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Homosexualität im Alten Testament

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Die Ablehnung der Homosexualität im Judentum und Christentum beruft sich im wesentlichen auf der Verurteilung homosexueller Praktiken im 3. Buch Mose und einiger weiterer Textstellen. Die Interpretation dieser Textstellen ist teilweise kontrovers, insgesamt werden sie aber (sofern nicht christlich-fundamentalistische Standpunkte eingenommen werden) in ihrem historischen Kontext gesehen und dadurch relativiert.

Im Rahmen der Aufarbeitung kulturellen Materials durch die Lesben- und Schwulenbewegung wurde (ähnlich wie durch den Feminismus) auch das Alte Testament auf positive Darstellungen schwul-lesbischer Lebensmodelle untersucht. Die Resultate dieser Aufarbeitung sind ebenfalls kontrovers.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Das Verbot homosexueller Handlungen im Levitikus

Homosexueller Beischlaf wird im 3. Buch Mose (Levitikus/Wajikra) in den Kapiteln 18 und 20 angesprochen. Beide Stellen sind sich inhaltlich sehr ähnlich und werden nach herrschender Meinung als eine Verurteilung der Homosexualität, insbesondere des homosexuellen Beischlafs gewertet.

Die betreffenden Kapitel befassen sich mit verbotenen sexuellen Praktiken (Kap. 18) und schweren Sünden (Kap. 20) und stehen beispielsweise in Nachbarschaft des ebenfalls zweimal erscheinenden Inzestverbots. Sie lauten:

"Du darfst nicht mit einem Mann schlafen, wie man mit einer Frau schläft; das wäre ein Gräuel." (Lev 18,22EU);
"Wenn jemand bei einem Manne liegt wie bei einer Frau, so haben sie getan, was ein Gräuel ist, und sollen beide des Todes sterben; Blutschuld lastet auf ihnen." (Lev 20,13EU).

In der alten Lutherübersetzung (vor 1975) wird die Passage anders übersetzt: "Du sollst nicht beim Knaben liegen wie bei einer Frau ...".[1] Im hebräischen Original steht:

"We-et-zakar lo' tishkav mishkevey 'ishah" (ואת־זכר לא תשכב משכבי אשה)

Das Wort zakar bedeutet allgemein "männlich" und wird so auch bei Buber/Rosenzweig (Die Schrift) übersetzt.[2] Die eingeschränkte Bedeutung "Knabe" ist für das Wort nicht belegt. Nach Gesenius ist dies "das eigentliche Wort zur Bezeichnung des Geschlechts, ..., von allen Altern Lv 27 3.5-7".[3] In der hier angeführten Passage werden männliche und weibliche Personen verschiedener Altersgruppen zwischen einem Monat und über 60 Jahren aufgeführt. Für männlich steht hier in allen Fällen zakar.

Einige Erörterungen möglicher Übersetzungsvarianten befinden sich in der Internet-Seite Faithful to the Truth. Eine dieser Varianten, die auf eine wörtliche Interpretation basiert, bezieht das Verbot lediglich auf den Ort der homosexuellen Handlung (das Bett einer Frau). Derartige Interpretationen decken sich aber nicht mit der kulturgeschichtlichen Kontext und den Interpretation dieser Stellen in Talmud und Midrasch.

[Bearbeiten] Kritik an der Berufung auf das Levitikus

Kritisiert wird die Ablehnung von Homosexualität unter Berufung auf das Levitikus häufig unter Anführung weiterer im 3. Buch Mose aufgeführter Textstellen und Verurteilungen, die in der heutigen Zeit sowohl politisch, gesellschaftlich als auch unter vielen bibeltreuen Christen selber als inakzeptabel gelten. Die Schriften könnten somit auch nicht über Fragen bezüglich der Akzeptanz von Homosexualität als maßgeblich betrachtet werden.
So lautet es zum Beispiel im Kapitel 25:

"Willst du aber Sklaven und Sklavinnen haben, so sollst du sie kaufen von den Völkern, die um euch her sind, und auch von den Beisassen, die als Fremdlinge unter euch wohnen, und von ihren Nachkommen, die sie bei euch in eurem Lande zeugen. Die mögt ihr zu eigen haben und sollt sie vererben euren Kindern zum Eigentum für immer; die sollt ihr Sklaven sein lassen." (Lev 25,44-46EU);

Der Verweis auf das Levitikus zu Fragen über Homosexualität wird somit als inkonsequent und fundamentlos betrachtet, da auch weitere Textstellen, wie oben zitierte zur Befürwortung des Sklavenhandels, heute allgemein abgelehnt werden. Anhand mehrerer Fälle wurde dies beispielsweise auf satirische Art in einem offenen Brief an die umstrittene christliche Radiomoderatorin Laura Schlessinger dargelegt. [4]

[Bearbeiten] Homosexuelle kultische Prostitution

Mehrere Bibelstellen enthalten Verurteilungen der kultischen Prostitution,[5] die in den vielen israelitischen Heiligtümer der Königszeit – nicht anders als überall im Alten Orient – verbreitet sein müsste.[6] In der Regel ist dabei von weiblicher Prostitution die Rede. Männliche homosexuelle Prostitution ist ausdrücklich in den Berichten über die Könige Judas Rehabeam (1_Kön 14,24EU), Asa und Josaphat erwähnt: Beide letztgenannte Könige sollen eine Vertreibung der "Tempelhurer" (hebr.: קָדֵשׁ, qadesch) aus dem Land veranlasst haben (1_Kön 15,12EU und in 1_Kön 22,47EU).

