Friedrich Naumann
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Friedrich Naumann (* 25. März 1860 in Störmthal, heute zu Großpösna bei Leipzig; † 24. August 1919 in Travemünde) war evangelischer Theologe und ein liberaler Politiker zur Zeit des Kaiserreichs.
Naumann besuchte die Fürstenschule in Meißen und studierte danach Theologie in Leipzig und Erlangen. Danach war er in der Inneren Mission tätig, bis er 1896 den Nationalsozialen Verein gründete. Er war Gründungsherausgeber der Zeitschrift Die Hilfe (später von Theodor Heuss herausgegeben), die einen sozialen Liberalismus propagierte.
Nachdem der Nationalsoziale Verein mit der Freisinnigen Vereinigung fusionierte, war er 1907 bis 1910 Reichstagsabgeordeneter dieser Partei. Als durch die Zusammenfassung mehrerer liberaler Gruppen die Fortschrittliche Volkspartei gebildet wurde, vertrat er diese von 1910 bis 1918 im Reichstag.
Er war Mitbegründer des Vereins Deutscher Studenten und des Deutschen Werkbunds. 1906 trat Naumann wegen des Naumann-Streits aus dem VDSt aus.
Vor und während des Ersten Weltkrieges ist Naumann ein glühender Unterstützer der jungtürkischen Revolution, für die er zusammen mit Ernst Jäckh und anderen (zum Beispiel dem Sozialdemokraten Dr. Friedrich Schrader) in der deutschen Öffentlichkeit wirbt. Naumann sieht in der "Neuen Türkei" (deren Staatsgebiet vor 1920 weite Teile des arabischen Nahen Ostens umfasste, z.B. Syrien, Palästina und den Irak) Chancen für eine wirtschaftliche Expansion Deutschlands. Während des Ersten Weltkrieges entwirft der junge Theodor Heuss in Konstantinopel ein "Haus der deutsch-türkischen Freundschaft", das Naumann im September 1917 feierlich eröffnet. Naumanns unkritische Haltung zum zwei Jahre vorher im Jahre 1915 begonnenen Völkermord an den Armeniern in Anatolien ist bis heute umstritten.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Friedrich Naumann der erste Vorsitzende der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) und Mitglied der Weimarer Nationalversammlung. Er gehörte dort dem "Ausschuss zur Vorberatung des Entwurfs einer Verfassung für das Deutsche Reich" an.
Nach Friedrich Naumann ist die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung benannt.
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[Bearbeiten] Ideen
Friedrich Naumann war ohne Zweifel ein "Wilhelminer". Zeitlich fällt sein politisches Wirken weitgehend zusammen mit der Regentschaft jenes letzten deutschen Monarchen (1888-1918), der dem Zeitalter den Namen gegeben hat. Aber auch in vielen Aspekten seines politischen Denkens war Friedrich Naumann durch die Epoche Wilhelms II. geprägt. Naumann befürwortete den wilhelminischen Militarismus mit seiner Kolonial- und Flottenpolitik. Mit seinem Werk „Mitteleuropa“ (1915) setzte er sich allerdings für einen engen wirtschaftlichen und milititärischen Zusammenschluss der mitteleuropäischen Länder unter deutscher Führung ein. Er fand dafür breite Unterstützung in der Öffentlichkeit, jedoch nicht bei der militärischen Führung. Nach der Niederlage setzte Friedrich Naumann alle Hoffnungen für den deutschen Wiederaufstieg auf innere Reformen, u. a. durch politische Bildungsarbeit in der eigens dafür von ihm gegründeten Staatsbürgerschule. Naumann war der Mittelpunkt eines umfangreichen Gesinnungs- und Freundeskreises, der sich sozial gesehen vom Großbürgertum über das Bildungs- und Kleinbürgertum bis in die Arbeiterschaft erstreckte. Dieses Netzwerk war ursprünglich hervorgegangen aus den Mitschülern Naumanns in St. Afra und den so genannten "jungen Wilden" im Evangelisch-Sozialen Kongreß, die wie Naumann nicht im konservativen oder gar antisemitischen Fahrwasser von Adolf Stoecker fahren wollten. Zum "Naumann- Kreis" gehörten damals und später hochberühmte Zeitgenossen wie Max Weber, Lujo Brentano oder Hellmut von Gerlach, dem einzigen Reichstagsabgeordneten des Nationalsozialen Vereins, aufsteigende Geister wie Theodor Heuss und Elly Knapp, aber auch einige, die später - wie Gustav Stresemann - politisch ganz andere Wege gehen sollten. Friedrich Naumanns politisches, publizistisches und pädagogisches Werk wurde nach 1919 von seinen Schülern und Mitarbeitern wie Theodor Heuss, M. E. Lüders, Gertrud Bäumer und Wilhelm Heile fortgesetzt.
