohl: B. oleracea var. capitata mit vergrößerten Blättern
  • Wirsing B. oleracea var. sabauda mit vergrößerten, krausen Blättern
  • Blumenkohl B. oleracea var. botrytis mit vergrößertem und verdicktem Blütenstand

Bei Pflanzen lassen sich auch weitere Eigenschaften beeinflussen:

  • Entwicklungszyklus: Zweijährigkeit statt Einjährigkeit
  • Keimverzug bzw. der Samenruhe: Verringerung bei Hafer (Avena sativa) und Gerste (Hordeum distichum),
  • Inhaltsstoffe: Verlust von Gift- und Bitterstoffen; Beispiele: Verringerung des Senföl-Gehaltes bei den Kohlsorten, der Saponine bei Rote Beete, der Gerbsäuren bei Zwetschgen
  • Fortpflanzung: Kernlose Früchte, die ohne Befruchtung entstehen (Apokarpie bei Kulturbananen, einige Orangen- und Traubensorten)
  • Ausbreitung: Bei Wildgetreide und Gräsern ist die Spindel, an der die Körner sitzen, brüchig und zerfällt leicht, wodurch die Samen leicht ausgebreitet werden können. Bei Kulturgetreide bleibt die Ähre auch nach Reifung der Körner erhalten. Diese Synaptospermie (wörtlich: Zusammenhaften der Samenkörner) findet man auch bei Populationen von Wildgräsern auf extrem trockenen Standorten.

Die Züchtung zeigt auch, dass bei sehr entfernt verwandten Pflanzenarten ähnliche Varianten herausgebildet werden können, womit ein Modell zur Konvergenz besteht:

Ähnliche Beobachtungen lassen sich auch bei Tieren machen:

  • Hängeohren bei einigen Rassen von Hunden, Kaninchen, Schafen, Ziegen und Schweinen
  • Farbmuster (Scheckung) bei Rindern, Schweinen und Kaninchen
  • Verkürzung der Schnauze („Mopsköpfigkeit“) vor allem bei Zwergrassen von Hund und Schwein durch Veränderung der relativen Wachstumsgeschwindigkeit einzelner Schädelteile (Allometrie). Dadurch kommt es auch zu Gebissfehlstellungen.
  • Haarlosigkeit oder übermäßige Faltenbildung bei Hunden, Katzen und Schweinen.

[Bearbeiten] Abgestufte Ähnlichkeiten

Die deskriptive vergleichende Biologie (Morphologie, Anatomie, Biochemie, Ethologie) liefert Beobachtungsaussagen, die es erlauben, die Organismen in ein System abgestufter Ähnlichkeiten einzuordnen. Dabei lassen sich Merkmalsgruppen gegeneinander abgrenzen. Die rezenten Organismen lassen sich horizontal gruppieren, paläontologische Befunde, deren Datierung bekannt ist, ergeben die vertikale, zeitliche Anordnung. (siehe dazu Systematik, Taxonomie, Kladistik)

Beispiel:

  • Vordergliedmaßen der rezenten Säuger, Vögel und Reptilien lassen sich auf einen Grundbauplan zurückführen

[Bearbeiten] Mutationsgeschwindigkeit

Bestimmte Gene weisen im Laufe ihrer Entwicklungsgeschichte eine konstante Mutationsrate auf. Sie lassen sich damit als „molekulare Uhr“ zur Rekonstruktion von Stammbäumen benutzen.

Diese Konstanz ist dann zu beobachten, wenn die Funktion eines Gens in den verschiedenen Abstammungslinien gleich bleibt. Die Änderungsgeschwindigkeit hängt davon ab, wie groß der Anteil an Basentripletts ist, die konserviert werden müssen, um die Funktionalität des Gens aufrecht zu erhalten. Histone weisen eine langsame Entwicklungsgeschwindigkeit auf, da nur wenige Positionen in der Basensequenz der DNA geändert werden können, ohne ihre Funktion zu beeinträchtigen. Fibrinopeptide der Blutgerinnung weisen eine höhere Veränderungsrate auf, da sie einen höheren Anteil an Basentripletts haben, der mutieren kann, ohne dass ein Schaden im Sinn der Selektion entsteht. Diese nicht-konservativen Abschnitte liegen vor allem in den nicht-codierenden Abschnitten der Introns eines Gens.

Die in der Paläontologie zu beobachtenden morphologischen Mosaike, das sind Organismen, die Merkmale verschiedener Verwandtschaftsgruppen aufweisen (Beispiele: Archaeopteryx, Australopithecus) sind durch unterschiedliche Entwicklungsgeschwindigkeiten einzelner Organsysteme eines Organismus erklärbar. (siehe dazu aber auch horizontaler Gentransfer)

[Bearbeiten] Labor-Experimente

[Bearbeiten] Genetische Variation und Anpassungsfähigkeit

Das Wachstum von zwei Populationen der Fliegenart Drosophila serrata, die sich in ihrer genetischen Variation unterscheiden, wird unter selektierenden Bedingungen (begrenztes Futter- und Platzangebot) über 25 Generationen (490 Tage) hinweg beobachtet. Die erhöhte genetische Variabilität der einen Population wird durch Kreuzung von zwei verschiedenen Rassen erzeugt. Diese Population zeigt das stärkere Wachstum. Als Ursache hierfür wird die bessere Anpassungsfähigkeit auf Grund der höheren genetischen Variation angesehen. Vgl. Entwicklungsbiologie.

[Bearbeiten] Konzepte der biologischen Evolution

[Bearbeiten] Schlüsselkonzepte der synthetischen Theorie

Als Teilgebiet der Biologie ist die Evolutionsbiologie eine empirische Wissenschaft, die zum größten Teil auf Beobachtung und Experiment beruht. Sie entwickelt keine Gesetze wie die Physik, sondern Konzepte, aufgrund derer Aussagen zur belebten Welt abgeleitet werden können, deren Gültigkeit durch Beobachtungsdaten überprüft (und allenfalls falsifiziert) werden kann.

