Privacy Policy Cookie Policy Terms and Conditions Die Gänsemagd - Wikipedia

Die Gänsemagd

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Die Gänsemagd ist ein Märchen (Typ 533 nach Aarne und Thompson). Es ist in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm die Nummer 89.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Inhalt

Eine Königin, deren Mann vor langem gestorben ist, schickt ihre einzige geliebte Tochter weit fort zur Hochzeit mit einem Königssohn. Sie gibt ihr eine Magd mit, ein sprechendes Pferd namens Fallada und ein Tuch mit drei Tropfen von ihrem Blut. Die Tochter verliert unterwegs das Tuch mit den Blutstropfen, als sie sich über einen Bach lehnt, weil die Magd sich weigert ihr mit dem Becher zu trinken zu bringen. Darauf zwingt diese sie, Pferde und Kleider zu tauschen und zu schwören, darüber zu schweigen. Als sie in ihren vertauschten Rollen beim Schloss ankommen, schickt der alte König die Königstochter mit einem kleinen Jungen namens Kürdchen Gänsehüten. Falada lässt die falsche Braut den Kopf abhacken, aber auf Bitten der Königstochter hängt der Schlachter den Kopf unter das Tor, durch das sie und Kürdchen täglich mit den Gänsen gehen. Kürdchen beschwert sich bald beim König, weil die Königstochter jeden Morgen mit dem Pferdekopf spricht und mit einem Spruch ihm vom Wind die Mütze vom Kopf wehen lässt, bis sie sich frisiert hat. Der König beobachtet sie am folgenden Tag. Als sie sich mit Hinweis auf den Schwur weigert, ihr Verhalten zu erklären, lässt er sie dem Ofen ihr Leid klagen, und belauscht sie dabei. Der Königssohn erfährt die Wahrheit. Die falsche Braut lässt der König unwissentlich ihr eigenes Urteil sprechen, wonach sie in einem mit Nägeln beschlagenen Fass zu Tode geschleift wird.

[Bearbeiten] Stilistische Besonderheiten

Übernatürlich erscheinen in diesem Märchen zuerst die drei sprechenden Blutstropfen und dann der sprechende Pferdekopf, worauf die Königstochter selbst mit einem Spruch magischen Einfluss auf den Wind entfaltet. Die Blutstropfen sprechen nur zweimal: "Wenn das deine Mutter wüßte, das Herz im Leibe tät ihr zerspringen", bevor sie ins Wasser fallen. Die beiden anderen Formeln werden je dreimal wiederholt:

"O du Falada, da du hangest"
"O du Jungfer Königin, da du gangest,
wenn das deine Mutter wüßte,
ihr Herz tät ihr zerspringen."

Die Anrede mit "O du" und der Reim mit dem dunklen 'a' verleihen den ersten zwei Zeilen ihren würdig-schwermütigen Charakter. In den beiden übrigen Zeilen spricht Falada wie die Blutstropfen, aber es fehlt der Zusatz "im Leibe". Das Windgedicht danach klingt flott und hell:

"Weh, weh, Windchen,
nimm Kürdchen sein Hütchen,
und laß'n sich mit jagen,
bis ich mich geflochten und geschnatzt,
und wieder aufgesatzt."

Erst bei ihrer Klage im Ofen schließt die Prinzessin diesmal selbst mit dem Text der Blutstropfen: "Wenn das meine Mutter wüßte, das Herz im Leibe tät ihr zerspringen."

[Bearbeiten] Interpretation

Der Text weist sich klar als Märchen aus, indem magische Vorgänge wie selbstverständlich geschildert werden, ohne jegliche Verwunderung bei den Beteiligten. Wie in vielen Märchen muss die Heldin eine Prüfung ihrer Standhaftigkeit und Duldsamkeit bestehen (Aschenputtel, Die zwölf Brüder, Jorinde und Joringel uva.). Das gelingt ihr durch Festhalten an ihrer verletzten Heimatbindung, wofür der abgeschlagene Kopf des Pferdes und das Blut der Mutter als Pars pro toto stehen.

Die Geschichte wird als Entwicklungsmärchen verstanden. Trotz ihrer Würde fehlt es der Prinzessin an Stärke, im Kontrast zur selbstsüchtigen und skrupellosen Zofe. Der Konflikt beginnt und endet jeweils weinend zuerst am Bach mit den (flüssigen) Blutstropfen der Mutter und dann im (harten) Eisenofen des Schwiegervaters. Beide Symbole drücken Herzenswärme aus, bei gleichzeitigem Gegensatz zwischen den Elementen Wasser und Feuer.

Dazwischen kommt in dem hochgehängten Pferdekopf, der Haarpflege und dem Wind eine Kopflastigkeit und Kühle zum Ausdruck. Im germanischen Volksglauben zeichnet sich der wahre Adel durch seine Macht über die Elemente aus. Das Tor deutet einen Übergang an. Diesen Weg mit den Gänsen hat ihr der Schwiegervater aufgetragen (vgl. Die Gänsehirtin am Brunnen), während anfangs die Mutter der vaterlos aufgewachsenen dominiert. Zu diesem Gegensatz passt auch die harte Strafe der von der Mutter geduldeten Zofe.

