Privacy Policy Cookie Policy Terms and Conditions Luftangriff auf Heilbronn - Wikipedia

Luftangriff auf Heilbronn

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Der Luftangriff auf Heilbronn am 4. Dezember 1944 durch die britische Royal Air Force (RAF) zerstörte die gesamte historische Innenstadt und 62 % der gesamten Stadt Heilbronn. Er kostete rund 6.500 Menschenleben. Ihm waren zahlreiche schwächere Angriffe vorangegangen.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Angriffe bis Sommer 1944

Heilbronn wurde im Zweiten Weltkrieg ein häufiges Ziel des Luftkriegs der Alliierten. Die Eisenbahnlinien, der Böckinger Rangierbahnhof und der Kanalhafen nahe der Stadt waren von einer gewissen strategischen Bedeutung, ebenso die Industrie in einer der bedeutendsten Industriestädte Württembergs, die mit forschreitendem Kriege weitestgehend der Kriegswirtschaft unterstellt war. Im näheren Umkreis befanden sich die Heeresmunitionsanstalt in Siegelsbach und in späteren Kriegsjahren ausgelagerte Rüstungsbetriebe in Stollen im Neckartal.

Auf dem Wartberg wurde eine Beobachtungsstelle eingerichtet, die Meldung über einfliegende Flugzeuge an die Befehlsstelle weitergab. Im Herbst 1940 wurde der General-Wever-Turm errichtet, ein Hochbunker auf der Theresienwiese, darüberhinaus bestanden zwei Tiefbunker am Kaiser-Friedrich-Platz und am Industrieplatz. Außer einigen Splitterschutz-Unterständen wurden keine weiteren Bunkeranlagen gebaut, da man die alten Keller der Innenstadt aufgrund ihrer Tiefe und ihrer massiven Mauern für sicher genug hielt. So wurden Innenstadtkeller durch Durchbrüche verbunden und Verordnungen erlassen, wie die Ausgänge zu sichern waren. Völlig vernachlässigt wurde, dass manche der massiv wirkenden Keller stellenweise nur zehn Zentimeter dicke Decken hatten, die keiner Belastung eines einstürzenden Gebäudes standhalten würden.

In der Nacht vom 16. auf den 17. Dezember 1940 fand der erste Luftangriff auf Heilbronn statt, im Herbst 1941 folgten zahlreiche weitere Bombennächte, die jedoch nur begrenzten Schaden anrichteten. Einzelne Jagdbomber hatten zudem tagsüber die Bahnlinien um Heilbronn zum Ziel.

Bei der Casablanca-Konferenz im Januar 1943 vereinbarten der US-Präsident Franklin D. Roosevelt und der britische Premierminister Winston Churchill gemeinsam mit den Combined Chiefs of Staff (CCS) eine „Aufgabenteilung“ bezüglich der Bombardierung deutscher Städte. Auf der einen Seite sollte die US Air Force für die Bombardierung der Verkehrsknotenpunkte und der Schlüsselindustrie und auf der anderen Seite die Royal Air Force für die Bombardierung der Innenstädte zuständig sein.[1] Während die Amerikaner künftig relativ präzise Angriffe auf einzelne strategische Ziele (Rüstungsfabriken, Bahnhöfe, Flugplätze, Häfen) flogen, setzten die Engländer auf massive Angriffe im Großverband, wobei Flächenbombardements mit einer Mischung aus Spreng- und Brandbomben erfolgten, die die vollständige Zerstörung der angegriffenen Städte zum Ziel hatten.

