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Lebensrechtsbewegung

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Lebensrechtsbewegung ist die Sammelbezeichnung für Einzelpersonen, Gruppen und Initiativen, die sich weltweit "für den Schutz des menschlichen Lebens in allen seinen Phasen von der Zeugung bis zum natürlichen Tod einsetzen". In Erscheinung treten Lebensrechtler hauptsächlich im Widerstand gegen die Legalität bzw. Straffreiheit von Schwangerschaftsabbrüchen (Abtreibungen), sie engagieren sich jedoch auch gegen Sterbehilfe, Klonen, Pränataldiagnostik und allgemein bei bioethischen Themen. Der Begriff wurde in den frühen 1960er Jahren in den USA geprägt, die amerikanische Bezeichnung lautet Pro-Life. Die Bewegung umfasst Personen aller Gesellschaftsschichten und unterschiedlichen Weltanschauungen.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Entstehungsgeschichte

[Bearbeiten] Vorläufer

Als Folge der Menschenrechtsdiskussion während der Aufklärung wurden 1794 im Allgemeinen Landrecht erstmals auch die ungeborenen Kinder als Menschen betrachtet und ab dem Zeitpunkt der Empfängnis rechtlich geschützt.

[Bearbeiten] Die 1960er Jahre

Ab Mitte der 1960er Jahre begann in den industrialisierten Ländern des Westens ein historischer Wandel: Die ersten Pillen zur Empfängnisverhütung kamen auf den Markt, die so genannte Sexuelle Revolution begann und in den Medien war von einer "Sexwelle" die Rede. Parallel dazu formierte sich die neue Frauenbewegung unter anderem mit der Forderung "Mein Bauch gehört mir". Die Reform des §218 StGB in Deutschland wurde öffentlich gefordert und diskutiert.

Nachdem bereits zuvor in einigen europäischen Staaten der Schwangerschaftsabbruch (umgangssprachlich Abtreibung genannt) in unterschiedlichem Umfang liberalisiert worden war, schlug in den USA das American Law Institute 1962 eine Entkriminalisierung der entsprechenden Gesetzgebung vor. Dem schlossen sich im Laufe des Jahrzehnts weitere gesellschaftliche Gruppen an. Seit 1967 änderten dementsprechend immer mehr US-Bundesstaaten ihre Gesetze. 1967 entstand auch die erste amerikanische Lebensrechts-Organisation, die Virginia Society for Human Life. 1968 wurde die Gesetzgebung zum Schwangerschaftsabbruch in Großbritannien reformiert.

[Bearbeiten] Die 1970er Jahre

Im Jahre 1973 erließ der Oberste Gerichtshof der USA eine umstrittene Entscheidung im Fall Roe vs. Wade. Nach Auffassung der Richter impliziert die Verfassung ein nicht ausdrücklich genanntes Recht auf Privatsphäre, welches auch das Recht auf Schwangerschaftsabbruch einschließt. Damit wurde der Abbruch auch in den 31 US-Bundesstaaten legal, in denen kein entsprechender Parlamentsbeschluss erging. Dies erregte viele gesellschaftliche Gruppierungen (darunter insbesondere Konservative und verschiedene Kirchen), da hiermit nicht nur den aktuellen, sondern auch künftigen Parlamenten die politische Entscheidung über Legalität oder Illegalität des Schwangerschaftsabbruchs entzogen worden war. Diese Entscheidung war ein Hauptanstoß für die Gründung zahlreicher, damals noch außerparlamentarischer, Pro-Life-Organisationen. Bereits 1973 wurde das National Right to Life Committee gegründet, das inzwischen in über 3.000 regionalen Gruppen aktiv ist. 1978 formierte sich die American Life League.

