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Linkskatholizismus

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Linkskatholizismus bezeichnete in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts jene Strömungen innerhalb des deutschen politischen Katholizismus, die sich aus religiösen Motiven auf dem linken politischen Spektrum positionierten. Wegen des stark integrierenden Charakters der Zentrumspartei für das katholische Minderheits-Milieu im Deutschen Reich muss zunächst das Engagement auf dem linken Flügel der Zentrumspartei (demokratisch, sozial, antiliberal) von vereinzelten katholisch inspirierten Sozialisten unterschieden werden.
Der Begriff "Linkskatholizismus" wurde aus der französischen Diskussion übernommen ("catholiques à gauche"), wo er jedoch eher eine republikfreundliche, meist antiroyalistische Haltung umschrieb.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Katholische Kirche und Politik in Deutschland

[Bearbeiten] Weimarer Republik und 1933-1945

Mit dem Ende des Kaiserreichs schwächte sich auch die staatsnah protestantische Ausrichtung Deutschlands. Die katholischer Vereine und Bünde erlangten wieder ihre Bewegungsfreiheit - auch in ausgesprochenen Diaspora-Regionen wie Berlin. So konnte sich in der Weimarer Republik nach 1918 ein Milieu alternativer christlicher Gruppen entwickeln, das zum Pazifismus und teilweise auch zum Sozialismus tendierte. Der Horror des gerade beendeten Weltkriegs und die Fragwürdigkeit der üblichen Nähe des Klerus zum Militär führte zur Gründung katholisch-pazifistischer Gruppen (z.B. Friedensbund Deutscher Katholiken, 1919-1933). Manche revolutionäre Hoffnungen auf eine Überwindung des kapitalistischen Systems ließen christlich- sozialistische Gruppen wie den Bund der katholischen Sozialisten und deren "Rotes Blatt" (1929/30) entstehen. Zu ihren Galionsfiguren zählten christliche Gewerkschafter wie Heinrich Mertens und Ernst Michel, während etwa die Rhein-Mainische Volkszeitung christlichen Publizisten wie Friedrich Dessauer (dem sozial engagierten Unternehmer), Heinrich Scharp oder Walter Dirks (dem Sekretär von Romano Guardini) ein vielbeachtetes Forum bot. Als dezidiert linkskatholische Partei bestand des Weiteren die Christlich-Soziale Reichspartei.

Zum Disput über Reformtheologie, Gesellschafts- und Kirchenreformen trug auch der linke Flügel der katholischen Jugendbewegung vieles bei - vor allem im Quickborn und in den Werkheften junger Katholiken (1931-33). Von den vielen linkskatholischen Initiativen seien ferner genannt:

Dieses vielfach vernetzte Milieu stärkte den linken Reformflügel der deutschen Zentrumspartei und war der Nährboden für den Linkskatholizismus bis nach 1945. In diese Gemengelage der Zwischenkriegszeit wirkten auch die vom Kirchenvolk rasch angenommenen Liturgiereformen - etwa des in Klosterneuburg wirkenden Sudetendeutschen Augustiners Pius Parsch und anderer - und verstärkten das Gefühl vieler kritischer Christen, sozusagen "Kirche von unten" zu sein.

Die Nazizeit schwächte dieses Milieu allerdings entscheidend. Zwar entstanden vereinzelte christlich-nationalsozialistische Gruppierungen wie die Arbeitsgemeinschaft für den religiösen Frieden, wurden aber meist von den Ortsbischöfen verboten (z.B. Ende 1938 in der "Ostmark" (Österreich) vom später so kritisierten Kardinal Theodor Innitzer). Doch das rückgratlose Paktieren mancher Bischöfe mit der Nazi-Obrigkeit beraubte die kritischen Katholik/inn/en ihres Identitätsrahmens. Während sich die Bekennende Kirche in der Evangelischen Konfession durch deren andere Struktur zusammenfinden konnte, musste der Widerstand der Katholiken fast ohne institutionellen Rückhalt bleiben. Was heute schwer nachvollziehbar ist, erzeugte einen Riss in der katholischen Identität, der noch nicht ganz verheilt ist. Bei alldem darf jedoch nicht vergessen werden, dass die katholischen Institutionen im dt. Reich seit 1871 in einer Minderheitsposition waren und antimoderne Grundhaltungen ein unpolitisches Empfinden begünstigten.