Im Januar und Februar 1944 fand in Heilbronn eine zweiwöchige Vorführung des Löschens britischer Phosphorbrandbomben statt. Ende April 1944 warfen die Alliierten nachgemachte Lebensmittelmarken über der Stadt ab, deren Verwendung unter Strafe gestellt wurde. Im Juli 1944 werden die Ladenöffnungszeiten verlängert. Falls vormittags ein Fliegerangriff von über einer Stunde Dauer stattfindet, beginnt die Mittagspause erst um 14 Uhr. Im Sommer 1944 werden die Heilbronner Kulturschaffenden zur Wehrmacht eingezogen, der Spielbetrieb von Theater und Orchester endet. Der Heilbronner Polizeidirektor ordnet die Entfernung leicht brennbarer Dekorationsstoffe aus den Schaufenstern der Stadt an. Am 5. August 1944 zeigt sich Gauleiter Wilhelm Murr zufrieden mit den Luftschutzvorkehrungen.

[Bearbeiten] Luftangriff vom 10. September 1944

Die Alliierten hatten sich bereits im Frühjahr und Sommer intensiv mit Heilbronn als möglichem Ziel eines Luftangriffs befasst, im Mai 1944 Luftaufnahmen für den internen Gebrauch und am 27. Juni 1944 ein Target Information Sheet veröffentlicht, das insbesondere den Böckinger Rangierbahnhof und den Heilbronner Kanalhafen als Ziele nennt.

Am Vormittag des 10. September 1944 flogen rund 100 Flugzeuge der 8th US Air Force einen Angriff auf das Flugzeugwerk bei Günzburg mit Ausweichziel Rangierbahnhof in Ulm. Da jedoch über beiden Zielen eine dichte Wolkendecke lag, kam Heilbronn als zweites Ausweichziel zum Zuge. Gegen 11.30 Uhr [2]begann die Bombardierung der Heilbronner Bahnhöfe und Häfen und des Böckinger Rangierbahnhofs im Winkel zwischen der Württembergischen Nordbahn von Stuttgart nach Heilbronn und der Kraichgaubahn. Die Amerikaner führten ihren Angriffen ausschließlich gegen die im Target Information Sheet genannten militärisch relevanten Anlagen. Aufgrund der Größe der Bomberverbände, der Ballistik der Brandbomben sowie der geografischen Verhältnisse wurden jedoch auch umliegende zivile Ziele getroffen. Der "Bombenteppich" am 10. September reichte daher von den angrenzenden Wohngebieten am Böckinger Rangierbahnhof über das Heilbronner Südviertel mit dem Südbahnhof und dem Heilbronner Hauptbahnhof bis zur Heilbronner Kilianskirche und zum Rathaus in der Heilbronner Stadtmitte. Abgeworfen wurden 406 500-Pfund-Streubomben, 736 250-Pfund-Streubomben und 26.400 Vier-Pfund-Stabbrandbomben. Dabei starben 281 Bürger.

[Bearbeiten] Luftangriffe 27. September bis 30. Oktober 1944

Im Sommer und Herbst 1944 errichteten die Alliierten ihr OBOE genanntes Funknavigationssystem in Nordfrankreich und Belgien. Die süddeutschen Angriffsziele befanden sich ca. 500-600 km von den Sendeanlagen entfernt. Da sich die Funksignale linear ausbreiteten und nicht der Erdkrümung folgten, mussten Flugzeuge in einer Höhe von etwa 10.000 Meter über das Zielgebiet geleitet werden, wofür die leichten und beinahe vollständig hölzernen Mosquito-Flugzeuge am geeignesten erschienen. Die Mosquitos waren mit jeweils einer 4000-Pfund-Bombe (so genannte Luftmine) bestückt. Von Ende September bis Ende Oktober erfolgten Test- und Übungsangriffe auf verschiedene südwestdeutsche Städte, neben Heilbronn auch auf Aschaffenburg, Darmstadt, Pforzheim und Karlsruhe. Da für einzelne Flugzeuge kein Fliegeralarm ausgelöst wurde und die Flugzeuge wegen ihrer immensen Flughöhe nicht zu hören waren, kamen die Bombentreffer für die Bevölkerung zumeist völlig überraschend.