1972 wurde in der DDR die so genannte Fristenregelung beim Schwangerschaftsabbruch eingeführt. Ein entsprechender Versuch des Gesetzgebers in der Bundesrepublik Deutschland scheiterte 1975 an einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, woraufhin 1976 eine Neufassung des § 218 StGB (Indikationslösung, setzte eine ärztliche Indikation und eine Beratungsbescheinigung voraus) in Kraft trat. Als Reaktion auf die Liberalisierung dieses Paragraphen entstand die deutsche Lebensrechtsbewegung. Bereits 1974 gründete eine Gruppe von Studenten die Aktion Lebensrecht für Alle - ALfA (Verein seit 1977). Als weitere große Organisation folgte 1979 die christliche Bürgerinitiative Aktion Leben. In Österreich wurde 1975 eine Fristenregelung eingeführt, dort trat als erste größere Lebensrechtsorganisation die hauptsächlich im sozialen Bereich tätige "Aktion Leben Österreich" auf den Plan. Die schweizerische Vereinigung "Ja zum Leben" entstand nach der ersten Fristenlösungsabstimmung im Jahre 1976.

[Bearbeiten] Die 1980er Jahre

Mitte der 1980er Jahre gründeten sich mehrere der auch heute noch bekannten deutschen Lebensrechsorganisationen, so 1984 die Juristen-Vereinigung Lebensrecht - JVL, mit ihrer Zeitschrift für Lebensrecht (ZfL). 1985 wurden die Christdemokraten für das Leben – CDL durch Parteimitglieder der CDU/CSU gegründet. 1986 fand in Rüsselsheim unter der Leitung der Aktion Lebensrecht für Alle ein informelles Treffen verschiedener Lebensrechtgruppen statt. Als erstes gemeinsames Projekt wurde während des Evangelischen Kirchentages 1987 ein sogenanntes Lebenszentrum gestaltet.

In den 1980er Jahren versuchten deutsche Lebensrechtler u.a. eine Verschärfung des § 218 herbeizuführen, da die sogenannte "soziale Indikation" ihrer Meinung nach faktisch der vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig erklärten Fristenregelung gleichkäme. Außerdem klagten sie erfolglos gegen die Kostenübernahme von Schwangerschaftsabbrüchen durch Krankenkassen, die auch heutzutage in 90% aller Schwangerschaftsabbrüche die Kosten übernehmen.

1985 erregte Dr. Bernard Nathanson, ehemals Mitbegründer der "NARAL" (National Abortion Rights Action League, die erste Bewegung für Abtreibung in den USA) und jetziger Abtreibungsgegner, weltweit Aufsehen mit seinem Film Der stumme Schrei (The Silent Scream), der die Ultraschallaufnahmen eines Schwangerschaftsabbruchs dokumentierte und der Lebensrechtsbewegung weiteren Aufschwung verschaffte. 2003 erläuterte Nathanson in einem Artikel der Januar-Ausgabe der Zeitschrift "Whistleblower", wie die NARAL seiner Ansicht nach zur Rechtfertigung ihrer Position manipuliertes Zahlenmaterial verwendete: "Wir fälschten die Zahl der illegalen Abtreibungen, die jährlich in den USA gemacht wurden. Wir wussten, dass die Gesamtzahl der illegalen Abtreibungen in den USA jährlich etwa 100.000 betrug. Die Anzahl aber, die wir wiederholt an die Öffentlichkeit und an die Medien weitergaben, war 1 Million (...) Wir wussten ebenfalls, dass die Zahl der Frauen, die in den USA jährlich bei illegalen Abtreibungen starben, zwischen 200 und 250 lag. Die Anzahl, die wir beständig wiederholten und an die Medien weitergaben, war 10.000".

Ebenfalls 1985 kam in der Schweiz die Initiative "Recht auf Leben" zur Abstimmung, mit welcher Lebensrechtsorganisationen den Grundsatz Das Leben des Menschen beginnt mit dessen Zeugung und endet mit seinem natürlichen Tode. in der Verfassung verankern wollte. Die Verfassungsänderung wurde vom Schweizer Stimmvolk mit 70%-iger Mehrheit abgelehnt.

[Bearbeiten] Die 1990er Jahre

In den 1990er Jahren waren die Lebensrechtsgruppen in den USA zu einer Bewegung mit Millionen von Mitgliedern angewachsen und übten einen erheblichen gesellschaftlichen Einfluss aus. Betrug die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche 1990 nach den Statistiken des Alan Guttmacher Institute noch 1.608.600, so sank sie bis 1999 auf 1.314.000 (Quelle: [1]). Nicht zuletzt durch ihre Kampagnen gegen die Spätabtreibung mit Tötung des meist überlebensfähigen Fetus im letzten Schwangerschaftsdrittel (Teilgeburtsabtreibung) gewannen die Lebensrechtler viele Anhänger. Im Gegensatz zu den Verhältnissen in Europa spielte und spielt in den USA die politische Lobby-Arbeit der Lebensrechtsbewegung wie auch der Befürworter eines freien Schwangerschaftsabbruchs (Pro-Choice) eine ganz erhebliche Rolle im öffentlichen Meinungsbild.

