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Karoline von Günderrode

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Karoline Friederike Louise Maximiliane von Günderrode (* 11. Februar 1780 in Karlsruhe; † 26. Juli 1806 in Winkel am Rhein) war eine deutsche Dichterin der Romantik.

Karoline von Günderrode, Anonymes Gemälde, um 1800 Historisches Museum, Frankfurt am Main
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Karoline von Günderrode, Anonymes Gemälde, um 1800 Historisches Museum, Frankfurt am Main

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Leben und Werk

[Bearbeiten] Herkunft

Um 1800 befand sich Europa in innerem und äußeren Aufruhr. Auch die frühen Jahre von Karoline von Günderrode waren unruhig. Am 11. Februar 1780 in Karlsruhe als ältestes Kind eines badischen Regierungsrates aus kleinem Adel geboren, verlor sie den Vater, den Hofrat und Schriftsteller Hector Wilhelm von Günderrode, im Alter von sechs Jahren. Der Senator Hector Wilhelm von Günderrode war ihr Bruder.

Die Günderrodes schrieben sich stets mit doppeltem „r“, was später meist missachtet wurde (daher die häufig zu lesende Namensform Günderode) und erst seit den 1970er Jahren wieder Eingang in die Literatur fand.

[Bearbeiten] Kindheit und Jugend

Nach dem frühen Tod des Vaters 1786 ließ sich die Familie in Hanau nieder. Die Kindheit fristete sie mit der Mutter, Louise von Günderrode, und ihren beiden Geschwistern in beengten Verhältnissen. Ihre frühen Jahre sind von einem gerichtlichen Streit gezeichnet, den sie zusammen mit der Mutter um das Erbe führte.

Mit siebzehn wurde Karoline „Stiftsfräulein“ auf dem evangelischen Cronstettischen Adeligen Damenstift in Frankfurt am Main. Man hielt sie dort zu einem „sittsamen Lebenswandel“ an. Doch unter dem schwarzen Ordenskleid mit der langer Schleppe, dem weißem Kragen und dem Ordenskreuz regte sich ein unbändiges Freiheitsbedürfnis.

Wie eine Gefangene kam sich die junge Karoline im Damenstift vor. Die Französische Revolution begeisterte sie. Ihre Liebesgeschichten hielten sie in Atem. Schon früh zeichneten sich die Themen ab, die sie ein Leben lang beschäftigen sollten: Gefangenschaft und Freiheit, Liebe und Tod.

Ihre erste große Liebe wurde Friedrich Carl von Savigny, später der bedeutendste Jurist seiner Zeit und Minister des „Romantikers auf dem Thron“ Friedrich Wilhelm IV. Savigny war damals Jurastudent und führte das junge Mädchen in den Kreis der Romantiker ein. „Ich liebe, wünsche, glaube, hoffe wieder, und vielleicht stärker als jemals“, gestand die Neunzehnjährige einer Freundin. Savigny ahnte nicht, dass seine Verehrerin Gedichte schrieb. Sie hatte allen Grund, es zu verbergen. „Das Reich, in dem wir zusammentrafen, senkte sich herab wie eine Wolke, die sich öffnete um uns in ein verborgenes Paradies aufzunehmen“, erinnerte sich Bettina von Arnim später in ihrem Buch „Die Günderode“ an die gemeinsame Zeit. Die enge Freundschaft zu der ebenfalls sehr wissensdurstigen Bettine brach K. von Günderrode kurz vor ihrem Tod abrupt ab, da ihr Geliebter Friedrich Creuzer die Brentano-Familie nicht schätzte.

Günderrode klagte Zeit ihres Lebens über Kopf- und Augenschmerzen. Die Beschreibung ihrer zeitweiligen Sehstörungen lassen einen Erkrankung am Schwarzen Star möglich erscheinen.

