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Theodor Storm

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Theodor Storm (1886)
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Theodor Storm (1886)
Geburtshaus in Husum
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Geburtshaus in Husum

Hans Theodor Woldsen Storm (* 14. September 1817 in Husum; † 4. Juli 1888 in Hanerau-Hademarschen) war ein deutscher Schriftsteller, sowohl als Lyriker als auch Prosaautor bedeutend.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Leben und Werk

Theodor Storm, nachhaltig geprägt von seinem liberalen Elternhaus, wurde am 14. September 1817 unter dem Namen Hans Theodor Woldsen Storm in Husum als erstes Kind des Justizrats Johann Casimir Storm und seiner Frau, der Patriziertochter Lucie Woldsen, geboren. In die Studentenzeit (Universität Kiel sowie Berlin) datiert seine Freundschaft mit Ferdinand Röse sowie Theodor und Tycho Mommsen. Röse verdankt Storm die Erkenntnis, dass es „lebende deutsche Dichter gäbe“. Zu dieser Zeit lernte er GoethesFaust“, HeinesBuch der Lieder“ und Eichendorffs Lyrik kennen. 1843 veröffentlichte er zusammen mit den Brüdern Mommsen das „Liederbuch dreier Freunde“. Aus dem für Storm intensiven, aber nicht erwiderten Liebeserlebnis zur damals fünfzehnjährigen Bertha von Buchan entstanden seine ersten Liebesgedichte, die er 1840 veröffentlichte.

1843 kehrte er nach Husum zurück und eröffnete eine Anwaltskanzlei. 1846 heiratete Storm seine 18-jährige Cousine Constanze Esmarch. Mit ihr hatte er sieben Kinder, Hans, Ernst, Karl, Lisbeth, Lucie, Elsabe und Gertrud, bei deren Geburt Constanze starb. Kurz nach seiner Hochzeit lernte Storm Dorothea Jensen kennen, mit der ihn eine leidenschaftliche Beziehung verband und die er als Witwer dann heiratete.

Eines von Storms Häusern in Husum - Heute ein Museum
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Eines von Storms Häusern in Husum - Heute ein Museum

Trotz des Friedensschlusses von 1850 zwischen Dänemark und Preußen nahm Storm eine unversöhnliche Haltung gegenüber Dänemark ein. Deshalb wurde ihm 1852 durch den dänischen Schleswigminister Friedrich Ferdinand Tillisch die Advokatur entzogen.

Meeresstrand
Ans Haff nun fliegt die Möwe,
Und Dämmrung bricht herein;
Über die feuchten Watten
Spiegelt der Abendschein.
Graues Geflügel huschet
Neben dem Wasser her;
Wie Träume liegen die Inseln
Im Nebel auf dem Meer.
Ich höre des gärenden Schlammes
Geheimnisvollen Ton,
Einsames Vogelrufen –
So war es immer schon.
Noch einmal schauert leise
Und schweiget dann der Wind;
Vernehmlich werden die Stimmen,
Die über der Tiefe sind.
Theodor Storm 1856

1853 sprach man ihm in Berlin eine unbezahlte Anstellung im Kreisgericht von Potsdam zu. Zu dieser Zeit erschien seine schon 1849 geschriebene Novelle Immensee. Während seines Aufenthalts in Berlin berichtet Storm von seinem Abscheu über den „preußischen Menschenverbrauch im Staatsmechanismus“; er kämpfte mit beruflichen und finanziellen Schwierigkeiten. Sein künstlerischer Freundeskreis im Rütli, zu dem u.a. Theodor Fontane und Franz Kugler zählten, trug dazu bei, dass der republikanisch Gesinnte sich im Kreise der preußisch Konservativen zunehmend isoliert fühlte.

1856 wurde er zum Kreisrichter im thüringischen Heiligenstadt ernannt. Nach der Niederlage Dänemarks im Deutsch-dänischen Krieg 1864 wurde Storm in Husum von der Bevölkerung der Stadt zum Landvogt berufen.

1864 starb Constanze Storm. Seinen Gefühlen verlieh Storm in dem strophischen Gedichtzyklus „Tiefe Schatten“ Ausdruck; neben den häufig in der Schule gelesenen Gedichten „Am grauen Strand, am grauen Meer“ oder „Ans Haff nun fliegt die Möwe“ zählt dieser Zyklus heute zu den bekanntesten Gedichten Storms.