Am 27. September 1944 begann ab 21.30 Uhr der erste mittels OBOE gelenkte Angriff von sechs Mosquitos auf Heilbronn, von denen drei die Bahnanlagen und zwei die Innenstadt bombardierten. Am 28. September konnten gegen 21.00 Uhr fünf Mosquitos drei Treffer auf die Bahnanlagen erzielen. Am 30. September flogen gegen 20.40 Uhr abermals sechs Maschinen die Stadt an, wobei ein Treffer auf die Bahnanlagen und mindestens zwei Treffer auf die Innenstadt zu verzeichnen waren. Am 1. Oktober griffen gegen 20.30 Uhr zwei von sechs Mosquitos die Innenstadt an, während die restlichen vier Maschinen ihre Bomben im Umland abwarfen. Am 4. Oktober erfolgten gegen 22.00 Uhr Bombenabwürfe auf die Innenstadt von drei der fünf an diesem Tag anfliegenden Maschinen, ein Mosquito ging verloren. Am 12. Oktober flogen gegen 5.00 Uhr vier Maschinen die Innenstadt an. Am 30. Oktober erfolgten gegen 20.20 Uhr drei erfolgreiche Bombenabwürfe über dem Rangierbahnhof.[3]

Es wurde spekuliert, ob die im Volksmund „Bombenkarle“ genannten Flieger Ritchie Boys sein könnten, da man in Unkenntnis der Funknavigation den hoch fliegenden Piloten genaue Ortskenntnisse unterstellte.[4]

[Bearbeiten] Luftangriff vom 4. Dezember 1944

Modell der total zerstörten Stadt nach dem Angriff vom 4. Dezember 1944
vergrößern
Modell der total zerstörten Stadt nach dem Angriff vom 4. Dezember 1944

Am Abend des 4. Dezember 1944 flogen 282 Lancaster-Bomber des britischen 5. Bomberkommandos der RAF und zehn Begleitflugzeuge die Stadt Heilbronn in loser Formation an. Gleichzeitig erfolgten Scheinangriffe auf das Ruhrgebiet, um die deutsche Luftabwehr zu täuschen. Die nahenden Flugzeuge wurden zwischen 18.49 Uhr und 18.57 Uhr erstmals von deutschen Funkmessgeräten nördlich von Saarbrücken erfasst. Um 19.10 Uhr meldete die deutsche Abwehr "Schneller Bomber nordostwärts von Heilbronn", wobei es sich wahrscheinlich um Fernnachtjäger auf ihrem Weg zu den deutschen Nachtjagdflugplätzen in Schwäbisch Hall oder Kitzingen gehandelt hat, die im Vorfeld des Angriffs ebenfalls die deutsche Luftabwehr ablenken sollten. Am Abend des 4. Dezember war es stark bewölkt, was im weiteren Verlauf zu einer Änderung der Anflughöhe der Flugzeuge führte.

Um 19.18 Uhr flog die erste Lancaster-Maschine des Erstmarkierer-Verbandes der 83 Squadron unter Leutnant Pereira in einer Höhe von ca. 4500 Metern über Heilbronn ein und warf grüne Annäherungsmarkierungen ab. Eine halbe Minute später folgte ihm eine weitere Lancaster unter Oberleutnant Phillip. Dieser warf 10 1000-Pfund-Sprengbomben mit Langzeitzündern ab und drehte zum Rückflug ab. Anschließend wurden gegen 19.20 Uhr Leuchtbomben abgeworfen, um den inzwischen eingetroffenen Mosquito-Bombern der 627 Squadron die Orientierung beim Abwurf von rot und gelb brennenden so genannten „Target Indicators“ (TIs, Zielmarkierer, Rot für die Innenstadt, Gelb für den Rangierbahnhof) zu erleichtern. Oberleutnant Duncan warf aus einer weiteren Lancaster gegen 19.20 Uhr nochmals grüne Zielmarkierer über der Stadt ab sowie eine Blitzlichtbombe, die in etwa 600 Metern Höhe explodierte und das Fotografieren des Zielgebiets ermöglichte. Anschließend erfolgte der Abwurf von sehr vielen Leuchtbomben, die das Zielgebiet taghell erleuchteten. Die Leuchtbomben sollten ursprünglich 10 Minuten lang abgeworfen werfen, jedoch wurde die Leuchtwirkung von den anfliegenden Bomberpiloten bereits gegen 19.23 Uhr als „ausgezeichnet“ bezeichnet, so dass „Master Bomber“ Maurice A. Smith, der mit seiner Mosquito DZ 518 über der Stadtmitte kreiste, bereits um 19.27 Uhr befahl: „Come in and bomb, red TIs as planned“[5]. Nach den vorangegangenen Supporter-Bomben (überwiegend zeitverzögerte Sprengbomben) fiel jetzt die eigentliche Bombenlast auf die Stadt.