[Bearbeiten] Westdeutschland 1945 bis 1989

In der Nachkriegszeit bis etwa 1960 war ein politisches Engagement deutscher Katholiken in der SPD eine seltene Ausnahme, weil die katholische Kirche eine eindeutig antimarxistische Position hatte und gleichzeitig starkes soziales Engagement entwickelte. Auch heute sind nur wenige prominente Sozialdemokraten katholisch; zu ihnen gehören Wolfgang Clement, Georg Leber, Wolfgang Thierse, Hans-Jochen Vogel, aber auch Oskar Lafontaine, Franz Müntefering und der SPD-Vorsitzende Kurt Beck.

Die vereinzelten Linkskatholiken der Nachkriegszeit kritisierten während der Ära Adenauer die Westbindung der Bundesrepublik sowie ihre Wiederaufrüstung und engagierten sich pazifistisch. Der "Linkskatholizismus" artikulierte sich jedoch überwiegend innerhalb des politischen Spektrums der christdemokratischen Parteien; als Überrest davon dürfen heute kirchenkritische Äußerungen von Heiner Geißler oder Rita Süßmuth gelten.

In Folge des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) ist die kath. Kirche als ganze weniger eindeutig bestimmten gesellschaftlichen Konzepten zuzuordnen als zuvor. Der Begriff "Linkskatholizismus" verliert dadurch an Deutlichkeit und wird immer seltener verwendet. Die theologische Linke (sofern man liberale Richtungen dazu zählen kann, etwa Hans Küng) wurde von konservativen Vertretern zunehmend als "progressistisch" bezeichnet.

Hingegen bezeichnet der Traditionalismus - seinerseits Überrest der frz. "catholiques à droite" - die "Konzilskirche" insgesamt als dem Modernismus verfallen. Ein besonderes Problem stellte aus römischer Sicht die marxistisch inspirierte Variante der Befreiungstheologie dar, die in den 1980er Jahren zurückgedrängt wurde. Insgesamt wird sie aber seit dem Sturz der meisten kommunistischen Regime nicht mehr als zukunftsweisend angesehen. Eine fundierte Kapitalismuskritik auf dem Boden der katholischen Soziallehre findet bislang wenig Gehör in der Öffentlichkeit, da die kirchliche Sozialdoktrin nicht unmittelbar politisch argumentiert, sondern sich im Horizont naturrechtlich inspirierter Kategorien der Vernunft um Prinzipien einer gerechten Gesellschaftsordnung bemüht (vgl. Enzyklika Benedikt XVI., Deus Caritas Est, Nr. 26 ff. m.w.N.). Die aktuellen Medien sind fast durchwegs nur an kirchlichen Nachrichten interessiert, die eine politische Zuspitzung nach dem Schema "links-rechts" gestatten. Das wird mit zunehmender Überwindung der als nachkonziliare Krise bezeichneten Phase jedoch immer seltener möglich sein.

In den 1970er und 1980er Jahren tendierte die jüngere Generation der deutschen Katholiken mehrheitlich zur politischen Linken, während zuvor die Katholische Jugend eher der rechten Mitte nahestand. Im Kontrast zum Zentralkomitee der dt. Katholiken - das die kath. Laienverbände repräsentiert - und seinen überwiegend der CSU und CDU nahestehenden, staatsnahen Mitgliedern, suchten diese Gruppen nach einer staatsfernen christlichen Identität, die sich gegenüber den Grundentscheidungen der Ära Adenauer (Westbindung, Marktwirtschaft, Europäische Integration) kritisch verhielt. In Folge der Umbrüche von 1989 ff. ist der deutsche Linkskatholizismus heute nicht mehr als relevante politische Gruppierung erkennbar, obwohl er sich durch Einzelpersonen weiterhin oft in der Gesellschafts- und Sozialpolitik zu Wort meldet.

[Bearbeiten] Zum Linkskatholizismus in Österreich und Italien

In Österreich ist die Situation ähnlich, doch spielt die Katholische Soziallehre eine etwas größere Rolle als in der Bundesrepublik Deutschland. Sie wird unter anderem durch Laienorganisationen, die Caritas und durch Aktivitäten von Bildungshäusern im Bewusstsein der Öffentlichkeit gehalten, aber auch durch regelmäßige Schwerpunktsetzungen der Bischofskonferenz gefördert.