1866 heiratete Storm die nun 38-jährige Dorothea Jensen in Hattstedt. 1867 wurde er im Zuge der preußischen Verwaltungsreform nach der Annexion Schleswig-Holsteins zum Amtsgerichtsrat ernannt. Gegen 1870 kam der damals 15-jährige Ferdinand Tönnies, der spätere Begründer der Soziologie, als Korrekturleser in Storms Haus und wurde später sein Freund. 1874 starb Storms Vater, 1878 seine Mutter. 1880 trat Storm in den Ruhestand und zog nach Hademarschen. Im April 1888 erschien Storms letzte Novelle, die Rahmenerzählung Der Schimmelreiter. Am 4. Juli 1888 starb er in Hademarschen an Magenkrebs. Seine letzte Ruhestätte fand er auf dem Friedhof „St. Jürgen“ in Husum.

Zehn Jahre später, 1898, wurde an seinem Geburtstag seine von Adolf Brütt geschaffene Denkmalbüste in Husum enthüllt.

[Bearbeiten] Web-Essay: Der politische Lyriker Theodor Storm zwischen 1853 und 1880

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[Bearbeiten] Einleitung

Der Name Theodor Storm ist im Alltagsbewusstsein der Menschen mit seiner letzten großen Novelle „Der Schimmelreiter“ verbunden. Dass er immer auch Gedichte schrieb, wird sehr oft vergessen, obwohl seine Liebes- und Naturlyrik ihn zu den Besten der deutschen Lyrik haben rechnen lassen.

Dass er überdies auch politischer Lyriker war, ist sehr zurückgetreten. Auch, wenn Storm sich selbst als ein „unpolitisches Thier“ bezeichnete, nahm er doch regen Anteil an den politischen Fragen seiner Zeit.

Hier soll ein Überblick dazu vor dem Hintergrund der politischen Entwicklung Schleswig-Holsteins gegeben werden. Dazu sind kurze Skizzen der Geschichte beider Herzogtümer bis etwa 1853 und zu Storms Leben nötig, und das historisch-politische Geschehen ist eingehender mit Storms Schaffen zu verbinden. Hier lassen sich dann noch seine Heiligenstädter Zeit (1856-64) und sein späteres Werk in Husum (1864-80) markieren. In seinen letzten Jahren in Hademarschen (1880-88) zog Storm sich aus politischen Streitfragen größtenteils zurück.

Exemplarisch soll das lyrisch-politische Schaffen Theodor Storms anhand dreier Gedichte ausgeführt werden. Das Erste, „Gräber in Schleswig“, entstand in den letzten Jahren seiner Zeit im „Exil“ in Heiligenstadt. Nach seinen frühen politischen Gedichten um 1850 war dies sein erstes mit deutlich agitatorischer Absicht, weshalb es hier besondere Beachtung findet. Das zweite Gedicht „1864“ spricht sich noch positiv-bejahend aus, während das dritte, „Welt-Lauf“, das resignierte Ende seines politischen Schaffens markiert. Diesen Bogen vom jungen Patrioten zum alten enttäuschten Theodor Storm nach zu vollziehen soll, im folgenden Aufsatz versucht werden.

[Bearbeiten] Die politische Entwicklung in Schleswig-Holstein bis 1853

Seit den 1830er Jahren steigerten sich dänische Bestrebungen, das relativ selbständige Herzogtum Schleswig, welches ein altes dänisches Lehen war, in das Königreich Dänemark einzugliedern. Dagegen formierte sich eine nationalliberale Bewegung in Schleswig-Holstein unter der Losung „Up ewig ungedelt“. Sie forderte den Erhalt der Selbständigkeit und wollte eine Verfassung für die Herzogtümer. Ein Erfolg ihrer Bemühungen war die Einführung beratender Provinzialstände im Jahre 1831.

Der dänische König Christian VIII. war es dann, der die Fortsetzung der kompromissbereiten Politik seines Vorgängers ablehnte. Am 8. Juni 1846 ließ er einen „Offenen Brief“ veröffentlichen. In diesem formulierte er das Ziel eines dänischen Gesamtstaates einschließlich Schleswigs, Holsteins und Lauenburgs.

