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Konsumgenossenschaft

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Die Konsumgenossenschaft ist eine besondere Form der Genossenschaft im Einzelhandel, die sich in erster Linie mit dem Vertrieb von Nahrungs- und Genussmitteln sowie verwandten Waren des täglichen Bedarfs befasst. Sie war ursprünglich auf Initiative von Verbrauchern entstanden, die sich von den etablierten Anbietern ausgebeutet fühlten und ihre Lebenshaltung durch billigere, beziehungsweise effizientere Warenversorgung zu verbessern trachteten. Teilweise haben die Konsumgenossenschaften ihr Tätigkeitsfeld auch auf die Produktion ausgedehnt.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Geschichte

[Bearbeiten] 19. Jahrhundert

Die Konsumgenossenschaften sind ein Kind der Industrialisierung, überall in Europa. Im 19. Jahrhundert bildeten sich industrielle und gewerbliche Schwerpunkte heraus. Die Arbeitskräfte wurden von weit her angezogen. Sie waren zwar der Not auf dem Lande entgangen, fanden sich aber wieder in engen und schlecht ausgestatteten Wohnungen und in Arbeitsverhältnissen, in denen sie weitgehend rechtlos waren. Ihren Bedarf an Lebensmitteln deckten sie bei Krämern, bei denen sie mangels Zahlungsmitteln oft anschreiben ließen und damit auch von diesen abhängig wurden. Die Krämer, auch Heringsbändiger genannt, waren bekannt dafür, dass sie nicht ordentlich wogen und dass die von ihnen verkauften Lebensmittel nicht selten verfälscht oder verdorben waren. Gips wurde dem Mehl beigefügt, gemahlener Kaffee mit Sand gestreckt, alter Fisch unter Zuhilfenahme von Rindsblut für frisch verkauft, Nudeln bekamen ihre gelbe Farbe durch Urin, und Schokolade wurde mit Hammel- oder Kalbsfett hergestellt.

Zu der bedrückenden Abhängigkeit am Arbeitsplatz ohne Tarif und ohne Kündigungsschutz, in der Wohnung ohne Mieterschutz kam die ebenso drückend empfundene Abhängigkeit vom Krämer, die das Leben nur schwer erträglich machte.

Und so taten sich schon früh Arbeiter und Handwerker zusammen, um ihre Versorgungslage zu verbessern, gründeten Vereine, Assoziationen und Genossenschaften. Die berühmteste in der Geschichte der Konsumgenossenschaften ist die der Rochdale Society of Equitable Pioneers, der Rochdaler Genossenschaft der redlichen Pioniere. Am Abend der Wintersonnenwende am 21. Dezember 1844 eröffneten 28 Gründungsmitglieder, größtenteils Flanell-Weber in Rochdale, Manchester ihren Laden. Sie haben Grundprinzipien formuliert, die weltweit zur Leitlinie der Konsumgenossenschaftsbewegung wurden:

  • Gleiches Stimmrecht: Jedes Mitglied hat eine Stimme, unabhängig von der Höhe der Einzahlung.
  • Jedermann kann der Genossenschaft jederzeit zu den gleichen Bedingungen beitreten, wie die bisherigen Mitglieder.
  • Rückvergütung: Je mehr ein Mitglied bei der Genossenschaft kauft, um so größer soll seine Beteiligung am Überschuss sein.
  • Verkauf nur gegen Barzahlung.
  • Lieferung unverfälschter Ware mit vollem Gewicht.
  • Politische und religiöse Neutralität.

Auch in Deutschland wurden zahlreiche Konsumgenossenschaften gegründet, mit einem deutlichen Schwerpunkt in Sachsen und Baden-Württemberg, wo die Arbeiterorganisationen schon früh eine bedeutende Rolle spielten. 1850 schufen in Eilenburg Handwerker und Arbeiter die „Lebensmittelassoziation“, die erste richtige Konsumgenossenschaft in Deutschland, deren Tradition vom „Konsum Sachsen-Nord“ weitergeführt wird.