1995 wurde in Deutschland die Indikationen- durch eine Fristenregelung bei vorgeschriebener Beratung ersetzt. Die Auseinandersetzung der deutschen Lebensrechtsgruppen mit den regionalen Kirchen um den Beratungsschein spitzte sich zu. Viele Lebensrechtsgruppen wandten sich gegen den von der katholischen Kirche und den meisten evangelischen Kirchen in ihren Beratungsstellen ausgestellten Beratungsschein (der gesetzlich ab dem 1. August 1995 einzige Voraussetzung für einen straffreien Schwangerschaftsabbruch war), da sie darin eine Mitwirkung der Kirchen an der Tötung ungeborener Kinder sahen. 1999 ordnete der Papst an, in katholischen Beratungsstellen keinen solchen Beratungsschein mehr auszustellen.

Die Duldung der Euthanasie in den Niederlanden (2001 legalisiert), in Belgien, der Schweiz, in Oregon, Kolumbien und Teilen Australiens wurde zu einem zentralen Thema der Lebensrechtsbewegung, die sich strikt gegen die aktive Sterbehilfe an alten, kranken und behinderten Menschen wendet. Auch bioethische Themen (Hirntoddiskussion, Bioethikkonvention, Forschung an nichteinwilligungsfähigen Menschen, z.B. an Wachkomapatienten, geistig behinderten Menschen, Kindern) gewannen in der Lebensrechtsbewegung immer mehr an Bedeutung. Wegen der zunehmenden Globalisierung und wegen internationaler Empfehlungen sowie gesetzlicher und gerichtlicher Vorgaben (z.B. UN, Europäisches Parlament, Europäischer Gerichtshof) befasst sich die Bewegung mehr als bisher auch auf internationaler Ebene mit diesen Bereichen.

[Bearbeiten] Seit 2000

Nicht zuletzt als Folge der Arbeit der Lebensrechtsbewegung fand ein Meinungsumschwung in der US-amerikanischen Bevölkerung statt: hatte noch in den 1990er Jahren die Mehrheit für den frei zugänglichen Schwangerschaftsabbruch plädiert, so sprachen sich jetzt die meisten, insbesondere unter den Jüngeren, für eine enge Begrenzung dieser Möglichkeit aus. In diesem Jahr gewann auch George W. Bush, der sich für ein Verbot der Teilgeburtsabtreibung aussprach, die Präsidentschaftswahlen.

Im Zusammenhang mit den weltweiten aufsehenerregenden Klonversuchen, zuerst an Tieren ("Klonschaf Dolly"), setzt sich die Lebensrechtsbewegung gegen das reproduktive Klonen und gegen das sogenannte "therapeutische" Klonen ein, welches einen starken Verbrauch von Embryonen beinhaltet. Weitere bioethische Themen kamen hinzu, z.B. Forschung und Eingriffe am menschlichen Erbgut oder Forschung mit embryonalen Stammzellen.

Zu Beginn der 2000er Jahre ergriffen die Schweizer Lebensrechtsorganisationen das Referendum gegen den Vorschlag des Parlaments zur Entkriminalisierung der Abtreibung und Einführung einer Fristenregelung und konterten den Gesetzesvorschlag mit der "Initiative für Mutter und Kind", die ein totales Abtreibungsverbot forderte. Beide Vorstöße scheiterten 2002 an der Urne.