Im März 1848 nahmen die in Schleswig lebenden Eiderdänen ein Programm an, das die Integration dieses Herzogtums in Dänemark forderte. Auf der anderen Seite konstituierte sich am 24. März 1848 eine provisorische Regierung für Schleswig-Holstein in Rendsburg. Wenig später begannen militärische Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern der Herzogtümer und den Dänen. Zunächst erhielten die Schleswig-Holsteiner preußische Unterstützung. Die Unabhängigkeitsbewegung war zu diesem Zeitpunkt bereits in die Kämpfe liberaler und demokratischer Kräfte um einen einheitlichen Nationalstaat eingebunden, so dass auch Freiwillige aus anderen Landesteilen auf Seiten der Deutschsprachigen kämpften.

Ende August 1848 einigten sich Dänemark und Preußen unter dem Druck von England und Russland auf einen siebenmonatigen Waffenstillstand. Damit wurde die Rendsburger Provisorische Regierung zur Abdankung gezwungen. Als daraufhin neue Kämpfe aufbrandeten, verhielt sich Preußen bereits passiv.

Als Kommentator seiner Zeit schrieb Friedrich Engels am 10. September 1848 in der Neuen Rheinischen Zeitung über die Ereignisse zwischen Nord- und Ostsee: „Von allen deutschen Versammlungen ist die Kieler Landesversammlung die einzige, die nicht nur auf allgemeinem Stimmrecht, sondern auch auf direkter Wahl beruht. Der von der Regierung vorgelegte Verfassungsentwurf ist der demokratischste, der je in deutscher Sprache abgefaßt worden. Schleswig-Holstein, bisher politisch von Deutschland ins Schlepptau genommen, ist durch den Revolutionskrieg plötzlich zu fortschrittlicheren Institutionen gekommen als das ganze übrige Deutschland. Der Krieg, den wir in Schleswig-Holstein führen, ist also ein wirklicher Revolutionskrieg.“2

Am 10. Juli 1849 kam ein neuer Waffenstillstand zustande. Schleswig-Holstein wurde nun unter preußisch-englisch-dänische „Landesverwaltung“ gestellt. Österreich, England und Russland stellten sich dabei auf die Seite der Dänen „im Interesse des europäischen Gleichgewichts und der Erhaltung des dänischen Gesamtstaates in seinem alten Gefüge“. Um die Gefahr eines Krieges mit Österreich zu bannen, verzichtet Preußen 1850 auf die Unterstützung der schleswig-holsteinischen Erhebung.

Die Schleswig-Holsteiner fühlten sich von Preußen verraten. Im Juli 1850 werfen sie sich in die „Schlacht bei Idstedt“, die mit einer (vorhersehbaren) Niederlage endet. Nach zähen Verhandlungen einigen sich die beteiligten Staaten auf das „Londoner Protokoll“, das am 8. Mai 1852 paraphiert wird. Diesem Protokoll folgend wird Schleswig-Holstein zu einem Teil Dänemarks. Als (wenig tröstlichen) Kompromiss erreichen Preußen und Österreich wenigstens die Gleichstellung aller Landesteile auf Grundlage einer Gesamtstaatsverfassung.

[Bearbeiten] Theodor Storms Werden bis 1856

Der im Jahre 1817 geborene Hans Theodor Woldsen Storm verbrachte seine Kindheit und Schulzeit bis zum Jahre 1837 in Husum. In Kiel und Berlin studierte er von 1837 bis 1842 Jura. Von 1843 bis 1853 war er in seiner Heimatstadt Husum als Anwalt tätig. Storms Studienfreund Theodor Mommsen war Redakteur der der provisorischen Regierung in Rendsburg nahestehenden Schleswig-Holsteinischen Zeitung (SHZ). Auf dessen Bitte hin schrieb Storm von April bis Dezember 1848 Lokalberichte für diese Zeitung.

[Bearbeiten] Gräber in Schleswig“: Storm als Agitator

Gräber in Schleswig (Auszug)
Nicht Kranz noch Kreuz; das Unkraut wuchert tief;
Denn die der Tod bei Idstedt einst entboten,
Hier schlafen sie, und deutsche Ehre schlief
Hier dreizehn Jahre lang bei diesen Toten.
Und dreizehn Jahre litten jung und alt,
Was leben blieb, des kleinen Feindes Tücken,
Und konnten nichts als, stumm die Faust geballt,
Den Schrei des Zorns in ihrer Brust ersticken.
Die Schmach ist aus; der ehrne Würfel fällt!
Jetzt oder nie! Erfüllet sind die Zeiten,
Des Dänenkönigs Totenglocke gellt;
: Mit klinget es wie Osterglockenläuten!
Theodor Storm 1863

Storms erster lyrische Versuch zum Thema Politik war im Frühjahr 1848 das Gedicht „An der Westküste der Friesen“, das unter seinem späteren Titel „Ostern“ bekannt wurde. Allerdings wurde es nicht in der SHZ veröffentlicht, was Mommsen in seinem Brief an Storm vom 3. Mai 1848 begründet: „Ihr Gedicht habe ich zurückgelegt; es ist recht gut, aber es taugt nicht für ein polit[isches] Blatt. Sollen da Verse drin stehen, so müssen es Verse aus der Sache heraus und nicht über die Sache vom Parterre her sein.