[Bearbeiten] Populationsgenetik

Evolution ist bei Populationen festzustellen, die sich nicht im Hardy-Weinberg-Gleichgewicht befinden, deren Allel- und Genotypenfrequenz sich folglich mit der Zeit ändern.

Evolutionsfaktoren, also Faktoren, die das Hardy-Weinberg-Gleichgewicht stören:

  • Genetische Drift in sehr kleinen Populationen
  • Genfluss zwischen zwei Populationen durch Zu- und Abwanderungen
  • Mutationen verändern den Allel-Bestand einer Population
  • Nicht-zufällige Paarungen (Inzucht, sortengleiche Paarung, "female choice")
  • Natürliche Selektion als Mechanismus der adaptiven Evolution
  • Mutationen und Rekombinationen verursachen die genetische Variabilität

[Bearbeiten] Phylogenetische Systematik

[Bearbeiten] Veraltete Konzepte

  • Scala naturae (Stufenleiter der Evolution, durch Evolution werden die Organismen immer höher entwickelt, komplexer und vollkommener, siehe Anagenese)
  • Typologie
  • Biogenetische Grundregel (Haeckel)
  • Evolution durch Vererbung von Modifikationen (Lamarckismus/Neolamarckismus)
  • Die grundsätzliche Unterscheidung zwischen Makro- und Mikroevolution. Heutzutage werden diese Begriffe zur Unterscheidung der untersuchten Zeitrahmen und der verwendeten Methoden genutzt. Ein prinzipieller Unterschied existiert nicht.
  • Additive Typogenese

[Bearbeiten] Konzepte in Diskussion

  • Ansatz der Evolution bei DNA, Individuum, Population oder Art
  • Artbegriff und Artentstehung
  • Epigenetik

[Bearbeiten] Einteilung und Entwicklungen

Seit ihrer ursprünglichen Formulierung wurde die darwinsche Evolutionstheorie in vielfacher Hinsicht weiterentwickelt. Insbesondere unter Mitwirkung von Ernst Mayr entstand die erweiterte Synthetische Theorie der Evolution. Durch die Einbeziehung der informationstheoretisch geprägten Systemtheorie nach Ludwig von Bertalanffy entwickelte die Wiener Schule (unter anderem Rupert Riedl) die Systemtheorie der Evolution.

Auch die Frage, wo die Selektion ansetze, ist Modifikationen unterzogen. So geht die darwinistische Theorie davon aus, dass die Selektion auf der Ebene des Phänotyps ansetze, und die Selektion zum Überleben der bestangepassten Organismen (survival of the fittest) führe. In Abgrenzung davon wurde der Begriff vom "Eigennutz des Gens" (Richard Dawkins: The Selfish Gene, 1976) geprägt, wonach auch Gene, die zu einer Beeinträchtigung der Fortpflanzungswahrscheinlichkeit des Organismus führen, selektiert werden, sofern sie Merkmale hervorrufen, die die Verbreitung dieses Gens unterstützen. Auf diese Weise wird beispielsweise das (scheinbar) altruistische Verhalten in vielen Bereichen der Biologie erklärt, wie beispielsweise das Verhalten der Arbeiterinnen bei verschiedenen sozial organisierten Insekten (vor allem Ameisen), die auf den eigenen Fortpflanzungserfolg völlig verzichten, da sie aus bestimmten genetischen Gründen (Haplodiploidie) mit potentiellen Geschwistern näher verwandt sind als mit potentiellen eigenen Nachkommen.

[Bearbeiten] Aktuell diskutierte Probleme

  • Die Koevolution. Die Entwicklung von Symbiosen ist vielfach noch ungeklärt, es fehlt bislang an Modellen, wie die tiefgreifenden Abhängigkeiten von Symbiosepartnern (beispielsweise bei Flechten) entstehen konnten. Ebenso fehlt noch das Verständnis für das Zustandekommen der wechselseitigen Anpassungen von Insekten und Blütenpflanzen. Sehr oft hat man aber fossil oder rezent Zwischenstufen gefunden, welche die parallele Evolution verständlich machen.
  • Die Evolution der Evolutionsmechanismen. Hier hat die Molekularbiologie in jüngerer Zeit deutlich veränderte Einsichten gebracht. Ging man in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts noch davon aus, dass die DNA-Sequenz direkt das entscheidende Genmaterial darstelle, so haben die Entdeckung der Introns, Exons sowie des Splicings und insbesondere des alternativen Splicings gezeigt, dass die Ursachen der genetischen Variabilität bereits auf molekularer Ebene Evolutionsprozessen unterworfen sind.
  • Die Evolution tiefgreifender Änderungen (Makroevolution), etwa auf der Ebene von Tierstämmen. Solange als Ursachen der Variabilität nur Genmutationen, Chromosomenmutationen, Genommutationen und Rekombination im Zuge der Meiose erkannt waren, war schwer vorstellbar, wie sich bestimmte Merkmale ohne Zwischenstufen ohne eigenen Selektionsvorteil entwickelt haben könnten. Solche Erscheinungen findet man speziell bei Eukaryonten. Die Entdeckung des alternativen Splicings bei Eukaryonten hat Ende des 20. Jahrhunderts gezeigt, dass DNA-Sequenzen multifunktionell sein und - je nach Splicing - zu unterschiedlichen Proteinen führen können. Zudem codiert ein erheblicher Teil der DNA nicht für Proteine. Auch die Genregulation bringt neue Aspekte in die Evolutionsforschung. So kann es einen Selektionsvorteil darstellen, phylogenetisch alte und nicht zur Proteincodierung benutzte DNA-Sequenzen im Genom zu konservieren, da damit die Ausprägung neuer Merkmale durch verändertes Splicing oder Änderungen der Genregulation weitaus schneller und tiefgreifender sein kann als es durch einen Austausch von DNA-Basen der Fall wäre.

