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Bahnstörung

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Bahnstörungen sind Abweichungen der tätsächlichen Flugbahn eines Himmelskörpers von der nach einem Modell berechneten theoretischen Flugbahn.

Was unter einer Bahnstörung zu verstehen ist, hängt vom Detaillierungsgrad des zugrundeliegenden Modells ab, und von den darin enthaltenen Vereinfachungen. Im Folgenden wird nur das Sonnensystem betrachtet, wenn nichts Anderes erwähnt wird.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Theorie zu Bahnen und Bahnstörungen

Das Newton'sche Gravitationsgesetz liefert im Rahmen der klassischen Mechanik Möglichkeiten, um Trajektorien von Massenschwerpunkten im Sonnensystem zu beschreiben.

Bahnstörungen werden eingeteilt in:

  • Periodische Störung: Störung mit für den Berechnungszeitraum relevanter Periode
  • Säkulare Störung: Ein monotone Störung, deren Periode innerhalb des Berechnungszeitraums nicht ins Gewicht fällt und durch einen linearen oder höherpolynomialen Term angenähert werden kann, oder deren Periodizität nicht bekannt ist.

[Bearbeiten] Trajektorien von Systemschwerpunkten

Die erste Vereinfachung ist der Begriff Flugbahn oder Trajektorie. Er setzt ein lokalisierbares Ding voraus, das ungefähr punktförmig ist und diese Flugbahn beschreibt, d.h. auf ihr entlanglaufen kann. Im allgemeinen Fall ist das Sonnensystem ein Stück Raum mit unterschiedlichen, zeitlich veränderlichen Massendichten und elektrischen Ladungsdichten, die sich über Gravitationsfelder, elektrische Felder und Magnetfelder gegenseitig beeinflussen und durch Reibung ihre Bewegungsenergie in Wärme und elektromagnetische Strahlung umsetzen können. Mit diesem Modell lässt sich praktisch nur wenig ausrechnen. Die elektrischen und magnetischen Felder werden zunächst nicht weiter berücksichtigt (sie spielen in komplexeren Modellen mit Materialströmungen innerhalb der Planeten eine Rolle), und die Reibungsverluste in äußeren Atmosphärenschichten werden für planetennahe Satelliten etwas gesondert betrachtet.

Um zu "Bahnen" zu kommen, wird weiter angenommen, dass Gebiete hoher Massenkonzentration, die etwa Kugelform haben, durch einen einzigen "Massenpunkt" beschrieben werden können. Lokal betrachtet ist dieser Massenpunkt der Schwerpunkt der Massenkonzentration. Diese Dinger werden dann als Sonne, Planeten, Monde, Kometen, Asteroiden u.s.w., allgemein als Himmelskörper, bezeichnet und ihnen werden "Bahnen" zugewiesen.

Theoretisch kann die Bahn von 2 (!!) Massenpunkten berechnet werden, d.h. es kann eine Formel dafür aufgeschrieben werden. Bei drei Massenpunkten spricht man vom 3-Körper-Problem, oder vom n-Teilchen-Problem bei vielen Massenpunkten. Dafür können nur Näherungen ausgerechnet werden.

Im nächsten Schritt der Vereinfachung werden lokale Ansammlungen solcher Massenpunkte betrachtet. Ihnen wird ein einziger Schwerpunkt als Systemschwerpunkt zugeordnet, der in einem größeren System wieder als ein Massenpunkt behandelt wird. Konkret bewegen sich die Schwerpunkte der Erde und des Mondes umeinander, während der Systemschwerpunkt des Erde-Mond-Systems sich auf einer Bahn um die Sonne bewegt.

[Bearbeiten] Keplerbahnen

Die Bahnen im stark vereinfachten Modell mit nur zwei Massenpunkten heißen Keplerbahnen. Praktisch lässt sich dieses Modell mit einiger Genauigkeit auf viele Fälle im Sonnensystem anwenden. Mit diesem Modell sind Bahnstörungen die Änderungen der Kepler'schen Ellipsenbahn eines Planeten oder anderen Himmelskörpers, die durch die Gravitation weiterer Körper oder kleine Bremseffekte verursacht werden.