Storms schleswig-holsteinischer Landespatriotismus verbindet sich allmählich mit dem Bekenntnis zum deutschen Einheitsstaat. Im Frühjahr 1848 übernimmt Storm die Liedertafel, einen politisch-patriotischen Gesangverein, in Husum und wird Sekretär des Anfang April gegründeten „Patriotischen Hilfsvereins“, der Geld für Kriegsgefangene und Verwundete, aber auch für deutsche Kriegsschiffe sammelte und für Wahlen zur verfassunggebenden deutschen Nationalversammlung warb. Zudem unterzeichnete er mehrere Petitionen, insbesondere zusammen mit 257 weiteren Husumern die vom 14. Mai 1849, in der es unmissverständlich heißt, „daß sie für Recht halten und wünschen: der König von Dänemark Friedrich VII., welcher bereits zum zweiten Male die Herzogthümer Schleswig-Holstein mit ungerechten Kriegen überzieht, habe sich dadurch der Herzogskrone verlustig gemacht, und die Personalunion mit dem uns befeindeten Dänenvolke möge für die Zukunft aufgehoben werden.“4 Am 5. Oktober 1849 übersendet Storm eine Protestadresse an den dänischen Landeskommissar gegen die „Aufhebung bestehender Gesetze, namentlich des Staatsgrundgesetzes als einen neuen Akt reiner Willkür“.

Anfang Oktober 1850 erlebt Storm die Belagerung von Friedrichstadt unter dem preußischen General Willisen nahe mit. In dieser Zeit schreibt er eine Reihe engagierter Gedichte, so z.B. „Im Herbste 1850“, das nach dem Einmarsch der Dänen in Husum vom 24. bis 26. September 1850 entsteht. Nach der Katastrophe von Friedrichstadt verfasst er vom 23. bis 25. Oktober 1850 „Gräber an der Küste“. Am 20. Dezember entsteht „Ein Epilog“, das er dann als Schluss der Novelle „Ein grünes Blatt“ verwendete, sowie kurz darauf „Januar 1851“.

Während dieses Herbstes 1850 hält Theodor Storm seine Advokatur geschlossen, um Problemen mit den dänischen Behörden auszuweichen, nimmt seine Tätigkeit aber 1851 wieder auf. Ende 1852 wird dann seine Anwalts-Zulassung nicht bestätigt, was in jüngerer Zeit „Berufsverbot“ gehießen hätte. Grund war unter anderem ein Bericht des Husumer Magistrats an die Kopenhagener Zentralverwaltung vom 6. Juli 1852, demzufolge er „seine schleswig-holsteinische Gesinnung durch Unterschrift illoyaler Adressen und Renitenz wider die von der vormaligen Landesverwaltung für das Herzogthum Schleswig in Person des jetzigen Amtmannes“5 gezeigt habe.

Nach Absagen aus Hannover, Gotha und Buxtehude geht Storm 1853 nach Preußen und tritt eine Stelle als Assessor am Kreisgericht Potsdam als Volontär an. In Potsdam lebt er bis 1856 unter sehr bescheidenen Verhältnissen.

In einem Brief an Mommsen vom 4. März 1854 resümiert er seine letzten Jahre in Husum mit den Worten: „Nachdem unsere unglückliche Sache zu Ende war, hielt ich es für meine nächste Pflicht, meine Mitbürger als Advocat nach Kräften gegen die dänischen Militär- und Civilbehörden zu vertreten, und ich habe das denn auch mit voller Rücksichtslosigkeit etwa 1 ½ Jahre lang gethan; dabei aber mehr über die Feigheit der eigenen, als über die Brutalität der feindlichen Partei in einem beständigen Grimm gelebt, und schließlich, wie ich es denn auch nicht anders erwartete, meine Bestallung dadurch verloren. Daß ich durchaus keinen Schritt gethan, um sie wieder zu erlangen, brauche ich Ihnen nicht zu sagen; obgleich ich, wie Sie wissen, eigentlich ein unpolitisches Thier bin.

