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Navier-Stokes-Gleichungen

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Die Navier-Stokes-Gleichungen sind die Grundgleichungen der Strömungsmechanik. Sie beschreiben die Strömungsgeschwindigkeit und die Druckverteilung in Newtonschen Flüssigkeiten und Gasen und stellen somit eine Verallgemeinerung der Newtonschen Grundgleichung auf den Fall eines Kontinuums dar. Die Navier-Stokes-Gleichungen verkörpern ein System von nichtlinearen partiellen Differentialgleichungen 2. Ordnung.

Die Gleichungen sind nach dem Franzosen Claude Louis Marie Henri Navier und dem Briten George Gabriel Stokes benannt. Beide hatten unabhängig voneinander in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts (1827 bzw. 1845) den Impulssatz für Newtonsche Fluide, wie Wasser, Luft oder Öle in differentieller Form formuliert. Der Impulssatz ist der Kern der Navier-Stokes-Gleichungen; je nach Art des betrachteten Fluids müssen jedoch noch der Massenerhaltungssatz und der Energieerhaltungssatz zur Vervollständigung der Gleichungen hinzugefügt werden. In Vektorschreibweise besitzen die Navier-Stokes Gleichungen in ihrer allgemeinsten Schreibweise die Form

\rho{ \partial\mathbf{u} \over \partial t } +  \rho(\mathbf{u} \cdot \nabla) \mathbf{u}   =-\nabla p +  \eta \Delta \mathbf{u} +  (\lambda + \eta) \nabla (\nabla \cdot \mathbf{u})+\mathbf{f}.

Die am häufigsten verwendete Form ist die weiter unten erläuterte inkompressible Navier-Stokes Gleichung. Der Vektor \mathbf{f} (Volumenkraft) beschreibt die Volumenkraftdichte wie beispielsweise die Gravitation oder die Corioliskraft und besitzt die Einheit Newton/Kubikmeter. Die Stoffkonstanten λ und η heißen Viskositäten und werden als bekannt vorausgesetzt. In Verbindung mit der Kontinuitätsgleichung (Erhaltungssatz der Masse)

{ \partial\mathbf{\rho} \over \partial t } +  \nabla \cdot (\mathbf{\rho u})  = 0

ergibt sich, falls die Dichte entlang Teilchenbahnen konstant ist, die Divergenzfreiheit des Geschwindigkeitsfeldes

\nabla \cdot \mathbf{u} = 0,

welche ein inkompressibles Fluid charakterisiert und damit ein partielles Differentialgleichungssystem mit vier Gleichungen für die vier Größen Geschwindigkeit \mathbf{u}(x,t)=(u,v,w) und Druck p(x,t), die so genannten inkompressiblen Navier-Stokes-Gleichungen mit Dichtevariation.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Die inkompressiblen Navier-Stokes-Gleichungen

Ist die Dichte eines Fluids konstant, so vereinfachen sich die Gleichungen zu

{\partial\mathbf{u} \over \partial t } +  (\mathbf{u} \cdot \nabla) \mathbf{u}  =  -\nabla p +  \nu \Delta \mathbf{u}+\mathbf{f}, \; \nabla \cdot \mathbf{u} = 0.

Hierbei stehen p und f jeweils für den Quotient aus physikalischem Druck und Dichte beziehungsweise Kraftdichte und Dichte. Die Größe ν = η / ρ heißt kinematische Viskosität und beschreibt den diffusiven Impulstransport. Die vorliegenden Gleichungen werden in der Literatur üblicherweise als die Navier-Stokes-Gleichungen bezeichnet, weil sie die am besten untersuchten und in der Praxis am häufigsten benutzten sind. Sie gelten für viele wichtige Strömungsprobleme, beispielsweise für Luftströmungen weit unterhalb der Schallgeschwindigkeit, für Wasserströmungen sowie für flüssige Metalle. Sobald sich die Dichten der betrachteten Fluide jedoch stark ändern, wie zum Beispiel bei Überschallströmungen oder beim Aufsteigen heißer Luft über einem Waldbrand, stellen die inkompressiblen Navier-Stokes Gleichungen kein geeignetes Modell der Wirklichkeit mehr dar und müssen durch die vollständigen Navier-Stokes Gleichungen ersetzt werden.