Von Anfang an wurden die Konsumgenossenschaften vom Obrigkeitsstaat misstrauisch beobachtet. So kam die Merseburger Bezirksregierung 1851 hinsichtlich der Konsumvereine, wie sie auch genannt wurden, zu dem Schluss: „Soweit sich jedoch der Verdacht geltend macht, dass durch diese Unternehmen soziale, dem gemeinen Wesen nachteilige Bestrebungen unter gewissen Klassen der Bevölkerung gefördert werden, ist es Aufgabe der Polizeibehörde, den Verein in seinem geschäftlichen und außergeschäftlichen Verhalten zu überwachen und gegen Überschreitungen der statutarischen Vereinszwecke einzuschreiten.“

Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts betrieben Hermann Schulze-Delitzsch, Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Eduard Pfeiffer die Gründung von Handwerker- und landwirtschaftlichen Genossenschaften sowie Konsumgenossenschaften. Die Aktivität der beiden Erstgenannten hat dazu geführt, dass bereits 1867 ein preußisches Genossenschaftsgesetz erlassen wurde. Am 1. Mai 1889 wurde dann das „Reichsgesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften“ erlassen, das, wenn auch mit zahlreichen Änderungen, bis heute in Kraft ist. Paragraph 1 des Genossenschaftsgesetzes definiert die Genossenschaften als

„Gesellschaften von nicht geschlossener Mitgliederzahl, welche die Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder mittels gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes bezwecken.“

Das Besondere der Genossenschaft ist, dass man ihr, wie bei einem Verein, grundsätzlich jederzeit beitreten kann und dass man die Mitgliedschaft auch wieder kündigen kann und dann das eingezahlte Geld – wenn es nicht durch Verluste aufgezehrt ist – wieder ausgezahlt bekommt. Die Genossenschaft ist also ein wirtschaftlicher Verein, der darauf angelegt ist, möglichst viele Menschen mit gleichen Bedürfnissen zusammen zu bringen. Im Unterschied zur Aktiengesellschaft ist es nicht Sinn der Genossenschaft, viel Geld einzusammeln, um aus Geld noch mehr Geld zu machen. Vielmehr geht es um den konkreten Nutzen für die Genossenschaftsmitglieder.

Der Erfolg der Konsumgenossenschaften führte zu Gegenreaktionen der kleinen Einzelhändler. Sie übten Druck auf die Großhändler und die Fabrikanten aus, damit diese nicht auch an die Konsumgenossenschaften lieferten. Es kam zu regelrechten Boykottkampagnen, weshalb die Konsumgenossenschaften sich schließlich 1894 eine eigene Großhandelsorganisation schufen, die Großeinkaufsgesellschaft Deutscher Consumvereine mbH mit Sitz in Hamburg. Die GEG, wie sie abgekürzt genannt wurde, entwickelte sich zu einem ausgesprochen erfolgreichen Geschäft. Sie beschränkte sich nicht auf die Großhandelsfunktion, sondern begann ab 1910 mit der Einrichtung von Eigenproduktionsbetrieben, zunächst mit einer neu gebauten Seifenfabrik in Riesa in Sachsen. Die GEG sprang auch ein, wenn Produktivgenossenschaften der Arbeiter in wirtschaftliche Schwierigkeiten kamen, wie die Produktivgenossenschaft der Tabakarbeiter, deren drei Werke in Hamburg, Sachsen und Baden mit über 800 Beschäftigten sie ebenfalls 1910 übernahm. Solche Produktivgenossenschaften waren oft gegründet worden, wenn nach längeren Streiks Arbeiter nicht wieder angestellt worden waren und sie deshalb genötigt wurden, die Produktion in die eigenen Hände zu nehmen. Viele dieser Produktivgenossenschaften haben sich nicht sehr lange gehalten, und es war ein glücklicher Umstand, dass die GEG als Abnehmer und gegebenenfalls Übernehmer zur Verfügung stand.

[Bearbeiten] Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert

In der Zeit bis 1933 hat die GEG sich über 50 Produktionsbetriebe zugelegt, darunter Fleischfabriken, Teigwarenfabrikation, eine Fischwarenfabrik, eine Kakao- und Schokoladenfabrik, eine Gemüse- und Obstkonservenfabrik, eine Käserei und eine Senffabrik. Produziert wurden aber auch Kleider, Zündhölzer, Möbel und Bürsten und noch vieles andere mehr. So wurde die GEG schließlich in den 20er-Jahren des 20. Jahrhunderts zum größten deutschen Lebensmittelhandels- und Produktionsunternehmen mit über 8.000 Beschäftigten.

