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Herman Nohl

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Herman Nohl (* 7. Oktober 1879 in Berlin; † 27. September 1960 in Göttingen) war ein Pädagoge und Philosoph. Er erhielt 1919 einen Ruf an die Universität Jena, 1920 an die Universität Göttingen. 1937 wurde er entlassen und nach Ende der nationalsozialistischen Diktatur erneut zum Professor in Göttingen ernannt. Nohl war einer der Hauptvertreter der auf Wilhelm Dilthey zurückgehenden geisteswissenschaftlichen Pädagogik.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Leben

[Bearbeiten] Kindheit und Jugend

Herman Nohl stammte aus einer bürgerlichen Familie, die während seiner gesamten Kindheit und Jugend in einer Wohnung auf dem Gelände des „Berlinischen Gymnasium zum Grauen Kloster“, eines Gymnasiums im Osten Berlins, lebte. Sein Vater Hermann Nohl war Gymnasiallehrer und ein anerkannter Altphilologe, bereits seine Vorfahren waren seit mehreren Generationen als Pfarrer oder Lehrer im weiteren Sinne pädagogisch tätig. Seine Mutter Gabriele Nohl (geb. Doepke) verstarb bereits 1882, als Nohl gerade einmal drei Jahre alt war. Herman Nohl hatte insgesamt vier Geschwister, wobei zwei (Johannes, Ella) aus der ersten Ehe des Vaters und zwei (Lotte, Hilde) aus der zweiten Ehe mit Elise (geb. Simon) kamen. Laut eigenen Angaben verbrachte Herman Nohl eine glückliche und idyllische Kindheit.

[Bearbeiten] Studienzeit

Vom Sommersemester 1898 bis zum Frühjahr 1904 studierte Herman Nohl Geisteswissenschaften in Berlin. Ursprünglich wollte er Medizin studieren, wurde allerdings von der Anatomie abgeschreckt. 1902 entschied sich Nohl, anstelle des ursprünglich angestrebten Staatsexamens eine Dissertation über Sokrates zu schreiben und dachte über die Möglichkeit der Habilitation nach. Er wurde dabei von dem Philosophen Wilhelm Dilthey betreut, der ihn merklich beeinflusste. Zu dieser Zeit wurde ihm auch, nach Empfehlung seiner Professoren, das Jüngken-Stipendium gewährt. Es machte ihn finanziell unabhängig vom Vater, er konnte sich ein eigenes Zimmer im damals noch dörflich geprägten Friedrichshagen am Müggelsee mieten und kaufte sich ein eigenes Segelboot. Im Frühjahr 1904 stellte Nohl seine Dissertation mit dem Titel Sokrates und die Ethik fertig, die später auch als eigenständiges Buch veröffentlicht wurde. Nohls erste wissenschaftliche Arbeit war die Zusammenstellung und Ordnung von Hegels Theologischen Jugendschriften nach den Handschriften der Königlichen Bibliothek in Berlin, die 1907 gedruckt wurden. Bei einem Besuch in Heiligenblut in der Steiermark lernte Herman Nohl im September 1903 Bertha Oser aus Wien kennen und verliebte sich in sie. Die beiden trafen sich daraufhin mehrere Male und verlobten sich 1904, am 12. Mai 1905 heirateten sie schließlich.

[Bearbeiten] Jena

Im Herbst 1907 siedelte die junge Familie Nohl nach Jena über, wo Herman Nohl am 4. Juli 1908 mit seiner Arbeit über Die Weltanschaungen der Malerei habilitierte. Bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges verbrachte Nohl seine Zeit in Jena und stellte verschiedene wissenschaftliche Arbeiten fertig. In dieser Zeit machte Nohl auch seine erste Begegnung mit der Jugendbewegung. Einige seiner Studenten waren in der Jugendbewegung aktiv, die für die Entwicklung seiner Pädagogik äußerst bedeutend war.

[Bearbeiten] Erster Weltkrieg

Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 traf Nohl direkt, da sich seine vier Töchter zu diesem Zeitpunkt in Wien aufhielten. In einer aufreibenden Reise schaffte er es, sie nach Jena zurückzubringen, bevor die Wirren des Krieges richtig begannen. Den ersten Kriegswinter verbrachte er noch zu Hause, doch im Sommer 1915 wurde auch er eingezogen und in einer Kaserne in Weimar ausgebildet. Er verbrachte die Kriegszeit als Teil der Besatzungsarmee in Gent, wobei ihm aufgrund einer Knieverletzung und seiner Kurzsichtigkeit hauptsächlich Verwaltungsaufgaben übertragen wurden, er also nicht direkt an die Front musste. Die auch bei ihm anfänglich vorhandene Kriegsbegeisterung und Überzeugung der Rechtmäßigkeit des Krieges schlug im Verlauf des Krieges - und nach dem Tod mehrerer Freunde - immer mehr in Frustration bis hin zur Verzweiflung um. Wie unsinnig und widersprüchlich dieser Krieg war, wurde ihm bewusst, als er sich regelmäßig mit belgischen Künstlern in freundlicher Runde traf, während sich die Soldaten 10 km entfernt an der Front gegenseitig töteten. Nach dem Ende des Krieges kehrte Nohl schließlich am 15. November nach Jena zurück. Aufgrund seiner Gespräche mit den Soldaten, der breiten Masse des Volkes, beschloss er sich der Volkspädagogik zu widmen und wurde 1919 eines der Gründungsmitglieder und einer der Initiatoren der Volkshochschule.