Trümmer der Stadt sind heute noch allgegenwärtig, wie hier als Hangbefestigung in der Götzenturmstraße
vergrößern
Trümmer der Stadt sind heute noch allgegenwärtig, wie hier als Hangbefestigung in der Götzenturmstraße

Die Lancaster PB 251 unter Oberstleutnant Fugger warf gegen 19.29 Uhr eine erste 4000-Pfund-Sprengbombe und 1800 4-Pfund-Stabbrandbomben aus einer Abwurfhöhe von 3800 Metern. Bis 19.38 Uhr fielen rund 1200 Tonnen Bomben auf die Stadt. Der Angriff auf den Rangierbahnhof begann um 19.32 Uhr und dauerte bis 19.55 Uhr. Die Piloten, die den Rangierbahnhof anfliegen sollten, hatten oftmals Schwierigkeiten, die gelben Zielmarkierungen vor dem Hintergrund der bereits hell brennenden Stadt zu erkennen, so dass sie ihre Bombenlast ebenfalls über der Innenstadt entluden. Die wenigsten Piloten sahen, wo ihre Bomben niedergingen, da bereits nach den ersten Einschlägen Rauchwolken die Bodensicht versperrten.

Die Bomber Command Summary of Operations zählt folgende Bombenmengen auf, die über dem Stadtgebiet abgeworfen wurden:

5 Stück 12000-Pfund-Sprengbomben
168 Stück 4000-Pfund-Sprengbomben
573 Stück 1000-Pfund-Sprengbomben
192 Stück 500-Pfund-Sprengbomben
191 Stück 500-Pfund-Mehrzwecksprengbomben
10 Stück 1000-Pfund-Markierungsbomben (3 grün, 3 rot, 4 gelb)
3 Stück 250-Pfund-Markierungsbomben (grün)
35550 Stück 4-Pfund-Stabbrandbomben (237 Behälter zu je 150 Stück)
208350 Stück 4-Pfund-Stabbrandbomben (lose aus Schüttkästen)
1204 Stück Leuchtbomben

Über dem Rangierbahnhof gingen weitere 380 Bomben nieder. Beachtenswert ist der Anteil von knapp 66% Sprengbomben an der gesamten abgeworfenen Bombenmenge. Arthur Harris, der damalige britische Oberkommandierende des Bomber Command, hat später erklärt, dass viele der deutschen Städte durch vorangegangene Bombardierungen bereits stark verbrannt waren, so dass die Royal Air Force im Spätjahr 1944 wieder bevorzugt mit Sprengbomben angriff, um die Zerstörung zu maximieren. Weder Heilbronn noch das ebenfalls mit starker Sprengwirkung eine Woche zuvor bombardierte Freiburg im Breisgau wiesen jedoch entsprechend große Brandschäden auf, so dass die Gründe für die auf Sprengwirkung bedachte Zusammensetzung der Bombenfracht beim Angriff auf Heilbronn unklar sind.