[Bearbeiten] „Sappho der Romantik“

Als Karoline mit 24 Jahren unter dem Pseudonym „Tian“ ihr erstes Buch, „Gedichte und Phantasien“, veröffentlichte, schrieb Goethe an die Dichterin: „Diese Gedichte sind eine wirklich seltsame Erscheinung.“ Auch der zwei Jahre ältere Clemens Brentano war überrascht: „Ich kann es immer noch nicht verstehen, wie sie Ihr ernsthaftes poetisches Talent vor mir verbergen konnte“.

Brentano wurde kurz darauf berühmt. Das Werk von Karoline von Günderrode aber steht bis heute im Schatten ihres Lebens. Dabei schrieb sie einige der schönsten Gedichte der europäischen Romantik, so das todessüchtige „Hochroth“. Ihre Dichtungen sind schwermütig und kühn, dabei aber eingängig. Schon im neunzehnten Jahrhundert nannte man Karoline von Günderrode die „Sappho der Romantik“.

Karolines Dichtungen bringen nicht nur den Konflikt zum Ausdruck, in dem sich eine liebende Frau damals befand, die zugleich ihr eigenen Ideen zu verwirklichen suchte, sie nehmen auch das Ende ihres hochgespannten Lebens vorweg:

In die heitre freie Bläue
In die unbegränzte Weite
Will ich wandeln, will ich wallen
Nichts soll meine Schritte fesseln.
Leichte Bande sind mir Ketten
Und die Heimat wird zum Kerker.
Darum fort und fort ins Weite
Aus dem engen dumpfen Leben.

Die ungewöhnliche Erscheinung der Stiftsdame und Poetin war schon den Zeitgenossen ein Rätsel. Auch ihre Poesie schreckte in ihrer Bedingungslosigkeit viele Leser ab. Karolines Dichtung erschien „etwas zu kühn und männlich“, wie die Vorsteherin eines Heidelberger Mädchenpensionats urteilte. Man zweifelte an ihrer Weiblichkeit. Denn Karoline von Günderrode widersprach den Vorstellungen der damaligen Zeit, wie eine Frau sich zu verhalten — und wie sie zu dichten - habe.

„Ich habe keinen Sinn für weibliche Tugenden, für Weiberglückseligkeit“, bekannte sie schon mit einundzwanzig Jahren. „Nur das Wilde, Große, Glänzende gefällt mir. Es ist ein unseliges, aber unverbesserliches Mißverhältnis in meiner Seele; und es wird und muß so bleiben, denn ich bin ein Weib und habe Begierden wie ein Mann, ohne Männerkraft. Darum bin ich so wechselnd und uneins mit mir.“

[Bearbeiten] Die große Liebe

Auf einem Ausflug zur Abtei Neuburg bei Heidelberg lernte Karoline den bedeutenden Philologen und Mythenforscher Friedrich Creuzer (1771 - 1853) und seine dreizehn Jahre ältere Frau kennen. Nun erhielten ihre Lebensthemen einen Schub — und auch ihre Konflikte. Creuzer schätzte ihre Dichtung und half ihr, diese zu verlegen.

Karoline und Creuzer versprachen einander bis in den Tod zu lieben. „Den Verlust Deiner Liebe könnte ich nicht ertragen“, schrieb die junge Frau dem Forscher in einem ihrer Briefe, die von manchem als schönste Liebesbriefe der deutschen Literatur gesehen werden.

Savigny indes heiratete Brentanos Schwester Kunigunde (Gunda), Clemens Brentano führte Sophie Mereau heim. Doch Karoline von Günderrode konnte sich ein Leben als Professorengattin nicht vorstellen. Und Creuzer bemängelte: „Lina schickt sich zur Ehe nicht…“

Der Gelehrte spielte mit dem Gedanken an eine ménage à trois. „Meine Frau sollte bei uns zu bleiben wünschen — als Mutter, als Führerin unseres Hauswesens. Frei und poetisch sollte Ihr Leben sein“, schlug er Karoline vor. Es war Zeit neuer Entwürfe des Zusammenlebens. So steht Creuzers Utopie in Beziehung zu den revolutionären Vorstellungen, wie sie zur gleichen Zeit in Frankreich Henri de Saint-Simon und sein Freundeskreis zu leben versuchten. Von einigen Kennern der Zeit wird sie gleichwohl als Charakterschwäche eingestuft - der kränkliche Creuzer hatte nicht den Mut, sich von seiner Frau zu trennen.