[Bearbeiten] Weltanschaulicher und philosophischer Hintergrund

Innerhalb des Katholizismus, aber auch innerhalb bibeltreuer Teile der evangelischen Kirchen oder in den freien evangelischen Gemeinden wird die Idee des Lebensschutzes intensiv vertreten. Dabei verstehen sich manche Organisationen als konfessionsübergreifend, andere als explizit evangelikal oder katholisch. So sind etwa in den USA christliche Gruppen in der Pro-Life Bewegung besonders stark engagiert. Daneben gibt es aber auch andere Organisationen, die einen eher liberalen oder links-progressiven Hintergrund haben, oder sich selbst sogar als feministisch bezeichnen. Insgesamt ist die weltweite Gestalt der Lebensrechtsbewegung so vielfältig und heterogen, dass eine eindeutige soziologische Zuordnung nicht möglich ist.

Trotz dieser Unterschiedlichkeit verbindet die meisten der unter dem Begriff „Lebensrechtsbewegung“ zusammengefassten Gruppierungen eine gemeinsame Grundüberzeugung: die Anerkennung der unantastbaren Würde jedes Menschen und der uneingeschränkte Respekt vor dem daraus resultierenden Recht auf Leben. Diese Überzeugung wird teilweise religiös begründet, indem man sich etwa auf das christliche Menschenbild beruft, teilweise aber auch unter Rückgriff auf aufklärerische Traditionen oder mit Hilfe anderer philosophischer Theorien vertreten. Häufig wird dabei auf das beispielsweise von Kant formulierte Argument verwiesen, wonach die Würde des Menschen gerade darin bestehe, niemals „Mittel zum Zweck“, also letztlich Objekt anderer, sondern immer „Selbstzweck“ zu sein. Da das menschliche Leben „die vitale Basis der Menschenwürde und die Voraussetzung aller anderen Grundrechte darstellt“ (so das Bundesverfassungsgericht in seinem „Abtreibungsurteil“ vom 25. Februar 1975), ist der Schutz individuellen Lebens in allen seinen Phasen und die Abwehr fremdbestimmter Zugriffe auf dieses Leben oberstes Ziel der Lebensrechtsbewegung. Als Beginn des individuellen menschlichen Lebens wird die Befruchtung, also die Verschmelzung von Ei- und Samenzelle, angesehen, gleichgültig ob sie im Körper der Frau (in vivo) oder im Reagenzglas (in vitro) stattfindet. Begründet wird dies in der Regel mit den Argumenten Potentialität, Identität und Kontinuität: bereits ein Embryo besitzt die Potenz, zu einem vollständigen Menschen heranzuwachsen, er ist identisch mit der Person, die er später und zeitlebens sein wird, und seine Entwicklung verläuft kontinuierlich ohne wesensverändernde Einschnitte. Ein Abbruch der Schwangerschaft, die Verhinderung der Einnistung (Nidation) der befruchteten Eizelle oder auch die Zerstörung eines Embryos in vitro zu Forschungs- oder Therapiezwecken gilt deshalb immer als Tötung eines Menschen in einem frühen Stadium seiner Entwicklung und kann deshalb nach Auffassung der Lebensrechtsbewegung nicht mit dem Hinweis auf andere Grundrechte (wie etwa dem Recht der Frau auf Selbstbestimmung oder dem angeblichen Recht eines kranken Menschen auf Gesundheit) gerechtfertigt werden. Eine Legalisierung der Abtreibung kommt daher für Lebensschützer nicht in Frage, es sei denn, das Leben der Mutter werde durch die Schwangerschaft unmittelbar gefährdet (so genannte "strenge medizinische Indikation"). Auch Verhütungsmittel, die nicht das Entstehen eines Menschen, sondern seine Weiterentwicklung verhindern (z.B. Nidationshemmer wie die Spirale oder die "Pille danach"), werden aus diesem Grunde abgelehnt.

Erst mit dem natürlichen Tod findet das menschliche Leben nach Ansicht der Lebensrechtsbewegung sein Ende. Deshalb wehrt sie sich sowohl gegen jede Form aktiver Euthanasie als auch gegen andere Eingriffe in das Lebens- und Selbstbestimmungsrecht alter, kranker oder behinderter Menschen.