Die gesamte Altstadt wurde komplett zerstört, die Randbereiche wurden schwer beschädigt. Was nicht durch den Druck der Detonationen beschädigt wurde, wurde ein Raub der Flammen. Von den hunderten historischen Gebäuden der Stadt sind heute deswegen nur noch etwa zwei Dutzend (zumeist wiederaufgebaut) erhalten.

Die deutsche Luftabwehr konnte dem Angriff nur wenig entgegensetzen: Zwei Flak-Stellungen am Neckar und 14 deutsche Nachtjäger Junkers Ju 88 kämpften unter Kommandeur Ernst Wallner gegen die britischen Bomber. Wallner und zwei Besatzungsmitglieder starben bei Winzerhausen. Die RAF verlor elf ihrer 282 Maschinen.

Tiefbunker am Industrieplatz
vergrößern
Tiefbunker am Industrieplatz

Die Bevölkerung, die sich an diesem Montagabend zur Feierabendzeit noch zahlreich in der Heilbronner Innenstadt aufhielt, flüchtete zu Beginn des Angriffs sowohl in einen Hochbunker (General-Wever-Turm) und zwei Tiefbunker (am Industrieplatz und am Kaiser-Friedrich-Platz) als auch in die 54 als sicher geltenden öffentlichen Lutftschutzkeller, in denen 13.945 Menschen Platz fanden. Die Innenstadt sollte jedoch wegen des von Brandbomben angefachten und ab etwa 20 Uhr wütenden heftigen Feuers zur tödlichen Falle werden. Diejenigen, die zuerst Zuflucht in den Kellern gesucht und während des "Feuersturms" versucht hatten, die Stadt zu verlassen, verbrannten auf den Straßen. Die im Keller verbliebenen Personen starben an Kohlenmonoxidvergiftung oder durch den Einsturz von Luftschutzkellern.

Nach dem Angriff wurden schwere Vorwürfe gegen NS-Oberbürgermeister Heinrich Gültig und Kreisleiter Richard Drauz erhoben, die es versäumt hatten, die z. B. aus dem Luftangriff auf Kassel im Oktober 1943 gewonnenen Erkenntnisse an die Bevölkerung weiterzugeben, dass ein sofortiges Verlassen der Stadt bei Fliegeralarm die größten Überlebenschancen bot. Anstelle dessen galt in Heilbronn der Befehl, die Schutzräume aufzusuchen und dort bis zur Entwarnung zu verharren, was zu vielen Erstickungsopfern geführt hatte.

Es wird angenommen, dass innerhalb der halben Stunde des Bombenangriffs über 6500 Menschen, darunter etwa 1000 Kinder unter 10 Jahren, starben. [6]. Die genaue Anzahl der Opfer des Bombenangriffs ist unbestimmbar, denn Hunderte verbrannten oder waren durch die Hitze zur Hälfte ihrer normalen Körpergröße zusammengeschrumpft und nicht identifizierbar. Durch den immensen Funkenregen und die zeitverzögerten Bomben brachen die ganze Nacht hindurch weitere Brände aus, so dass erst nach Stunden (in manchen Winkeln auch erst nach Tagen) überhaupt wieder ein Zugang möglich war.

Am Tag nach dem Angriff suchten 600 bis 800 Menschen mit Brandverletzungen, Rauch- und Kohlenmonoxidvergiftungen, Entzündungen der Schleimhäute usw. die städtischen Rettungsstellen an der Wilhelmstraße und am Kaiser-Friedrich-Platz auf, die den Angriff beschädigt überstanden hatten. Die Krankenhäuser der Stadt waren ebenfalls zerstört wordem, dem Pflegepersonal war es jedoch gelungen, die meisten Kranken zu retten. Einzig in der Augenabteilung und in der Kinderklinik waren Tote zu beklagen. Anders sah es im zum Lazarett umgenutzten Karlsgymnasium aus, das erst am Abend vor dem Angriff mit Verwundeten der Front im Elsaß belegt worden war, von denen auf Grund ihrer Verwundungen sich nur die wenigsten beim Brand des Gebäudes retten konnten.