Eine wichtige Zeit der Gründung von Konsumgenossenschaften liegt in den Jahren um die Jahrhundertwende, nachdem das Sozialistengesetz endgültig gefallen war. Dies war auch eine Zeit des schnellen Wachstums der Mitgliederzahlen bei den Gewerkschaften und der Sozialdemokratischen Partei. So ist die Hamburger PRO oder, wie sie damals hieß, der „Konsum-, Bau- und Spar-Verein Produktion eGmbH“ 1899 auf Beschluss des Hamburger Gewerkschaftskartells gegründet worden. Im selben Jahr erfolgte die Gründung der Konsumgenossenschaft Berlin und Umgegend, die einmal zur größten Konsumgenossenschaft der Welt werden sollte. Und, um es nicht zu vergessen, 1899 wurde die Konsumgenossenschaft Kiel und Umgegend eGmbH gegründet, eine der Vorläufergenossenschaften der coop eG, die heute die mit großem Abstand umsatzstärkste deutsche Konsumgenossenschaft ist und sich inzwischen weit über ihr Stammland ausgebreitet hat.

Die Nähe zu den Gewerkschaften und zur Sozialdemokratie hat die Konsumgenossenschaften „Hamburger Richtung“, wie sie genannt wurden, immer gekennzeichnet. Hamburger Richtung deshalb, weil sie organisiert waren im 1903 gegründeten Zentralverband deutscher Konsumvereine e.V. mit seinem Sitz in Hamburg und beliefert wurden von der Hamburger GEG. Daneben gab es noch die Kölner Richtung, die christlich orientierten Konsumgenossenschaften aus dem Kolping-Umfeld.

Die „Hamburger“ Konsumgenossenschaften boten vielfach Mitgliedern der Gewerkschaften eine Arbeitsmöglichkeit, wenn sie aufgrund ihrer gewerkschaftlichen oder politischen Aktivitäten missliebig geworden, deshalb auf die schwarzen Listen der Unternehmerverbände geraten waren und in ihrem jeweiligen Beruf oft im gesamten Reich keine Arbeit mehr fanden. Ein Beispiel dafür ist der spätere Hamburger Bürgermeister Max Brauer, der sich als gelernter Glasbläser für die Glasarbeitergewerkschaft engagiert hatte, auf die schwarze Liste geriet und in seinem erlernten Beruf nicht mehr arbeiten durfte. Dafür wurde er angestellt bei der PRO, die ihm andererseits so viel Spielraum für seine politischen Aktivitäten gab, dass er schließlich zum Oberbürgermeister im damals noch (preußisch) holsteinischen Altona gewählt werden konnte.

Das Verhältnis zwischen Konsumgenossenschaften und preußischem Obrigkeitsstaat änderte sich grundlegend während des 1. Weltkriegs, als Sozialdemokratie und Gewerkschaften eine Politik des „Burgfriedens“ verfolgten. Einerseits bewährten sich die Konsumgenossenschaften in dieser Zeit der wachsenden Lebensmittelknappheit und des Hungers als getreue Anwälte ihrer Mitglieder, indem sie die zugeteilten Lebensmittel sorgfältig und gerecht verteilten und keine Schwarzmarktgeschäfte trieben, andererseits stellten sie ihre Produktionskapazitäten zur Verfügung, um Nahrungsmittel für die Front zu produzieren, wie dies beispielsweise die Hamburger PRO im großen Umfang tat. Bemerkenswert ist, dass die PRO dabei so viel Geld verdiente, dass sie beschloss, diesen zusätzlichen Gewinn nicht an die Mitglieder auszuschütten, sondern statt dessen ein Kindererholungsheim in Haffkrug an der Ostsee zu errichten. Dieses Heim existiert noch heute, jetzt als Seniorenerholungsheim der PRO-Stiftung.

Wie schon der Name der PRO sagt, waren die Konsumgenossenschaften ursprünglich keineswegs auf den Lebensmittelhandel beschränkt. Sie haben vielfach für ihre Mitglieder gleichzeitig Wohnungen gebaut und andererseits als Sparkasse gedient, wie das beispielsweise bei den italienischen Konsumgenossenschaften noch heute der Fall ist. Den Spareinrichtungen kam wirtschaftlich besondere Bedeutung zu, weil sie den Genossenschaften ermöglichten, sich finanzielle Mittel viel günstiger als bei den Banken zu beschaffen.