[Bearbeiten] Die Heiligenstädter Zeit bis 1864

Im Jahre 1856 nahm Theodor Storm eine Stelle in Heiligenstadt an, wo er bis 1864 lebte. Am 10. Mai 1862 resümierte Storm in mit den Worten, man habe „unter schwierigen Verhältnissen das auch“ zu tun, was man „für Recht erkannt hat. Das hat mit Demokratie oder Monarchie (deren Gegensatz ist hier das verrottetste Junkertum) nichts zu tun.“ Ansonsten passierte in dieser Zeit politisch nicht viel.

1863 spitzte sich dann aber die Lage in Schleswig-Holstein erneut zu. Am 18. November des Jahres bestätigte der dänische König Christian IX. unter dem Druck der bedrohlichen nationalen Stimmung in Kopenhagen eine Verfassung, die praktisch die Inkorporation Schleswig-Holsteins beschloss. Dieses als „Novemberverfassung“ bekanntgewordene Schriftstück stand damit in deutlichem Gegensatz zum Londoner Protokoll vom 8. Mai 1852.

Parallel dazu proklamierte Prinz Friedrich von Augustenburg seinen Regierungsantritt in einem selbständig verstandenen Schleswig-Holstein, wobei er vom Deutschen Bundestag unterstützt wurde, nicht jedoch von Preußen und Österreich. Der Prinz traf Ende Dezember 1863 in Holstein ein. Die Präsenz von Bundestruppen half ihm bei diesem Schritt.

Preußens Kanzler Bismarck hielt weiterhin am Londoner Protokoll fest und Preußen auf diese Weise aus dem Konflikt heraus. Das führte zu starken Antipathien nicht nur bei Theodor Storm.

Am 1. Februar 1864 erklärten Preußen und Österreich dem Dänischen Königreich den Krieg. Anlass war ein recht überraschendes Ultimatum Bismarcks. Er forderte Dänemark auf, die Novemberverfassung zurückzunehmen, da sie im Widerspruch zum Londoner Protokoll stand. Der dänische König verweigerte sich diesem Ansinnen. Im Ergebnis des daraufhin folgenden Krieges mussten sich die Dänen aus Schleswig-Holstein zurückziehen.

Nach der preußisch-österreichischen Besetzung der norddeutschen Herzogtümer wurde auch der dänisch gesinnte Landvogt von Husum abgesetzt. Am 8. März 1864 bestätigte die oberste Zivilbehörde Storms demokratische Wahl zum Landvogt. Am 18. März trat er sein Amt an. Damit war Storms Zeit im Exil beendet. Nachdem Theodor Storm bereits in Gedichten wie „Im Herbste 1850“ oder „Gräber an der Küste“ seine politische Haltung als schleswig-holsteinischer Patriot zum Ausdruck gebracht hatte, verfolgte er mit „Gräber in Schleswig“ erstmalig offen agitatorische Absichten. In wohl keinem anderen seiner Gedichte rief er so unverhohlen zum Kampf gegen die dänischen Besatzer auf, wie in diesem. So ist es folgerichtig, dass er es in der Zeitung „Gartenlaube“ veröffentlichen ließ, die mit einer Auflage von 130.000 Exemplaren als ein Massenmedium ihrer Zeit und Region bezeichnet werden kann.

Das Gedicht gliedert sich in drei inhaltliche Abschnitte, welche die Strophen eins bis vier, fünf bis acht sowie Strophe neun umfassen und optisch durch Gedankenstriche voneinander abgesetzt sind.
In den Strophen eins bis vier wird eine Wunschvorstellung beschrieben, in welcher dreizehn Jahre nach der von den schleswig-holsteinischen Truppen verlorenen Schlacht bei Idstedt, auf die in Zeile zwei direkt verwiesen wird mit den Worten: „... die der Tod bei Idstedt einst entboten ...“, es nun „von Deutschland“ her wehe (Zeile 13) und des „Dänenkönigs Totenglocke“ gelle (Zeile 11), dass also deutsche Truppen die dänischen Besatzer aus Schleswig-Holstein vertreiben.
In den Strophen fünf bis acht wird aber bereits durch den ersten Ausruf „Törichter Traum!“ in Zeile 17 festgestellt, dass es sich in Teil eins um eine Wunschvorstellung handelt. Vielmehr wird konstatiert, dass sich die deutsche Seite mit Verweis auf das Londoner Protokoll aus dem Konflikt heraus hält: „Das Londoner Papier, [...] sie wagen’s nicht zu heben“ (Zeile 21f.). Deshalb müsse sich Schleswig-Holstein ein zweites Mal erheben, um die Dänische Besatzungsmacht doch noch abzuschütteln. Dieses Ansinnen verdeutlicht Storm insbesondere durch die Verwendung markanter Ausrufe wie: „Wacht auf, ihr Reiter!“ (Zeile 25), „Für das Vaterland noch einen Strauß!“ (Zeile 27f.) und „Tambour, hervor aus deinem schwarzen Schrein!“ (Zeile 29).