Steinkreuze auf dem Ehrenfriedhof Heilbronn für mindestens 5000 Opfer
vergrößern
Steinkreuze auf dem Ehrenfriedhof Heilbronn für mindestens 5000 Opfer

Beim Abflauen der Brände begannen die Aufräum- und Rettungsarbeiten, zu denen auch Helfer aus den umliegenden Städten herangezogen wurden. Am Abend des 5. Dezember verkündeten Lautsprecherwagen die Zahlen von 4000 Toten und 3000 Verletzten. Da sich jedoch (ähnlich wie in Dresden) zahlreiche Flüchtlinge in der Stadt befanden, kursierten in der Bevölkerung Gerüchte von bis zu 25.000 Toten[7]. Zur Bergung der Toten wurde auf Anordnung von Kreisleiter Richard Drauz die Staatspolizei eingesetzt, die unter dem Kommando eines Polizeioffiziers Bergungstrupps zusammenstellte, wofür man auch etwa 50 Häftlinge des KZ-Außenlagers Neckargartach verpflichtete. Die Polizei übernahm die Sicherstellung von bei den Toten gefundenen Wertsachen. Die Toten wurden zunächst zum Stadtfriedhof gebracht, wo sich deren Zahl dermaßen häufte, dass an eine Beisetzung im Friedhof selbst nicht zu denken war. Da sich das Leichenhaus auf dem Friedhof schnell als zu klein erwies, wurden die Toten im Freien niedergelegt. Auch konnten nicht genug Särge bereitgestellt werden, obwohl aus Stuttgart, Ulm und anderen Städten etwa 1000 Särge geliefert wurden. Eine Kommission unter Friedhofsverwalter Ruf besichtigte ein südlich an den Friedhof angrenzendes Gelände (ehemaliges Schlizsches Grundstück), beschied aber auch hier eine zu geringe Kapazität. Schließlich fiel der Entschluss, im stadtnahen Köpfertal einen Ehrenfriedhof am Waldrand anzulegen. Die Toten wurden auf Transportwagen ins Köpfertal gebracht. Kreisleiter Drauz untersagte die Bestattung von Toten des Angriffs in bestehende Familiengräbern oder auswärtigen Friedhöfen, teilweise mussten diesbezügliche privat initiierte Leichentransporte wieder zurückgehen. Ab 6. Dezember begannen die Arbeiten am Ehrenfriedhof, wo auf 120 Ar zehn Sammelgräber angelegt wurden, in denen mindestens 5000 Tote beigesetzt sind.

Ab 8. Dezember wurden die Luftschutzkeller der Innenstadt geöffnet und die Toten geborgen. Im Keller Ehrmann in der Klostergasse (Klosterkeller) starben 600 Menschen und im Keller Wüst in der Lammgasse 200 Menschen. In vielen Kellern muss der plötzliche Sauerstoffmangel die Anwesenden überrascht haben, da oftmals Keller vorgefunden wurden, in denen die Toten ohne Anzeichen eventueller Fluchtversuche oder Panik auf ihren Plätzen sitzend vorgefunden wurden. In manchen Luftschutzkellern gab es dagegen vermutlich Auseinandersetzungen über einen weiteren Verbleib oder einen Ausbruchsversuch, da viele Hieb- und Schlagwunden bei den Toten festgestellt und Zusammenballungen von 30 bis 40 Menschen gefunden wurden.

Die Totenbergung dauerte bis nach Weihnachten. In besonders schwer beschädigten Straßenzügen konnten viele Tote nicht geborgen werden. So werden im Bereich der Unteren Turmstraße, wo die massiven Trümmer der Stadtmauer Keller verschütteten, bis heute noch Skelette im Erdreich vermutet.