Karoline von Günderrode beschäftigte sich unter dem Einfluss von Creuzer mit dem Studium früher, auch matriarchaler Gesellschaften. Auch darin war sie ihrer Zeit voraus. In Männerkleidung wollte sie Creuzers Vorlesungen besuchen, um dem Geliebten so nah wie möglich zu sein.

[Bearbeiten] Tod

Als Creuzer erkrankte und seine Frau ihn gesundpflegte, schwor er ihr sich von seiner jungen Geliebten, zu trennen. Im Juli 1806 erhielt Karoline die Nachricht.

Schon lange besaß sie einen Dolch mit silbernem Griff. Von einem Chirurgen hatte sie sich Rat geholt, wie er am besten gegen sich selbst zu führen sei. Aus unglücklicher Liebe, aber auch belastet von dem unlösbaren Konflikt zwischen ihrem Freiheitsbedürfnis und der Frauenrolle der damaligen Zeit, erdolchte sie sich selbst am Flussufer in Winkel am Rhein.

Am nächsten Tag fand man ihre Leiche im Wasser. „Ein tiefe Wunde, nicht ganz ein Zoll lang; der Stich zwischen 4. und 5. Rippe in die linke Herzkammer eingedrungen“, vermerkt das ärztliche Protokoll. Bestattet wurde sie auf dem Friedhof der Winkeler Pfarrkirche St. Walburga.

Friedrich Creuzer tat alles, damit Karolines postumes Werk „Melete“ nicht publiziert wurde. Er kommt als „Eusebio“ in dem Buch vor und wünschte nicht erkannt zu werden: „Die Unterdrückung dieser Schrift ist durchaus nötig.“ Erst hundert Jahre nach dem Tod der Dichterin konnte „Melete“ veröffentlicht werden.

[Bearbeiten] Wirkung

[Bearbeiten] Historische Bedeutung

Trotz ihrer außerordentlichen Lebensgeschichte ist Karoline von Günderrode kein isoliertes Phänomen. Man kann sie im Kontext mit Zeitgenossen wie Bettina von Arnim sehen, zwischen den 'Zerrissenen' der Epoche wie Ferdinand Raimund, Friedrich Hölderlin, Heinrich von Kleist und Lord Byron — aber auch in Beziehung zu Künstlerinnen wie Rosalba Carriera und Elisabeth Vigée-Lebrun, Angelika Kauffmann und später lebenden Frauen wie der ebenfalls früh verstorbenen russischen Malerin Marie Bashkirtseff.

[Bearbeiten] Rezeption heute

Schon seit langem finden Lebensgeschichten von Frauen des frühen neunzehnten Jahrhunderts große Beachtung. Bücher wie Ingeborg Drewitz' ‘‘Bettina von Arnim‘‘ und Carola Sterns Biographien von Rahel Varnhagen und Dorothea Schlegel werden nicht nur vom weiblichen Publikum verschlungen. Hans Magnus Enzensberger hat unter dem Titel ‘‘Requiem für eine romantische Frau‘‘ den Briefwechsel zwischen Auguste Bußmann und Clemens Brentano herausgegeben; er wurde zu einem der erfolgreichsten Bände der Anderen Bibliothek und 1998 von Dagmar Knöpfel verfilmt. Auch Sigrid Damms „Recherche“-Roman „Christiane und Goethe“ ist hier zu nennen.