[Bearbeiten] Ziele und Themen der Lebensrechtsbewegung

[Bearbeiten] Schutz des vorgeburtlichen Lebens

Nach Ansicht der meisten Lebensrechtsorganisationen soll der Schutz des vorgeburtlichen Lebens nicht nur mit Hilfe sozialer Maßnahmen, etwa durch die Verbesserung der Lebensbedingungen von Familien und Kindern, sondern auch durch Bewusstseinsbildung und rechtliche Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch (einschließlich des Strafrechts) sichergestellt werden. Über die hierzu erforderlichen Schritte und deren Gestaltung gibt es zwischen den einzelnen Gruppierungen durchaus unterschiedliche Meinungen (siehe unten Abschnitt "Mittel und Wege"). Konkret werden neben der chirurgischen Abtreibung auch solche Präparate abgelehnt, die wie die sogenannte "Abtreibungspille" die Tötung eines Embryos in den ersten Tagen oder Wochen seiner Entwicklung bewirken. Dies gilt gleichermaßen für Nidationshemmer wie etwa die "Pille danach", da sie im Falle einer Befruchtung die Einnistung des Embryos verhindern und so ein bereits entstandenes menschliches Leben abtöten.

[Bearbeiten] Schutz des menschlichen Lebens in vitro

Schutz des menschlichen Lebens in vitro meint für Lebensschützer das Eintreten gegen sämtliche Formen des Klonens, sei es nun das sogenannte „reproduktive Klonen“ mit dem Ziel die genetische Kopie eines Menschen herzustellen, sei es das auch als „Forschungsklonen“ bezeichnete Herstellen und Verbrauchen menschlicher Embryonen zu medizinischen Zwecken (z.B. zur Gewinnung von embryonalen Stammzellen). Dagegen wird die Forschung mit adulten Stammzellen ausdrücklich unterstützt, da hierfür lediglich Körperzellen eines geborenen Menschen verwendet werden, ohne dass diesem Menschen dadurch in irgendeiner Form geschadet wird.

[Bearbeiten] Schutz von Menschen mit Behinderung

Bei der Präimplantationsdiagnostik (PID) werden im Reagenzglas befruchtete Eizellen vor der Übertragung in die Gebärmutter untersucht und bei entsprechendem Krankheitsbefund vernichtet. Deshalb wehren sich Organisationen der Lebensrechtsbewegung gegen diese „Selektion Behinderter" und fordern, dass "auch Menschen mit Behinderung in den ersten Wochen ihrer Existenz vor Angriffen auf ihr Lebensrecht geschützt werden sollen". Ebenso wird die während der Schwangerschaft durchgeführte Pränataldiagnostik nur insoweit akzeptiert, als sie dem Wohl von Mutter und Kind dient und nicht – wie in zahlreichen Fällen – zur Abtreibung geschädigter Föten und damit ebenfalls zur Selektion führt. Insbesondere die beispielsweise in Deutschland bei Vorliegen einer medizinisch-sozialen Indikation bis zur Geburt legale Spätabtreibung behinderter Föten wird von der Lebensrechtsbewegung heftig kritisiert, weil sie in ihren Augen eine Diskriminierung von Menschen mit Behinderung darstellt. Dabei wird unter anderem auf den Widerspruch zwischen dieser Praxis und der Pflicht von Medizinern hingewiesen, bei Frühgeburten alle nötigen Maßnahmen zur Lebenserhaltung zu ergreifen. In diesem Zusammenhang hat besonders der Fall des so genannten "Oldenburger Babys" großes Aufsehen erregt (siehe auch [2])

Schließlich stößt der Versuch, durch bewusste Beeinflussung der Vererbung genetisch bestimmte Erkrankungen auszuschalten oder auf andere Weise das Erbgut des Menschen zu verbessern (sog. "positive Eugenik"), auf den Widerstand von Lebenschützern. Sie sehen darin die Gefahr einer Klassifizierung "lebensunwerten Lebens" und warnen davor, dass es künftig einen Kostenvergleich zwischen einem nichtbehinderten und einem behinderten Kind geben könnte. Somit ist anzunehmen, dass nicht nur eine "Entwertung" des Lebens von bereits lebenden Behinderten Menschen und vor allem jenen Menschen, die trotz der pränatalen Diagnostik behindert geboren wurden, stattfinden könnte. Behinderte Menschen werden von der Gesellschaft als Minderheit ohnehin bereits diskriminiert, und wenn man diese - wie z.B. in der Schweiz zunehmend - als Kostenfaktor ansieht, dann wird ihre Integration in die sie behindernde Gesellschaft weiter erschwert. Deshalb gehören Selbsthilfeorganisationen von Behinderten zu den lautstärksten Kritikern der pränatalen Diagnostik.