[Bearbeiten] Weitere ausgewählte Probleme

[Bearbeiten] Datierung und Zeitschätzungen (Zeitrahmen der Evolution)

[Bearbeiten] Historische Schätzungen

Die relative Abfolge der Erdzeitalter ist schon lange bekannt, allerdings existierten bis zu Anfang des 20. Jahrhunderts keine direkten Methoden zur absoluten Altersbestimmung. Schätzungen basierten beispielsweise auf Erosionsraten, Sedimentationsraten, Schichtdicken oder Berechnungen der Zeit, die die Erde als physikalischer Körper zum Auskühlen benötigt. Schon für Charles Darwin stellte sich die Frage ob das Alter der Erde für eine Evolution mit den von ihm benannten Mechanismen ausreiche. Ein zu geringes Alter der Erde wäre für ihn ein zentraler Einwand gegen seine Evolutionstheorie. Aus diesem Grund ist es wichtig einen Blick auf die historischen Zeitangaben zu werfen. Der französische Naturforscher Georges-Louis Leclerc de Buffon (1707-1788) veranschlagte für das Alter der Erde 75000 Jahre, das Alter des Menschen nahm er mit 40000 Jahren an. Dies sind die ersten Zahlen, die über die im Mittelalter aufgrund des biblischen Schöpfungsberichtes festgelegten 6000 Jahre hinaus gehen. Fast ein Jahrhundert später legte Darwin sich aufgrund von Erosionsschätzungen auf ein Alter der Erde von 300 Millionen Jahren fest. Der Physiker William Thomson (der spätere Lord Kelvin) schätzte 1862 das Alter der Erde auf 25-400 Millionen Jahre, wobei 98 Millionen Jahre der wahrscheinlichste Wert sei. 1869 erklärte Thomson, dass dieser Zeitrahmen für eine Evolution nach den von Darwin angenommenen Mechanismen zu kurz sei. Karl Alfred von Zittel nahm 1875 an, dass eine Schätzung des Erdalters mit 2 Milliarden Jahren nicht zu hoch gegriffen sei. Ernst Haeckel gab, bezogen auf die heute als gültig anerkannten Werte, zu geringe Zeiträume an (siehe Gegenüberstellung).

Ein Problem der Zeitschätzung, das erst die Kernphysik am Anfang des 20. Jahrhunderts lösen konnte, war die Frage der Energieversorgung der Erde durch die Sonne. Kein vorher bekannter Prozess konnte erklären, warum unsere Sonne länger als einige 10.000 Jahre das Leben auf der Erde mit Licht und Wärme hätte versorgen können.

[Bearbeiten] Moderne Angaben

Moderne Methoden zur absoluten Altersbestimmung basieren auf radioaktivem Zerfall.

  • 1911 datierte Arthur Holmes (1890-1965) den Beginn des Kambriums auf etwa 600 Millionen Jahre, was sehr nahe am heute akzeptierten Wert von 590 Millionen Jahre liegt.
  • Die 1946 eingeführte Radiokarbonmethode ermöglicht die Datierung von Fossilien bis 50.000 Jahren Alter.
  • Fritz G. Houtermans (1903-1966) nutzte 1953 Uran-Blei Isotopenmessungen und berechnete ein Erdalter von 4,5 Milliarden Jahren.
  • Clair Cameron Patterson (1922 - 1995) veröffentlichte 1953 auf einer wissenschaftlichen Konferenz das bis heute akzeptierte Alter der Erde von 4,55 Milliarden Jahren, welches auf der Uran-Blei-Datierungsmethode beruhte.
Vergleich der Erdzeitalter
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Vergleich der Erdzeitalter

Gegenüberstellung ausgewählter Zeitangaben:

Erdzeitalter Haeckel 1905 modern
Quartär 0,3 0,01
Tertiär 3 55
Mesozoikum 11 203
Paläozoikum 34 282
Präkambrium 52 3310
Summe 100,3 3850,01

(Angaben in Millionen Jahre)

Derzeit gültige Zusammenstellung der geologischen Zeitskala mit Zeitangaben für die einzelnen Epochen.

[Bearbeiten] Evolutionsfaktoren

Die phylogenetische (stammesgeschichtliche) Veränderung der Organismen wird durch drei Mechanismen erzeugt:

  1. Genetische Variabilität (Genetische Variation): Durch Mutationen und Rekombinationen werden neue Gene und damit neue Eigenschaften erzeugt.
  2. Selektion (Auslese): Diese neuen Eigenschaften werden durch die Umwelt entweder eliminiert oder durch Vererbung an die nächste Generation weitergegeben.
  3. Zufallswirkungen: siehe Gendrift und Gründereffekt. Die Verbreitung von Zufallswirkungen wird unterstützt durch Isolation.

[Bearbeiten] Artbildung (Speziation)

Die Bildung neuer Arten (siehe auch: Artbildung) beruht im Wesentlichen auf reproduktiver Isolation: reproduktiv voneinander isoliert sind Lebewesen, wenn sie nicht in der Lage sind, gemeinsam fortpflanzungsfähige Nachkommen zu zeugen. Dies erfolgt in drei Schritten:

  1. Zwei (selten auch mehrere) Populationen einer Art sind durch Barrieren voneinander getrennt. Normalerweise ist dies eine geographische Isolation, beispielsweise durch geologische (Gebirgsbildung, Grabenbrüche), klimatische Vorgänge oder die Neubesiedlung von Inseln oder anderen abgetrennten Lebensräumen. Eine reproduktive Isolation kann auch durch andere ökologische Faktoren (neue Nahrungsquelle und damit veränderte Mikrohabitate) oder Verhaltensänderungen initiiert werden.
  2. Getrennte Evolution beider Populationen, die zu unterschiedlichen Genpools führt (zum Beispiel durch Mutation oder Gendrift)
  3. Entwicklung genetischer Inkompatibilitäten, die die Vermischung der Arten auch bei Wegfall der Barrieren verhindern sowie von Verhaltensänderungen, die die Kopulation unwahrscheinlich machen.

