Galilei-Transformation
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Die Galilei-Transformation überführt in der klassischen Mechanik ein Inertialsystem in ein anderes.
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[Bearbeiten] Einfachste Form
Seien x,y,z,t die Orts- und Zeitkoordinaten im ersten System, x',y',z',t' die Koordinaten im zweiten System, das sich mit der konstanten Geschwindigkeit vx gegenüber dem ersten System in Richtung der x-Achse bewegt. Wenn man zusätzlich annimmt, dass zum Zeitpunkt 0 die Nullpunkte der Systeme übereinstimmen, erhält man als einfachste Form der Galilei-Transformation die vier Formeln:
[Bearbeiten] Inertialsysteme
Ist das Ausgangssystem ein Inertialsystem (IS), so ist auch das transformierte System ein IS. Betrachtet man nur Inertialsysteme, so bleiben die Gesetze der klassischen Mechanik in ihrer Form unverändert: die Stoßgesetze behalten ihre Gültigkeit, ein schiefer Wurf bleibt ein schiefer Wurf usw. Lediglich bei beschleunigten Systemen treten Änderungen auf. Dort beobachtet man Scheinkräfte wie z. B. die Coriolis-Kraft.
Anschaulich bedeutet dies, dass man auch in einem (gleichförmig) fahrenden Zug - oder in einem Flugzeug - ohne weiteres Tischtennis spielen kann, ohne dass man umlernen muss (wenn man von den unvermeidlichen Erschütterungen absieht). Lediglich wenn der Zug durch eine Kurve fährt oder im Bahnhof losfährt oder abbremst, ändern sich die Flugbahnen.
[Bearbeiten] Allgemeinere Formen
Die Galilei-Transformation gilt auch
- für gleichförmige Geschwindigkeiten in beliebiger Richtung,
- wenn die Nullpunkte der Bezugssysteme nicht zusammenfallen,
- für unterschiedliche Zeitpunkte,
- und für gedrehte Bezugssysteme mit zeitlich konstanten Winkeln.
[Bearbeiten] Vektorielle Schreibweise
Die Formeln kann man auch vektoriell schreiben. Dies ist zunächst nur eine Abkürzung, erweist sich jedoch für kompliziertere Rechnungen als nützlich.
Setzt man
so kann man die vier Gleichungen auch so schreiben:
Die erste Gleichung enthält dabei drei Gleichungen in vektorieller Schreibweise.
[Bearbeiten] Gleichförmige Geschwindigkeiten in beliebiger Richtung
Die vektorielle Form gilt sofort auch für die Verallgemeinerung auf Geschwindigkeiten, die nicht parallel zur x-Achse erfolgen, wenn man setzt:
Die Geschwindigkeit und ihre Komponenten müssen zeitlich konstant sein.
[Bearbeiten] Die Nullpunkte der Bezugssysteme fallen nicht zusammen
Die Konstante
wird eingeführt. Bei t=0 ist dies der Abstand der Nullpunkte der Bezugssysteme. Die Galilei- Transformation wird dann zu
- .
Anschaulich bedeutet dies, dass ich dem Tischtennisspiel im Zug auch von der Ferne aus zuschauen kann.
[Bearbeiten] Unterschiedliche Zeitpunkte
Die Zeit braucht nicht gleich zu sein, sondern kann um t0 unterschiedlich sein.
- .
Die Gesetze der Mechanik ändern sich nicht mit der Zeit.
[Bearbeiten] Gedrehte Bezugssysteme
Die Koordinatenachsen der Bezugssysteme müssen nicht in dieselbe Richtung zeigen. Mathematisch müssen dann die Koordinaten umgerechnet werden, was ohne vektorielle Schreibweise zu recht langen Formeln führt.
Vektoriell kann man einfach eine Drehmatrix mit neun Zahlen verwenden. Da die Längen nicht geändert werden, müssen bestimmte Bedingungen an diese Matrix gestellt werden, so dass nur drei Parameter (z. B. Winkel) unabhängig sind. Die Schreibweise mit neun Zahlen ist aber trotzdem die einfachste:
Eine gültige Drehmatrix ist z. B. (45° Winkel um die z-Achse)
Die Galilei-Transformation in ihrer allgemeinsten Form wird dann zu
- .
Die allgemeine Form hat 10 Parameter (drei Drehwinkel, drei Abstandskoordinaten, drei Geschwindigkeitskomponenten und die Zeitverschiebung).
Anschaulich bedeutet dies, dass ich das Tischtennisspiel im Zug durch ein Fenster aus einem schräg fliegenden Flugzeug auf Film aufnehmen und mir dann z. B. eine Woche später anschauen kann. Die Gesetze der Physik haben sich in dieser Zeit nicht geändert.
[Bearbeiten] Erhaltungssätze
In der Physik bezeichnet man die Forminvarianz von Gleichungen bei Transformationen als Symmetrie. Nach dem Noether-Theorem ist jede solche Symmetrie mit einem Erhaltungssatz verknüpft. Aus der Galilei-Transformation folgen die Erhaltungssätze der klassischen Mechanik, und zwar
- aus der Translationsinvarianz (Ortsverschiebung) der Impulserhaltungssatz,
- aus der Zeitverschiebung t0 der Energieerhaltungssatz und
- aus der Drehinvarianz der Drehimpulserhaltungssatz.