[Bearbeiten] Herkunft und Verbreitung

Das Märchen ist durch die Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm bekannt, in denen es als Nummer 89 bzw. Nummer 3 des zweiten Bandes enthalten ist, der 1815 erschien. Seitdem wurden nur geringfügige Änderungen am Wortlaut vorgenommen. Jacob Grimm folgte nach eigenen Angaben einer von ihm aufgezeichneten mündlichen Erzählung von Dorothea Viehmann, einer Gastwirtstochter aus einer Hugenottenfamilie in Zwehren (in Hessen, bei Kassel). Ähnliche Märchen aus Grimms Sammlung sind Brüderchen und Schwesterchen (Nr. 11), Die drei Männlein im Walde (Nr. 13), Die weiße und die schwarze Braut (Nr. 135).

Die Grimms versuchten darüber hinaus Elemente des Märchens, speziell was die Rolle des Pferdes betrifft, mit altgermanischer Mythologie in Verbindung zu bringen. Obwohl sich solche Einflüsse schlecht ausschließen lassen, sind derartige Deutungen in der neueren Märchenforschung doch umstritten (s.a. Volksmärchen). So heißt das Pferd in der Rolandsage Veillantif (Valentich, Valentin, Velentin), das von Willehalm Volatin (Valatin, Valantin). Laut Lutz Röhrich galt das Pferd im Volksglauben als geistersichtig.

Röhrich findet auch Beispiele für die Bedeutung der Blutstropfen. In Der liebste Roland (Kinder- und Hausmärchen, Nr. 56) antworten sie anstelle der getöteten Tochter. In französischen Volksversionen warnt eine Stimme das Rotkäppchen, als es das Blut der Großmutter trinken soll: Du trinkst mein Blut. Im 1. Buch Mose 4, 10 spricht Gott zu Kain: Die Stimme des Blutes deines Bruders schreit zu mir von der Erde. Redensarten von der Stimme, den Banden des Blutes existieren bis heute.

Stony Brook und Ruth Bottigheimer von der Enzyklopädie des Märchens finden viele mündliche Varianten des Märchens fast weltweit. Offenbar bleibt der rote Faden auch bei Vermischung mit anderen recht stabil. Statt des im deutschen Sprachraum häufigen Pferdekopfs können andere Tiere (Esel, Hund, Vögel) vorkommen. Die Blutstropfen können durch Tränen oder Goldhaare der Mutter, eine Brosche, ein Tuch oder einen Goldapfel ersetzt sein. Seltener ist die Heiratsreise als Familienbesuch o.ä. abgewandelt.

Heinrich Heine wurde durch das Märchen, das ihm als Kind von seiner Amme erzählt wurde, bei dem Roman Deutschland. Ein Wintermärchen (Kaput XIV) und bei dem Gedicht Die Lore-Ley inspiriert.

[Bearbeiten] Verfilmungen

[Bearbeiten] Literatur

  • Grimm, Brüder: Kinder- und Hausmärchen. Vollständige Ausgabe. Mit 184 Illustrationen zeitgenössischer Künstler und einem Nachwort von Heinz Rölleke. S. 443-453. Düsseldorf und Zürich, 19. Auflage 1999. (Artemis & Winkler Verlag; Patmos Verlag; ISBN 3-538-06943-3)
  • Grimm, Brüder: Kinder- und Hausmärchen. Ausgabe letzter Hand mit den Originalanmerkungen der Brüder Grimm. Mit einem Anhang sämtlicher, nicht in allen Auflagen veröffentlichter Märchen und Herkunftsnachweisen herausgegeben von Heinz Rölleke. Band 3: Originalanmerkungen, Herkunftsnachweise, Nachwort. Durchgesehene und bibliographisch ergänzte Ausgabe, Stuttgart 1994. S. 168-170, S. 481. (Reclam-Verlag; ISBN 3-15-003193-1)
  • Brook, Stony und Bottigheimer, Ruth: Pferdekopf: Der sprechende Pferdekopf. In: Enzyklopädie des Märchens. Band 10. S. 937-941. Berlin, New York, 2002.
  • Henkel, Nikolaus: Eidechse. In: Enzyklopädie des Märchens. Band 3. S. 1152. Berlin, New York, 1979.
  • Moser-Ruth, Elfriede: Eideslist. In: Enzyklopädie des Märchens. Band 3. S. 1155. Berlin, New York, 1979.
  • Alvey, Gerald: Eisen. In: Enzyklopädie des Märchens. Band 3. S. 1294-1300. Berlin, New York, 1979.
  • von Beit, Hedwig: Symbolik des Märchens. S. 778-789. Bern, 1952. (A. Francke AG, Verlag)
  • Röhrich, Lutz: Märchen und Wirklichkeit. Wiesbaden, zweite erweiterte Auflage 1964. S. 66, 82.
  • Wilkes, Johannes: Der Einfluß von Märchen auf Leben und Werk Heinrich Heines. Eine Untersuchung anläßlich des 200sten Geburtstages des Dichters. In: Märchenspiegel. Zeitschrift für internationale Märchenforschung und Märchenpflege. Februar 1997. S. 9-12. (ISSN 0946-1140)

[Bearbeiten] Weblinks

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