[Bearbeiten] Weitere Angriffe bis Kriegsende

Luftaufnahme der zerstörten Altstadt am 31. März 1945
vergrößern
Luftaufnahme der zerstörten Altstadt am 31. März 1945

Zwischen dem 27. Dezember 1944 und dem 31. März 1945 erfolgten noch weitere 49 Luftangriffe, wobei diese überwiegend durch einzelne Jagdbomber der 1st Tactical Air Force durchgeführt wurden. Am Nachmittag des 29. Dezember 1944 fielen 22 75-Gallonen-Napalm-Bomben auf den Rangierbahnhof. In der Nacht von 20. auf 21. Januar wurden insbesondere die Neckarbrücken und abermals der Rangierbahnhof getroffen. Am 2. Februar erfolgten zwei Angriffe auf den Rangierbahnhof im Abstand von etwa 6 Stunden. Auch am 11. und am 15. Februar 1945 wurde der Bahnhof Ziel von Angriffen. Am 28. Februar 1945 fielen lediglich Aufforderungen zur Kapitulation und Passierscheine für Deserteure auf die Stadt. Am 1. März erfolgte ein Großabgrifff von 1200 Bombern und 400 Begleitjägern auf zwölf Ziele in Süddeutschland, von denen eines erneut der Heilbronner Rangierbahnhof war. Am 25. März wurden mit sieben Angriffen kleiner Jagdbomberverbände die meisten Angriffe innerhalb eines Tages gezählt, dabei wurde u.a. das bis dahin noch funktionierende Gaswerk zerstört. Ab Anfang April konzentrierten sich die Angriffe weniger auf die Bahnanlagen, sondern mit Hinblick auf die nahenden Frontkampfhandlungen auf die in Heilbronn befindlichen Kasernen sowie die Verteidigungsstellungen auf dem Wartberg und im Jägerhauswald. Der letzte Jagdbomber-Angriff auf Heilbronn hatte am 12. April 1945 Truppenverbände und Nachschublager auf dem Gaffenberg zum Ziel.

Insgesamt wurden durch die Luftangriffe auf Heilbronn von vormals 14500 Gebäuden 5100 vollständig zerstört und 3800 schwer beschädigt. Die Amtsgebäude und alle im Besitz der Stadt befindlichen Anwesen wurden mit Ausnahme des Fleischhauses und des Schießhauses vernichtet.

[Bearbeiten] Gedenken

Die Ehrenhalle beim Rathaus erinnert bis heute an die Zerstörung der Stadt
vergrößern
Die Ehrenhalle beim Rathaus erinnert bis heute an die Zerstörung der Stadt

Die erste Gedächtnisfeier für die Toten sowie deren Einsegnung fand auf dem Ehrenfriedhof am 26. August 1945 statt. Alljährlich wird hier bis heute am 4. Dezember der Opfer in einer Trauerstunde gedacht. Das beim Luftangriff bis auf die Grundmauern zerstörte Stadtarchiv am Rathaus wurde am 4. Dezember 1963 zur Ehrenhalle für die Toten des Weltkriegs umgewidmet.

Nicht nur die völlige Zerstörung und der nachfolgende Wiederaufbau, sondern auch die Entsorgung der Trümmer haben das Stadtbild bleibend geprägt. Nicht mehr zum Wiederaufbau verwertbare Trümmer der Innenstadt wurden beim Bollwerksturm in den alten Neckararm geschüttet, worauf dieser im Bereich des heutigen Hallenbads und des Europaplatzes völlig verschwand und überbaut wurde. Im Stadtteil Böckingen wurde der Böckinger See mit Kriegstrümmern aufgefüllt und trockengelegt, heute befinden sich dort die Böckinger Sportplätze.