Durch die "Wende" hin zur Mitte-rechts-Regierung von Wolfgang Schüssel sind nun viele "Linkskatholiken" auf Seiten der Regierungskritiker und der Grünen zu finden, während sie in den 1990er Jahren als parteipolitisch eher indifferent oder uninteressiert erschienen. Die Politik der Volkspartei fußt zwar weiterhin auf den früheren Parteiprogrammen, wird aber seit der Koalition mit einer Rechtspartei häufiger im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftspolitik und christlich-sozialen Positionen wahrgenommen.
Das politische Interesse der Jugend, das vor 2000 unter 10% lag - ist durch die langen Regierungsverhandlungen 1999 und 2003 kurzfristig auf über 30% gestiegen, nun allerdings bei rund 20% stabil. Die Gespräche zu einer "schwarz-grünen Koalition" wurden von linkskatholischer Seite interessiert verfolgt, was wiederum zu einer Milderung kirchenfeindlicher Positionen bei den Grünen geführt hat. Die Kritik der Caritas und der evangelischen Diakonie an einigen Änderungen des Fremdengesetzes hat insgesamt zu einer pointierteren Sicht "rechts-" bzw. linkskatholischer Politik" geführt. Die innerkirchlich progressiven Initiativen des Kirchenvolks-Begehrens sind allerdings (ähnlich wie in den Nachbarländern) durch eine resignative Haltung gegenüber neokonservativen Tendenzen in den Hintergrund getreten. Eine sorgfältigere Unterscheidung, wieweit diese konservativen Tendenzen tatsächlich primär um die Glaubenstradition bemüht sind, inwieweit aber traditionelle Ideologie dabei mitspielt, steht noch aus.

In Italien ist das Parteienspektrum seit dem Zerfall der Democrazia Cristiana (1994) wesentlich variabler als in den deutschsprachigen Ländern. Die früheren linken und rechten Parteiflügel der DC bilden nunmehr statt Splitterparteien eigenständige, mittelgroße Parteien - siehe La Margherita und CDU bzw. UDC. Seit den Regierungswechseln 1995 und 2001 sind sie auf der jeweiligen Seite Allianzen eingegangen und stehen sich oft distanzierter gegenüber als unter den früher meist Christdemokratischen Ministerpräsidenten. Wieweit der Linkskatholizismus die Sozialpolitik befruchtet, wäre eine spezielle Recherche wert.

[Bearbeiten] Resümee der letzten Jahrzehnte

Den Vertretern des kirchenkritischen Linkskatholizismus der 1980er Jahre ist es in Deutschland und Österreich nicht gelungen, die jüngere Generation in stärkerem Ausmaß an Gesellschaft und Kirche zu interessieren. Nur medial präsente Ereignisse (Regierungswechsel, Kirchentag, Weltjugendtag) haben eine zunehmende Politikmüdigkeit in Grenzen gehalten. Gleichzeitig riefen aber beispielsweise der Zweite und Dritte Golfkrieg großes Engagement auch junger Katholiken hervor, während soziale Fragen nur vergleichsweise wenig politisches Engagement auslösen.

Auch eine zweite Entwicklung beeinflusst die "katholische Linke": Da der "offizielle" Katholizismus inzwischen im weltweiten Kontext gegenüber den Krisen der Gegenwart kritische Positionen bezieht, sehen sich engagierte, aber fromme junge Christen heute nicht mehr zu einer explizit "linken" Zuordnung herausgefordert, sondern finden sich in den Stellungnahmen der "Amtskirche" zu Fragen der Entwicklungspolitik, der Sozialpolitik und der Flüchtlingspolitik oftmals wieder.

Die kirchliche Lehre empfiehlt heute - eingeleitet durch Papst Pius XII. 1944 - die demokratische Regierungsform als für den modernen Staat vorzugswürdig. Wer zu explizit autoritären Gesellschaftskonzepten neigt, hat im Katholizismus der Gegenwart keinen Rückhalt mehr. Andrerseits ist seit etwa 1970 das politische Interesse der Christen wie der gesamten Gesellschaft gesunken und wird derzeit allenfalls durch die mit der "Überalterung" und der Arbeitslosigkeit zusammenhängenden Themen - siehe Familienpolitik, Vätermonate, Kündigungsschutz etc. - am leben gehalten.

[Bearbeiten] Quellen

[Bearbeiten] Weblinks

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