Anders als heute waren die Konsumgenossenschaften gesetzlich darauf beschränkt, ausschließlich an ihre Mitglieder zu verkaufen. Dazu gehörte das schon von den Rochdaler Pionieren eingeführte Prinzip der Rückvergütung. Mit den bekannten Umsatzmarken wurde der Umsatz jedes Mitglieds dokumentiert und entsprechend dem Überschuss des jeweiligen Jahres wurde eine Rückvergütung gezahlt. Es gab Genossenschaften, deren Rückvergütungssatz manchmal bei 10% lag, was natürlich zu einer erheblichen Bindung der Mitglieder an ihre Genossenschaft geführt hat.

[Bearbeiten] Die NS-Zeit

Den Nationalsozialisten waren die Konsumgenossenschaften von Anfang an ein Dorn im Auge. In ihrer Propaganda bekämpften sie diese gleichzeitig mit den oft in jüdischer Hand liegenden Warenhäusern. 1932/33 haben die Nazis zahlreiche Schaufensterscheiben von Konsumläden zerstört, die Läden beschmiert und in Einzelfällen auch in Brand gesteckt. Nachdem sie an der Regierung waren, haben sie ihr Zerstörungswerk gegen die Konsumgenossenschaften zielgerichtet weiterverfolgt. Zunächst wurde mit dem Rabattgesetz von 1933 die Rückvergütung auf 3% begrenzt und damit das Interesse an der Mitgliedschaft in der Konsumgenossenschaft entscheidend beschnitten. Dann wurde den Konsumgenossenschaften verboten, Spareinlagen anzunehmen, was zu einem erheblichen Verlust an liquiden Mitteln führte und zahlreiche Konsumgenossenschaften an den Rand des Ruins brachte. Schließlich erzwangen die Nazis die Liquidation aller Genossenschaften, denen es wirtschaftlich nicht mehr gut ging, so beispielsweise der Konsumgenossenschaften in Berlin, Kiel, Lübeck und Hannover.

In Hamburg wurde die gut fundierte Konsumgenossenschaft "Produktion", deren Verkaufsstellen in eigenen Wohnblocks eingerichtet waren, gleichgeschaltet und firmierte unter "Niederelbische Verbrauchergenossenschaft" .

1941 wurde die Zerstörung der Konsumgenossenschaften abgeschlossen, indem ihre Einrichtungen in das so genannte Gemeinschaftswerk der deutschen Arbeitsfront überführt wurden.

[Bearbeiten] Die Entwicklung seit 1945

Nach Kriegsende fanden sich überall die Konsumgenossenschafter zusammen und bemühten sich darum, in den Trümmern die Genossenschaften wieder zu gründen und das verlorene Vermögen, soweit es noch existierte, zurück zu bekommen. Die vier Besatzungsmächte gingen ganz unterschiedliche Wege. In der sowjetischen Besatzungszone wurden die rechtlichen Grundlagen für die Neugründung von Konsumgenossenschaften bereits durch den Befehl Nr. 176 der sowjetischen Militäradministration vom 18. Dezember 1945 wieder hergestellt. Bis Ende 1945 existierten 5.380 Verkaufstellen. Ende 1947 zählten die Konsumgenossenschaften in der sowjetischen Besatzungszone bereits 1,8 Millionen Mitglieder. 17 Prozent des gesamten Einzelhandelsumsatzes erreichten die Konsumgenossenschaften 1950.

In der britischen Besatzungszone wurde schon 1945 der frühere GEG-Geschäftsführer Henry Everling zum Generaldirektor des „GEG Komplexes“ ernannt, wie das Gemeinschaftswerk der deutschen Arbeitsfront nun bezeichnet wurde. Die Briten förderten wie auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen den Aufbau von unten, was zur Gründung zahlreicher kleiner Konsumgenossenschaften führte, während die Amerikaner und Franzosen in ihren Zonen an die Strukturen des „Gemeinschaftswerkes“ und der dazugehörenden „Versorgungsringe“ anknüpften. Große Anstrengungen wurden von den Genossenschaftern unternommen, um das frühere Vermögen zurück zu bekommen, aber viel war verloren und konnte auch nicht wiedergewonnen werden. Mit dramatischen Aktionen durch Hamburger Genossenschafter wurde unmittelbar bei Kriegsende der von der alten Arbeitsfront-Riege eingefädelte Verkauf des ehemals konsumgenossenschaftlichen Vermögens an Reemtsma verhindert. Die schnelle Aufbauarbeit führte dazu, dass 1948 in den drei Westzonen immerhin wieder 250 Konsumgenossenschaften mit 750.000 Mitgliedern und 5.700 Verteilungsstellen existierten.