[Bearbeiten] Literatur

  • Hubert Bläsi und Christhard Schrenk: Heilbronn 1944/45 - Leben und Sterben einer Stadt, Stadtarchiv Heilbronn, Band 6, 1995
  • Erwin Bosler: Aus den Schreckenstagen Heilbronns, Verlag Ernst Frantz, Metzingen, 1950
  • Robert Bauer: Heilbronner Tagebuchblätter, Giehrl & Co., Heilbronn, 1949

[Bearbeiten] Anmerkungen und Quellen

  1. Christhard Schrenk, Hubert Weckbach, Susanne Schlösser: Von Helibrunna nach Heilbronn: eine Stadtgeschichte. Theiss, Stuttgart 1998 (Veröffentlichungen des Archivs der Stadt Heilbronn; 36), ISBN 3-8062-1333-X. Seite 172
  2. Frühere Artikelversionen nannten 11.34 Uhr als Angriffsbeginn, es gibt jedoch ein Bordfoto im Auswertungsberich S.A. 2689, das bereits um 11.32 Uhr Explosionen zeigt
  3. Daten und Zahlen nach "Heilbronn 1944/45, Leben und Sterben einer Stadt", siehe Literatur
  4. Christhard Schrenk, Hubert Weckbach, Susanne Schlösser: Von Helibrunna nach Heilbronn: eine Stadtgeschichte. Theiss, Stuttgart 1998 (Veröffentlichungen des Archivs der Stadt Heilbronn; 36), ISBN 3-8062-1333-X. Seite 173
  5. Jacobi, Uwe: Heilbronn so wie es war, Droste Verlag, 1987, ISBN 3770007468
  6. Das Gedenkbuch der Stadt Heilbronn listet für diesen Tag die Namen von 6530 Toten.
  7. Diese Zahl nennt auch noch Robert Bauer in "Heilbronner Tagebuch" von 1949

Static Wikipedia 2008 (no images)

aa - ab - af - ak - als - am - an - ang - ar - arc - as - ast - av - ay - az - ba - bar - bat_smg - bcl - be - be_x_old - bg - bh - bi - bm - bn - bo - bpy - br - bs - bug - bxr - ca - cbk_zam - cdo - ce - ceb - ch - cho - chr - chy - co - cr - crh - cs - csb - cu - cv - cy - da - de - diq - dsb - dv - dz - ee - el - eml - en - eo - es - et - eu - ext - fa - ff - fi - fiu_vro - fj - fo - fr - frp - fur - fy - ga - gan - gd - gl - glk - gn - got - gu - gv - ha - hak - haw - he - hi - hif - ho - hr - hsb - ht - hu - hy - hz - ia - id - ie - ig - ii - ik - ilo - io - is - it - iu - ja - jbo - jv - ka - kaa - kab - kg - ki - kj - kk - kl - km - kn - ko - kr - ks - ksh - ku - kv - kw - ky - la - lad - lb - lbe - lg - li - lij - lmo - ln - lo - lt - lv - map_bms - mdf - mg - mh - mi - mk - ml - mn - mo - mr - mt - mus - my - myv - mzn - na - nah - nap - nds - nds_nl - ne - new - ng - nl - nn - no - nov - nrm - nv - ny - oc - om - or - os - pa - pag - pam - pap - pdc - pi - pih - pl - pms - ps - pt - qu - quality - rm - rmy - rn - ro - roa_rup - roa_tara - ru - rw - sa - sah - sc - scn - sco - sd - se - sg - sh - si - simple - sk - sl - sm - sn - so - sr - srn - ss - st - stq - su - sv - sw - szl - ta - te - tet - tg - th - ti - tk - tl - tlh - tn - to - tpi - tr - ts - tt - tum - tw - ty - udm - ug - uk - ur - uz - ve - vec - vi - vls - vo - wa - war - wo - wuu - xal - xh - yi - yo - za - zea - zh - zh_classical - zh_min_nan - zh_yue - zu -