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Agrargeschichte

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Agrargeschichte ist der Teil der Geschichtswissenschaft, der die Entwicklung der Landwirtschaft und des ländlichen Raums erforscht. Sie ist verbunden mit der allgemeinen Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Nachbarfächer sind Archäologie, Geographie, Soziologie (vgl. Agrarsoziologie) und Volkskunde. Fragen der Agrarverfassung und Agrarstruktur berühren auch rechtliche und politische Aspekte (vgl. Agrarpolitik). Neuere Entwicklungen in der Agrargeschichte gehen daher in Richtung einer "Integrationswissenschaft".

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Frühgeschichte der Landwirtschaft

Die Geschichte der Landwirtschaft begann mit dem Übergang von der Lebensweise als Jäger und Sammler zu der des Ackerbauern und Viehhalters (Neolithische Revolution). Über den exakten Zeitraum, wann der systematische Anbau von Pflanzen zum Zwecke der Ernte begann, gehen die Meinungen auseinander. Vermutlich liegt er aber 13.000 Jahre zurück. Der Nachweis über die Existenz der Landwirtschaft oder der Viehzucht wird verwendet, um die Jungsteinzeit von den früheren Perioden der Steinzeit abzugrenzen.

Die Landwirtschaft wurde nach Meinung vieler Forscher mindestens zweimal "erfunden", andere vermuten dies jedoch häufiger (bis zu neun mal):

  • Nach der vorherrschenden Theorie wurde in den östlichen Regionen des Mittelmeeres, der Levante (am Oberlauf von Euphrat und Tigris, auch Fruchtbarer Halbmond genannt) die Entwicklung der Landwirtschaft durch die plötzliche, rund 1000 Jahre andauernde Klimaänderung während des Jüngeren Dryas angetrieben. Bedingt durch die Trockenheit waren die Menschen des Natufien gezwungen Vorratshaltung zu betreiben und das endogene Getreide anzubauen und zu bewässern, da die zuvor genutzten natürlichen Vorkommen nicht mehr ausreichten um Menschen und Haustiere zu ernähren. Gerste und Weizen (Einkorn, Emmer) waren die ersten Getreidearten, die landwirtschaftlich produziert wurden. Auch Kichererbsen, Erbsen und Linsen gehörten zu den ersten angebauten Pflanzen. Dabei wurden einfache landwirtschaftliche Geräte (Pflanzstock, Grabstock und Hacke) entwickelt.
  • Andere Theorien sehen die Ursprünge vor rund 12.500 Jahren in China (Hirse, Reis und Sojabohnen).

Mittelamerika (Mais und Bohnen, später Kartoffeln und Kürbisse) kommt als frühe Ackerbauregion dagegen nicht infrage.

Vor mehr als 13.000 Jahren wurden in den Ländern des Nahen Ostens bereits Schafe und Ziegen als Haustiere gehalten. Rinder und Schweine kamen allenfalls 2000 Jahre später hinzu (China und Türkei). Dienten Haustiere, wie zuvor Wildtiere, anfangs lediglich als Fleisch-, Horn-, Sehnen- und Felllieferanten, so entwickelte sich bald auch die Nutzung von Sekundärprodukten, d.h. Milch, Käse, Wolle. Die Nutzung als Lasttier ist ein weiterer Schritt in der Geschichte des Transportwesens. In Amerika wurden Lamas und Alpakas bereits 5400 v. Chr. als Nahrungs- und Fell-Lieferanten, aber auch als Packtiere gehalten.

Weil landwirtschaftliche Tätigkeiten mühsamer sind als das vom Menschen zuvor bevorzugte Jagen, Fischen und Sammeln, liegt die Vermutung nahe, dass der Beginn der Landwirtschaft nicht freiwillig erfolgte. Wahrscheinlich dürften die Gründe in der Klimaänderung am Ende der Eiszeit gelegen haben. Der Prozess der die Neolithisierung einleitete und seine Folgen werden als Neolithische Revolution bezeichnet.

[Bearbeiten] Europa

Die Kultur der Bandkeramik brachte 5500 v. Chr. den Ackerbau vom Balkan entlang der Donau nach Mitteleuropa; bereits zuvor brachte die Cardial- oder Impressokultur den Ackerbau entlang der italienischen Mittelmeerküste nach Südfrankreich, und von dort ins übrige Frankreich und nach Spanien. Eine nach dem französischen Ort La Hoguette benannte Kultur gelangte noch vor der Bandkeramik an Maas und Rhein. Ackerbau wurde zunächst vor allem auf Flussterrassen und Gebieten mit Lössböden betrieben. Die weitere Landnahme geschah durch Waldrodung.

Ab dem 6. Jahrtausend v. Chr. erfolgte die Ausbreitung von Pflugbau und später die von Nutzungswechselwirtschaft. Zur Steigerung der Bodenfruchtbarkeit wurde mit Mist gedüngt, wobei Rasenstücke dem tierischen Dung beigemischt wurden.

Aus Funden in alten Keramiken (als Grabbeigaben o.ä.) kennt man einige der von den Kelten angebauten Pflanzen: Dinkel, Emmer, Einkorn, Mohn Ziegenweizen, Gerste, Rispenhirse, Ackerbohnen, Linsen, Lein zur Öl- und Fasergewinnung.

In der Antike wurden im Mittelmeerraum Weizen, Wein und Ölbäume angebaut, verbunden mit Viehhaltung in den stark entwaldeten Gebirgen. Dazu kamen Obst- und Gemüsebau, der wie der Weinbau von den Römern nach Mitteleuropa übertragen wurde. Die Araber führten den Baumwoll- und Zuckerrohranbau und die Bewässerungstechniken in Spanien ein.

