Koepchenwerk
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Das Koepchenwerk ist eines der beiden ersten, zeitgleich verwirklichten Pumpspeicherkraftwerke im Großmaßstab und befindet sich in der Stadt Herdecke im Land Nordrhein-Westfalen, Deutschland.
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[Bearbeiten] Geschichte
Das Pumpspeicherkraftwerk wurde 1927-1930 vom Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerk Essen (RWE) zur Stromversorgung des nahen Ruhrgebietes am Steilhang des Ardeygebirges direkt am Hengsteysee an der Ruhr gebaut. Mit dem sächsischen Pumpspeicherwerk Niederwartha leisteten sich zur Bauzeit die Ingenieure des Koepchenwerks einen wahren Wettlauf um die erste Inbetriebnahme.
Schließlich ging das PSW Niederwartha bereits am 27. November 1929 mit einer Maschine ans Netz, seine endgültige Fertigstellung und die Inbetriebnahme des letzten Maschinensatzes erfolgte jedoch erst im März 1930. Das Koepchenwerk wurde am 28. Januar 1930 vollständig mit 132 MW in Betrieb genommen. Folgerichtig wurden damals - je nach Betrachtungsweise - beide Kraftwerke als "Erste ihrer Art" und "große technische Neuerung" gefeiert.
Unter der Zielnummer "B 28" (ab 1941: GO 1123) stand das Koepchenwerk bereits vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs auf den Ziellisten des britischen Bomber Command. Bis April 1940 war es ein wichtiges potentielles Angriffsziel im "Ruhr Plan". Durch die Zerstörung von Kraftwerken im Rheinland und Ruhrgebiet sollte die deutsche Rüstungsindustrie ausgeschaltet werden.
Der "Ruhr Plan" verlor im Frühjahr 1940 an Bedeutung, weil man erkannte, dass kleine Ziele wie Kraftwerke in der Nacht nicht lokalisiert werden konnten. Dennoch unternahmen britische Bomber vor allem im Herbst mindesten vier gezielte Luftangriffe auf das Koepchenwerk. Dabei konnte Ende Oktober 1940 eine Wasserleitung beschädigt werden.
Um das Koepchenwerk vor Luftangriffen zu schützen, wurde es ab 1942 unter Tarnnetzen verdeckt. In der Umgebung des Hengsteysee wurden zahlreiche Flak-Batterien stationiert. Sperrballone sollten das Werk vor Tiefflugangriffen schützen.
Durch die Überflutung des Turbinenhauses kam es nach der Bombardierung der Möhnetalsperre am 17. Mai 1943 zu einem mehrwöchigen Ausfall. Ein amerikanischer Luftangriff am 23. März 1945 auf den benachbarten Verschiebebahnhof Hagen-Hengstey führte zur Zerstörung von Freilandanlagen auf dem Gelände der Verteilerstation und dem Brand der Tarnnetze.
In der Nachkriegszeit arbeitete das Koepchenwerk störungsfrei. Im Dezember 1980 kam es jedoch zu einem Störfall, als das Gehäuse einer der Pumpen riss. Die Aufmerksamkeit der Betriebsmannschaft verhinderte zwar einen Folgeschaden, jedoch zeigten die Untersuchungen die unmittelbare Gefahr ähnlicher Schäden an zwei weiteren Pumpen. Das RWE entschied daher 1981, am gleichen Standort ein neues Pumpspeicherkraftwerk zu bauen und das alte Werk stillzulegen.
[Bearbeiten] Technik
Planer des Herdecker Kraftwerks war Prof. Arthur Koepchen, nach dem es auch benannt ist. Das Koepchenwerk ist ein Spitzenlast-Wasserkraftwerk. Während Zeiten mit geringerem Strombedarf (überwiegend nachts) wird Wasser aus dem Stausee in das gut 160 m höher auf einem Berg gelegene Speicherbecken gepumpt. Während Zeiten mit erhöhtem Strombedarf (überwiegend tagsüber) strömt das Wasser dann durch Rohrleitungen und eine große reversible Francis-Pumpturbine in den See zurück. Dadurch können heute bis zu 153 MW elektrische Leistung bis zu vier Stunden lang produziert werden. Innerhalb von 70 Sekunden kann die Turbine von Stillstand auf Volllast gefahren werden. Die Turbine selbst befindet sich 32 m unterhalb des Wasserspiegels des Sees in einem Schacht. Der große Höhenunterschied ergibt sich aus der Notwendigkeit, im Pumpbetrieb jegliche Kavitationsgefahr auszuschließen. Die Welle von Turbine und Generator ist senkrecht angeordnet, der Läufer des Generators wiegt über 300 Tonnen. Die Verbindung zum Oberwasser wird durch einen in den Felsen gesprengten 396 m langen Stollen bereitgestellt, durch den eine einzelne Rohrleitung der Nennweite DN 4750 führt. Am Einlauf zur Pumpturbine befindet sich ein Kugelhahn der Nennweite DN 3300, der zur Zeit seiner Herstellung der größte seiner Art weltweit war. Die Armatur kann mit Hydraulikzylindern innerhalb von 32 Sekunden geschlossen werden.