Die Mechanismen der reproduktiven Isolation lassen sich unterscheiden in

[Bearbeiten] Exkurs zur Wissenschaftlichkeit der Evolutionstheorie

Die Evolutionstheorie besteht aus Kernaussagen, Indikator- und Hilfshypothesen. Sie entspricht den Minimalanforderungen einer wissenschaftlichen Theorie:

  1. Sie weist innere Widerspruchsfreiheit (interne Konsistenz) auf, enthält also keine logisch widersprüchlichen Aussagen.
  2. Sie ist überprüfbar und logisch falsifizierbar, weist also Schlussfolgerungen auf, deren Negation möglich ist. (Beispiel: Wenn die Evolutionstheorie zutrifft, müssen die Fossilien abgestufter Ähnlichkeit in entsprechender Reihenfolge auftreten. Ein chaotisches oder gleichzeitiges Auftreten würde diese Aussage falsifizieren.)
  3. Sie weist Erklärungsmacht auf und ist damit in der Lage, bislang ungeklärte Sachverhalte zu erklären.
  4. Sie weist Vorhersagemacht auf und ist damit in der Lage, Geschehen vorherzusagen. So hat Darwin, zum Beispiel, die Entdeckung so genannter Missing Links vorhergesagt.
  5. Sie weist äußere Widerspruchsfreiheit auf (externe Konsistenz), fügt sich also in ein Netz naturwissenschaftlicher Theorien ein und wirkt auf diese befruchtend zurück. Beispiele: Paläontologie, Biogeographie, Plattentektonik, Kosmologie, Kernphysik (Zerfallsgesetze, radiometrische Datierung), Chemie, Systemtheorie ...

Bestimmte Beobachtungen haben dazu geführt, die Evolutionstheorie aufzustellen (siehe Darstellung der historischen Entwicklung der Evolutionstheorie).

Weitere, neuere Beobachtungen werden daraufhin geprüft, ob sie durch die Evolutionstheorie hinreichend erklärt werden können. Wenn ja, ist dies eine Bestätigung ihrer Richtigkeit, wenn nein liegen mehrere Gründe und Konsequenzen vor:

  1. Die Beobachtung ist nicht genau genug oder es werden Artefakte beobachtet. Abhilfe erfolgt durch Änderung der Beobachtungsmethode. In manchen Fällen muss abgewartet werden, bis die Beobachtungstechnik und die dafür notwendige Theorie entwickelt worden ist. (Beispiel: Haeckel und das "biogenetische Grundgesetz")
  2. Das Erklärungsmodell ist noch nicht vollständig oder ungenau und muss noch ergänzt oder präzisiert werden.
  3. Das Modell wird durch die Beobachtung falsifiziert und muss durch ein anderes ersetzt werden (Paradigmenwechsel)

Inzwischen ist die Evolutionstheorie so komplex und wird von so vielen Erkenntnissen auch auf außerbiologischen Gebieten gestützt (Physik, Chemie, Geologie), dass bis heute keine die komplette Theorie falsifizierende Beobachtung gemacht wurde. In der Regel konnten anscheinend widersprüchliche, durch die aktuelle Theorie nicht erklärte Befunde durch Erweiterung der Theorie erklärt werden (Beispiel: Erklärung der Evolution von Altruismus durch die Soziobiologie und Spieltheorie)

Eine Theorie löst aber nicht nur Probleme, sie wirft auch neue Fragen auf, die wiederum nach empirischer und theoretischer Auseinandersetzung verlangen. Dieser Prozess aus neuen empirischen Daten und neuen theoretischen Fragestellungen, und Neuinterpretation alter Daten: im Laufe der historischen Entwicklung der Evolutionstheorie z.B. den Fragen nach den Mechanismen der Vererbung, der Dynamik von Populationen, dem tatsächlichen Verlauf spezifischer Evolutionen wie der Stammesgeschichte des Menschen führt zu einem immer weiter verfeinerten theoretischen Konzept.

[Bearbeiten] Weiterentwicklungen

Die Evolutionstheorie in ihrer gegenwärtig akzeptierten Form kann zwar viele biologische Phänomene erklären, einige speziellen Aspekte allerdings nur mit zurzeit noch umstrittenen Zusatzannahmen. Vorschläge dafür bestehen, doch erfordert ihre allgemeine Akzeptanz zurzeit noch weitere Abklärungen. Dazu gehören insbesondere:

Ansätze zur Erklärung von problematischen Fragestellungen, insbesondere von Verhaltensweisen und Lebensformen, die sich nicht offensichtlich einem oftmals zu sehr vereinfachtem Evolutionsmechanismus - zum Teil durch ungenaue Übersetzungen - ("Überleben des Stärkeren" vs. "survival of the fittest", "Kampf ums Dasein vs. "struggle for life"), unterordnen lassen, liefern die Soziobiologie und die biologische Spieltheorie. Da diese wissenschaftlichen Paradigmen noch nicht vollständig akzeptiert, verstanden und etabliert sind, müssen sie noch weiter in das Konzept der Evolution eingebunden werden, um die Evolutionstheorie zu vervollständigen. Bisherige Erfahrungen zeigen jedoch, dass sich Ansätze etwa aus der Soziobiologie gut in die synthetische Evolutionstheorie integrieren lassen.

[Bearbeiten] Politischer und religiöser Stellenwert

Aufgrund der weltanschaulichen Bedeutung der Evolutionstheorien wird sie auch politisch bekämpft oder ausgebeutet. Historisch sind vor allem die sozialdarwinistischen oder rassistischen Ausbeutungen der Theorie zu nennen (z.B. sozialdarwinistisch begründeter Rassismus in der Zeit des Nationalsozialismus). Andererseits galt Darwinismus z.B. als sozialdemokratisch (ein Vorwurf im Kaiserreich), marxistisch (bei einem Teil der NSDAP) bzw. als positiver Bezugspunkt der Arbeiterbildung oder wurde als Utopie des Züchtungsstaates mit eugenischen Theorien in Zusammenhang gebracht. Evolutionstheoretiker haben sich auf den unterschiedlichsten Fronten dieses Kampfes auch politisch betätigt.

