Hundebiss

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ICD-10-Code "Hundebiss"
W54 "Gebissen- oder Gestoßenwerden von Hund"

Ein Hundebiss stellt eine Verletzung - meist eines Menschen oder eines anderen Tieres - dar, die sowohl in der Medizin, Veterinärmedizin wie auch der Rechtsprechung von einer gewissen Bedeutung ist.

In den Jahren 1990-2001 belegen die offiziellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes zum Thema Hundebiss 1-6 Sterbefälle pro Jahr - im Schnitt ca. 4 Sterbefälle. Die in früheren Jahren für das Gebiet der ehemaligen Bundesrepublik erhobenen Zahlen unterscheiden sich davon nur unmaßgeblich.

Obwohl schon vor vielen Tausend Jahren die Vorfahren unserer heutigen Haushunde domestiziert wurden und es schon immer Unfälle im Umgang mit Hunden gab, ist die derzeitige große mediale Aufmerksamkeit erst in den letzten Jahren (ab ca. 1990) entstanden. Früher wurden einzelne Bissverletzungen als Teil des allgemeinen Lebensrisikos hingenommen, wie es heute im Allgemeinen noch bei Risiken wie Sturzverletzungen bei Glatteis, Fahrradunfällen, Badeunfällen und Reitunfällen ist. Die Frage, ob zuerst die öffentliche Aufmerksamkeit zugenommen hat oder die meist reißerische Berichterstattung in Boulevardmedien dies erst bewirkt hat, ist nicht geklärt.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Beißstatistik in Deutschland

Es gibt keine gemeinsame Beißstatistik für das gesamte Bundesgebiet. Nach einer Statistik aus Nordrhein-Westfalen, welche auf Meldungen der Kommunen aufbaut, wurden allein im Jahr 2001 insgesamt 841 gemeldete Angriffe von Hunden (ohne Rassenpräferenz) auf Menschen mit Verletzungsfolgen, sowie 1146 Angriffe auf Hunde, davon 58 mit tödlichem Ausgang amtlich gezählt.

Auf der Grundlage dieser NRW-Statistik kann man für das gesamte Bundesgebiet von einigen Tausend Vorfällen im Jahr ausgehen, bei denen Menschen von Hunden gebissen werden. Beispiel 1, Beispiel 2.

Bezogen auf die NRW-Beißstatistik ist von 2003 auf 2004 eine erhebliche Steigerung der gemeldeten Vorfälle festzustellen. Das Innenministerium NRW räumte auf Anfrage ein, dass die 2003er-Zahlen zu niedrig sind, da mehrere Behörden im Regierungsbezirk Düsseldorf ihre Zahlen im Jahr 2003 nicht gemeldet haben. So nahmen von 2003 auf 2004 auch die Zahlen jener Hunde, die sich nicht vermehren dürfen, um 10% zu. Die 2003er-Statistik muss daher mit großer Vorsicht betrachtet werden.

Im Jahr 2004 wurden in Nordrhein-Westfalen 859 Menschenbeißvorfälle (bei 462.315 Hunden in NRW) amtlich gemeldet. Damit wurde für 99,81% der Hunde kein Menschenbiss gemeldet, nur 0,19% waren diesbezüglich amtlich auffällig. Bei einer Gesamtzahl von 5.300.000 Hunden in Deutschland stellen die nordrhein-westfälischen Hunde 8,72% der deutschen Hundepopulation dar. Hochgerechnet ergeben sich 9.851 Menschenbeißvorfälle für Deutschland, wenn man gleichmäßige Beißhäufigkeit in allen Bundesländern unterstellt.

Über Ursache und Ausmaß der Verletzungen sagen diese Zahlen nichts aus. Es sind ebenso Unfälle (z.B. Kind umarmt Hund, dieser befreit sich und verursacht beim Entweichen aus dem Schwitzkasten mit seinen Zähnen Schrammen) wie auch schwerwiegende Fälle mit sehr schweren Bissverletzungen durch angreifende aggressive Hunde enthalten.

Bei diesen Zahlen ist zu berücksichtigen, dass es eine erhebliche Dunkelziffer gibt. Viele Bissverletzungen passieren im Kreis der Familie des Hundehalters selbst und werden nicht zur Anzeige gebracht. Ärztlich werden jährlich etwa 30.000 bis 50.000 Bissverletzungen bei Menschen behandelt.

Der Vergleich der auf Deutschland hochgerechneten Zahl von 9.851 (basierend auf der amtlichen Statistik von Nordrhein-Westfalen) mit der Zahl 50.000, die die Aktion DAS SICHERE HAUS – Deutsches Kuratorium für Sicherheit in Heim und Freizeit e.V. (DSH) im ersten Quartal 2005 veröffentlichte, ergibt eine Dunkelziffer von 4,07 ungemeldeten Bissverletzungen pro amtlich erfasstem Fall.

Ausgehend von jährlich 50.000 Fällen ist festzustellen, dass von den täglich 137 Bissverletzungen nur ein geringer Teil in den Medien berichtet wird. Die Auswahl der berichteten Fälle scheint mit der Rasse des Hundes zusammenzuhängen, eine deutlich überverhältnismäßige Aufmerksamkeit in den Medien haben Vorfälle mit Listenhunden.

