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Mackenroth-These

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Als Mackenroth-These oder Mackenroth-Theorem wird die folgende von Gerhard Mackenroth 1952 formulierte Aussage bezeichnet:

"Nun gilt der einfache und klare Satz, dass aller Sozialaufwand immer aus dem Volkseinkommen der laufenden Periode gedeckt werden muss. Es gibt gar keine andere Quelle und hat nie eine andere Quelle gegeben, aus der Sozialaufwand fließen könnte, es gibt keine Ansammlung von Periode zu Periode, kein "Sparen" im privatwirtschaftlichen Sinne, es gibt einfach gar nichts anderes als das laufende Volkseinkommen als Quelle für den Sozialaufwand. Das ist auch nicht eine besondere Tücke oder Ungunst unserer Zeit, die von der Hand in den Mund lebt, sondern das ist immer so gewesen und kann nie anders sein."

Die Mackenroth-These konnte bis heute nicht widerlegt werden, ist aber keineswegs unumstritten. Der Grundgedanke, dass sämtliche Sozialausgaben immer nur durch laufende Einnahmen, nie aber durch gesamtwirtschaftliche Rücklagen gedeckt werden können, hat jedoch enorme praktische Konsequenzen für die Abwicklung und Organisation der gesetzlichen Sozialversicherungssysteme, insbesondere für die gesetzliche Rentenversicherung. Wenn die These stimmt, dann ist es praktisch unmöglich, eine Kapitaldeckung in volkswirtschaftlichen Größenordnungen aufzubauen.

Diese Betrachtungsweise spielte in den 1950er Jahren eine wichtige Rolle in der Diskussion über eine große Sozialreform in der Bundesrepublik Deutschland. Die damals bestehenden Rücklagen der kapitalgedeckten Rentenversicherung waren durch Inflation und Währungsreform größtenteils vernichtet worden. Zudem hatte man bis dato nie Rücklagen in ausreichender Höhe ansammeln können. Die Altersrenten wurden faktisch durch laufende Einnahmen und staatliche Zuschüsse finanziert. Vor diesem Hintergrund kam allmählich eine wissenschaftliche Diskussion in Gang, ob eine Kapitaldeckung überhaupt möglich und nötig sei. Die Frage wurde schließlich allgemein verneint. So sprach Wilfrid Schreiber, der "Vater der dynamischen Rente" von der "irrigen Zwangsvorstellung Deckungsreserven bilden zu müssen":

"(...) Das Renteneinkommen der Alten eines ganzen Volkes kann tatsächlich immer nur aus dem laufenden Sozialprodukt entnommen werden. Darin sind sich die Gelehrten aller Richtungen einig. Der Einzelne kann Vermögen anhäufen, um es im Alter zu verzehren - die Gesamtheit des Volkes kann es nicht."(S. 29)

So wurde die Mackenroth-These grundlegende Maxime für die große Rentenreform vom 1957. Die kapitalgedeckte "Sparrente" wurde folglich auf das "dynamische Umlageverfahren" umgestellt. - Größere Bedeutung erlangte das Mackenroth-Theorem wieder im Rahmen der Auseinandersetzungen um die Agenda 2010 und weiteren Reformvorschlägen im sozialen Bereich seit Ende der 1990er Jahre.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Benennung

Winfried Schmähl (siehe Literatur) hat darauf hingewiesen, dass die These bereits 1939/1940 von Theodor Bühler, damals im Arbeitswissenschaftlichen Institut der DAF beschäftigt, aufgestellt wurde. Mackenroth habe der These aber zu größerer Bekanntheit verholfen, weswegen sie bereits früh als „Mackenrothsche These“ oder Mackenroththeorem bezeichnet wurde.

International wird das Theorem mit dem US-Wirtschaftswissenschaftler Paul A. Samuelson in Verbindung gebracht, der es mathematisch formuliert hat.

[Bearbeiten] Konsequenzen aus Sicht der Befürworter

Aus Sicht der Befürworter folgt aus der Mackenroth-These, dass die finanzielle Abwicklung eines Rentensystems (z.B. Umlage - oder kapitalgedecktes System) einfach nur möglichst preiswert sein sollte, um die maximale Rendite zu gewährleisten.

Die Finanzierung eines kapitalgedeckten Rentensystems sei im Allgemeinen teurer als ein staatliches Umlageverfahren. Typischerweise liegen die Verwaltungskosten z. B. in Deutschland sowohl beim staatlichen Rentensystem als auch bei einer privaten Lebensversicherung bei ca. 2 bis 4% der Einzahlungen. Bei der Lebensversicherung kommen aber noch Vertriebskosten (beispielsweise Marketing, Werbung), Provisionen und die Eigenrendite (Gewinn) der Versicherung hinzu, sodass die Gesamtkosten etwa bei 10 bis 12% liegen. Auf der Basis dieser Begründung wäre ein staatliches Umlageverfahren aus Kostengründen einem kapitalgedeckten privaten Rentensystem vorzuziehen. Dem ist aber noch hinzuzufügen, dass die steuerliche Begünstigung einer kapitalgedeckten Rente im Rahmen der deutschen Einkommensteuergesetzgebung zwangsläufig zu dieser Schieflage bei den Kosten führt. So ist es beispielsweise nicht möglich, selbst angelegtes Kapital oder Grundbesitz in gleicher Weise steuerbegünstigt wie eine Lebensversicherung zu verwenden.

