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Westfälische Klinik für Psychiatrie Dortmund

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Die Westfälische Klinik für Psychiatrie Dortmund ist eine der psychiatrischen Einrichtungen im Dortmunder Ortsteil Aplerbeck. Sie ist gleichzeitig akademisches Lehrkrankenhaus und Universitätsklinik für Psychosomatik und psychotherapeutische Medizin der Ruhr-Universität Bochum.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Geschichte

Westfälische Klinik für Psychiatrie, Verwaltungsgebäude
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Westfälische Klinik für Psychiatrie, Verwaltungsgebäude

Im 19. Jahrhundert reformierte der französische Irrenarzt Philippe Pinel die Psychiatrie, er nahm den Geisteskranken die Fesseln ab und sorgte für die Anerkennung der Psychiatrie als eigenständiges Gebiet der Medizin. Dennoch war der Übergang vom Einsperren der Irren in Toll- oder Zuchthäusern zur Therapie der Kranken in Heilanstalten fließend. Auch gab es große Klassenunterschiede. Die Behandlung in einer Heil- und Pflegeanstalt konnten sich nur begüterte Schichten der Bevölkerung leisten. Die anderen wurden in Armen- oder Arbeiterhäusern oder innerhalb der Familie verwahrt. Im Jahr 1871 wurden lediglich 25 % der Geisteskranken in einer psychiatrischen Klinik behandelt. Als die Aplerbecker Klinik 1890 geplant wurde, gab es für ca. 50.000 Personen Therapieplätze in deutschen psychiatrischen Kliniken. Bis zum Beginn des ersten Weltkrieges stieg die Zahl auf ca. 240.000.

[Bearbeiten] Errichtung der Gebäude

Der Preußische Provinzial Landtag beschloss 1890 den Bau einer neuen Anstalt. Da die meisten Kranken aus dem Ruhrgebiet stammten, sollte die neue Klinik in der Nähe liegen, zumal die anderen Provinzialanstalten verhältnismäßig fern lagen. 1891 wurde ein Bauerngut von ca. 50 ha Größe zum Preis von 195.000 Mark nahe der Reichsstraße 1 (heute B1) in Dortmund-Aplerbeck gekauft. 1903 wurde die Fläche um weitere 10 ha erweitert. In zwei Bauphasen wurde das Gelände bebaut. Die vorhandenen Stallungen und Scheunen wurden erweitert, da zum Konzept der Klinik auch die Krankenbeschäftigung in der Landwirtschaft gehörte. Es wurden Krankengebäude, eine Verwaltung sowie Wohnhäuser für das Pflegepersonal, den Direktor und einen Inspektor gebaut. Zudem wurden Wirtschaftsgebäude mit Großküche, Maschinenhaus, Wäscherei, Badeanstalt und einem Festsaal errichtet. Außerdem eine überdachte Kegelbahn, ein Handwerkerhaus mit Werkstätten für Tischlerei, Schneiderei, Schuhmacherei, Anstreicherei und eine Leichenhalle mit Sektion gebaut.

Infrastrukturell wurde die Psychiatrie in Aplerbeck auch durch einen eigenen Gleisanschluss an eine Zechenbahn erschlossen. Über diese Bahn wurden die wöchentlichen Kohlelieferungen direkt mit einer kleinen Feldbahn auf das Gelände der Krankenanstalt geliefert. Ausgelegt war die Westfälische Provinzial-Heilanstalt Aplerbeck auf ca. 660 Patienten. Auch gab es einige Zimmer für Familienangehörige. Kein Schlafsaal durfte mehr als 12 Betten umfassen. 1927 wurde auf dem Gelände ein Lazarettgebäude errichtet.