[Bearbeiten] Schutz kranker, alter und sterbender Menschen

Darunter verstehen Lebensschützer insbesondere den Widerstand gegen jegliche Legalisierung aktiver Sterbehilfe (Euthanasie) oder die Forschung an einwilligungsunfähigen Patienten. Die bisherigen Erfahrungen mit der Legalisierung der aktiven Sterbehilfe in Belgien und den Niederlanden werden häufig als Bestätigung dafür herangezogen, dass eine solche Maßnahme zu einer gravierenden Beeinträchtigung der Rechte kranker, alter und sterbender Menschen führt. Im Gegenzug fordern Lebensrechtsorganisationen den Ausbau der Palliativmedizin und die Verbesserung der Lebensbedingungen betroffener Menschen und ihrer Angehörigen.

Auch die Organtransplantation wird von vielen Lebensrechtlern wegen erheblicher Zweifel an der Hirntodtheorie kritisch gesehen.

[Bearbeiten] Mittel und Wege zur Umsetzung der postulierten Ziele

Um ihre Ziele zu erreichen, betätigt sich die Lebensrechtsbewegung vor allem im bewusstseinsbildenden Bereich. In einer Zeit, in der ihrer Ansicht nach der gesellschaftlichen Konsens über die Unantastbarkeit des menschliche Lebens zunehmend in Frage gestellt wird, wollen sie eine lebensbejahende Einstellung fördern. Daneben sind die meisten Gruppen auch sozial engagiert, beispielsweise in der Beratung und Betreuung schwangerer Frauen oder in der Fürsorge für Familien. Auf diese Weise wollen sie mithelfen, die Rahmenbedingungen so zu verbessern, dass es angesichts schwieriger und belastender Situationen leichter fällt, "das Lebensrecht anderer zu respektieren". Schließlich wird versucht, durch Teilnahme an der politischen Willensbildung die rechtlichen und sozialen Bedingungen im Sinne des oben beschriebenen Rechts auf Leben zu beeinflussen.

Darüber hinaus engagieren sich einzelne Lebensrechtler auch im sexualethischen Bereich, wobei sie häufig dezidiert christliche oder speziell katholische Positionen vertreten. Solche Meinungen sind aber weder Allgemeingut der gesamten Lebensrechtsbewegung noch konstitutiver Bestandteil ihrer Arbeit.

Ähnliches gilt für die Methoden, mit denen die unterschiedlichen Gruppen die beschriebenen Ziele zu erreichen versuchen. Hier gibt es eine große Bandbreite innerhalb der Bewegung, die von ausschließlich positiver Argumentation bis hin zur gesellschaftlich umstrittenen Verwendung drastischer Mittel, wie etwa dem Zeigen blutiger Abtreibungsbilder oder der Blockade von Abtreibungskliniken, reicht.

Insbesondere in den USA haben radikale Abtreibungsgegner seit den 1970er Jahren durch terroristische und kriminelle Aktionen wie Bombenlegen, Mord und Mordversuche an Ärzten, Belagerung und Belästigung der Patientinnen von Familienplanungszentren usw. von sich reden gemacht. Bei diesen Taten handelte es sich jedoch ausschließlich um Aktionen fanatischer Einzelgänger oder extremistischer Gruppen. Die große Mehrheit der Lebensrechtsbewegung lehnt den Einsatz von Gewalt zum Schutz des menschlichen Lebens grundsätzlich und ausnahmslos ab, weil solche Mittel völlig entgegensetzt zu den eigenen Prinzipien stehen. Umgekehrt gab und gibt es in den USA immer wieder auch gewalttätige Übergriffe gegen engagierte Lebensrechtler, angefangen von Körperverletzungen bis hin zu Morddrohungen oder Mordversuchen.