Aufgrund einiger Medienberichte werden gerade Listenhunde (sogenannte Kampfhunde) in sogenannten Rasselisten geführt.

Bissverletzungen bei anderen Tieren sind statistisch nicht erfasst.

[Bearbeiten] Haftung

In Deutschland haftet der Halter eines Hundes grundsätzlich für alle Schäden, die sein Hund verursacht. Außer Sachschäden wie beschmutze Kleidung und durch entlaufene Hunde verursachte Verkehrsunfälle kommt insbesondere die Schadenersatzpflicht für Bissverletzungen in Betracht. Neben den Heilungskosten kann auch ein Schmerzensgeldanspruch entstehen. Die Beträge können leicht die finanzielle Leistungsfähigkeit eines Hundehalters übersteigen. Es gibt keine allgemeine Versicherungspflicht für Haftpflichtschäden für Hundehalter, wie dies beispielsweise bei Mofas bundesweit vorgeschrieben ist. In einzelnen Hundegesetzen sind Versicherungspflichten in unterschiedlichem Umfang für verschiedene Teilbereiche der Hundepopulation festgeschrieben. So müssen beispielsweise in Niedersachsen jene Hunde, deren Gefährlichkeit amtlich festgestellt wurde, versichert werden. Die Haftpflichtversicherung ist mit einer Mindestversicherungssumme in Höhe von 500.000 Euro für Personenschäden und in Höhe von 250.000 Euro für Sachschäden und sonstige Vermögensschäden abzuschließen und aufrechtzuerhalten. (Niedersächsisches Gesetz über das Halten von Hunden (|NHundG) §10). Als erstes Bundesland hat Hamburg im Hundegesetz eine Versicherungpflicht (1 Mio € bei höchstens 500 € Selbstbeteiligung) für alle Hunde vorgeschrieben.

[Bearbeiten] Beispiele

  • Ein 9-jähriger Junge mit einer 1 cm langen, nicht klaffenden Hundebisswunde am Bein (nicht entzündet und ohne Folgeschäden verheilt) erhielt 100 DM (51,28 €) Schmerzensgeld
  • Eine junge Frau mit mehreren massiven Hundebissen an beiden Beinen, wobei an einer Stelle Fleisch herausgerissen wurde, mit 10 Tagen Krankenhausaufenthalt mit chirurgischer Wundversorgung und psychischer Stabilisierung, bekam 8.000 DM (4.102 €) Schmerzensgeld

[Bearbeiten] Ursachen und Vermeidung von Beißunfällen

Die Aussage „Kein Hund beißt ohne Grund“ ist unter Fachleuten konsensfähig. Neben anderen Randbedingungen, wie falscher Zuchtauswahl und unzureichender Sozialisation im Welpenalter, bedeutet vor allem fehlende Sachkunde des Hundehalters, dass der betreffende Hund gefährlich werden kann.

In einer Studie (Lit.: Bruns, 2003) wurde herausgefunden, dass Halter von nicht-beißenden Hunden ihre Hunde besser beeinflussen konnten, die Interaktionen entspannter waren und die Halter den Hunden mehr Sicherheit vermitteln konnten. Außerdem konnten sie das Verhalten ihrer Hunde besser einschätzen. Im Hinblick auf von Nichtfachleuten häufig geforderte Maßnahmen wie ständige Leinenpflicht und allgemeinen Maulkorbzwang, zeigte Bruns auf, dass dadurch arttypische Sozialkontakte verhindert werden und mangelnde Auslastung und Frustration entstehen können, die als Stressauslöser, die Hemmschwelle zu aggressivem Verhalten senken können. Zudem werden Hunde, die einen Maulkorb tragen, nicht selten intensiv angeschaut, was für die Hunde einen bedrohlichen Charakter hat.

Deshalb wurde in manchen Städten die Leinenpflicht eingeführt. Was dann allerdings für alle Hunde gilt.

[Bearbeiten] Folgen

Aufgrund der kräftigen Kaumuskulatur, der langen spitzen Fangzähne und den scherenartig ineinander greifenden Reißzähne können Hundebisse erhebliche traumatische Schäden anrichten. Es können Hautverletzungen, aber auch tiefere Wunden mit Zerreißungen der Muskulatur, von Sehnen oder Verletzungen von Gelenken und Knochen auftreten. Da die Mundhöhle eines Hundes niemals steril ist, besteht außerdem eine große Gefahr für Wundinfektionen durch bakterielle Keime. Infektionen mit dem Tollwut-Virus spielen in Mittel- und Nordeuropa aufgrund der hohen Durchimpfung der Haushunde bzw. Tollwutfreiheit keine große Rolle, sie müssen dennoch bei jedem Biss in Betracht gezogen werden. Bei den, v. a. in Südeuropa häufiger vorkommenden, streunenden Hunden ist eine Tollwut-Notimpfung des gebissenen Menschen angebracht.