Im Kapitel 23. des Deuteronomiums sind zwei Verbote enthalten, die sich auf Eunuchen und männliche Prostituierten beziehen. Das erste davon:

In die Versammlung des Herrn darf keiner aufgenommen werden, dessen Hoden zerquetscht sind oder dessen Glied verstümmelt ist. (Dtn 23,2EU),

ziele auf die Ausschließung aus dem Tempelkult der Männer, die freiwillig das Opfer der Selbstverstümmelung einer Gottheit dargebracht haben. Ein solcher kultischer Brauch (Kastration durch Zermahlen der Hoden) ist wahrscheinlich eine Anspielung an die Kastration der Gallen, worüber Lukian in De Dea Syria berichtet.[7] Das Verbot, das sich auf das verstümmelte Glied bezieht, ziele dagegen eher darauf, Eunuchen, die am königlichen Hof dienten, auszuschließen.[7]

Die zweite Stelle:

Unter den Frauen Israels soll es keine sakrale Prostitution geben, und unter den Männern Israels soll es keine sakrale Prostitution geben.
Du sollst weder Dirnenlohn noch Hundegeld in den Tempel des Herrn, deines Gottes, bringen. (...)
(Dtn 23,18-19EU),

verbietet kultische Prostitution, wobei die weibliche und die männliche gleichgestellt erscheinen. Die Bezeichnungen "Dirnenlohn" und "Hundegeld" spielen aber auf "Einkünfte von erwerbsmäßig getriebener profaner Unzucht", obwohl der Ausdruck "Hund" sowohl "technisch-religiös" (vielleicht in der Bedeutung von entmannten Prostituierten) als auch abwertend gedeutet werden kann.[8]

Ein weiteres Verbot ist in Deuteronomium aufgeführt, das wahrscheinlich gegen die bereits erwähnten Einflüsse phönizischen Kults richtet:

Eine Frau soll nicht die Ausrüstung eines Mannes tragen und ein Mann soll kein Frauenkleid anziehen; denn jeder, der das tut, ist dem Herrn, deinem Gott, ein Gräuel. (Dtn 22,5EU).

Mit "Männer in Frauenkleid" könnte hier wieder der Brauch gemeint sein, der durch Lukians De Dea Syria überliefert worden ist: Männer, die sich entmannen und danach als Frauen gekleidet der Fruchtbarkeitsgöttin von Hierapolis dienen.[9] Andere Auslegungen haben darauf hingewiesen, dass in diesem Verbot festliche Ritualen der Angleichung, die für die griechisch-römische Antike vielfach bezeugt sind, gemeint sein könnten.[10]

[Bearbeiten] Sodom und der Gräuel von Gibea

Homosexueller Übergriff als Akt der Gewalt wird an zwei Stellen in den Geschichten der Bibel thematisiert. In der Geschichte von Sodom wird die Episode des Übergriffs in Gen 19,4-11 EU erzählt. Exegeten sind darüber uneinig, worin das Verbrechen der Bewohner vom Sodom, das zur Vernichtung der Stadt führte, bestand. Einige neigen dazu, diese Episode als späteren Zusatz zu der Sodomgeschichte zu betrachten, der somit unwesentlich für die Thematik der Strafe Gottes sei.[11] Vielfach wird in der Erzählung des Übergriffs zwar eine Verletzung des Gastrechts oder die Androhung von Gewalt erkannt. Gleichzeitig gehen alle Kommentatoren davon aus, dass in dem Satz "...führe sie zu uns heraus, dass wir sie erkennen" (Gen 19,5EU) das hebräische Verb für "kennen, erkennen" eine sexuelle Bedeutung hat.[12] Dasselbe gilt für die – unter diesem Aspekt wohl weniger beachtete – analoge Stelle in der Geschichte des Gräuels von Gibea (Ri 19,15-22EU)[13].

[Bearbeiten] Rut und Noemi, David und Jonathan

Umarmung zwischen David und Jonathan in einer Illustration des 14. Jahrhunderts.
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Umarmung zwischen David und Jonathan in einer Illustration des 14. Jahrhunderts.