[Bearbeiten] Ansatz der Behandlung

Das Konzept in der Zeit der Gründung der Psychiatrie sah das offene Prinzip in der Behandlung vor, eine Behandlung ohne mechanischen Zwang. Dies galt für die ruhigen Kranken. Isolierzellen auf den Stationen wurden später zu Garderoben oder Geräteräumen umgewandelt, nur vereinzelt dienten sie der Absonderung. Zwangsjacken wurden nie zur Behandlung eingesetzt. Therapiemethoden waren Dauerbäder, Malariakuren, Elektroschockbehandlungen, Packungen, Insulinschockbehandlungen, Dämmerschlafbehandlungen und Cardiazolkrampfbehandlungen. Zudem sah die Behandlung neben der Bettbehandlung auch die Arbeitstherapie in den Werkstätten oder in der Landwirtschaft und der Gärtnerei vor. Die Arbeit wurde nach der persönlichen Neigung und als Heilmittel zugeteilt. Auch wurde diese entweder geringfügig bezahlt oder durch Naturalien wie Tabak oder Bier entlohnt. Die freie Zeit wurde gestaltet. Neben Spaziergängen im Park wurden Ausflüge durchgeführt und es gab Musikgruppen. Auch wurde Schulunterricht durch festangestellte Lehrerinnen erteilt. Zudem existierten Tanz- und Turngruppen und Handarbeitsgruppen. Radios hielten Einzug und auch eine Anstaltsbibliothek war vorhanden. Die Räume waren mit Blumen und Bildern dekoriert.

Die Männer wurden durch „Wärter“, später „Pfleger“ genannt, betreut, die Frauen durch Diakonissen. Ab 1925 wurde für sie eine zweijährige Ausbildung eingeführt. Davor eignete sich das Pflegepersonal sein Wissen durch die praktische Arbeit an oder wurde durch Ärzte in Kursen angeleitet. Die Bezahlung war schlecht, nach der Philosophie der „Provinzial-Irrenanstalten“ galt die Bezahlung nach „Gotteslohn“ als ideal.

[Bearbeiten] Der erste Weltkrieg

In den Jahren des ersten Weltkrieges wurden bis Kriegsende 224 Soldaten und 28 Kriegsgefangene behandelt. Die Krankheiten der Soldaten und Kriegsgefangenen wurden als „Kriegshysterie“ bezeichnet. Ziel der Behandlung war die schnelle Wiederherstellung der Soldaten, damit diese zurück an die Front konnten. Ab 1915 wurden Lebensmittel aufgrund der Kriegshandlungen rationiert. In den preußischen Anstalten verhungerten 45.000 Patienten. Auch in Aplerbeck wurde die Versorgung der Kranken sehr schwierig. Erschwerend kamen die Influenza-Epidemien der Jahre 1918 bis 1920 (Spanische Grippe) hinzu. Auch nach dem Krieg blieb die Lage mit der beginnenden Weltwirtschaftskrise schwierig.

[Bearbeiten] Der zweite Weltkrieg

Mahnmal im Park der Westfälischen Klinik für Psychiatrie
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Mahnmal im Park der Westfälischen Klinik für Psychiatrie

Während der Nazi-Zeit fanden in auch in der Aplerbecker Psychiatrie große Gräueltaten statt. Es wurden ca. 340 Zwangssterilisationen durchgeführt. Noch grausamer ist das Schicksal der Euthanasieopfer. Am 1. Juli 1941 wurden 95 Patienten zuerst nach Herborn transportiert, dann nach Hadamar verlegt und innerhalb weniger Tage dort getötet. Eine zweite Deportation von 77 Kranken wurde am 24. Juli 1941 von Aplerbeck nach Eichberg durchgeführt. Vor dem Weitertransport nach Hadamar wurde ein vorübergehender Euthanasiestop ausgesprochen. Dieser geht auf die im Juli und August gehaltenen Predigten des münsterschen Bischofs und Kardinals Clemens August Graf von Galen zurück. Dies verschonte nur vorübergehend das Leben der Kranken. Die meisten starben in den folgenden Jahren an Hunger und Krankheit. Nur zwei der zuvor deportierten Patienten überlebten den Krieg. In der 1941 von Marsberg nach Aplerbeck verlegten "Kinderfachabteilung" wurden außerdem 229 Kinder getötet. Dr. Paul Pohlmann, damaliger Direktor der Aplerbecker Psychiatrie, trat aus Protest gegen die Einrichtung der Kinderfachabteilung 1941 von seinem Amt zurück. Heute erinnert ein Mahnmal, geschaffen durch die Dortmunder Künstlerin Antje Kietzmann, im Park der Klinik an die Opfer.