[Bearbeiten] Kritik

Die Mackenroth-These wird in Bezug auf den Güterkreislauf und unter der Annahme, dass kein Außenhandelsüberschuss vorliegt, grundsätzlich nicht bestritten. Soweit sei sie auch schon bei Adam Smith und John Stuart Mill zu finden. Finanzwirtschaftlich sei nach Meinung einiger Wirtschaftswissenschaftler ein Transfer von Leistungen in die Zukunft sehr wohl möglich, sofern die Zunahme der Nettoersparnis auch eine Zunahme der Nettoinvestitionen in Sachkapital nach sich ziehe (die Wahrscheinlichkeit, dass dies auch immer eintritt, wird von John Maynard Keynes geringer eingeschätzt als von den Befürwortern kapitalgedeckter Versicherungen).

Korrekt sei, dass grundsätzlich kein System überleben kann, wenn die Ausgaben die Einnahmen über einen längeren Zeitraum überschreiten. Die Kapitaldeckung stabilisiere jedoch bei demographischen Umschwüngen die Gerechtigkeit zwischen den Generationen eher; vor allem sei sie weniger anfällig für politische Fehlentscheidungen, die das Umlageverfahren durch falsche Verhaltensanreize (z.B. Frühverrentung) in finanzielle Krisen stürzen können.

Einige Kritiker wenden auch ein, dass im Kapitaldeckungsverfahren mehr gespart würde, der Kapitalstock also größer sei als unbedingt notwendig, insbesondere in der Aufbauphase. Dagegen wurden empirische Beobachtungen aufgestellt, nach denen die Sparquote nach der Aufbauphase in beiden Systemen sehr ähnlich sei.

Zudem sei, so Kritiker, die Betrachtungsweise des Theorems verkürzt; für eine gesamtwirtschaftliche Betrachtung müsse berücksichtigt werden, dass die Versicherten schon aufgrund der Ansprüche, die sie auf Leistungen in der Zukunft haben, in der Gegenwart andere wirtschaftliche Entscheidungen treffen.

Viele sind der Ansicht, dass der Unterschied zwischen Umlage- und Kapitaldeckungsverfahren oft übertrieben werde. Entscheidender als die geringen wirtschaftlichen Unterschiede sei für die Wahl des Systems, welchen Gerechtigkeitsbegriff man zugrunde legt. Wird als Gerechtigkeit verstanden, dass jeder glaubt ungefähr das zu erhalten, was er eingezahlt hat, sei das Kapitaldeckungsverfahren vorzuziehen.

Das Umlageverfahren setzt eine stabile Lohnquote voraus, also eine produktivitätsorientierte Lohnpolitik, da es sich aus Sozialbeiträgen, die auf das Arbeitseinkommen, zum Beispiel die Bruttolöhne und -gehälter, erhoben werden, finanziert. Die Beitragsbelastung muss ceteris paribus steigen, wenn die Geburtsjahrgänge sich verkleinern und nicht durch entsprechende Produktivitätszuwächse ausgeglichen werden (vgl. dazu Konrad Adenauers berühmten Ausspruch, mit dem er das Umlageverfahren gegen die Bedenken Ludwig Erhards durchsetzte: "Kinder kriegen die Leute immer!").

Für das Kapitaldeckungsverfahren wird hingegen behauptet, dass es auf schrumpfende Bevölkerungszahlen robuster reagiert, einmal weil der Kapitalstock auch im Ausland investiert werden kann, zum anderen auch, weil es einem kapitalgedeckten Versicherungssystem, insbesondere wenn es privat organisiert wird, leichter falle, Risiken äquivalent abzusichern, also keine "versicherungsfremden Leistungen" finanzieren zu müssen. Wer beispielsweise arbeitslos wird, kann sich auch keine private Rentenversicherung leisten.

Die Befürworter behaupten, dass das Mackenrothsche Theorem zwar nur in einer geschlossenen Volkswirtschaft gelte, dass aber durch den Abbau der Kapitalverkehrsbeschränkungen im Zuge der Globalisierung es für die Weltwirtschaft insgesamt als geschlossener Volkswirtschaft weiterhin gelte. Umstritten ist, inwieweit einzelne Länder mit schrumpfender Bevölkerung mittels Kapitaldeckungsverfahren das Ausland in die Finanzierung der eigenen Rentenversicherung einbinden können.

[Bearbeiten] Literatur

  • Gerhard Mackenroth: Die Reform der Sozialpolitik durch einen deutschen Sozialplan. in: Schriften des Vereins für Socialpolitik NF, Band 4, Berlin 1952
  • Bernhard Külp: Unterschiedliche Finanzierungssysteme der gesetzlichen Rentenversicherungen und ihr Einfluß auf die Verteilung zwischen den Generationen. in: Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, 36. Jahrgang (1991), S. 35-54
  • Theodor Bühler: Deutsche Sozialwirtschaft. Stuttgart / Berlin 1940
  • Schreiber, Wilfrid: Existenzsicherheit in der Industriellen Gesellschaft, Köln 1955


u.a. dogmenhistorische Anmerkungen:

  • Winfried Schmähl: Über den Satz: „Aller Sozialaufwand muß immer aus dem Volkseinkommen der laufenden Periode gedeckt werden“. in: Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, 26. Jahrgang (1981), S.147-171

Überblick zur Diskussion in den 50er Jahren:

  • Hans-Günther Hockerts: Sozialpolitische Reformbestrebungen in der frühen Bundesrepublik. Zur Sozialreform-Diskussion und Rentengesetzgebung 1953-1957. in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, 25. Jahrgang (1977), S. 341-372

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