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Cargo-Kult

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Der Ausdruck Cargo-Kult (auch Cargokult, Cargo-Cult) bezeichnet eine Vielfalt stark chiliastischer religiöser Bewegungen Melanesiens (u.a. Papua-Neuguinea). Er hat seine Wurzeln in der Begegnung von Melanesiern und Weißen, die neue Ware (Fracht, engl. Cargo) in ehemals isolierte melanesische Kulturen brachten. Die Kulte leben von der Erwartung der durch symbolische Ersatzhandlungen herbeigeführte Wiederkehr der Ahnen, die westliche Waren mit sich bringen sollten.

Bedingt durch die Vielfalt der Bewegungen und Erscheinungsformen hat sich kein einheitliches Bild herausgebildet. Oft handelt es sich um eine Mixtur christlichen und nichtchristlichen Gedankengutes.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Überblick

Beobachtet und dokumentiert wurde das Auftreten erstmals Ende des 19. Jahrhunderts in Neuguinea. Besonders während und nach dem Zweiten Weltkrieg erfuhr dieses Phänomen eine starke Verbreitung.

Es gab niemals einen als solchen ausdrücklich bezeichneten Cargo-Kult, daher ist diese Bezeichnung eigentlich irreführend - niemand, der sich am Cargo-Kult beteiligte, war sich dessen in reflektierter Weise bewusst.

Als die ersten fremden Eindringlinge mit ihren hoch entwickelten Technologien kamen, wussten viele Indigene nicht, woher die neuen Dinge stammten, und schrieben ihnen eine göttliche Herkunft zu. Das massenhafte Kriegsmaterial, das während des Zweiten Weltkrieges von der amerikanischen Armee auf diese Inseln abgeworfen wurde (Fertigkleidung, Konservennahrung, Zelte, Waffen und andere Ware), brachte drastische Änderungen des Lebensstils der Inselbewohner mit sich: sowohl die Soldaten als auch die Eingeborenen, die sie beherbergten, wurden mit Materialmengen regelrecht überschüttet. Oft wurden dafür eigene Wohnstätten und Nahrungsvorräte vernichtet und Landepisten und Flugplätze im Dschungel für die erwarteten Frachtflugzeuge gerodet.

Mit dem Kriegsende wurden die Flughäfen verlassen und kein neues "Cargo" wurde mehr abgeworfen. Darum bemüht, weiter Cargo per Fallschirm oder Landung zu Schiff zu erhalten, imitierten Kultanhänger die Praxis, die sie bei den Soldaten, Seeleuten und Fliegern gesehen hatten. Sie schnitzten Kopfhörer aus Holz und trugen sie, als würden sie im Flughafentower sitzen. Sie positionierten sich auf den Landebahnen und imitierten die wellenartigen Landungsignale. Sie entzündeten Signalfeuer und -fackeln an den Landebahnen und Leuchttürmen.

Die Kultausübenden nahmen an, die Ausländer verfügten über einen besonderen Kontakt zu den Ahnen, die ihnen als die einzigen Wesen mit der Macht erschienen, solche Reichtümer auszuschütten. Indem sie die Ausländer nachahmten, hofften sie, auch ihnen möge ein solcher Brückenschlag gelingen. In einer Art der sympathetischen Magie bauten sie z.B. lebensgroße Flugzeugmodelle aus Stroh oder schufen neue militärisch nachempfundene Landebahnen in der Hoffnung, neue Flugzeuge anzuziehen.

Die kulturelle Auswirkung dieser Kultübungen war nicht die Rückkehr der wundersam beladenen gottgleichen Flugzeuge; vielmehr wurden ihre religiösen Bräuche ausgerottet, die vor dem Krieg bestanden hatten.

Die Konfrontation mit den vom traditionellen Leben so unterschiedlichen europäischen Gütern führte oft zu einem Zusammenbruch des ganzen Wertesystems der Naturvölker und zu einer Neuformung der sozialen Strukturen, in der Hoffnung, das Paradies und die Erlösung im Diesseits zu erreichen.