Beim dritten und letzten Teil des Gedichtes fällt auf, dass er nicht wie die vorhergehenden vier sondern nur eine Strophe umfasst. Hier wird inhaltlich einerseits festgestellt, dass die in der Schlacht bei Idstedt Gefallenen nicht mehr in die Schlacht ziehen werden: „[...] ihr ruht auf ewig aus“ (Zeile 33). Andererseits kann man sich schwerlich dem Eindruck entziehen, dass mit der Aussage „Ihr wurdet eine duldsame Gemeinde“ (Zeile 34) Storms schleswig-holsteinische Mitbürger gemeint sein dürften. An die Ehre seiner Landsleute appellierend folgt zum Ende des Gedichtes ein letzter deutlicher Ausruf: „Die deutschen Gräber sind ein Spott der Feinde!“ (Zeile 36), ein letzter Appell, endlich aufzustehen für ein freies deutsches Schleswig-Holstein.

Mithilfe der klaren Dreiteilung und der direkten historischen Verweise wird „Gräber in Schleswig“ für den Leser relativ leicht verständlich. Dazu trägt auch bei, dass Storm, der ein Lyriker von großem Formenreichtum war, hier mit einem schlichten Kreuzreim arbeitete, da Einfachheit auch in der Form notwendig ist, wenn eine agitatorische Wirkung erzielt werden soll. Des Weiteren baut Storm sein Gedicht um den Begriff „Vaterland“ herum auf, der durch das Enjambement in Zeile 27f. in den Vordergrund gerückt wird. Mithilfe dieses klaren und doch schillernden Ausdrucks kann Storm Freund - deutsch - und Feind - dänisch - auf einfache Weise verabsolutieren. Das ist für sein Anliegen auch nötig, denn Differenzierungen nähmen hier Emotionen aus seinen Worten, was der agitatorischen Kraft der „Gräber in Schleswig“ abträglich wäre.

Dass Storm mit seinem Gedicht durchaus Resonanz erzeugte, scheint sich durch einen Brief des preußischen Kanzlers Bismarck an Graf Robert von der Goltz vom 24. Dezember 1863 belegen zu lassen. Laut Harro Müller sind Bismarcks folgende Worte als auf Storm gemünzt zu betrachten: „Die Frage ist, ob wir eine Großmacht sind oder ein deutscher Bundesstaat, und ob wir, der erstern Eigenschaft entsprechend, monarchisch oder, wie es in der zweiten Eigenschaft allerdings zulässig ist, durch Professoren, Kreisrichter und kleinstädtische Schwätzer zu regieren sind.

[Bearbeiten] 1864“: Storm als Patriot

Am 29. Mai 1864 verfasste Storm sein Gedicht „1864“. Damals war er erst seit gut zwei Monaten demokratisch gewählter Langvogt von Husum. Da die Dänen nicht mehr Besatzer in Schleswig-Holstein waren, lebten Storms Träume von einem selbständigen Schleswig-Holstein wieder verstärkt auf. In Bismarck und dem preußischen Militär sieht er ausführende Organe eines durch den Nationalverein repräsentierten „volonté générale“. Den Beginn des Krieges hätten die Schleswig-Holsteiner „dem Drang der Nationalpartei“ zu verdanken, „denn dort waren die Treiber; die Herren regierenden Junker, die schließlich das Commandowort gaben, waren nur die Getriebenen“9. Trotz der zumeist sehr rationalen Sicht auf die Verhältnisse in seiner Heimat kann sich Storm hier einer verklärenden Euphorie nicht enthalten, der dann aber fünf Monate später die erneute Ernüchterung folgen sollte.