Die Konsumgenossenschaften knüpften an die alte Tugend an, Vorreiter bei der Modernisierung zu sein. Und so eröffnete die Hamburger "Produktion" (später kurz "Pro") 1949 den ersten Selbstbedienungsladen in Deutschland. Vorbild dafür waren die schwedischen Konsumgenossenschaften. Der erste Selbstbedienungsladen in Ostdeutschland wurde 1952 vom Konsum Groß-Berlin eGmbH in Treptow eröffnet.

Anfang der 60er-Jahre hatten die Konsumgenossenschaften in der alten Bundesrepublik ihren Höchststand erreicht mit 2,6 Millionen Mitgliedern, 79.000 Beschäftigten und fast 10.000 Läden.

Die Bedeutung des Konsum in der DDR war erheblich größer. Dort gab es zu der Zeit 3,8 Millionen Mitglieder, und der Konsum wickelte über 30 Prozent des Einzelhandels ab. Aufgrund politischer Vorgaben durch die SED konzentrierte er sich auf die ländlichen Gebiete.

Mit dem Vordringen der Discounter und der großen Einzelhandelsfilialisten änderte sich das Klima in der alten Bundesrepublik für die Konsumgenossenschaften grundlegend. Immer mehr Genossenschaften in ganz Europa kamen in wirtschaftliche Bedrängnis. Der Produktivitätsvorsprung des Konsum wurde eingeholt und überholt. Es begann eine große Modernisierungsdebatte, die in den 60er Jahren mit der Einführung der Marke „co op“ zu einer optischen Modernisierung führte. Mit der Einrichtung der ersten plaza-Märkte wurde auf das Vordringen der Großflächenangebote geantwortet.

Gleichzeitig fand eine Diskussion um die Frage der richtigen Rechtsform statt, die damit endete, dass von vielen führenden Konsumgenossenschaftlern die Aktiengesellschaft für die bessere Rechtsform als die der Genossenschaft gehalten wurde. Als erste Konsumgenossenschaft wandelte sich die saarländische Asko 1972 in eine AG, ihr sollten noch viele folgen, unter anderem auch die Hamburger PRO. Es zeigte sich jedoch, dass der Rechtsformwechsel aus kranken Genossenschaften keine gesunden Aktiengesellschaften machte, so dass eine immer schnellere Fusionsbewegung einsetzte, die schließlich dazu führte, dass der weitaus größte Teil des ehemals konsumgenossenschaftlichen Handels schließlich in der Frankfurter co op AG versammelt war.

An der co op AG war die gewerkschaftliche BGAG maßgeblich beteiligt. Mit den alten genossenschaftlichen Grundsätzen hatte die co op AG nichts mehr zu tun. Sie geriet immer mehr in wirtschaftliche Bedrängnis, auch bedingt durch kriminelle Machenschaften von Managementangehören um den Vorstandsvorsitzenden Bernd Otto. Um einen Konkurs abzuwenden, wurde 1989 ein Vergleich mit den 143 Gläubiger-Banken geschlossen, der faktisch das Ende der co op AG bedeutete. Ihre Reste gingen als Deutsche SB-Kauf AG an den Metro-Konzern.

Dieser Wandlungsprozess zur Aktiengesellschaft geschah in einer Weise, dass sich die ehemaligen Mitglieder der Konsumgenossenschaft (vor allem der Hamburger PRO) hinsichtlich ihrer Anteile gleichsam als kalt enteignet ansehen konnten. Parallel zu den Schwierigkeiten in Deutschland gab es auch massive Krisen bei den Konsumgenosssenschaften anderer Industriestaaten, etwa Belgiens, Frankreichs, Finlands, Islands, und sogar im konsumgenossenschaftlichen Musterland Schweden. Vielfach kam es auch hier zu Insolvenzen und zum weitgehenden Verschwinden vom Markt (so im Falle des "Konsum Österreich" im Jahre 1995). Man kann deshalb wohl ab etwa 1975 von einer internationalen Strukturkrise der Konsumgenossenschaften sprechen, die nicht bloß mit den Verfehlungen von Einzelpersonen zu tun hatte.