Die westlichen Menschen führten aus, Reichtum entstünde aus Arbeit und käme auf die Inseln, wenn die Bewohner nur hart genug arbeiteten. Die Kultausübenden beobachteten jedoch, dass die Inselbewohner in den Missionen und den Lagern die härteste Arbeit erledigen mussten, aber den geringsten Teil der Waren erhielten.

Der Begriff Cargo-Kult wurde lange als typisch melanesisches Phänomen betrachtet. Neueren Forschungen zufolge kamen Cargo-Kulte jedoch schon früher und auch außerhalb von Melanesien (beispielsweise in Afrika und Japan) vor.

[Bearbeiten] Synkretismus

[Bearbeiten] Verwandte Kulte

Ein ähnlicher Kult, der Geistertanz, entstand aus dem Kontakt zwischen amerikanischen Indianern und Weißen im späten 19. Jahrhundert. Der Paiutenprophet Wovoka verkündete, dass durch eine bestimmte Art des Tanzes die Vorfahren auf Gleisen zurückkehren würden und dann eine neue Erde die Weißen verschlingen würde.

Einige Indianer Amazoniens schnitzten hölzerne Modelle von Kassettenrecordern (gabarora von portugiesisisch: grabadora) die sie verwendeten, um mit den Geistern in Verbindung zu treten.

Bedingt durch die Vielfalt der Bewegungen und Erscheinungsformen hat sich kein einheitliches Bild herausgebildet. Oft handelt es sich um eine Mixtur christlichen und vorchristlichen Gedankengutes. Der Ethnologe Marvin Harris hat Verbindungslinien von sozialen Mechanismen des Cargo-Kults zum Messianismus gezogen.

[Bearbeiten] Wirkung

Heute sind Cargo-Kulte in Melanesien mehr ein in bestimmten Abständen wieder zu beobachtendes Phänomen, als ein dauerhafter Kult. Wenn Cargo-Kulte auftreten, haben sie oft in kurzer Zeit viele Anhänger, ebben aber nach einiger Zeit wieder ab. Die meisten pazifischen Kultanhänger haben letzten Endes aufgegeben. Zeitweilig wird aber im Englischen der Ausdruck "Cargo-Kult" für eine Gruppe verwendet, die sich durch die oberflächliche Nachahmung äußerlicher Handlungsweisen erfolgreicher Menschen Reichtum und Ansehen versprechen.

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Als Metapher

Als Cargo-Kult-Wissenschaft bezeichnet Richard Feynman eine syntaktisch richtige, aber ansonsten sinnlose Arbeitsweise im Wissenschaftsbetrieb. In der Entwicklung und im Einsatz von Geschäftsprozessen und bei der Software-Entwicklung komplexer IT-Projekte wird als Cargo-Kult in ähnlicher Weise eine Vorgehensweise bezeichnet, bei der ohne tieferes Verständnis des zugrundeliegenden Problems die Struktur eines Vorgehensmodells oder Prozessmodells syntaktisch richtig aber sinnlos abgearbeitet wird.[1]

Die Entsprechung in hierarchischen Systemen wird als Cargo-Kult-Management bezeichnet. Auch hier stehen formal richtige Vorgehensweise und zur Schau getragene Umtriebigkeit zur realen Effektlosigkeit des Handelns in einem (teilweise bizarren) Gegensatz.

[Bearbeiten] Literatur

  • Marvin Harris: Fauler Zauber - Wie der Mensch sich täuschen läßt (München: 1993), ISBN 3-608-93132-5.
  • Hanno Beck: Der Alltagsökonom (Dtv, 2006), ISBN 3-423-34267-6.
  • Friedrich Steinbauer: Melanesische Cargo-Kulte. Neureligiöse Heilsbewegungen in der Südsee (Delp, 1971)

[Bearbeiten] Weblinks

[Bearbeiten] Quelle

  1. Steve McConnell: Cargo Cult Software Engineering. IEEE Software 17:2 (March/April 2000), S. 11–13.

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