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Sozialabbau

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Sozialabbau ist ein politisches Schlagwort, das einen (befürchteten) Abbau des Sozialstaates meist in kritischer Absicht bezeichnet. Gemeint sind Maßnahmen wie die Verminderung öffentlicher Sozialleistungen, die Beschneidung von Leistungen der Sozialversicherungen, auch die Forderung nach niedrigeren Löhnen und längeren Arbeitszeiten, nach Abbau von Arbeitnehmerschutzrechten (wie dem Kündigungsschutz), nach bestimmten "Reformen" im Bildungs- und Gesundheitswesen, nach geringerer staatlicher Finanzierung von sozialen Projekten, wie etwa Beratungsstellen und Verbraucherschutz sowie Schuldnerberatungen, Suchthilfe, soziopsychologische Betreuungsmöglichkeiten und Jugendarbeit.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Geschichte

Ausgehend von den seit dem 19. Jahrhundert im Deutschen Reich geschaffenen Grundlagen wurden die Systeme der sozialen Absicherung in der Bundesrepublik Deutschland bis in die 1990er weiter ausgebaut. Mit der Schaffung der Pflegeversicherung im Jahr 1995 erfolgt der letzte große Ausbau der Sozialversicherung. Deren Finanzierung wird jedoch schon seit den 1980er Jahren zunehmend problematisch: Die Arbeitslosigkeit steigt, verursacht hohe Kosten und führt gleichzeitig zu sinkenden Einnahmen aus den Sozialversicherungsbeiträgen. Die entstehenden Defizite wurden nach dem Regierungswechsel im Jahre 1982 nicht nur durch eine Erhöhung der Sozialbeiträge[1] um fast 3 Prozentpunkte sondern auch durch den teilweisen Abbau von individuellen Sozialleistungen ausgeglichen.

In den 1990er Jahren veränderen mehrere Ereignisse die Situation: Das Ende der bipolaren Weltordnung, die Wiedervereinigung, die Einführung des Euro und die wirtschaftliche Globalisierung:

  • Mit dem Ende der Sowjetunion und dem Ende der bipolaren Weltordnung fiel eine Systemalternative weg. Als es noch eine Art Wettbewerb zwischen den Wirtschaftsblöcken gab, bestand auch ein Wettbewerb um bessere Sozialleistungen. Als einzig übrig gebliebene Wirtschaftsordnung droht die Marktwirtschaft immer weniger sozial zu werden.
  • Nach der Wiedervereinigung belasteten versicherungsfremde Leistungen die beitragsfinanzierten Sozialsysteme stark und mussten durch erhöhte Staatszuschüsse an die Gesetzliche Rentenversicherung ausgeglichen werden.
  • Durch den EU-Stabilitätspakt wurde das Wachstum der Staatsverschuldung vertraglich begrenzt (Auch wenn diese Verpflichtung jahrelang nicht eingehalten wurde). Darüber ließ die Euro-Einführung die Realzinsen für Kredite in Deutschland relativ zum europäischen Ausland steigen (wengleich die Realzinsen in Deutschland spürbar sanken).
  • Die härtere internationale Konkurrenz durch die von den Vertretern des Neoliberalismus propagierte Öffnung der Märkte ohne begleitende Einführung internationaler Standards der sozialen Absicherung, wachsende Produktivität und vergleichbare Bildungssysteme in Staaten mit weit geringeren Löhnen, Steuern und Sozialleistungen verschärfen den Druck auf Wirtschaft und Politik, im Inland Sozialleistungen und Arbeitskosten zu senken. Das soll Arbeitsplätze in Deutschland erhalten und deren Verlagerung ins Ausland bremsen. Seit 1995 haben z.B. die deutschen Metallarbeitgeber nach eigenen Angaben 50.000 neue Arbeitsplätze im Ausland geschaffen [2].)

[Bearbeiten] Diskussion

Kritiker des Sozialabbaus sind Gewerkschaften, Sozialverbände, Globalisierungskritiker wie etwa Attac, einige Kirchenvertreter, in Deutschland die WASG, die Linkspartei.PDS und andere linksgerichtete Parteien, Teile der SPD und der NPD aber auch einige Volksvertreter der konservativen Parteien. Sie argumentieren, dass durch Sozialabbau die soziale Sicherheit abnehme und soziale Ungleichheit wachse; dass sinkende Realeinkommen von Arbeitern, Angestellten, Arbeitslosen und Rentnern zu sinkender Binnennachfrage führen und so die Arbeitslosigkeit verschärften; dass auch der Abbau von Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst und in sozialen Projekten die Arbeitslosigkeit vergrößere; dass soziale Folgen wie abnehmende Gesundheitsvorsorge, zunehmende Verwahrlosung ganzer Stadtteile usw. längerfristig Kosten verursachen könnten, die die eingesparten Mittel bei weitem überstiegen. Statt Sozialabbau schlagen sie Steuererhöhungen für Besserverdienende (Vermögensteuer, "Reichensteuer"), zusätzliche Verbrauchsteuern z.B. auf Flugbenzin, wirksame Maßnahmen gegen Steueroasen und Steuerhinterzieher, Mindestlöhne und eine Verbreiterung der Einnahmenbasis der Sozialversicherungen (Bürgerversicherung) vor. Seltener wird auch eine höhere Staatsverschuldung zur Finanzierung gezielter Wachstumsprogramme gefordert. Außerdem verlangen sie die Einführung internationaler Standards der sozialen Absicherung, um den Druck auf die einzelnen Staaten zur Senkung der Sozialleitungen zu mindern. Der frühere Gesundheitsminister und ehemalige Vorsitzende des Sozialverbandes VdK in Bayern Horst Seehofer forderte "Weg vom Sozialabbau und hin zu einer aktiven Wirtschaftspolitik. Sozialabbau schafft keine Arbeitsplätze". Einige Wirtschaftswissenschaftler führen die Gründe für den Sozialabbau auf falsche wirtschaftspolitische Entscheidungen zurück.