Parteipolitische Unterstützung erhält die Lebensrechtsbewegung in den deutschsprachigen Ländern überwiegend aus den konservativen Parteien; allerdings tritt selbst in diesen Parteien nur mehr eine kleine Minderheit gegen die Legalisierung der Abtreibung ein. Manche bioethischen Positionen der Lebensrechtsbewegung wie etwa die Ablehnung der Embryonenforschung und des therapeutischen Klonens finden auch bei ökologisch orientierten oder sozialdemokratischen Parteien Zustimmung. So forderte beispielsweise am 20. Februar 2003 eine deutliche parteiübergreifende Mehrheit des deutschen Bundestag die Bundesregierung auf, sich in der UNO für ein weltweites Verbot jeglichen Klonens einzusetzen.

[Bearbeiten] Kritik

Da sich die Lebensschutzorganisationen nach eigenen Aussagen "für den Schutz des menschlichen Lebens in allen seinen Phasen von der Zeugung bis zum natürlichen Tod" einsetzen, wird ihre Glaubwürdigkeit von Kritikern unter Hinweis auf ihr angeblich mangelhaftes Engagement für den Frieden und gegen die Todesstrafe in Frage gestellt. Eine wirklich glaubwürdige Lebensschutz-Philosophie bestehe, so die Kritiker, aus einer Ethik, die tatsächlich alle Aspekte des menschlichen Lebens mit einbeziehe und nicht nur einzelne Aspekte ("Ethik des nahtlosen Gewandes"). Eine solche Philosophie wurde beispielsweise von Papst Johannes Paul II. oder dem Dalai Lama vertreten.

Insbesondere von feministischer Seite her wird Lebensschützern immer wieder vorgeworfen, dass sie sich lieber um das ungeborene als um das geborene Leben kümmern würden. Ungewollte und unerwünschte Kinder, die unter unmenschlichen Bedingungen aufwachsen müssten, seien ihnen ebenso egal, wie überforderte und unwillige Mütter und die Folgen davon für Kinder und Mütter. Lebensschützer weisen diese Kritik mit dem Argument zurück, gerade sie seien in Vereinen tätig, die hilfsbedürftigen Müttern unter die Arme greifen und sich für eine Verbesserung der Möglichkeiten für Mütter einsetzen, um ihnen ein Leben mit dem Kind zu ermöglichen.

Ein weiterer Kritikpunkt ist der Vergleich von Schwangerschaftsabbrüchen mit dem Völkermord an den Juden im Dritten Reich oder anderen Praktiken der Nationalsozialisten, der sich bei manchen Vertretern der Lebensrechtsbewegung findet. Beispielhaft hierfür sind Formulierungen wie "neuer Holocaust" oder "Damals Holocaust - heute: Babycaust". Kritiker halten solche und ähnliche Aussagen für eine Verharmlosung des Nationalsozialismus und Holocausts und den Vergleich der Abtreibungsfrage mit dem Holocaust für grundsätzlich unzulässig. Demgegenüber verweisen Organisationen der Lebensrechtsbewegung darauf, dass allein die deutsche Abtreibungspraxis in den letzten zwanzig Jahren schätzungsweise 4 Millionen tote Kinder gefordert habe und daher bereits von der Größenordnung her eine Vergleichbarkeit zu den Verbrechen der Nazis gegeben ist. Auch in Bezug auf die Motive der Abtreibung, insbesondere im Bereich der medizinischen Indikation, werden Parallelen zur Vergangenheit gesehen („Gestern lebensunwert – heute unzumutbar“ – siehe auch gleichnamigen Titel in der Literaturliste ). Auch deutsche Gerichte, die in dieser Sache entscheiden mussten, halten diese Form der Darstellung für eine legitime Meinungsäußerung. (Urteile sind unter Babycaust einzusehen.)

Insbesondere in den USA haben radikale Abtreibungsgegner seit den 1970er Jahren durch terroristische und kriminelle Aktionen wie Bombenlegen, Mord und Mordversuche an Ärzten, und Belagerung und von Abtreibungskliniken usw. von sich reden gemacht und auch eine Einschränkung der Nutzung dieser Zentren verursacht. Bei diesen Taten handelte es sich jedoch ausschließlich um Aktionen fanatischer Einzelgänger oder extremistischer Gruppen, die jedoch den Hauptgrund für Kritik gegen die gesamte Lebensrechtsbewegung liefern. Die große Mehrheit der Lebensrechtsbewegung lehnt jedoch den Einsatz von Gewalt zum Schutz des menschlichen Lebens grundsätzlich und ausnahmslos ab, weil solche Mittel völlig entgegensetzt zu den eigenen Prinzipien stehen.

