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Ludwig Marum

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Ludwig Marum (* 5. November 1882 in Frankenthal, Rheinland-Pfalz; † 29. März 1934 im KZ Kislau bei Bruchsal) war Rechtsanwalt, SPD-Politiker und Opfer des NS-Regimes. Er entstammte einer ursprünglich spanisch-jüdischen Familie, die nach ihrer Vertreibung über die Niederlande in den südwestdeutschen Raum eingewandert war.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Leben

[Bearbeiten] Beruf und Politik

Ludwig Marum trat in jungen Jahren der SPD bei und engagierte sich nach seiner Niederlassung 1908 in Karlsruhe auch als Rechtsanwalt für sozial Unterprivilegierte. 1910 wurde er Vorsitzender des Badischen Arbeitersängerbundes und war von 1911 bis 1921 als Stadtverordneter im Gemeinderat der Stadt Karlsruhe tätig. 1914 rückte er für den kurz nach Kriegsbeginn gefallenen Ludwig Frank als Abgeordneter der SPD in den Badischen Landtag nach, wo er alsbald als Vorsitzender der Justizkommission hervortrat. Von 1915 bis 1918 diente er als Landsturmmann, wofür ihm 1917 das Kriegsverdienstkreuz verliehen wurde.

Nach Ausbruch der Novemberrevolution 1918 war er als Justizminister Mitglied der provisorischen Landesregierung und nach der Wahl zur Badischen Verfassunggebenden Nationalversammlung am 5. Januar 1919 als Mitglied der Verfassungskommission an der Ausarbeitung der Landesverfassung beteiligt. Diese wurde als damals einzige deutsche Verfassung durch eine am 13. April 1920 durchgeführte Volksabstimmung vom Volk angenommen.

Von 1919 bis 1928 war Marum Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion. Er engagierte sich dabei insbesondere im Bereich der Rechtspolitik, so für die Abschaffung der Todesstrafe, für die Rechte der nichtehelichen Kinder, gegen die Diskriminierung der unverheirateten Mütter und sprach sich für gleichen Lohn für Mann und Frau aus. Bereits 1910 war Marum aus der jüdischen Gemeinde ausgetreten und hatte sich 1912 der Freireligiösen Gemeinde Karlsruhe angeschlossen, in deren Vorstand er gewählt wurde.

In der Endphase der Weimarer Republik bezog er gegen die aufsteigende nationalsozialistische Bewegung eindeutig Stellung. Als Rechtsanwalt war er vielfach mit Nationalsozialisten in gerichtliche Auseinandersetzungen verstrickt und ihnen deswegen besonders verhasst. Die Nazionalsozialisten bezeichneten ihn vielsagend als den „badischen Rathenau“ und versuchten, ihm das Klischee des geldgierigen Juden anzuhängen, indem sie ihn zu Unrecht der maßlosen Bereicherung beim Verkauf einer Fabrik an die Firma Reemtsma und der Beihilfe zur Steuerhinterziehung verdächtigten.

[Bearbeiten] Verhaftung

In der Reichstagswahl vom 20. Mai 1928 wurde er als Abgeordneter für Karlsruhe gewählt. Dies hinderte das NS-Regime nicht, ihn unter Bruch seiner parlamentarischen Immunität kurz nach der Reichstagswahl vom 5. März 1933, am 10. März, auf unbestimmte Zeit in so genannte Schutzhaft zu nehmen.

Am 16. Mai wurden Marum, der frühere badische Staatspräsident Adam Remmele und fünf weitere führende badische Sozialdemokraten in das neu errichtete KZ Kislau bei Bruchsal verbracht. Dabei wurden sie unter entwürdigenden Umständen in einer vorbereiteten Aktion auf offenem Lastwagen durch die Stadt Karlsruhe gefahren vorbei an pöbelnden SA-Horden und tausenden Karlsruher Bürgern. Nur Vereinzelte protestierten mit dem Ruf "Rotfront" und wurden dafür sofort verhaftet.

Am selben Tag trat der von seinen Abgeordneten der bereits verbotenen KPD bereinigte und entsprechend dem Reichstag neu zusammengesetzte und damit "gleichgeschaltete" Badische Landtag zu seiner Eröffnungssitzung zusammen. Das war der Tag des neu ernannten Reichsstatthalters Robert Wagner, Marums geistig und rhethorisch unterlegenen langjährigen Gegners. Der zeitliche Zusammenhang war keineswegs zufällig.

[Bearbeiten] Ermordung

Das KZ Kislau wurde von den Nazis zur Irreführung über die wahren Verhältnisse in den vielen anderen Lagern als Vorzeigelager organisiert. Journalisten wurden herumgeführt, Marum musste ein zensiertes Interview geben.

