Lokalisierung (Algebra)
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In der Algebra ist die Lokalisation eine Methode, einem Ring R systematisch neue multiplikativ inverse Elemente hinzuzufügen. Möchte man, dass die Elemente einer Teilmenge S von R invertierbar werden, dann konstruiert man einen neuen Ring T und einen Ringhomomorphismus von R nach T, der S auf Einheiten von T abbildet. Die durch eine universelle Eigenschaft bestimmte "beste Wahl" von T schreibt man als S − 1R und nennt sie die "Lokalisation von R bezüglich S".
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[Bearbeiten] Wortherkunft
Die Verwendung des Begriffs "Lokalisation" entspringt der algebraischen Geometrie: Ist R ein Ring von reell- oder komplexwertigen Funktionen auf einem geometrischen Objekt (z.B. einer algebraischen Varietät) und will man das Verhalten der Funktionen in der Nähe eines Punktes p untersuchen, dann wählt man für S die Menge der Funktionen, die bei p ungleich 0 sind und lokalisiert R bzgl. S. Die Lokalisation enthält dann nur noch Informationen über das Verhalten der Funktionen nahe bei p.
[Bearbeiten] Definition
Da die Lokalisation eines nichtkommutativen Ringes ungleich schwieriger und nicht immer möglich ist, beschränken wir uns in diesem Artikel auf kommutative Ringe mit 1.
Sei also R ein kommutativer Ring mit 1 und S eine Teilmenge von R. Da das Produkt von Einheiten wieder eine Einheit ist, 1 eine Einheit ist, und wir die Elemente von S zu Einheiten machen wollen, können wir S vergrößern und die 1 und alle Produkte von Elementen von S zu S hinzufügen; wir nehmen also gleich an, dass S multiplikativ abgeschlossen ist.
[Bearbeiten] Lokalisation eines Integritätsbereichs
Im einfachsten Fall ist R ein Integritätsring. Hier unterscheiden wir, ob S die 0 enthält oder nicht.
Ist , dann kommt für die Lokalisation nur der Nullring {0} in Frage, weil er der einzige Ring ist, in dem die 0 Einheit ist. Wir definieren also S − 1R = {0}, falls 0 in S liegt.
Ist 0 kein Element von S, dann betrachten wir den Quotientenkörper K von R. Der Teilring S − 1R von K, der aus allen Brüchen besteht, deren Zähler in R und deren Nenner in S liegt, hat die gewünschten Eigenschaften: Die kanonische Einbettung von R in K ist ein Ringhomomorphismus, der sogar injektiv ist, und die Elemente von S sind invertierbar. Dieser Ring S − 1R ist der kleinste Teilring von K, der R enthält und in dem die Elemente von S invertierbar sind.
Hier folgen einige Beispiele von Lokalisationen von Z bezüglich verschiedener Teilmengen S:
- Lokalisiert man Z bzgl. der Menge der ungeraden ganzen Zahlen, erhält man den Ring aller rationalen Zahlen mit ungeradem Nenner. Die Verwendung des "(2)" wird weiter unten erklärt.
- Lokalisiert man Z bzgl. der Menge der geraden Zahlen ohne die 0, erhält man ganz Q, weil sich jede rationale Zahl durch eventuelle Erweiterung mit 2 als Bruch mit geradem Nenner darstellen lässt.
- Lokalisiert man Z bzgl. der Menge der Zweierpotenzen, erhält man den Ring der Dualbrüche. Dies sind genau die rationalen Zahlen, deren Dualdarstellung nur endlich viele Nachkommastellen hat.
[Bearbeiten] Lokalisation eines allgemeinen kommutativen Ringes
Für einen beliebigen kommutativen Ring R mit 1 haben wir keinen Quotientenkörper, wir konstruieren also einen neuen Ring, dessen Elemente wir als Brüche aufschreiben werden.
Die folgende Konstruktion liefert für Integritätsringe R einen Ring, der zu dem oben definierten Teilring des Quotientenkörpers isomorph ist.