[Bearbeiten] Schleswig-Holstein - Das Ende einer Hoffnung

Nach der Niederlage Dänemarks im Krieg von 1864 wurde am 30. Oktober des Jahres der „Wiener Frieden“ geschlossen. Von nun an war Schleswig-Holstein Österreich und Preußen gemeinsam unterstellt. Diese übten gemeinsam die Verwaltung aus. Sehr bald musste man allerdings konstatieren, dass sie mehr gegen- als miteinander agierten. So einigten sich die neuen Herren am 14. August 1865 in der „Konvention von Gastein“ darauf, Schleswig der preußischen, Holstein der österreichischen Verwaltung zu unterstellen.

Nach vielem diplomatischen Hin und Her gab es 1866 Krieg zwischen Preußen und Österreich. Im „Prager Friedensvertrag“ vom 23. August 1866 musste das Alpenland seine Niederlage eingestehen. Die von Storm befürchtete preußische Annexion Schleswig-Holsteins wurde endgültig. Der Traum von einem freien Staat zwischen Nord- und Ostsee war damit ausgeträumt.

Im Zuge einer preußischen Verwaltungsreform wurde das Amtes des Landvogts aufgehoben. Storm hatte nun die Wahl, Amtsmann in der Verwaltung oder Amtsrichter in der Rechtsprecung zu werden. In ersterer Funktion wäre er zwar finanziell besser gestellt gewesen, hätte sich aber politisch exponieren müssen. Um das zu vermeiden, entscheidet Storm sich dafür, Amtsrichter zu werden, obwohl er im Folgenden mit zwei Dritteln seines bisherigen Einkommens auskommen musste. Seine Resignation drückte er in seinem letzten politischen Gedicht „Welt-Lauf“ aus.

Seinen Lebensabend verbrachte Theodor Storm von 1880 bis 1888 auf seinem Alterssitz in Hademarschen, wo er sich - zurückgezogen von den Fragen der großen Politik - ganz seinen Novellen widmete.

[Bearbeiten] Welt-Lauf“: Storms Resignation

Am 22. April 1867 10 schrieb Storm sein Gedicht „Welt-Lauf“. Es ist das Letzte, in dem sich Storm noch einmal politisch äußert. Harro Müller fasst seinen Inhalt mit den Worten zusammen: „In der Sorge um die Reproduktionsbedingungen seiner Familie als Ort privater Autonomie muß der Bürger beim Verkauf seiner Arbeitskraft in der Weise Kompromisse eingehen, daß er Handlungen zu vollbringen hat, die seiner Gesinnungsethik widersprechen und ihn zuletzt zum halben Schuft werden lassen.“11

In diesem kurzen, sechszeiligen Gedicht wird zu Beginn durch die Alliterationen „Gewalt genüber“ (Zeile 1) und der „Liebsten Leben“ (Zeile 2) das Gegensatzpaar Gewalt vs. Leben präsentiert. Wie auch in „Gräber in Schleswig“ (siehe Abschnitt IV.1.) stellt Storm auch hier dem Leser eine Böse-Gut-Konstellation vor. Doch hat der Part des Guten, in diesem Falle die Familie, nicht mehr die Kraft, sich gegen das Böse, also die politisch-ökonomische Gewalt, durchzusetzen. Vielmehr kann das Gute nur noch erreicht werden, indem man sich selbst dem ‘Bösen’ anpaßsst, also „ein halber Schuft“ (Zeile 6) wird. Von der idealistisch-hoffenden Sicht des Jahres 1863 ist nun bei Storm nichts mehr zu spüren. Was ihm blieb, war Resignation. Wohl auch aus diesem Grund war es nur konsequent, dass Theodor Storm sich von da an ganz seinem politikfernen Dasein als Novellist widmete.

[Bearbeiten] Zusammenfassend

Es wurde aufgezeigt, wie Storm sich im Laufe des politischen Geschehens vom kämpferisch-optimistischen Patrioten zum resigniert-zurückgezogenen Pessimisten (vielleicht auch einfach zum Realisten) entwickelt hat.

Auch wenn er sich als „unpolitisches Thier“ bezeichnete, so kann doch konstatiert werden, dass Theodor Storm intensiv am politischen Geschehen in seiner Heimat Anteil nahm, und sich nicht scheute, um seiner Ideale willen Restriktionen in Kauf zu nehmen. Das zeigt sich auch in seiner politischen Lyrik, mit der er sich aktiv in das Geschehen seiner Zeit einmischte. Am Ende dieser Aktivität stand freilich Resignation.