Mit einigen religiösen Gruppierungen besteht seit der Veröffentlichung von Darwins Die Entstehung der Arten eine Kontroverse, die sich vor allem in den USA um die Thematik der Evolution im Schulunterricht dreht. Besonders in einem Religionsunterricht, der sich eng an den Wortlaut der biblischen Schöpfungsgeschichte hält, wird der Gegensatz zum heutigen wissenschaftlichen Kenntnisstand offensichtlich. Sofern die Kritik an Darwin und dem Ergebnis der Evolutionsforschung sich auf die biblische Schöpfungsgeschichte stützt, wird sie in der Öffentlichkeit als Kreationismus bezeichnet.

[Bearbeiten] Evolutionsfaktoren

Hauptartikel: Evolutionsfaktoren

Als Evolutionsfaktor oder Evolutionsmechanismus bezeichnet man alle Vorgänge und Prozesse, die zu Veränderungen der Allelfrequenzen im Genpool einer Population führen. Die Züchtung von Nutz-, Haus- und Zootieren, vor allem aber von Nutz- und Zierpflanzen stellt eine der wenigen Möglichkeiten dar, Evolutionsfaktoren auch experimentell zu untersuchen.

[Bearbeiten] Mutation

Hauptartikel: Mutation

Mutation ist ein Mechanismus, der zur genetischen Variation führt. Veränderungen im genetischen Material können auf verschiedene Weise erfolgen (bei Modifikationen findet keine solche Veränderung statt).

Punktmutationen
Durch Röntgenbestrahlung konnte aus der zweizeiligen Gerste eine sechszeilige und mehltauresistente Mutante erzeugt werden, wobei nur einzelne Basen in der Basensequenz der DNA verändert sind (Punktmutation).
Segmentmutationen
Beim Wildweizen Triticum aestivum unterscheidet sich die eingrannige variatio baidaricum von der zweigrannigen var. stramineonigrum durch eine Translokation eines Chromsomenabschnittes (Segmentmutation).
Genommutationen
Bei Genommutationen findet eine Vermehrung des genetischen Materials durch Polyploidisierung (Vervielfachung des Chromosomensatzes) oder Polytänisierung (Vervielfachung der Chromatide eines Chromosoms). Dies führt bei den Pflanzen - 47 % aller Bedecktsamer (Magnoliophyta) sind polyploid - oft zu einer Größenzunahme von Organen und Zellen und zu einer Erhöhung des Gehalts an bestimmten Stoffen (Gigaswuchs, Luxurierung). Diese Veränderungen des Genoms treten nicht nur bei der Züchtung von Kulturpflanzen sondern auch bei Wildpflanzen unter natürlichen Bedingungen auf.

Polyploidisierungen führen in der Regel auch zu reproduktiver Isolation.

Beispiele:

Auf Grund von Genomuntersuchungen lässt sich der Verlauf der Entstehung der mehr als 20 Sorten des Weizens rekonstruieren. Dabei spielt der Mechanismus der Polyploidisierung durch Hybridisierung (Bastardisierung) eine besondere Rolle: Neue Merkmale entstehen durch Vermehrung des Genoms: So gehen die 42 Chromosomen des hexaploiden Genoms (AABBDD) bei Triticum aestivum (Saatweizen, früheste Funde ca. 6000 v. Chr. in Anatolien) auf die jeweils 14 Chromosomen von drei Stammarten zurück:

  1. Triticum boeticum (Wildeinkorn, früheste Funde in Syrien, ca. 8000 v. Chr.)
  2. Triticum searsii, aus dem durch Vermischung mit dem Wildeinkorn der Wildemmer Triticum dicoccoides mit 28 Chromsomen (Genom AABB) entstand. (Früheste Funde des Kultur-Emmers Triticum dicoccum ca. 7000 v. Chr. im Iran.)
  3. Zuletzt steuerte der Ziegenweizen Aegilops squarrosa sein Genom (DD) bei.

Bei Tieren ist eine Bastardisierung zwischen verschiedenen Arten oder gar Gattungen nicht bekannt.

[Bearbeiten] Genomgröße und Bedeutung von repetitiven Sequenzen

Ein Vergleich der Genom-Größe mit der Komplexität und des Organisationsgrades des Organismus ergibt keinen direkten Zusammenhang: Die Größe des Genoms hat nichts mit der Komplexität von Organismen zu tun. Diese Tatsache wird auch C-Wert-Paradox genannt (C-Wert bezeichnet auch die Genomgröße).

Genom-Größe in Abhängigkeit von der Organisationsstufe
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Genom-Größe in Abhängigkeit von der Organisationsstufe

Die höchste DNA-Menge weisen einfache Eukaryoten wie einige Amöben und die Urfarne (Psilopsida) mit rund einer Billion Basenpaare auf. Diese Arten enthalten einzelne Gene als tausendfache Kopien, die nicht durch Polyploidisierung entstanden sein können, und lange, nicht-Protein-codierende Abschnitte. Der Mensch besitzt mit 3,3 Milliarden Basenpaaren weniger als ein Prozent dieser DNA-Menge.

Dennoch kommen auch im menschlichen Genom Sequenzen in hoher Wiederholungszahl vor, die man als Satelliten-DNA bezeichnet. So liegt z. B. ein etwa 300 Basenpaare langes DNA-Stück, die sogenannte "Alu-Sequenz" in ungefähr 300.000 Kopien vor und macht damit 3% der gesamten DNA aus. (Die Gesamtmenge repetitiver Sequenzen beträgt beim Menschen über 40 Prozent, die kodierende DNA macht nur 2 bis 3 Prozent der Gesamt-DNA aus.)