Ein Hundebiss sollte stets polizeilich angezeigt werden. Eine ärztliche Behandlung ist bei allen die Haut durchtrennenden Wunden angezeigt. Kann der Halter ermittelt werden, so wird dieser verpflichtet, den Hund tierärztlich auf Tollwut untersuchen zu lassen. Aufgrund einer möglichen Virusausscheidung über den Speichel vor Ausbruch der Tollwut beim betreffenden Hund (Inkubationszeit) ist diese bei ungeimpften Hunden nach 10 Tagen zu wiederholen.

Die geringe Größe eines Hundes stellt keinen Hinderungsgrund für schwerwiegende Bissverletzungen dar. Es sind in Deutschland zwei Fälle von durch Dackel getöteten Menschen bekannt. Tödliche Verletzungen entstehen oft durch Bisse in den empfindlichen menschlichen Hals (Halsschlagader, Luftröhre, Kehlkopf).

[Bearbeiten] Hund beißt Hund

In den meisten Fällen können Hunde sich durch Drohen, Abschnappen (ohne Körperberührung) und entsprechende Unterwerfungsgesten einigen, wer der Stärkere ist. In manchen Fällen reichen diese Verhaltensweisen nicht aus, um einen Konflikt zwischen Hunden zu klären. Es kann zu einem Kommentkampf kommen, der sich durch große Lautstärke und beeindruckende Gesten auszeichnet, jedoch ohne Verletzungen ausgehen soll. Kleine Verletzungen können versehentlich passieren.

Beim Ernst- oder Beschädigungskampf wirkt es hingegen für einen Nichtfachmann weniger gefährlich, da weniger Wert auf "Schauelemente" gelegt wird, aber tatsächlich gebissen wird.

Ein Urteil des Verwaltungsgerichts Schleswig vom 23. März 2006 trägt diesen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen Rechnung: Beißende Hunde, deren Attacken sich lediglich auf Artgenossen richten, sind noch nicht zwangsläufig als gefährliche Hunde im Sinne des schleswig-holsteinischen Gefahrhundegesetzes einzustufen. Ein Hund, der einen anderen beißt, ist erst dann als gefährlich einzustufen, wenn dieser nicht die artübliche Unterwerfungsgeste des gegnerischen Hundes beachtet und zubeißt. Unter Umständen gehört ein Biss zum natürlichen Verhalten eines Hundes, ohne dass damit eine Gefährlichkeit im Sinne des Gefahrhundegesetzes begründet wird.

[Bearbeiten] Unfallprävention bei Hunden und Kindern

In der Empfehlung, Hunde und Kleinkinder nie unbeaufsichtigt zu lassen, stimmen alle Fachleute überein. Dabei sind sowohl Restrisiken des Hundeverhaltens der Grund, als auch mögliches Fehlverhalten der Kinder. So gibt es ein Beispiel, dass ein angeblich "unberechenbar aggressiver Hund, der ein Kind gebissen hat" vom Tierarzt eingeschläfert wurde und der Tierarzt danach feststellen musste, dass der Hund mehrere Heftklammern in die Ohren geklammert bekommen hatte - wofür nur das gebissene Kind als Verursacher infrage kam. Umfangreiche Hinweise zum richtigen Kind-Hund-Umgang wurden 2002 vom Hundemagazin Wuff veröffentlicht [Prävention] und [Analyse]

[Bearbeiten] Schulhunde

Schulhund Ina am 23. Oktober 2002 in der Klasse 3b der Diesterweg-Grundschule in Wittenberg.
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Schulhund Ina am 23. Oktober 2002 in der Klasse 3b der Diesterweg-Grundschule in Wittenberg.

Die Heranführung von Kindern an das richtige Verhalten im Umgang mit Hunden wird von verschiedenen Vereinen gefördert. Es gibt speziell geprüfte Schulhunde, die in Schulklassen eingesetzt werden können, um den Kindern zu helfen, Angst abzubauen und um richtiges Verhalten zu üben. Durch dem Verein Hunde helfen Menschen sind bereits über 350.000 Kinder in ihren Klassen geschult worden. Das Unterrichtskonzept ist auf 9-12jährige Kinder ausgerichtet; dies ist ein Alter, in dem Kinder offen sind für Argumente und bereit, ihre Emotionen zu kontrollieren.

Während beispielsweise Verkehrserziehung inzwischen einen festen Bestandteil der Kindergarten- und Schulerziehung darstellt, ist die Arbeit der Schulhunde noch nicht überall üblich. Dabei gibt es in Deutschland rund 5,3 Millionen Hunde und damit ist die Zahl immerhin ein Zehntel so groß wie die der Kraftfahrzeuge (ca. 54 Millionen). Allerdings sind die durchschnittlich ca. 4 Todesfälle durch Hunde im Jahr auch sehr viel geringer als die Zahl der Verkehrstoten (ca. 5.000-6.000).

[Bearbeiten] Literatur

Sandra Bruns: Fünf Hunderassen und ein Hundetypus im Wesenstest nach der Niedersächsischen Gefahrtier-Verordnung vom 5. Juli 2000. Dissertation, Tierärztliche Hochschule Hannover 2003 (Text)

[Bearbeiten] Weblinks