Das Anfahren der gesamten Anlage in den Pumpbetrieb wird über einen Frequenzumrichter mit 20 MW Leistung ermöglicht. Dieser Frequenzumrichter ist zur Zeit immer noch der größte in Europa.
Das der Bergkuppe angepasste Speicherbecken hat bei einer Länge von ca. 600 m und einer Breite von ca. 250 m gut 1,5 Mio. m³ Fassungsvermögen. Zum Speicherbecken führt ein für den öffentlichen Verkehr gesperrter Zufahrts-Stichweg, der jedoch von Wanderern genutzt werden kann, um zu einer hoch über dem Ruhrtal gelegenen Aussichtsplattform zu gelangen. Dort befindet sich auch eine Tafel mit einigen Informationen zum Bau des Koepchenwerks.
[Bearbeiten] Technische Daten
Inhalt des Oberbeckens: | 1'600'000 m³ |
Nutzbarer Inhalt: | 1'533'000 m³ |
Fallhöhe: | 165,2 m bis 145,5 m |
Bauzeit: | 1985 - 1989 |
Inbetriebnahme: | 8. August 1989 |
Durchfluß im Pumpbetrieb: | 101,7 m³/s |
Durchfluß im Turbinenbetrieb: | 110 m³/s |
Leistung im Pumpbetrieb: | 153.59 MW |
Leistung im Turbinenbetrieb: | 153 MW |
Arbeitsinhalt des Oberbeckens: | 649'000 kWh |
Elektrisch nutzbarer Arbeitsinhalt: | 590'000 kWh |
Wirkungsgrad: | 75 % |
Drehzahl von Generator, Pumpe und Turbine: | 250 Umdrehungen pro Minute |
[Bearbeiten] Die Altanlage
Die Altanlage des Koepchenwerks mit vier Maschinensätzen mit getrennten Pumpen und Turbinen sowie horizontalen Wellen steht seit 1986 unter Denkmalschutz, 1994 wurde sie endgültig stillgelegt. Eine Besichtigung ist nur nach Anmeldung möglich, Einblicke in die alte Turbinenhalle sind jedoch direkt vom Seeweg aus möglich. Gute Informationstafeln sind während der allgemeinen Dienstzeiten zugänglich und erläutern die Funktionsweise des Werks.
Das direkt benachbarte moderne Kraftwerk wurde 1985-1989 gebaut und nutzt weiterhin das gleiche Prinzip. Auf dem Wasserschloss sind drei große Buchstaben des Betreibers RWE angebracht, die noch bis Anfang der 90er Jahre nachts hell erleuchtet wurden und damit als Landmarke weithin sichtbar waren, unter anderem von der A 1 aus.
Am Ende des Hengsteysees befindet sich ein weiteres Kraftwerk, das Laufwasserkraftwerk Hengstey.
Siehe auch: Liste von Pumpspeicherkraftwerken
[Bearbeiten] Literatur
- Hans Dieter Dörre: Speicherbecken auf dem Kleff und Hengsteysee - ein Konzept findet Anerkennung in Europa - Ein Bauwerk am Ende der 20er-Jahre in Herdecke errichtet. - Artikel in: Herdecker Blätter. Heft 3 (Mai 1993), Seiten 9-14
- Ralf Blank: Die Stadt Hagen im Bombenkrieg. In: Gerhard E. Sollbach (Hg.): Hagen 1939-1948. Krieg- und Nachkriegszeit. Hagener Stadtgeschichte(n), Bd. 4. Hagen 1994. S. 9-26.
[Bearbeiten] Weblinks
- Das Koepchenwerk als Sehenswürdigkeit
- Kurzinformationen zum Industriedenkmal mit Lagekarte
- RWE-Informationen zum Koepchenwerk mit Datenbogen
- Das Koepchenwerk auf der Route Industriekultur
Koordinaten: 51° 24' 41" N, 7° 24' 41" O