Karoline von Günderrode, die im Alter von 26 Jahren von eigener Hand starb, ist eine der schillerndsten Figuren der deutschen Romantik. Ihr Zwiespalt zwischen Liebe und Freiheitsdrang spiegelt die Situation der Frau in der bürgerlichen Elite um 1800 und wirft auch ein Licht auf die späteren Emanzipationsbewegungen.

Die Radikalität, mit der sie ihr Gefühl auszuleben versuchte, hat schon ihre Zeitgenossen fasziniert. Nach ihrem Tod erschienen immer wieder Auswahlbände ihres poetischen Werks und vor allem ihrer Briefe. In den siebziger Jahren wurde Karoline zu einer Identifikationsfigur der Frauenbewegung. In der Sammlung Luchterhand erschien die Anthologie „Der Schatten eines Traumes“. Christa Wolf steuerte einen Essay zu diesem Band bei und machte Karoline von Günderrode zu einer Protagonistin ihrer Erzählung „Kein Ort. Nirgends“. Allerdings erfährt man hier viel über Christa Wolf und wenig über Karoline; so wie schon Bettine von Arnim die Dichterin zum Medium ihrer eigenen Weltsicht gemacht hatte.

Neben der von Walter Morgenthaler herausgegebenen historisch-kritischen Gesamtausgabe liegt seit Februar 2006 nun durch Dagmar von Gersdorff endlich eine ausführliche Biographie der von Günderrode vor über das Leben dieser bedeutenden Dichterin, die eine in ihrer Radikalität repräsentative Frauengestalt der Romantik ist. Sie verkörpert in Leben und Werk Genie, Einsamkeit, Liebe und Tod einer Frau um 1800 und kann in ihrem spezifisch weiblichen Freiheitsdrang als eine Vorgängerin der Liberalisierungsbewegung betrachtet werden: „O, welche schwere Verdammnis, die angeschaffenen Flügel nicht bewegen zu können!“

[Bearbeiten] Ausgaben

  • Sämtliche Werke und ausgewählte Studien. Historisch-Kritische Ausgabe. Herausgegeben von Walter Morgenthaler. Stroemfeld/Roter Stern, Basel/Frankfurt am Main 1990–1991 ISBN 3-87877-970-4, Neuauflage 2006: ISBN 3-87877-964-X
    • Band 1: Texte. Hg. v. Walter Morgenthaler unter Mitarb. v. Karin Obermeier und Marianne Graf. 1990.
    • Band 2: Varianten und ausgewählte Studien. Hg. v. Walter Morgenthaler. 1991.
    • Band 3: Kommentar. Hg. v. Walter Morgenthaler unter Mitarb. v. Karin Obermeier und Marianne Graf. 1991.
  • Gedichte, Prosa, Briefe, Hrsg. von Hannelore Schlaffer. Stuttgart 1998, ISBN 3-15-009722-3
  • Der Schatten eines Traumes. Gedichte, Prosa, Briefe, Zeugnisse von Zeitgenossen, hrsg. von Christa Wolf. München 1997, ISBN 3-423-12376-1

[Bearbeiten] Literatur

  • Dagmar von Gersdorff: Die Erde ist mir Heimat nicht geworden. Das Leben der Karoline von Günderrode. Insel, Frankfurt am Main 2006
  • Markus Hille: Karoline von Günderrode. (= rowohlt monographie). Rowohlt, Reinbek 1999, ISBN 3-499-50441-3
  • Bettine von Arnim: Die Günderode. Zahlreiche Ausgaben, z. B. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1994
  • Margarete Lazarowicz: Karoline von Günderrode. Porträt einer Fremden. (= Europäische Hochschulschriften; I.923). Lang, Frankfurt am Main 1986
  • Christa Wolf: Kein Ort. Nirgends. Berlin und Weimar 1979, ISBN 3-423-08321-2 (Erzählung über eine mögliche aber fiktive Begegnung der Günderrode mit Heinrich von Kleist)

[Bearbeiten] Weblinks

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