[Bearbeiten] Gültigkeit der Galilei-Transformation
[Bearbeiten] Griechische Vorstellungen und Mittelalter
In der Physik des Aristoteles existiert eine absolute Ruhe, alle Körper streben den Zustand der Ruhe an. Die Scholastiker des Mittelalters übernahmen diese Vorstellung.
[Bearbeiten] Klassische Mechanik
Die Unabhängigkeit der Gesetze der Mechanik vom Bewegungszustand - gleichförmige Bewegung vorausgesetzt - wird erst in der klassischen Physik erkannt. Die Kräfte bei Isaac Newton sind nur von den Beschleunigungen abhängig, die sich bei Galilei-Transformation nicht ändern. Newton glaubte an eine absolute Zeit und einen absoluten Raum. In der klassischen Mechanik behält das Prinzip uneingeschränkte Gültigkeit, man hielt es lange Zeit für a priori gegeben und unangreifbar.
[Bearbeiten] Klassische Elektrodynamik
In der Elektrodynamik Maxwells gilt das Prinzip der Galilei-Invarianz jedoch nicht, die Maxwellschen Gleichungen enthalten die Lichtgeschwindigkeit c als Ausbreitungsgeschwindigkeit der elektromagnetischen Wellen, die sich bei Messungen, im Widerspruch zur Galilei-Transformation, als unter allen Umständen konstant erwies. Zur Rettung der Transformation wurde ein hypothetischer Äther (ad hoc) als Träger der elektromagnetischen Wellen, zu denen auch Licht gehört, angenommen.
Die Maxwellschen Gleichungen sind im Vakuum tatsächlich lorentz-invariant. Die Entdeckung dieser Tatsache trug maßgeblich zur Entwicklung der Relativitätstheorie bei.
[Bearbeiten] Relativitätstheorie
Einstein erkannte, dass man die für die Gleichungen der Elektrodynamik gültige Lorentz-Transformation auch auf die Mechanik übertragen kann, indem man die dort gültige Galilei-Transformation ersetzt. Dies führte zur speziellen Relativitätstheorie, erfordert aber eine Modifikation der Vorstellungen von Zeit und Raum. Die Beschränkung auf unbeschleunigte Systeme (Inertialsysteme) wird in der allgemeinen Relativitätstheorie aufgehoben.
[Bearbeiten] Galilei-Transformation und Lorentz-Transformation
Die Galilei-Transformation ist der Grenzfall der Lorentz-Transformation, wenn die Geschwindigkeit gegen Null strebt. Für kleine Geschwindigkeiten (verglichen mit der Lichtgeschwindigkeit von ca. 300.000 km/s) ist die Galilei-Transformation eine - meist sehr gute - Näherung der Lorentz-Transformation (und umgekehrt).
[Bearbeiten] Praktische Anwendung
Im Alltagsleben kann bei mechanischen Problemen fast immer die Galilei-Transformation angewendet werden, da die Korrektur in der Lorentz-Transformation bei irdischen Geschwindigkeiten sehr klein ist. Der Korrekturfaktor liegt oft unterhalb der Messbarkeitsgrenze. Selbst in der Himmelsmechanik unseres Plantensystems liegt dieser Faktor z.B. unter 10-8 für die schon recht große Umlaufgeschwindigkeit der Erde um die Sonne (etwa 30 km/s).
Ladung und Leiter |
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Ladung q und Leiter mit Strom j. Diese Konfiguration ist nicht Galilei-transformierbar. |
Dem Anwendungsbereich komplett entziehen sich jedoch elektrodynamische Phänomene des Alltagslebens. Ein einfaches Beispiel eines geladenen Körpers, der an einem stromdurchflossenen Leiter vorbeifliegt, zeigt den Mangel auf:
- Eine Ladung q fliegt mit der anfänglichen Geschwindigkeit v an einem geraden stromdurchflossenen, aber ladungsneutralen, Leiter vorbei (siehe Bild). Der Strom im Leiter erzeugt ein Magnetfeld, welches die bewegte Ladung q durch die Lorentz-Kraft von ihrer gradlinigen Bewegung ablenkt. Führt man nun eine Galilei-Transformation durch, die in das Inertialsystem der Ladung zum Anfangszeitpunkt wechselt, so wirkt in diesem System keine Lorentz-Kraft, denn die Ladung befindet sich in Ruhe. Die Ladung sollte also an ihrem Ausgangspunkt verharren. Die Rücktransformation führt zu einer gradlinigen Bewegung im Widerspruch zur obigen Aussage, nach der die Ladung durch die Lorentz-Kraft beschleunigt wird. Erklärt werden kann dieses scheinbare Paradoxon erst mit der Lorentz-Transformation, bei der sich die Länge des Leiters im Inertialsystem der Ladung kontrahiert und der Leiter somit eine relative elektrische Ladung erhält. Das resultierende elektrische Feld ersetzt das ursprünglich magnetische. Hier wird auch die Verwandtschaft beider Felder etwas deutlich.