[Bearbeiten] Göttingen

Im Sommer 1919 wurde Herman Nohl an die Universität Göttingen berufen und belegte den außerordentlichen Lehrstuhl für Philosophie. Am 1. Januar 1920 begann er seine Arbeit als ordentlicher Professor für praktische Philosophie mit besonderer Berücksichtigung der Pädagogik. Nohl baute seine Pädagogik auf dem Begriff der Kunde auf, d.h. einem Begriff des vorwissenschaftlichen Wissens. Die Verbindung zur Praxis suchte er durch die Gründung eines Heims in Lippoldsberg/Weser, das dem pädagogischen Seminar in Göttingen angegliedert war. Weiterhin wichtig in seiner Tätigkeit war die Mitherausgabe des Handbuch der Pädagogik (vier Bände 1928 - 1933).

[Bearbeiten] Drittes Reich und Zweiter Weltkrieg

Das Dritte Reich brachte für Herman Nohl viele negative Erfahrungen mit sich. Zwei seiner Töchter emigrierten, da ihren Ehemännern die Anstellung an deutschen Universitäten verwehrt wurde. Ihren einzigen Sohn schickten die Eltern zu Kurt Hahn nach Schottland, damit er in einer besseren politischen Atmosphäre aufwachsen konnte. Auch Herman Nohls Ehefrau wollte aufgrund der politischen Situation auswandern, er sträubte sich aber dagegen. Viele von Nohls Schülern wanderten ebenfalls ins Ausland aus, nachdem sie aufgrund ihrer pädagogischen Tätigkeit entlassen worden waren. Nohls Idee der gewaltlosen Macht des Geistes passte nicht in das Weltbild des Nazi-Regimes, was er und auch andere Pädagogen deutlich zu spüren bekamen. Sein Verhalten während dieser Zeit wird dennoch von einigen Historikern kritisiert. So distanzierte er sich zwar von der Meinung der Nazis, passte sich aber den Gegebenheiten an, anstatt sich dagegen zu wehren. Auch die in Göttingen stattfindende Bücherverbrennung nahm er ohne größeren Protest hin. Dieses Verhalten lässt sich damit begründen, dass Nohl die politischen Veränderungen als Schicksal ansah, also keine Möglichkeit sah etwas dagegen zu unternehmen. Im April 1937 wurde Herman Nohl aus seinem Amt als Universitätsprofessor entlassen. Im März 1943 wurde der damals 64-jährige zur Fabrikarbeit eingezogen, die bis zum Jahresende andauerte. Das Kriegsende erlebte er im Lippoldsberger Landheim, in dem auch vier weitere Familien Zuflucht suchten.

[Bearbeiten] Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde es Herman Nohl von der englischen Besatzungsbehörde erlaubt in verschiedenen pädagogischen Bereichen beim Wiederaufbau mitzuhelfen. So arbeitete er unter anderem an der möglichst schnellen Wiedereröffnung der Schulen und war zwischenzeitlich Stadtschulrat in Göttingen. Auch die Wiedereröffnung der Universität Göttingen war eines seiner Hauptziele, bereits am 17. September 1945 nahm sie wieder ihren Dienst auf. Herman Nohl wurde nicht nur wieder zum Professor ernannt, sondern er wurde auch Dekan seines Fachbereiches, sogar das Rektorat wurde ihm angeboten, was er allerdings ablehnte. Als Dekan half er auch bei der Entnazifizierung der Universität mit. Im Jahr 1945 gründete Nohl auch das Institut für Erziehung und Unterricht. Des Weiteren war er Herausgeber der Zeitschrift "Die Sammlung". Auf diesem Wege hatte er wesentlichen Einfluss auf die nachkriegspädagogik. In den letzten Jahren seines Lebens war Herman Nohl häufig krank. Er starb schließlich am 27. September 1960 in seinem Haus am Hohen Weg in Göttingen..