[Bearbeiten] Literatur

  • Wolfram Henn: "Warum Frauen nicht schwach, Schwarze nicht dumm und Behinderte nicht arm dran sind – Der Mythos von den guten Genen", 2004 (der Autor ist Professor für Humangenetik und Ethik)
  • Carl Amery: "Hitler als Vorläufer - der Beginn des 21. Jahrhunderts", Luchterhand Literaturverlag, München 1991
  • Rainer Beckmann: "Abtreibung in der Diskussion. Fünfzig Behauptungen und ihre Widerlegung", Sinus-Verlag Krefeld, 1991, 1998
  • Rainer Beckmann, Mechthild Löhr (Hg.): "Der Status des Embryo", Naumann Verlag, Würzburg.2003
  • Georg Bönisch: Hans Leyendecker, "Das Geschäft mit der Sterbehilfe", Steidl Verlag, Göttingen 1993
  • Frauen gegen den § 218, Bundesweite Koordination (Hg.): "Vorsicht 'Lebensschützer'. Die Macht der organisierten Abtreibungsgegner", Konkret Literatur Verlag, Hamburg 1991
  • Michael Gante: "§ 218 in der Diskussion - Meinungs- und Willensbildung 1945-1976", Droste Verlag, Düsseldorf 1991
  • Georg Herrmann / Klaus von Lüpke (Hg.): "Lebensrecht und Menschenwürde, Behinderung, Eugenische Indikation und Gentechnologie", Klartext Verlag, Essen 1991
  • Norbert Hoerster Abtreibung im Säkularen Staat. Argumente gegen den § 218 Frankfurt: Suhrkamp, 1995
  • Alexander Lohner: "Personalität und Menschenwürde - eine theologische Auseinandersetzung mit den Thesen der 'neuen Bioethik' ", Pustet Verlag, Regensburg 2000
  • Christian Mürner, Adelheid Schmitz, Udo Sierck: "Schöne heile Welt? Biomedizin und Normierung des Menschen", Verlag Libertäre Assoziation, Hamburg 2000
  • Theo R. Payk: "Töten aus Mitleid? Über das Recht und die Pflicht zu sterben", reclam, Leipzig 2004
  • Eduard Picker: "Menschenwürde und Menschenleben. Das Auseinanderdriften zweier fundamentaler Werte als Ausdruck der wachsenden Relativierung des Menschen", Klett-Cotta, Stuttgart 2002
  • Martin Rohnheimer: "Abtreibung und Lebensschutz. Tötungsverbot und Recht auf Leben in der politischen und theologischen Ethik", Paderborn 2004
  • Stephen Schwarz: "Die verratene Menschenwürde. Abtreibung als philosophisches Problem", Communio 1992
  • Robert Spaemann / Thomas Fuchs: "Töten oder sterben lassen? Worum es in der Euthanasiedebatte geht", Herder Verlag, Freiburg i.Br. 1997
  • Manfred Spieker: "Kirche und Abtreibung in Deutschland - Ursachen und Verlauf eines Konfliktes", Schöningh 2001, ISBN 3-506-78622-9
  • Karin Struck: "Ich sehe mein Kind im Traum - Reflexionen zur Kultur des Lebens", Ullstein Verlag, Berlin 1992, Neuauflage Verlag Fiat Domine, 1999
  • Hans Thomas / Winfried Kluth (Hg.): "Das zumutbare Kind", Verlag Busse Seewald, Herford 1993
  • Oliver Tolmein: "Wann ist der Mensch ein Mensch? Ethik auf Abwegen", Carl Hanser Verlag, München 1993
  • Hans Wagner: "Medientabus und Kommunikationsverbote", Günter Olzog Verlag, München 1991
  • Ludger Weß: "Die Träume der Genetik", Mabuse Verlag, Frankfurt a.M. 1998

[Bearbeiten] Weblinks (Organisationen der Lebensrechtsbewegung)

[Bearbeiten] Weblinks, sonstige

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