Nicht alle Konsumgenossenschaften sind dem Weg der deutschen co op in die AG gefolgt. Genossenschaft geblieben sind etliche kleine und kleinste Konsumgenossenschaften, aber auch die damals besonders ertragsstarken Genossenschaften KG Dortmund-Kassel eG und coop eG. Dortmund-Kassel hatte zeitweilig über 500.000 Mitglieder. Sie ist unter anderem wegen der vernachlässigten Modernisierung des Ladennetzes in den neunziger Jahren in wirtschaftliche Schieflage geraten und befindet sich zur Zeit in Liquidation. Übrig geblieben von den größeren Konsumgenossenschaften ist in Westdeutschland einzig die coop eG, ehemals coop Schleswig-Holstein eG. Heute ist die Genossenschaft nicht mehr nur in Schleswig-Holstein tätig, sondern in insgesamt sieben Bundesländern (neben Schleswig-Holstein auch in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Hamburg, Niedersachsen, Baden-Württemberg und Bayern).

Die coop eG hat seit ihrer Wiedergründung nach dem Zweiten Weltkrieg in keinem Jahr Verlust gemacht. Auf der Rangliste der deutschen Lebensmittelhandelsunternehmen steht sie auf Platz 18, macht 1,35 Milliarden Euro Umsatz, hat ca. 38.000 Mitglieder und über 8.000 Beschäftigte.

In Ostdeutschland gerieten viele Konsumgenossenschaften nach der Wende in starke wirtschaftliche Schwierigkeiten, die zu zahlreichen Betriebsschließungen und auch Insolvenzverfahren geführt haben. Allerdings gelang es etlichen Genossenschaften, Anschluss an die neuen Bedingungen im Handel zu finden und ihre Unternehmen zu sichern. Erfolgreich arbeiten zum Beispiel die Konsumgenossenschaften in Dresden, Sachsen-Nord (Eilenburg) oder Seehausen. Aus dem früheren Verband der Konsumgenossenschaften der DDR wurde die Konsumverband eG, die heute noch Eigentümer der von der GEG gegründeten Bürstenfabrik in Stützengrün ist. 2001 wurde vom Konsum-Prüfverband e.V. und dem ZdK ein gesamtdeutscher Prüfungsverband für die Konsumgenossenschaften geschaffen, der gleichzeitig die Funktion des genossenschaftlichen Spitzenverbandes für die Interessenvertretung gegenüber Regierungen, Behörden und anderen Genossenschaftsverbänden wahrnimmt.

Zum Konsum gehören heute nicht mehr nur Waren, sondern immer mehr auch Dienstleistungen, so dass heute vor allem Dienstleistungsgenossenschaften zum Kreis der Konsumgenossenschaften zählen. Beispielsweise gibt es in Hamburg und Bremen jeweils eine Genossenschaft von Behinderten, in denen sich diese ihre Betreuung selbst organisieren und damit ein großes Stück Menschenwürde zurückgewinnen. Ebenso ist die tageszeitung eine Genossenschaft. Im Sinne der genossenschaftlichen Sicherung der Lebensmittelqualität wurden Genossenschaften für den Vertrieb ökologischer Nahrungsmittel gegründet. Freie Schulen werden in der Rechtsform der Genossenschaft geführt und eine der jüngsten Konsumgenossenschaften ist schließlich die im Jahre 2000 gegründete Greenpeace energy eG, die mit Ökostrom handelt.

[Bearbeiten] Literatur

  • Heinrich Lersch: Die Pioniere von Eilenburg, Berlin 1934/1936
  • Dr. Otto Ruhmer: Entstehungsgeschichte des deutschen Genossenschaftswesens, Hamburg 1937
  • Erwin Hasselmann: Geschichte der deutschen Konsumgenossenschaften, Frankfurt a.M. 1971.
  • Michael Prinz: Brot und Dividende. Konsumvereine in Deutschland und England vor 1914, Göttingen 1996.
  • Uwe Spiekermann: Basis der Konsumgesellschaft. Entstehung und Entwicklung des Einzelhandels in Deutschland 1850-1914, München 1999, v.a. S. 238-277, 446-463.
  • Gernod Schneider: Wirtschaftswunder DDR, 2. Aufl. 1990, Bund-Verlag GmbH, Köln
  • Johann Brazda, Robert Schediwy (Hsg): Consumer Cooperatives in a Changing World (2 Bde), Internationaler Genossenschaftsbund, Genf 1989

[Bearbeiten] Weblinks

Andere Sprachen

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