Auch wenn dieser Endpunkt der Entwicklung Storms aus meiner Sicht sehr bedauerlich ist, so kann ihre Betrachtung doch auch in der heutigen Forschung interessante neue Fragestellungen bieten. So könnte es in der Zukunft spannend sein zu hinterfragen, inwieweit ähnliche politische Sozialisationen wie die Theodor Storms in dessen Zeit auszumachen sind. Wenn sich dort eine signifikante Häufung solcher menschlicher Entwicklungen abzeichnete, könnte ein Vergleich der damaligen sozialen Gruppen mit denen der scheinbar ähnlichen Entwicklungen beispielsweise der sogenannten Generation der 68er des Zwanzigsten Jahrhunderts sicherlich zu aufschlussreichen Erkenntnissen führen. Für die Literaturwissenschaft wäre bei einem solchen Forschungsprojekt ein interessanter Bereich zu erschließen, der insbesondere in vergleichenden Arbeiten zur politischen Literatur der 68er mit denen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts umfangreiche Beiträge leisten könnte. Aus der Betrachtung Theodor Storms heraus zu solchen Aufgaben zu gelangen, wäre mit Sicherheit eine große und angehenswerte Aufgabe.

[Bearbeiten] Trivia

IC „Deichgraf“, der den Husumer Hafen durchquert
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IC „Deichgraf“, der den Husumer Hafen durchquert
  • Die Stadt Husum ist heute noch literarisch bekannt als graue Stadt am Meer (Theodor Storm). Außerdem sind viele Plätze und Straßen, auch öffentliche Einrichtungen (nicht nur in Husum , sondern in ganz Deutschland) nach Storm benannt.

[Bearbeiten] Werke (Auswahl)

Bronzestatue von Theodor Storm in Heiligenstadt
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Bronzestatue von Theodor Storm in Heiligenstadt

[Bearbeiten] Briefe

  • Theodor Storm - Theodor Fontane: Briefwechsel. Krit. Ausgabe. In Verbindung mit der Theodor-Storm-Gesellschaft hg. v. Jacob Steiner. Berlin: Erich Schmidt 1981.

[Bearbeiten] Literatur über Storm

[Bearbeiten] Periodisch erscheinende Schriften

  • Husumer Beiträge zur Storm-Forschung (HuB), Erich Schmidt Verlag Berlin

[Bearbeiten] Biografische Darstellungen

  • Georg Bollenbeck: Theodor Storm: eine Biographie. Frankfurt am Main: Insel 1988 (insel taschenbuch 1347). ISBN 3-458-14621-0
  • Roger Paulin: Theodor Storm. München 1992. ISBN 3-406-35048-8
  • Regina Fasold: Theodor Storm: Stuttgart / Weimar: Metzler 1997 (Slg. Metzler 304). ISBN 3-476-10304-8
  • David A. Jackson: Theodor Storm: Dichter und demokratischer Humanist; eine Biographie. Berlin 2001 ISBN 3-503-06102-9
  • Paul Barz: Theodor Storm, Wanderer gegen Zeit und Welt: Biographie. Berlin 2004. ISBN 3-7466-1618-2
  • Hartmut Vinçon: Theodor Storm mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten dargestellt. 16. Auflage. Reinbek bei Hamburg 2004 (rowohlts monographien 186). ISBN 3-499-50186-4

[Bearbeiten] Einzeluntersuchungen

  • Hanns-Peter Mederer: Naturobjekte als Substitute für sprachliche Kommunikation in den Novellen Theodor Storms. Hannover 1989 (Magisterarbeit).
  • Wulf Wülfing: „Luft ist kein leerer Wahn.“ Theodor Fontane und die Berliner Luft als Metapher für das politisch-gesellschaftliche Klima im nachmärzlichen Preußen; unter besonderer Berücksichtigung des Briefwechsels mit Theodor Storm im Jahre 1853. In: Formen der Wirklichkeitserfassung nach 1848. Deutsche Literatur und Kultur vom Nachmärz bis zur Gründerzeit in europäischer Perspektive, Bd. 1. Hg. v. Helmut Koopmann / Michael Perraudin unter Mitarb. v. Andrea Bartl. Bielefeld: Aisthesis 2003, S. 167-188.

[Bearbeiten] Weblinks

Wikisource: Theodor Storm – Quellentexte
Commons: Theodor Storm – Bilder, Videos und/oder Audiodateien

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