Arbeitgeberverbände, die Mehrzahl der Wirtschaftswissenschaftler und bürgerlich-liberale Parteien und Abgeordnete,aber in Deutschland auch Teile von SPD und Grünen hingegen meinen, dass die hohen Lohnnebenkosten für Sozialversicherungen die Arbeitslosigkeit steigern würden (siehe auch Staatsquote) und damit letztlich sogar die soziale Ungleichheit wachse. Weiterhin argumentieren sie, dass es nicht gerecht sei, zukünftigen Generationen die doppelte Bürde hoher Staatsverschuldung und der Belastung einer durch Überalterung verursachten Schieflage des umlagefinanzierten Rentensystems aufzuzwingen. Sie äußern zunehmend Kritik an der Politik deutscher Gewerkschaften, die davon ausgehen, dass sich Lohnkostensteigerungen unterhalb des Produktivitätswachstums nicht negativ auf die Beschäftigungszahlen auswirken. Den Gewerkschaften werfen sie vor, sie nähmen keine konstruktive Haltung zu Reformen und Veränderungen ein (DGB-Vorsitzender Sommer am 3. April 2004: "Sozialabbau ist Mist").

Zudem sind sie der Ansicht, dass diejenigen, die in das Sozialsystem einzahlen durch die hohen Sozialabgaben besonders belastet würden, aber durch private Vorsorge ebenso belastet würden. Die Befürworter sind zudem überzeugt, dass bereits bei angeblich geringfügigen Einschränkungen eines über Jahrzehnte gewachsenen Sozialsystems zu rasch von Sozialabbau die Rede ist. Bei der Betrachtung anderer Staaten, die im Zuge der Globalisierung ihr soziales Leistungsangebot kürzten, zeigte sich nach ihren Angaben, dass dies zu einer merklichen Verringerung der Arbeitslosigkeit führen könnte, wenngleich viele Arbeitslose im Niedriglohnsektor eingestellt wurden. Der Sozialabbau wird von manchen dieser Befürwortern als "notwendig" bezeichnet um so der Kritik präventiv zu begegnen.

Zitat

"Im Liberalismus galt der Arme für faul, heute wird er automatisch verdächtigt. Der, für den man draußen nicht sorgt, gehört ins Konzentrationslager, jedenfalls in die Hölle der niedrigsten Arbeit und der slums." Theodor W. Adorno, Dialektik der Aufklärung, Frankfurt 71, S. 135

[Bearbeiten] Aktuelle Entwicklungen

In Deutschland wandte die bis 2005 mit den Grünen regierende SPD, traditionell eher gewerkschaftsfreundlich, sich in grundlegenden Positionen von der Haltung der Gewerkschaften ab und setzte, wenn auch moderater als von der Opposition und von der Wirtschaft gefordert wurde, Einschränkungen des sozialen Angebots in Deutschland fort (Agenda 2010) sowie auf mehr Eigenverantwortlichkeit. Die ehemaligen Oppositionsparteien CDU/CSU und vor allem FDP verlangen hingegen wesentlich massivere Maßnahmen, um denjenigen Anreize zu schaffen, die für Arbeitsplätze sorgen sollten ("Sozial ist, was Arbeit schafft"). Dies geht mit einer Verringerung der Lohnnebenkosten einher, die für die Umverteilungsmaßnahmen von Bedeutung sind. Somit sollten auch soziale Leistungen des Staates weiter an den Stand von vor 1970 angepasst werden, bevor die Massenarbeitslosigkeit in Deutschland zum Problem wurde.

An einem europäischen Aktionstag gegen Sozialabbau demonstrierten am 3. April 2004 alleine in Deutschland mehr als 500.000 Menschen. Ihr Anliegen ist die Verbindung von Reformen mit sozialer Gerechtigkeit. Sie bezweifeln die gängige Lehre, wonach die Entlastung der Unternehmen in den wirtschaftlichen Aufschwung führt. Die Angst vor sozialen Einschnitten innerhalb der Bevölkerung hat zu einem Erstarken der WASG und der Linkspartei. in den Umfragenergebnissen und zu Stimmengewinnen bei der Bundestagswahl 2005 geführt.

[Bearbeiten] Literatur

[Bearbeiten] Siehe auch:

[Bearbeiten] Quellen

  1. Deutscher Bundestag: Entwicklung der Lohnnebenkosten Online-Version
  2. Gesamtmetall: Thrapien für den Arbeitsmarkt Online Version

[Bearbeiten] Weblinks

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