[Bearbeiten] Herman Nohl über die Jugendbewegung

In Jena machte Herman Nohl seine ersten Erfahrungen mit der deutschen Jugendbewegung, die er in seinem 1935 veröffentlichten Buch Die pädagogische Bewegung in Deutschland und ihre Theorie in einem eigenen Kapitel ausführlich beschreibt. Darin sieht er diese Bewegung als herausragend an, da sie das Verhältnis der Pädagogik und der Generationen untereinander verändert und auf sich selbst erzieherisch wirkt. Herman Nohl fasst die Jugendbewegung als Teil einer über 150 Jahre anhaltenden Deutschen Bewegung zusammen, zu der auch die Zeit des Sturm und Drang und der Romantik gehöre. Es handele sich dabei um eine wiederkehrende Epoche, "wo die jungen Kräfte unseres Volkes um einen neuen Gehalt des Lebens rangen" (S. 12). Die Bewegung suche "die neue Einheit eines höheren geistigen Lebens, die schließlich zum metaphysischen Grunde unseres Daseins wurzelt [...] und die toten Formen der Kultur wieder belebt und von innen neu gestaltet" (ebd.). Herman Nohl sah Parallelen zwischen dem jungen Herder, dem jungen Goethe und der Jugendbewegung, wie zum Beispiel "das Gefühl der Veraltung der vorangehenden Generation, die Forderung einer neuen Jugend, Natur, Kunst und Religion als die drei befreienden Mächte, ein neues Menschtum, das doch nicht zu trennen ist von einem originalen deutschen Volkstum, in dem zugleich die Gegensätze zwischen den Ständen und Konfessionen aufgehoben sind, die Deutschland zerreißen". Als Hauptmerkmale der Bewegung führt Nohl "die Eigenbedeutung des Jungseins [...], die Blickrichtung auf Gegenwart und Zukunft [...] und zu innerst einen neuen Glauben an die Natur des Menschen" an.

Herman Nohls Interesse an der Jugendbewegung lässt sich dadurch begründen, dass er durch seine Studenten und Schüler im direkten Kontakt zu der Bewegung stand. Des weiteren war auch er ein äußerst naturverbundener Mensch, was zu den Idealen der Jugendbewegeung passte. Auch seine eigenen Kinder waren im Wandervogel aktiv und unternahmen regelmäßig Wanderfahrten, was von ihm unterstützt wurde.

[Bearbeiten] Ehrungen

[Bearbeiten] Werke

  • Sokrates und die Ethik, Tübingen/Leipzig 1904
  • Die Weltanschauungen der Malerei, Jena 1908
  • Pädagogische und politische Aufsätze, Jena 1919
  • Stil und Weltanschauung, Jena 1920
  • Jugendwohlfahrt, Leipzig 1927
  • Die ästhetische Wirklichkeit, 1935 (2. Aufl. Frankfurt/M 1954)
  • Die pädagogische Bewegung in Deutschland und ihre Theorie, 1935 (5. Aufl. Frankfurt/M 1961)
  • Einführung in die Philosophie, 1935 (9. Aufl. Frankfurt 1998)
  • Charakter und Schicksal. Eine pädagogische Menschenkunde, 1938 (3. Aufl. Frankfurt/M 1967)
  • Die sittlichen Grunderfahrungen. Eine Einführung in die Ethik, 1939 (3. Aufl. Frankfurt/M 1949)
  • Pädagogik aus dreißig Jahren, Frankfurt/M. 1949
  • Friedrich Schiller, Frankfurt/M 1954
  • Erziehergestalten, 1958 (3. Aufl. Göttingen 1965)
  • Die deutsche Bewegung, Göttingen 1969
  • Hrsg. mit L. Pallat: Handbuch der Pädagogik, 5 Bände, Langensalza 1928-1933 (10. Aufl. Frankfurt 1988)
  • Ein Landsturmmann im Himmel. Flandern u.d. Erste Weltkrieg in d. Briefen von H.N. an seine Frau. Hg. Walter Thys, Leipzig 2005

[Bearbeiten] Sekundärliteratur

  • Blochmann, Elisabeth: Herman Nohl in der pädagogischen Bewegung seiner Zeit 1879-1960, Göttingen 1969
  • Klika, Dorle: Herman Nohl : sein "Pädagogischer Bezug" in Theorie, Biographie und Handlungspraxis, Böhlau 2000
  • Miller, Damian: Herman Nohls "Theorie" des pädagogischen Bezugs : eine Werkanalyse, Bern 2002
  • Klafki, Wolfgang: Geisteswissenschaftliche Pädagogik und Nationalsozialismus : Herman Nohl und seine "Göttinger Schule" ; 1932 - 1937, Weinheim 2002
  • Dudek, Peter: Ein Leben im Schatten : Johannes und Herman Nohl - zwei deutsche Karrieren im Kontrast, Bad Heilbrunn/Obb. 2004
  • Gran, Michael: Das Verhältnis der Pädagogik Herman Nohls zum Nationalsozialismus. Eine Rekonstruktion ihrer politischen Gehalte, Hamburg 2005

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Weblinks

Andere Sprachen

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