Bei der Meiose (seltener bei anderen Zellteilungen) kommt es zum Austausch von Sequenzen zwischen den doppelt vorliegenden Chromosomen. Dies geschieht durch eine oder mehrere Überkreuzungen und Neuverknüpfungen an sehr ähnlichen Sequenzen ["crossing over"). Durch die Vielzahl von repetitiven Elementen im Genom kann es jedoch passieren, dass nicht zwei gleiche Stränge ausgetauscht werden ("äquales Crossing-over"), sondern dass der Strangaustausch inäqual zwischen zwei nicht an der gleichen Stelle liegenden Sequenzen verläuft. Somit verliert das eine Chromosom Gene, beim anderen verdoppeln sich diese. Diese beiden Genkopien können sich, wenn sie weitervererbt werden, unabhängig von einander weiterentwickeln und u.U. weiter durch inäquales Crossing-over "vermehren". Dadurch kommt es zur Entstehung von Genfamilien, wie z. B. die Globin-Gene. Da das „Ur-Gen“ bestehen bleibt, können die Genkopien frei mutieren, ohne dass der Organismus Schäden davontragen muss. Dadurch können Gene mit neuer, meist jedoch ähnlicher Funktion entstehen.

[Bearbeiten] Horizontaler Gentransfer

Hauptartikel: Horizontaler Gentransfer

Beim Horizontalen Gentransfer wird DNA zwischen verschiedenen Arten übertragen. Dies ist bei Bakterien ein häufig anzutreffender Vorgang, die aus der Umgebung freie DNA aufnehmen und in ihr Genom integrieren können.

Auch höhere Lebewesen können DNA von anderen Lebewesen integrieren, wie das folgende Beispiel zeigt.

[Bearbeiten] Retroviren-Gene

Im menschlichen Genom befinden sich 5 Amylase-Gene. Zwei davon sind in der Bauchspeicheldrüse aktiv und drei in den Speicheldrüsen, die in die Mundhöhle münden. Viele andere Säugetiere besitzen keine Amylase-Aktivität im Speichel. Sie besitzen zwar auch in den Zellen der Speicheldrüsen die Gene für Amylase wie in der Bauchspeicheldrüse. Diese sind aber gewebespezifisch inaktiviert. Durch Integration einer LTR-Sequenz eines Retrovirus konnten beim Menschen die Amylase-Gene auch in den Speicheldrüsen des Mundes aktiviert werden, wodurch Stärke-haltige Nahrung besser verdaut werden konnte.

[Bearbeiten] HERVs im menschlichen Genom

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Im Genom der Primaten befinden sich die Genome von zwei Retro-Viren (HERV-H und HERV-K), die zu unterschiedlichen Zeiten integriert und vermehrt wurden. Ihre Evolution lässt sich auf Grund der Unterschiede in der Basensequenz rekonstruieren.

[Bearbeiten] Rekombination

Bei der sexuellen Fortpflanzung werden zunächst in der Meiose aus diploiden Urkeimzellen haploide Keimzellen erzeugt. Hierbei kommt es zur Neukombination (Rekombination) des mütterlichen und väterlichen Erbgutes des sich fortpflanzenden Individuums:

  1. Durch Crossing over entstehen Mosaikchromatide, die sowohl mütterliches als auch väterliches Erbgut enthalten. Die Frequenz des crossing overs und somit die Rekombinationsrate variiert jedoch stark zwischen verschiedenen Organismen.
  2. Die Aufteilung der Chromosomen während der Reduktionsteilung auf die beiden Tochterzellen führt zu einer zufälligen Kombination von mütterlichen und väterlichen Chromosomen in einer Keimzelle. Bei n Chromosomenpaaren ergeben sich 2n Kombinationsmöglichkeiten. Durch die Befruchtung ergeben sich dann bei den Zygoten 2n X 2n verschiedene Möglichkeiten. (Beispiel Mensch mit 23 Chromosomenpaaren: 223 X 223= ca. 70.000.000.000.000 (70 Billionen) verschieden Zygoten.)

[Bearbeiten] Heterozygotie und Genkopplung

Der Anteil heterozygoter Genorte, indirekt ermittelt durch Gelelektrophorese der Proteine, beträgt bei den Organismen 5 bis 20 Prozent. Die höchsten Anteile haben dabei im Durchschnitt wirbellose Tiere (13 %) und Pflanzen mit Fremdbestäubung (18 %). Wirbeltiere und Pflanzen mit Selbstbestäubung weisen einen Heterozygotie-Grad von 6 % auf.

Würden die heterozygoten Genorte alle auf n verschiedenen Chromosomen liegen, könnten sich durch die Meiose 2n verschiedene Keimzellen bilden. Bei einem Organismus mit 10000 Genorten, von welchen 10 % heterozygot sind, ergäben sich damit 21000 verschiedene Keimzellen.

Diese Zahl verringert sich aber deutlich, da diese Gene auf wenige Chromosomen verteilt sind und somit gekoppelt weiter gegeben werden. Durch Kopplungsbrüche während der Meiose (Crossing over), können sie zwar wieder voneinander getrennt werden, diese Brüche sind aber relativ selten. Eine Erhöhung der Chromosomenzahl würde damit eine Erhöhung der Variabilität bedeuten. Andererseits bedeutet die Kopplung von Genen auch einen Vorteil, wenn ein Ensemble von Genen schon eine hohe Optimierungsstufe einnimmt und ein Kopplungsbruch zur Verminderung des Anpassungswertes führen würde.

Eine Feinabstimmung in der Variabilität liegt darin, dass die Austausch-Häufigkeit von väterlichen und mütterlichen Allelen beim crossing over vom Abstand der Genorte voneinander und vom Zentromer abhängt: Je weiter entfernt sie voneinander und vom Zentromer liegen, um so häufiger findet ein Austausch statt. Genensembles, die als funktionelle Einheit erhalten bleiben sollen, sind deshalb häufig nahe beieinander auf dem selben Chromosom in der Nähe des Zentromers zu finden.