Obwohl er rechtswidrig verhaftet worden war, hatte Marum, was für viele Juden seiner Zeit typisch war und ihnen zum Verhängnis werden sollte, eine Auswanderung abgelehnt. Die ihm gebotene Fluchtmöglichkeit - er hatte zu Anfang seiner Haft wegen einer familiären Angelegenheit für zwei Tage Freigang erhalten - nahm er nicht wahr. Er habe sein Ehrenwort gegeben, wieder in die Haft zurückzukehren. Marum erkannte nicht den verbrecherischen Charakter des Regimes, sondern glaubte, sich gegenüber den neuen Machthabern auf den Rechtsstandpunkt stellen zu können. In dem erwähnten Interview formulierte er, er wisse, dass man ihm nicht die Nase und die Ohren abschneiden werde; er wisse, dass ihnen daran liege, seine (zu ergänzen ist:) wirtschaftliche Existenz zu ruinieren.

Marum schrieb ein anderes Mal über die jüdischen Mitbürger, es sei die Tragik ihres Schicksals, dass sie zum Judentum nicht wollten, dass aber die Deutschen sie nicht wollten, so dass sie heimatlos zwischen den Rassen stünden (Brief vom 29. Juli 1933). Deutschland sei ihm Heimat, und er klammere sich daran (Brief vom 26. September 1933). Deutlich wird hieran auch, dass Marum, der sich früh von der religiösen Bindung zum Judentum gelöst und der Freireligiösen Gemeinschaft angeschlossen hatte, zu seiner jüdischen Herkunft stets bekannt hat. Auffällig ist, dass Marum hierbei - wohl als Kind seiner Zeit - den nationalsozialistischen Rassebegriff des „Juden“ übernommen hatte.

Während die zusammen mit ihm festgenommen SPD-Politiker bereits wieder freigekommen waren, war Marum auf Veranlassung des "Reichsstatthalters" Robert Wagner, dessen einfache Geistesart und Unehrlichkeit Marum während der vielen politischen Auseinandersetzungen in der Weimarer Zeit bloßgestellt hatte, weiterhin festgehalten worden. Am 29. März 1934 wurde Ludwig Marum von dem stellvertretenden Lagerkommandanten Karl Sauer, einem ehemaligen kaufmännischen Angestellten und nunmehrigen Gestapoangehörigen, von Eugen Müller, SS-Oberscharführer und Duzfreund Wagners, sowie von dem Kraftfahrer Paul Heupel, langjährig arbeitslos und Ende 1932 in die SA eingetreten, im Auftrag von Wagner erdrosselt.

Die von den Behörden verbreitete Version des Suizids fand in der Bevölkerung keinen Glauben. Die Einäscherung Marums am 3. April 1934 auf dem Karlsruher Friedhof gestaltete sich trotz der Allgegenwart der Gestapo zu einer Demonstration, an der über 3.000 Personen teilnahmen.

[Bearbeiten] Strafrechtliche Aufarbeitung

In einem der eher seltenen Akte der Aufarbeitung des NS-Unrechts wurden Karl Sauer am 4. Juni 1948 wegen Mordes durch die II. Strafkammer des Landgerichts Karlsruhe zu lebenslänglicher, Heupel wegen Totschlags zu 12 Jahren Haft verurteilt. Müller konnte nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden; er war im Krieg gefallen. (Die Akten liegen im Generallandesarchiv Karlsruhe.)

[Bearbeiten] Andenken

Das Andenken an Ludwig Marum wird von der SPD Karlsruhe in einem jährlich vergebenen Preis geehrt. Das Gymnasium im nahegelegenen Pfinztal wurde am 16. Oktober 1985 nach ihm benannt. Auch eine dem Gymnasium nahestehende Stiftung vergibt jährlich einen Preis zum Andenken an Ludwig Marum. Vor seiner ehemaligen Wohnung in der Wendtstraße 3 wurden Stolpersteine in den Boden gesetzt.

[Bearbeiten] Literatur

  • Detlev Fischer, Ludwig Marum (1882-1934), in Karlsruher Rechtshistorische Blätter
  • Frithjof Kessel, Zur Entwicklung des Gedenkens an Ludwig Marum, in: Denecken, Harald: "...ihr dürft ihn nie vergessen!" Der Ludwig-Marum-Preis 1988 - 1999, Karlsruhe, S. 36-51. ISBN 3881902503
  • Manfred Koch, Meine Freiheit können sie mir nehmen, aber nicht meine Würde und meinen Stolz, in: Haus der Geschichte Baden-Württemberg (Hrsg.), Politische Gefangene in Südwestdeutschland, 2001 ISBN 3-87407-382-3
  • Monika Pohl: Ludwig Marum. Ein Sozialdemokrat jüdischer Herkunft und sein Aufstieg in der badischen Arbeiterbewegung 1882 - 1919. Dissertation; Forschungen und Quellen zur Stadtgeschichte Band 8, Schriftenreihe des Stadtarchivs Karlsruhe, Info Verlag, Karlsruhe 2003, ISBN 3881903410
  • Stadtarchive Karlsruhe und Mannheim (Herausgeber), Ludwig Marum, Briefe aus dem Konzentrationslager Kislau, 1984 (darin auch verschiedene Zeitdokumente und eine längere Fassung der Biographie von Joachim W. Storck), ISBN 3-7880-9700-0
  • Joachim W.Stork, Marum, Ludwig, in Badische Biographien, Neue Folge Band IV 1996

[Bearbeiten] Weblinks

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