Auf dem kartesischen Produkt führen wir eine Äquivalenzrelation ein:
Die Äquivalenzklasse eines Paares (r1,s1) schreiben wir als Bruch
Addition und Multiplikation der Äquivalenzklassen werden analog zu den üblichen Bruchrechenregeln definiert:
Der in der Definition der Äquivalenzrelation auftretende Faktor t ist für die Wohldefiniertheit der Äquivalenzrelation (genauer: der Transitivität) nötig, falls der vorliegende Ringe kein Integritätsbereich ist. Mit den so definierten Verknüpfungen erhalten wir einen Ring S − 1R, und die Abbildung
ist ein (nicht notwendig injektiver) Ringhomomorphismus.
[Bearbeiten] Universelle Eigenschaft
Die "beste Wahl" des Ringes S − 1R und des Homomorphismus wird durch die Erfüllung einer universellen Eigenschaft definiert:
- Ist R ein kommutativer Ring mit 1, S eine multiplikativ abgeschlossene Teilmenge von R, T ein Ring mit 1, ein Ringhomomorphismus, der jedes Element von S auf eine Einheit abbildet, dann gibt es genau einen Ringhomomorphismus mit .
Die oben definierten Ringe erfüllen diese universelle Eigenschaft.
[Bearbeiten] Häufige Arten der Lokalisation
[Bearbeiten] Lokalisierung an einem Element
Indem man schreibt, lässt man alle Potenzen eines Elementes als Nenner zu. Gebräuchliche Schreibweisen dafür sind Rr, oder R[r − 1]. Die erhaltene Lokalisierung ist kanonisch isomorph zu R[X] / (rX − 1).
[Bearbeiten] Lokalisierung an einem Primideal
Wenn ein Primideal bezeichnet, so spricht man für von der „Lokalisation bei “, geschrieben . Der entstehende Ring ist lokal mit maximalem Ideal , seine Primideale entsprechen den in enthaltenen Primidealen. Genauer, bezeichnet die Einbettung, so ist , eine inklusionserhaltende Bijektion. Der oben angegebene Ring für eine Primzahl p ist ein Beispiel für diese Konstruktion.
Da nullteilerfrei ist, kann man den Quotientenkörper bilden. Es gilt dann .
Man kann die Lokalisation an einem Primideal auch noch wie folgt deuten: Fasst man Elemente von R als Funktionen auf dem Spektrum von R auf, deren Wert in einem Punkt P das jeweilige Bild im Restklassenkörper ist, so „besteht“ der lokale Ring bei P aus Brüchen, in deren Nenner Funktionen stehen, die bei P nicht verschwinden, „durch die man also lokal bei P teilen darf“.
„Ganzabgeschlossen“ ist eine lokale Eigenschaft, d.h. für einen nullteilerfreien Ring R sind äquivalent:
- R ist ganzabgeschlossen
- ist ganzabgeschlossen für alle Primideale
- ist ganzabgeschlossen für alle maximalen Ideale
[Bearbeiten] Totalquotientenring
Der Totalquotientenring Q eines Ringes R ist die Lokalisierung von R an der Menge der Nichtnullteiler von R. Er ist die „stärkste“ Lokalisierung, für die die Lokalisierungsabbildung
injektiv ist. Ist R ein Integritätsbereich, so ist der Totalquotientenring der Quotientenkörper von R.
[Bearbeiten] Lokalisierung von Moduln
Ist R ein Ring, S eine multiplikative Teilmenge von R und M ein R-Modul, so ist die Lokalisierung von M bezüglich S definiert als die Menge S−1M der Äquivalenzklassen von Paaren (m,s), auch geschrieben m/s, wobei zwei Paare (m1,s1), (m2,s2) äquivalent sein sollen, wenn es ein Element s von S gibt, so dass
- s(s2m1 − s1m2) = 0
gilt. S−1M ist ein S−1R-Modul.
Entsprechend zum Fall von Ringen schreibt man auch Mr oder MP für Elemente r bzw. Primideale P von R.
Die Lokalisierung eines Moduls besitzt ebenfalls eine universelle Eigenschaft: Jeder Homomorphismus von M in einen Modul N, auf dem die Elemente von S invertierbar operieren, lässt sich auf eindeutige Weise zu einem Homomorphismus S−1M → N fortsetzen. Dies bedeutet auch, dass man die Lokalisierung eines Moduls auch als Tensorprodukt beschreiben kann:
- .