Eine störungsfreie Keplerbahn mit 6 unveränderlichen Bahnelementen gibt es nur, wenn lediglich ein Planet (oder Komet etc.) auf seiner Umlaufbahn um die Sonne existieren würde. Außerdem setzt dieses (streng lösbare) Zweikörperproblem voraus, dass Planet und Sonne kugelsymmentrisch aufgebaut sind, sich im Vakuum bewegen und keinen weiteren (nicht-gravitativen) Kräften ausgesetzt sind. Nur dann lässt sich die Planetenbewegung mit den drei Keplerschen Gesetzen und sechs Bahnelementen genau lösen.

Bahnelemente der Planeten
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Bahnelemente der Planeten

[Bearbeiten] Die Wirkung von Bahnstörungen

kann säkular (immer in gleicher Richtung) oder periodisch sein, sowie unregelmäßig in der Nähe irregulär geformter Himmelskörper oder in Materiewolken. Generell ändern sich die Zahlenwerte der jeweils 6 Bahnelemente langsam und können genähert mit dem Verfahren "Variation der Elemente" berechnet werden. Dabei erhält (fast) jedes der Bahnelemente (a, e, i, Ω, ω, T) einen zeitabhängigen Term dazu, die Bahnwinkel Ω, ω und der Zeitparameter T auch mehrere.

Die Bahnachsen (a) der neun Planeten unseres Sonnensystems bleiben weitgehend konstant, weil ihre Massen groß und die Bahnen kreisähnlich sind. Kleinplaneten (Asteroide) und Kometen können aber gravierende Änderungen erfahren, wenn sie einem Planeten nahekommen. Durch "chaotische", sich aufschaukelnde Bahnstörungen wird deshalb der 30 km große Eros in etwa 20 Millionen Jahren in die Sonne stürzen. Durch ähnliche, langfristige Wirkungen bindet der größte Planet Jupiter dutzende Kometen, hunderte Asteroiden (Trojaner) und neue kleine Monde an sich, kann sie aber bisweilen auch wieder "freilassen".

Erdnahe Satellitenbahnen werden vor allem durch die Erdabplattung und die bremsende Wirkung der Atmosphäre beeinflusst. Erstere lässt die Bahnen um einige Kilometer von der idealen Keplerellipse abweichen und dreht die Lage der Ellipse (Ω, ω) um mehrere Grad pro Tag (Kreiselgesetze). Die Hochatmosphäre bremst die Satelliten geringfügig, sodass sie sich bei Bahnen unter etwa 1000 km der Erde spiralförmig nähern und ihre Umlaufzeit abnimmt. Zusätzliche Störungen resultieren vom Erdmond, solarem Strahlungsdruck und von Unregelmäßigkeiten der Erdkruste.

[Bearbeiten] Berechnung von Bahnstörungen

Wegen der Vielzahl der oben aufgeführten Vereinfachungen - Einführung des Begriffes "Flugbahn" usw - ist klar, dass alle Versuche, das Sonnensystem in Formeln zu fassen, immer nur Teilaspekte modellieren können.

Dieser Abschnitt erläutert die Verfahren und Vereinfachungen, die zur Anwendung gelangen, allgemeinverständlich. Detailliertere Informationen zu den Rechenverfahren finden sich unter Satellitenbahnelement und Bahnstörungen eines Satelliten.

[Bearbeiten] Häufiger Fehler

Weil dieser Fehler den Medien regelmäßig unterläuft, hier ein kurzer Hinweis: Die Auswirkungen anderer Himmelskörper (Planeten) lassen sich nicht einfach durch den Vergleich der relativen Stärke ihrer Gravitations-(Kraft-)felder abschätzen. Die energetischen Auswirkungen der Störungen durch andere Planeten folgen vielmehr aus der Tatsache, dass sich die Erde auf ihrer Bahn um die Sonne im Gravitationspotential des jeweiligen Planeten um ca. 300 Millionen Kilometer auf und ab bewegt.

[Bearbeiten] Analytische Näherungsverfahren

Ein einfaches Näherungsverfahren zur Berechnung der Periheldrehung der Bahn eines Planeten vereinfacht die (von diesem Planeten aus betrachtet) inneren Planeten zu Massenpunkten im Zentrum der Sonne, und die äußeren Planeten zu Masseringen mit der Gesamtmasse des betreffenden äußeren Planeten. Die Analyse liefert die Bahn des untersuchten Planeten wieder als Keplerbahn, deren Perihel sich aber langsam um die Sonne dreht. Dies ist die sogenannte Periheldrehung. (Genauer gesagt ist dies die Periheldrehung der Newton'schen Gravitationstheorie, die Allgemeine Relativitätstheorie liefert eine etwas abweichende Periheldrehung.)