[Bearbeiten] Lösungsansätze

Es ist bis heute nicht gelungen, die Existenz von globalen Lösungen nachzuweisen. Mathematiker wie P.-L. Lions (siehe Literaturliste) betrachten im wesentlichen den wichtigen Spezialfall der inkompressiblen Navier-Stokes-Gleichungen. Während hier für den zweidimensionalen Fall unter anderem von R. Temam und C. Foias bereits weitreichende Existenz-, Eindeutigkeits- und Regularitätsaussagen bewiesen werden konnten, gibt es bislang keine Resultate für den allgemeinen dreidimensionalen Fall, da hier einige fundamentale Einbettungssätze für sogenannte Sobolevräume nicht mehr eingesetzt werden können. Allerdings gibt es für endliche Zeiten oder spezielle, insbesondere kleine, Anfangsdaten auch im dreidimensionalen Fall - vor allem für schwache Lösungen - Existenz- und Eindeutigkeitsaussagen.

Das Problem des allgemeinen, inkompressiblen Existenzbeweises in drei Dimensionen gehört laut Clay Mathematics Institute zu den wichtigsten ungelösten mathematischen Problemen dieses Jahrhunderts.

In der Praxis gewinnt man analytische Lösungen, indem man die physikalischen Modelle/Randbedingungen vereinfacht (Spezialfälle). Besondere Schwierigkeit bereitet hier die Nichtlinearität der konvektiven Beschleunigung (\mathbf{u} \cdot \nabla) \mathbf{u}. Nützlich ist hierbei die Darstellung mit Hilfe der Vortizität \mathbf{\omega} = \nabla \times \mathbf{u} = \mathbf{rot}\;\mathbf{u}:

(\mathbf{u} \cdot \nabla) \mathbf{u} = \frac{1}{2} \nabla (\|\mathbf{u}\|)^2 + \mathbf{u} \times \mathbf{\omega}.

Geschlossene analytische Lösungen existieren fast nur für Fälle, in denen der zweite Term verschwindet. Dies ist bei der Annahme, dass bei 3-D Strömungen die Wirbel sich immer entlang der Stromline ausbilden (also dem Helmholtz-Wirbelsatz), also \mathbf{\omega} \| \mathbf{u} der Fall. Diese Annahme trifft aber nicht bei allen realen Strömungen zu.

Da die Theorie für praktische Probleme keine Lösungen bereitstellen kann, sind die Navier-Stokes-Gleichungen ein wichtiges Anwendungsfeld der numerischen Mathematik. Der Teilbereich, der sich mit der Konstruktion von numerischen Näherungsverfahren für die Navier-Stokes-Gleichungen beschäftigt, ist die numerische Strömungsmechanik oder Computational Fluid Dynamics (CFD).

[Bearbeiten] Die kompressiblen Navier-Stokes-Gleichungen

Die oben beschriebenen inkompressiblen Gleichungen sind ein Spezialfall der kompressiblen Navier-Stokes-Gleichungen (siehe Inkompressibles Fluid). Diese gelten für ein allgemeines ideales Gas. Sie bestehen aus den Gleichungen der Massenerhaltung

\partial_{\hat{t}} \hat{\rho} + \nabla_{\hat{x}} \cdot \hat{{\textbf m}} = 0,

der Impulserhaltung

\partial_{\hat{t}} \hat{m_{i}} + \sum_{j=1}^{3} \partial_{\hat{x}_{j}} (\hat{m_{i}} \hat{v_{j}} + \hat{p} \delta_{ij}) = \sum_{j=1}^{3} \partial_{\hat{x}_{j}} \hat{S}_{ij} + \hat{\rho} \hat{g}_{i}, \qquad i=1,2,3

wobei δij das Kroneckersymbol ist,

\hat{S}_{ij} = \hat{\mu} [(\partial_{\hat{x}_{j}} \hat{v}_{i} + \partial_{\hat{x}_{i}} \hat{v}_{j}) - \frac{2}{3} \delta_{ij} \sum_{k=1}^{3} \partial_{\hat{x}_{k}} \hat{v}_{k}], \qquad i,j=1,2,3

den viskosen Spannungs-Tensor beschreibt, wobei \hat{\mu} die dynamische Viskosität und \hat{g}_{i} die i'te Komponente des Gravitationsvektors ist, und der Energieerhaltung

\partial_{\hat{t}} \hat{\rho} \hat{E} + \nabla_{\hat{x}} \cdot (\hat{H} \hat{{\textbf m}}) = \sum_{j=1}^{3} \partial_{\hat{x}_{j}} \left (\sum_{i=1}^{3} \hat{S}_{ij} \hat{v}_{i} - \hat{W}_{j} \right) + \hat{q} - \hat{\rho} \hat{{\textbf u}} \cdot \hat{{\textbf g}},

wobei \hat{H} = \hat{E} + \frac{\hat{p}}{\hat{\rho}} die Enthalpie ist und \hat{W}_{j} der Wärmefluss ist, der mittels des Wärmeleitkoeffizienten \hat{\kappa} als

\hat{W}_{j} = -\hat{\kappa} \partial_{\hat{x}_{j}} \hat{T}

geschrieben werden kann. Die totale Energie pro Einheitsmasse \hat{E} ist die Summe von innerer, kinetischer und potentieller Energie:

\hat{E}=\hat{e} + \frac{1}{2} |\hat{{\textbf u}}^{2}| + \hat{h} |\hat{{\textbf g}}|.