[Bearbeiten] Die Nachkriegszeit

Park der Westfälischen Klinik für Psychiatrie
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Park der Westfälischen Klinik für Psychiatrie

Bereits während des Krieges wurde ein Teil der Häuser von den Städtischen Kliniken Dortmund als Krankenhaus genutzt. Nach Kriegsende beschlagnahmten die Besatzungsmächte 14 weitere Häuser für ihre Kranken. Russen, Polen, Serben und Italiener wurden dort untergebracht. Im Lazaretthaus wurde ein russisches Militärlazarett eingerichtet. 1947 wurden diese Häuser wieder freigegeben. Bis 1950 wurden 10 Häuser durch die Städtischen Kliniken der Stadt Dortmund belegt, dann standen auch diese wieder zur Verfügung. Der Betrieb der psychiatrischen Klinik normalisierte sich wieder. Die Kinderfachabteilung wurde 1948 aufgelöst. Ende der 70er Jahre wurde dann der Gutsbetrieb aufgegeben. Seitdem werden Lebensmittel extern zugekauft.

An der baulichen Substanz erfolgten nun, nach zwei Weltkriegen, viele Reparaturen, Renovierungen und Umbauten. Einige Häuser mussten abgerissen werden. Um die Kapazitätsprobleme zu lösen - von 1600 vorhandenen Betten waren in den 70er Jahren durchschnittlich 1580 belegt - wurden zusätzliche Häuser errichtet. Im August 1973 wurde ein Sozialzentrum mit Festsaal, in dem auch Sport betrieben wird, Schwimmbad, Kegelbahn, Frisör und Restaurant am Rande der Parkanlage eröffnet. Hier haben Patienten, Angehörige aber auch die Bevölkerung die Möglichkeit, einander zu treffen. Außerdem entwickelte sich ein Klinikbetrieb, der auf neue Therapieformen beruhte. Um auch den neuen Behandlungsformen Rechnung zu tragen wurde 1974 ein Hochhaus mit 356 Betten gebaut. 1976 folgte eine Kirche.

Seit den 90er Jahren werden chronisch psychisch Kranke und geistig Behinderte zunehmend in Wohngruppen außerhalb des Klinikgeländes untergebracht. Neue Bereiche wurden und werden in der Klinik eingerichtet: Gerontopsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und der Drogenentzug. Heute werden jährlich ca. 6.000 Patienten behandelt.

[Bearbeiten] Der Name im Laufe der Zeit

  • 1890 - 1904 Provinzial=Irren=Anstalt Aplerbeck
  • 1904 - 1954 Provinzialheilanstalt Aplerbeck
  • 1954 - 1961 Landesheilanstalt Aplerbeck
  • 1961 - 1969 Westfälisches Landeskrankenhaus Dortmund
  • 1969 - 1979 Westfälisches Landeskrankenhaus Dortmund, Fachkrankenhaus für Psychiatrie
  • 1979 - 1987 Westfälisches Landeskrankenhaus Dortmund, Fachkrankenhaus für Psychiatrie, Klinik an der Ruhr-Universität Bochum, Akademisches Lehrkrankenhaus
  • 1987 - 1989 Westfälische Klinik für Psychiatrie Dortmund, Klinik an der Ruhr-Universität Bochum, Akademisches Lehrkrankenhaus
  • seit 1989 Westfälische Klinik für Psychiatrie Dortmund, Akademisches Lehrkrankenhaus

[Bearbeiten] Direktoren und Ärztliche Leiter der Klinik

  • 1895 - 1924 Dr. Gerhard Backenköhler
  • 1924 - 1941 Dr. Paul Pohlmann
  • 1941 - 1945 Dr. Fritz Wernicke
  • 1945 - 1946 Dr. Heinrich Cordes
  • 1946 - 1948 Dr. Enno Herzfeld
  • 1948 - 1972 Dr. Hans Hundt
  • 1972 - 1986 Dr. Wolfgang Leonhardt
  • 1986 - 2002 Prof. Dr. Paul L. Janssen
  • seit 2002 Prof. Dr. Dr. Ulrich Sprick

[Bearbeiten] Literatur

  • Geschichte und Geschichten, 1895 bis 1995, Herausgegeben von der Betriebsleitung der Westfälischen Klinik für Psychiatrie Dortmund 1995
  • Lebensunwert. Die Heilanstalt Aplerbeck und ihre Kranken während des Nationalsozialismus: Uwe Bitzel, Montania Druck- und Verlagsgesellschaft mbH, Dortmund 1995, ISBN 3-929236-04-4

[Bearbeiten] Weblinks

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