Die Anwendung solcher und ähnlicher analytischer Verfahren wird als Störungsrechnung bezeichnet.

[Bearbeiten] Numerische Verfahren

Die Finite-Elemente-Methode und Numerische Integration bieten prinzipiell die Möglichkeit, ein Raumvolumen wie das Sonnensystem oder ein Planet-Satelliten-System in kleine Raumeinheiten (z.B. Würfel) mit bestimmten Eigenschaften zu unterteilen und die Wechselwirkung dieser Raumeinheiten untereinander in diskreten zeitlichen Schritten zu berechnen. Diese Methode stößt wegen der dafür benötigten Rechenzeit an Grenzen.

In einem weiteren Vereinfachungsschritt wird den Planeten ein Massenschwerpunkt zugewiesen. bzw. einem Planeten mit Monden ein Systemschwerpunkt. Dann wird in kleinen zeitlichen Schritten jeweils berechnet, wie sich diese Punkte unter dem Einfluss der Gravititation bewegen würden (numerische Integration). Dies ähnelt der Finite-Elemente-Methode auf einem groben Raster.

[Bearbeiten] Ephemeriden

Die Bahnen der Systemschwerpunkte und der darin enthaltenen Massenpunkte der Himmelskörper im Sonnensystem werden periodisch in den Ephemeriden (Planetentafeln) von renommierten Observatorien veröffentlicht. Zusätzlich wird dabei berücksichtigt, dass ein Beobachter sich auf der Oberfläche der Erde befindet und nicht in ihrem Massenschwerpunkt sitzt, und dass die Atmosphäre und die relative Geschwindigkeit der Körper untereinander optische Effekte verursachen.

Die Epherimiden können in ganz verschiedenen Koordinatensystemen relevant sein (bzw. werden in solchen Tabellen veröffentlicht), zum Beispiel als Koordinaten der Himmelskörper (bzw. der Schwerpunkte von Planet-Mond-Systemen) in einem Bezugssystem, dessen Mittelpunkt ein nichtrotierendes Koordinatensystem im Schwerpunkt des Sonnensystems ist. Nichtrötierend ist relativ zu den fernen Sternen definiert. Streng genommen ist dies nicht identisch mit dem heliozentrischen System, da sich der Schwerpunkt der Sonne nicht genau im Schwerpunkt des Sonnensystems befindet. Aus diesen Koordinaten kann dann errechnet werden, wie sich ein Himmelskörper einem Astronomen an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit zeigen würde.

[Bearbeiten] Anwendungen

Die Bahnstörungen geben der Satellitengeodäsie die Möglichkeit, die genaue Form der Erde und die langwellige Struktur des Erdschwerefeldes zu bestimmen, da die Satellitenbahnen über die beobachteten Bahnstörungen Rückschlüsse auf die Massenverteilung im Zentralkörper - also hier der Erde - zulassen. Neueste Satellitenmissionen wie GRACE und GOCE können auch regionale Details und deren Änderungen auf einige cm pro Jahr bestimmen.

Für die Meteorologie und Geophysik sind Dichteänderungen in der hohen Atmosphäre interessant, sowie Fluktuationen in der Ionosphäre. Astronomen können mit Satellitenbahnen das Innere von Mond und Mars) erforschen oder die Existenz von Exoplaneten bei fernen Sternen feststellen. Im letzteren Fall wird ausgenutzt, dass der Exoplanet und sein Zentralstern sich um einen gemeinsamen Systemschwerpunkt herum bewegen, und der Stern dabei auch eine kleine zyklische Bewegung ausführt. Diese Bahnstörung des Sterns kann durch die Dopplerverschiebung seiner Spektrallinien nachgewiesen werden.

[Bearbeiten] Siehe auch

Bahnelement, Bahnbestimmung, Jarkowski-Effekt, Carl Friedrich Gauß, Laplace, numerische Integration, Periheldrehung, Störungsrechnung, Kalman-Filter, Gravitationswelle.

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