Wird der Grad der Heterozygotie durch Vergleich der Basensequenzen der DNA ermittelt, ergibt sich, dass praktisch jeder Genort in einem Organismus heterozygot ist. Dass die Variabilität im Phänotyp dann nicht ebenfalls so hoch ist, liegt daran, dass nicht jeder Unterschied in der Basensequenz einen Unterschied im Phänotyp bewirkt:

  • Veränderungen in der 3. Base eines Basentripletts führen nicht immer zu einer anderen Aminosäuresequenz (siehe Genetischer Code),
  • Änderungen der Aminosäuresequenz eines Enzyms, die nicht die Substrat- oder Hemmstoff-Bindungsstellen und das katalytische Zentrum betreffen, verändern die Eigenschaften des Enzyms meist nicht wesentlich,
  • Änderungen in den nicht-codierenden Abschnitten der Introns wirken sich in der Regel nicht auf den Phänotyp aus.
  • Bei einem dominant-rezessiven Erbgang ergeben die Genotypen, die wenigstens ein dominantes Allel enthalten (AA und Aa) den selben Phänotyp. Erst bei dem homozygot-rezessiven Genotyp (aa) erscheint auch der andere Phänotyp. (Bei einem intermediären Erbgang ergibt jede Allelkombination AA, AB, BB einen anderen Phänotyp.)

[Bearbeiten] Selektion

[Bearbeiten] Künstliche Selektion

Die Evolution der Nutzpflanzen wird durch den Menschen dadurch gesteuert, dass er nur Organismen mit bestimmten Eigenschaften zur Fortpflanzung zulässt und die übrigen eliminiert.

[Bearbeiten] Verlauf der Evolution

[Bearbeiten] Evolution des genetischen Codes, des Genoms, von Stoffwechselwegen, der Zelle

[Bearbeiten] Multigen-Familie

Eine Multigen-Familie besteht aus mehrfachen identischen oder sehr ähnlichen Genen.

Beispiele:

  • rDNA: im Genom des Salamanders befinden sich Hunderte identischer Gene, die die Sequenz der ribosomalen RNA (rRNA) codieren. Jedes dieser Gene liefert eine RNA-Abschrift, die in die drei Typen der rRNA (18 S, 5,8 S und 28 S) zerschnitten wird. Auf diese Weise können in kurzer Zeit die für die Proteinbiosynthese notwendigen Millionen von Ribosomen einer Zelle hergestellt werden.
  • Hämoglobin: Die Multigen-Familie des Globins, der Eiweißkette des Hämoglobins, besteht aus nicht identischen, aber sehr ähnlichen Genen, deren wahrscheinliche Entstehung im Laufe der Evolution rekonstruierbar ist: Aus einem „Ur-Globin-Gen“ entstanden durch Duplikation zwei identische Kopien. Diese wurden durch unterschiedliche Mutationen verändert und bildeten die Vorläufer der alpha- und beta-Globin-Familien. Durch Transposition gelangten diese auf verschiedene Chromosomen. (Die alpha-Globinfamilie ist heute auf Chromosom 16, die beta-Globin-Familie auf Chromosom 11 zu finden.) Dort unterlagen diese beiden Vorläufergene weiteren Duplikationen und Mutationen. Heute bestehen die beiden Familien aus 7 codierenden Genen, die zu unterschiedlichen Zeiten der Entwicklung des Menschen aktiviert werden und jeweils paarweise die 4 Untereinheiten des Hämoglobins bilden. Dadurch hat sich im Laufe der Evolution eine Optimierung in der Anpassung an das physiologische Milieu des jeweiligen Entwicklungszustandes ergeben. Zu den Gen-Familien gehören auch mehrere Pseudogene mit ähnlicher Struktur, die aber nicht exprimiert werden können, da ihnen zum Beispiel die Promotoren fehlen. Durch Vergleich mit dem Stammbaum der Tiere, die mit diesen Genversionen ausgestattet sind, lässt sich auch der Zeitpunkt der ersten Verdopplung rekonstruieren: er fand vor ca. 500 Millionen Jahren statt.
  • Alpha2(I)-Gen des Kollagens: Die Ur-Sequenz bestand wahrscheinlich aus 9 Basenpaaren. Durch sechsmalige Duplikation entstand eine Einheit von 54 Basenpaaren. Dieses „Ur-Exon“ wurde etwa 50 Mal vervielfältigt. Dabei entstanden auch längere Exons, deren Basenzahl aber immer durch 9 teilbar ist.

Weitere Beispiele, die sich auf kurze „Ur-Sequenzen“ zurückführen lassen:

[Bearbeiten] Geschlechtschromosomen

Hauptartikel: Gonosom

Ein Beispiel für die Komplexität der Evolution auf der Ebene der Chromosomen zeigt die unabhängige Entwicklung von Geschlechtschromosomen aus ursprünglich homologen Chromosomenpaaren bei Säugern (Siehe Evolution des Y-Chromosoms), Insekten und Vögeln. Diese Entwicklung scheint aber immer nach einem bestimmten Schema abzulaufen:

  • Durch Mutationen wird die Austauschhäufigkeit zwischen zwei homologen Chromosomen stark unterdrückt.
  • Bei dem geschlechtsbestimmenden Chromosom degenerieren die nicht-rekombinierenden Abschnitte. (Bei Säugern das männlichkeits-bestimmende Y-Chromosom, bei Vögeln und Schmetterlingen das weiblichkeits-bestimmende W-Chromosom.)
  • Ansammlung von Fertilitätsgenen auf dem Geschlechtschromosom.
  • Kompensation der Genverluste auf dem anderen Chromosom (X bei Säugern, Z bei Schmetterlingen und Vögeln).

[Bearbeiten] Stammesgeschichte der Lebewesen

[Bearbeiten] Methoden der Evolutionsbiologie

[Bearbeiten] Systematik

Eine wichtige Technik, um sich einen Überblick der stammensgeschichtlichen Entwicklung zu verschaffen, bieten phylogenetische Stammbäume als eine Systematik der Biologie für die Kladistik.

[Bearbeiten] Teilbereiche der Evolutionsbiologie


Einerseits liefern genannte Bereiche experimentelle Hinweise zur Evolution, andererseits liefert die Evolutionstheorie ein vereinheitlichendes Bild innerhalb und zwischen den Bereichen.