Im Buch Rut gibt Rut ihrer Schwiegermutter Noemi nach dem Tod ihres Mannes ein Versprechen, das als Liebeserklärung gewirkt hat:

Wohin du gehst, dahin gehe auch ich, und wo du bleibst, da bleibe auch ich. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott. Wo du stirbst, da sterbe auch ich, da will ich begraben sein. Der Herr soll mir dies und das antun – nur der Tod wird mich von dir scheiden. (Rut 1,16-17EU)

Dieses Versprechen wird von Christen vielfach als Trauspruch für Hochzeitszeremonien gewählt. Eine sexuelle Beziehung zwischen Frauen ist durch den Wortlaut aber nicht belegt.

Auch in der Beziehung von Jonathan und David (1_Sam 18,1EU) wird von Exegeten wie Grossmann ein Beispiel gleichgeschlechtlicher Liebe gesehen, das von der Bibel positiv dargestellt werde.[14] Solche Interpretationen berufen sich z.B. auf Davids Totenklage für Jonathan, in der er seine Liebe mit der Liebe der Frauen vergleicht:

"Weh ist mir um dich, mein Bruder Jonathan.
Du warst mir sehr lieb.
Wunderbarer war deine Liebe für mich
als die Liebe der Frauen.
" (2_Sam 1,26EU).

Kritiker solcher Interpretationen betonen, dass in der Darstellung dieser Beziehung sexuelle Aspekte nirgendswo erwähnt werden und sehen in solchen Interpretationen ein Beispiel für ein "Hinein-interpretieren" der eigenen Positionen in den Text der Bibel[15] Dies lehnen sie ab, auch wenn Befürworter solcher Interpretationen dagegen das Vorgehen, die "subjektive Erfahrung zum Maßstab der Interpretation biblischer Texte" zu machen, als legitimer Ansatz verteidigen.[16]

[Bearbeiten] Anmerkungen

  1. 3. Mose 18 in der Lutherübersetzung von 1545
  2. Einem Männlichen sollst du nicht beiliegen in Weibes Beilager, Greuel ists.
  3. Hebräisches und aramäisches Handwörterbuch, 17. Auflage, Eintrag "zakar"
  4. Offener Brief an Dr. Laura Schlessinger
  5. Vgl.: Gen 38,21ff.EU, Hos 2,7EU, Hos 4,13-14EU, Am 2,7EU, Jer 2,20-23EU, Jer 3,6-9EU u.a.
  6. Vgl. Kommentar der Neuen Jerusalemer Bibel zu Dtn 23,19; E. Nielsen, Deuteronomium, S. 220, 222.
  7. a b E. Nielsen, Deuteronomium, S. 220.
  8. E. Nielsen, Deuteronomium, S. 222.
  9. E. Nielsen, Deuteronomium, S. 214.
  10. Vgl.: die literarische Anmerkungen zu Kapitel 22 in W. G. Plaut, Dewarim/Deuteronomium.
  11. Vgl. L. Ruppert, Genesis..., S. 404f und die dort angegebene Literatur.
  12. Vgl. die englische Übersetzung New Jerusalem Bible (1985) sowie die deutsche Einheitsübersetzung. Beim Eintrag zum Wort "yd`" in W. Gesenius, Hebräisches Handwörterbuch (1962) sowie in L. Köhler, W. Baumgartner, Hebräisches und aramäisches Lexikon zum Alten Testament (1996) wird Gen 19,5 als einzige Stelle – von über 750 Vorkommen des Verbs – angegeben, in der diese Verbalform "päderastisch" (sic!) verwendet wird.
  13. Vgl. die deutsche Einheitsübersetzung und die dazugehörige Kommentare in der Neue Jerusalemer Bibel, Herder, 1985.
  14. Vgl.: T. Grossmann, Eine Liebe wie jede andere, S. 68.
  15. http://www.efg-hohenstaufenstr.de M. Seemann, Homosexualität und Bibel.
  16. H. Bräumer, Liebe wagen, S. 172 (nach M. Seemann, Homosexualität und Bibel).

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Literatur

  • Hansjörg Bräumer, Liebe wagen, Hänssler Verlag, Stuttgart, 1986
  • Thomas Grossmann, Eine Liebe wie jede andere, Rowohlt Taschenbuch Verlag 1988
  • Eduard Nielsen, Deuteronomium (Handbuch zum Alten Testament: Reihe 1; 6), Mohr : Tübingen, 1995
  • W. G. Plaut, Deuteronomium. Dewarim (Die Tora in jüdischer Auslegung, Band 5), Gütersloher Verlagshaus : Gütersloh, 2003
  • Lothar Ruppert, Genesis. Ein Kritischer und theologische Kommentar. 2. Teilband: Gen 11,27-25,18, Echter Verlag, Würzburg, 2002
  • Alexander Desečar, Die Bibel und Homosexualität: Kritik der revisionistischen Exegese, Schriften des Initiativkreises kath. Laien und Priester in der Diözese Augsburg e.V., Heft 43, 2001 (PDF)

[Bearbeiten] Weblinks

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