Wir haben also vier Gleichungen für fünf Variablen und das System wird durch die Zustandsgleichung abgeschlossen:

\hat{p} = (\gamma -1) \hat{\rho} (\hat{E} - \frac{1}{2} |\hat{{\textbf u}}|^{2} - \hat{h} |\hat{{\textbf g}}|).

Die thermodynamischen Größen Dichte, Druck und Temperatur sind durch das ideale Gasgesetz verbunden:

\hat{T} = \frac{\hat{p}}{\hat{\rho} \hat{R}}.

Schließlich hängen der adiabatische Exponent γ und die Gaskonstante \hat{R} durch den spezifischen Wärmekoeffizienten für konstanten Druck \hat{c}_{p} respektive konstantes Volumen \hat{c}_{v} durch

\gamma = \frac{\hat{c}_{p}}{\hat{c}_{v}}

und

\hat{R} = \hat{c}_{p}-\hat{c}_{v}

zusammen. Unter der Annahme, dass die Dichte entlang Teilchenbahnen konstant ist, erhält man die Gleichungen für inkompressible Fluide zurück. Die Dächer auf den Variablen sollen darauf hinweisen, dass es sich um dimensionsbehaftete Größen handelt. Eine Entdimensionalisierung liefert diverse dimensionslose Kennzahlen.

[Bearbeiten] Vereinfachungen der Navier-Stokes-Gleichungen

Werden die Terme zweiter Ordnung, wie Reibung, vernachlässigt (η=0; λ=0), so erhält man die Euler-Gleichungen (hier für den inkompressiblen Fall)

\rho \left({ \partial\mathbf{u} \over \partial t } +  (\mathbf{u} \cdot \nabla) \mathbf{u}  \right)  =  \mathbf{f} -\nabla p.

Eine andere Art von Vereinfachungen ist in der Geodynamik üblich, wo der Mantel der Erde (oder anderer terrestrischer Planeten) als eine extrem zähe Flüssigkeit behandelt wird. In dieser Näherung ist die Diffusivität des Impulses, d. h. die kinematische Viskosität, viele Größenordnungen höher als die thermische Diffusivität, und der Trägheitsterm kann vernachlässigt werden; andererseits haben Geomaterialien eine komplizierte Rheologie, die dazu führt, dass die Viskosität nicht als konstant angesehen wird. Für den inkompressiblen Fall ergibt dies:

-\nabla p+ \nabla\cdot\{\eta[\nabla\mathbf{u}+(\nabla\mathbf{u})^\mathrm{T}]\}+ \mathbf{f}=0.

Man löst also in diesem Fall die stationäre Stokes-Gleichung.

Für gravitationsabhängige Strömungen mit kleinen Dichtevariationen und nicht zu großen Temperaturschwankungen wird häufig die Boussinesq-Approximation verwendet.

[Bearbeiten] Numerische Lösung

Die Navier-Stokes-Gleichungen können direkt numerisch berechnet werden. Jedoch erzwingt die Auflösung der einzelnen Turbulenzen ein sehr feines Gitter, so dass dies eigentlich nur in der Forschung unter Zuhilfenahme von Supercomputern und bei kleinen Reynolds-Zahlen möglich ist.

In der Praxis hat sich die Lösung der Reynolds-Gleichungen durchgesetzt. Hier ist jedoch ein Turbulenzmodell nötig, um das Gleichungssystem zu schließen.

Als Mittelweg gilt die Large Eddy Simulation, die zumindest die großen Wirbel direkt numerisch berechnet und erst die kleinen Skalen über ein Turbulenzmodell simuliert.

[Bearbeiten] Literatur

  • Alexander J. Chorin, Jerold E. Marsden, A Mathematical Introduction to Fluid Mechanics, Third Edition 1998, Springer Verlag
  • Pierre-Louis Lions, Mathematical Topics in Fluid Mechanics, Volume 1 Incompressible Models, 1996, Oxford Science Publications
  • Pierre-Louis Lions, Mathematical Topics in Fluid Mechanics, Volume 2 Compressible Models, 1998, Oxford Science Publications

[Bearbeiten] Weblinks

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