[Bearbeiten] Zitate

  • Im ersten Schritt entsteht Variation durch Mutation und Rekombination, und im zweiten Schritt werden die Varianten durch Elimination ausgelesen. (Ernst Mayr)

[Bearbeiten] Siehe auch

Zeittafel der Evolutionsforschung

Die Evolution einzelner Arten, Gattungen, Familien, Ordnungen etc. ist unter dem Namen der betreffenden Art, Gattung, Familie oder Ordnung abgehandelt, so beispielsweise die Pferdeevolution unter dem Stichwort Pferde.

[Bearbeiten] Literatur

  • Ernst Mayr: Artbegriff und Evolution, Parey-Verlag, Hamburg 1967.
    • Bis heute der Klassiker der modernen Evolutionsbiologie, verfasst vom berühmtesten Evolutionsbiologen des 20. Jahrhunderts. Mit einer Fülle von ausgewerteten Dokumentationsmaterialien zur Evolution auf über 600 Seiten.
  • Douglas J. Futuyma: Evolutionsbiologie. Aus dem Englischen übersetzt und bearbeitet von Barbara König. Birkhäuser Verlag, Basel 1990.
    • Modernes, ebenfalls über 600 Seiten starkes Lehrbuch.
  • Günther Osche, Evolution. Grundlagen, Erkenntnisse, Entwicklungen der Abstammungslehre, Herder-Verlag, Freiburg 1972.
    • Leicht verständliche, kurze Einführung in die Evolutionsbiologie.
  • Charles Darwin: Die Entstehung der Arten, Reclams Universal Bibliothek 3071
  • Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl, GLB PARKLAND Verlags- und Vertriebsgesellschaft mbH, (2000) ISBN 388059984X
    • Grundlegendes, bereits im 19. Jahrhundert verfasstes Buch über die Evolutionstheorie. Sehr umfangreich, dennoch lesenswert. Ein Klassiker.
  • Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen, Kröner, 2002
    • Erst 1871 - zwölf Jahre nach Erscheinen seines das Denken revolutionierenden Werkes "Die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl" - wagte es der britische Naturforscher Charles Darwin (1809-1882), die Zeitgenossen mit seinem Buch "Die Abstammung des Menschen" zu konfrontieren, in dem er seine Evolutions- und Selektionslehre auf Entwicklung und Herkunft des Homo sapiens anwendet.
  • Sven P. Thoms: Ursprung des Lebens, Fischer 2005 ISBN 3-5961-6128-2
    • Dieser aktuelle Band behandelt die Frage, wie die biologische Evolution überhaupt in Gang gekommen ist; wie die ersten evolvierenden Systeme (Zellen) entstanden sind, von denen alle heute existierenden Lebewesen abstammen.
  • Ulrich Kull: Die Evolution des Menschen, J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung Stuttgart, 1979, ISBN 3476201147
  • Ulrich Kutschera: Evolutionsbiologie, 2. Auflage, Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart, 2006, ISBN-10 3-8252-8318-6
  • Werner Ebeling: Physik der Evolutionsprozesse, Akademie-Verlag, Berlin, ISBN 3055006224
  • Hoimar von Ditfurth: Am Anfang war der Wasserstoff, Knaur, ISBN 342603395X
  • Hoimar v. Ditfurth: Der Geist fiel nicht vom Himmel, Hoffmann und Campe, ISBN 3455089674
  • Jörg Blech, Rafaela von Bredow, Johann Grolle: Darwins Werk, Gottes Beitrag. Der Spiegel 52/2005, S. 136 - 147 (2005), ISSN 0038-7452
  • Wuketits, Franz M. (2005): Evolution. Die Entwicklung des Lebens. (Beck Wissen) München: Beck.
    • Kompakte und verständliche Einführung auf 100 Seiten
  • Ernst Mayr: Das ist Evolution. Goldmann 2005, ISBN 3442153492 (Der zur Zeit beste allgemeinverständliche Überblick über alle Fragen der Evolutionstheorie, verfasst vom berühmtesten Evolutionsbiologen des 20. Jahrhunderts.)
  • Ernst Mayr: Artbegriff und Evolution. Parey-Verlag, Hamburg/Berlin 1967, (Voluminöser Klassiker der Evolutionstheorie für Biologen mit einer Fülle von wissenschaftlich belegtem Dokumentationsmaterial.)
  • Rupert Riedl: Riedls Kulturgeschichte der Evolutionstheorie. Die Helden, ihre Irrungen und Einsichten. Springer-Verlag, Berlin 2003, ISBN 3-540-43668-5
  • Heinrich Meier (Hrsg.): Die Herausforderung der Evolutionsbiologie. 3. Auflage. Piper-Verlag, München 1992 (Serie Piper, Band 997), ISBN 3-492-10997-7
  • Ulrich Kutschera: Evolutionsbiologie. Eine allgemeine Einführung. Blackwell Wissenschafts-Verlag, Parey 2001, ISBN 3-8263-3348-9
  • Mathias Gutmann: Die Evolutionstheorie und ihr Gegenstand. Beitrag der Methodischen Philosophie zu einer konstruktiven Theorie der Evolution. Verlag für Wissenschaft und Bildung, Berlin 1996 (Studien zur Theorie der Biologie, Band 1), ISBN 3-86135-045-9
  • Sven P. Thoms: Ursprung des Lebens. Frankfurt: Fischer 2005 ISBN 3-5961-6128-2
  • Richard Dawkins: The Selfish Gene. Reissued in new covers. Oxford University Press, Oxford 1999, ISBN 0-19-286092-5 (dt.: Das egoistische Gen)
  • Richard Dawkins: The Blind Watchmaker. Reissued. Penguin, London u.a. 2000, ISBN 0-14-029122-9
  • David Quammen: Der Gesang des Dodo. Eine Reise durch die Evolution der Inselwelten. Ullstein-Taschenbuchverlag, München 2001, ISBN 3-548-60040-9

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[Bearbeiten] Weblinks

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