[Bearbeiten] Neuere Geschichte der Landwirtschaft

Landarbeit in einer Darstellung um 1470
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Landarbeit in einer Darstellung um 1470

Seit dem 8. Jahrhundert setzte sich in Europa die Dreifelderwirtschaft mit Winter- und Sommergetreide sowie einer Brache (einjährige Ruhe der Böden) durch.

Diese Produktionsmethode wurde erst im 18. Jahrhundert durch den Übergang zu einem kontinuierlichen Fruchtwechsel aufgegeben. In diese Zeit fällt auch die Verbesserung vorhandener und die Einführung neuer landwirtschaftlicher Techniken (z.B. Bodenwendepflug und Hufbeschlag der Pferde, die zunehmend die vorher als Zugtiere verwendeten Ochsen ersetzten). Durch die gezielte Auswahl von Saatgut und Zuchttieren konnten die Erträge gesteigert werden. Dazu kamen die Kultivierung von Ödland und die größere Verbreitung neuer Feldfrüchte (Rüben, Klee, Raps, Kartoffeln).

Das 19. und 20. Jahrhundert waren geprägt durch die weitere Technisierung und Spezialisierung der Landwirtschaft bis hin zur Industrialisierung. 1840 beschrieb Justus von Liebig in seinem Werk "Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie", kurz "Agriculturchemie" genannt, die Möglichkeit des Einsatzes von Mineraldünger. Ab Ende des 19. Jahrhunderts konnte billiger synthetischer Dünger hergestellt werden. Er ermöglichte ebenso wie Erfolge in der Pflanzen- und Tierzüchtung und die Entwicklung neuer Maschinen eine Steigerung der Erträge um ein Vielfaches. Allerdings öffnete sich die Produktivitätsschere zwischen Gebieten mit moderner und traditioneller Landwirtschaft. Wegen der Knappheit an menschlicher Arbeitskraft bei großen zu bearbeitenden Flächen setzte sich die Mechanisierung zuerst in den USA durch. Sie erfasste mit der Industriellen Revolution und der damit verbundenen Abwanderung vieler Arbeitskräfte vom Land in die Industriestädte schließlich die übrigen Industrieländer und seit den 1960er-Jahren die Entwicklungsländer..

[Bearbeiten] Globale Entwicklungen

Die europäische Kolonisation war auch der Beginn einer globalen Ausweitung der Agrarwirtschaft und des Welthandels mit Agrarprodukten. Dies umfasste die Übertragung von Produktionsformen in andere Kontinente, die Entstehung einer neuen export- und kapitalorientierten Betriebsform (Plantagenwirtschaft) - oft auf Kosten der Selbstversorgung der Bevölkerung - und die Verbreitung von Kulturpflanzen und Nutztieren weit über ihre ursprünglichen Herkunftsgebiete hinaus (Columbian Exchange).

[Bearbeiten] Literatur

  • Wilhelm Abel: Agrarkrisen und Agrarkonjunktur in Mitteleuropa vom 13. bis zum 19. Jahrhundert. 3. Auflage. Hamburg und Berlin 1978
  • Werner Baumann, Peter Moser: Bauern im Industriestaat. Agrarpolitische Konzeptionen und bäuerliche Bewegungen in der Schweiz 1918-1968. Zürich 1999
  • Edith Ennen, Walter Janssen: Deutsche Agrargeschichte. Vom Neolithikum bis zur Schwelle des Industriezeitalters. Wiesbaden 1979
  • Günther Franz (Hrsg.): Deutsche Agrargeschichte. 6 Bände. Eugen Ulmer, Stuttgart 1993ff.
  • Ulrich Kluge: Agrarwirtschaft und ländliche Gesellschaft im 20. Jahrhundert. (= Enzyklopädie deutscher Geschichte; 73). Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2005, ISBN 3-486-56605-9 (Inhaltsangabe und Rezension)
  • Peter Moser: Züchten, säen, ernten. Agrarpolitik, Pflanzenzucht und Saatgutwesen in der Schweiz 1860-2002. Baden 2003
  • Peter Moser: Der Stand der Bauern. Bäuerliche Politik, Wirtschaft und Kultur gestern und heute. Frauenfeld 1994
  • Peter Moser, Beat Brodbeck: Milch für alle. Bilder, Dokumente und Analysen zur Milchwirtschaft und Milchpolitik in der Schweiz im 20. Jahrhundert. Baden 2007, ISBN 3-03919-044-X
  • Werner Rösener: Einführung in die Agrargeschichte. Darmstadt 1997
  • Alois Seidl: Deutsche Agrargeschichte. DLG-Verlag, Frankfurt am Main 2006, ISBN 978-3-7690-0655-1
  • Werner Troßbach, Clemens Zimmermann (Hrsg.): Agrargeschichte. Positionen und Perspektiven. Stuttgart 1998
  • Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie (ZAA), ISSN 0044-2194

[Bearbeiten] Siehe auch

Agrarreform, Agrarsozialrecht, Agrarstaat, Agrarwissenschaft, Deutscher Bauernkrieg, Monatsbilder

[Bearbeiten] Weblinks

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Die Entstehungen der heutigen Landnutzungs- und Wirtschaftsformen im Verbreitungsgebiet der de:WP, Außereuropäische Geschichte, Jüngere Geschichte, Strukturänderungen zwischen 1900 und 2000

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