[Bearbeiten] Schriften
- Werke Köln & Opladen: Westdeutscher, 1964, Hg. u.a. Theodor Schieder
- Mitteleuropa Berlin: Reimer, 1915
- Gesammelte Schriften Berlin: Reimer, 1913
- Im Reiche der Arbeit Berlin: Reimer, 1913
- Neudeutsche Wirtschaftspolitik Berlin-Schöneberg: Fortschritt, 1911
- Freiheitskämpfe Berlin: Berlin-Schöneberg: Fortschritt, 1911
- Geist und Glaube Berlin-Schöneberg: Fortschritt, 1911
- Die politischen Parteien Berlin-Schöneberg: Buchverl. der "Hilfe", 1910
- Friedrich Naumann und Theodor Barth Die Erneuerung des Liberalismus Berlin-Schöneberg: Hilfe, 1906
- Demokratie und Kaisertum: Ein Handbuch für innere Politik. Berlin-Schöneberg: Hilfe, 1900
- "Asia". Athen, Konstantiopel, Baalbek, Damaskus, Nazaret, Jerusalem, Kairo, Neapel Berlin-Schöneberg: Hilfe, 1899.
[Bearbeiten] Literatur
- Joachim Gauger Nationaler Sozialismus um 1900: Geschichte d. Nationalsozialen Vereins FNs Elberfeld: Verl. der Gotthardbriefe, 1935 (78 S.)
- Theodor Heuss Friedrich Naumann: der Mann, das Werk, die Zeit Stuttgart & Tübingen: Wunderlich, 1949 (weitere zahlreiche Bücher dieses Autors über FN, siehe Weblinks: "Luise Berlin")
- Werner Conze FN. Grundlagen und Ansatz seiner Politik in der nationalsozialen Zeit (1895 - 1903) in: Schicksalswege deutscher Vergangenheit: Beiträge zur geschichtlichen Deutung der letzten 150 Jahre. Festschrift für Siegfried A. Kaehler Hg. Walther Hubatsch Düsseldorf: Droste, 1950 (Reprint: Goldbach: Keip, 1993 o. ISBN)
- Andreas Lindt Friedrich Naumann und Max Weber: Theologie u. Soziologie im wilhelminischen Deutschland München: Kaiser, 1973
- Peter Theiner Sozialer Liberalismus und deutsche Weltpolitik: Friedrich Naumann im wilhelminischen Deutschland Baden-Baden: Nomos, 1983 ISBN 3-7890-0729-3
- Bennhold, Martin Mitteleuropa. Eine deutsche Politiktradition. Zu FNs Konzeption und ihren Folgen in: Blätter für dt. und internat. Politik, Nr. 8 /1992, S. 977 - 989
- Philippe Alexandre F.N. und Frankreich, 1899-1919. Der Gegensatz von nationalem Ethos und untersuchender Vernunft bei einem Intellektuellen und Politiker der wilhelminischen Zeit in: Deutsch-franz. Wechselwirkungen, DVA-Stiftung Hg., Stuttgart 2003 (nicht im Handel, beim Hg. erhältlich)
- Andreas Peschel Friedrich Naumanns und Max Webers ´Mitteleuropa´. Eine Betrachtung ihrer Konzeptionen im Kontext mit den ´Ideen von 1914´ und dem Alldeutschen Verband Dresden: TUDpress, 2005, ISBN 3-938863-00-5
- Stefan-Georg Schnorr Liberalismus zwischen 19. und 20. Jahrhundert. Reformulierung liberaler politischer Theorie in Deutschland und England am Beispiel von Friedrich Naumann und Leonard T. Hobhouse Baden-Baden: Nomos 1990, ISBN 3-7890-2079-6
- Marc Zirlewagen Friedrich Naumann in: Marc Zirlewagen (Hg.): 1881–2006 – 125 Jahre Vereine Deutscher Studenten, Bd. 1: Ein historischer Rückblick Pressburg 2006, S. 233-235.
[Bearbeiten] Weblinks
- Literatur von und über Friedrich Naumann im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- [1] gute Zusammenfassung, auch über seine Expansionspläne nach Südosteuropa (Luise-Berlin)
- [2] Bautz BBKL (viele, jedoch nicht vollst. Lit.angaben)
- [3] Friedrich Naumann und die Armenische Frage (Essay über die anti-armenische Haltung Naumanns während des Genozids von 1915)
Personendaten | |
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NAME | Naumann, Friedrich |
KURZBESCHREIBUNG | evangelischer Theologe und Politiker |
GEBURTSDATUM | 25. März 1860 |
GEBURTSORT | Störmthal bei Leipzig |
STERBEDATUM | 24. August 1919 |
STERBEORT | Travemünde |