Privacy Policy Cookie Policy Terms and Conditions Die Schatten der Globalisierung - Wikipedia

Die Schatten der Globalisierung

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Die Schatten der Globalisierung ist der Titel eines Buches von Joseph Stiglitz aus dem Jahre 2002. Der englische Originaltitel des Buches lautet Globalization and Its Discontents. Das Buch kritisiert die neoliberale Ausrichtung der Globalisierung der Wirtschaft.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Kernthesen des Buches

Stiglitz Anfangskapitel mit den Titeln „Was globale Institutionen verheißen“ und „Gebrochene Versprechen“ geben bereits die Stoßrichtung des Buches vor. Es geht ihm darum, die Bretton-Woods-Institutionen Weltbank und den Internationalen Währungsfonds IWF auf ihre Verheißungen, ihre Gründungsprogrammatik aus dem Jahre 1944 zu verweisen. Die Versprechen von damals seien gebrochen, eine Kurskorrektur in der Weltwirtschaft sei notwendig. Hierbei interessiert ihn allerdings vor allem die aktuelle Politik, die Historie des Bretton-Woods Abkommens nennt er nur kurz, bereits in den Anfangskapiteln geht es vor allem um die Politik des IWF in den 90er Jahren.

Stiglitz prangert im weiteren Verlauf seines Buches vor allem die Politik des IWF seit den 80er Jahren als Haupthindernis auf dem Weg zu Wohlstand und Entwicklung an. Die marktradikale Ideologie des IWF, so seine Kernthese, habe nicht nur keine Erfolge in Sachen Armutsbekämpfung vorzuweisen, sondern verschärfte im Gegenteil die globale Kluft zwischen Reich und Arm.

[Bearbeiten] Globalisierungsbegriff

Globalisierung definiert Stiglitz als "die engere Verflechtung von Ländern und Völkern der Welt" (S. 25). Ihre Ursachen sieht er erstens im technischen Fortschritt (insbesondere der "enormen Senkung der Transport- und Kommunikationskosten"), zweitens in politischen Entscheidungen zum Abbau von Verflechtungshemmnissen. Seine Bewertung von Globalisierung ist neutral: "Die Globalisierung an sich ist weder gut noch schlecht" (S. 38). Ihre derzeit negativen Auswirkungen sieht er bestimmt durch die globalen Machtverhältnisse, die es einer mächtigen Minderheit (den "Sonderinteressen der Handels- und Finanzwelt" der "reichsten Industriestaaten"; S. 36) ermöglichen, "auf Kosten der großen Mehrheit" (S. 37) von der zunehmenden Verflechtung zu profitieren. Diese Interessengruppen verwirklichen ihren Einfluß durch kaum demokratisch kontrollierte internationale wirtschaftspolitische Organisationen, deren Führungspositionen sie seit 1981 innehatten. In den Fällen einiger ostasiatischen Länder, die "sich der Globalisierung zu ihren Bedingungen und in dem Tempo öffneten, das ihnen behagte" (S. 38), haben diese von der Verflechtungszunahme "enorm profitiert".

[Bearbeiten] Asienkrise und Transformation in Osteuropa

Die wichtigsten Stützen dieser These sind seine Analysen der Asien-Krise von 1997 und der rasante Abschwung der russischen Wirtschaft nach dem Ende der Sowjetunion (Kapitel vier und fünf). In beiden Fällen, so Stiglitz, treffe den IWF eine Mitschuld. Sein Krisenmanagement habe in Asien nicht eindämmend gewirkt, sondern habe entscheidend zur Verschärfung der Krise beigetragen – die wenigen Länder wie etwa China, die sich nicht an die Empfehlungen des IWF gehalten haben, konnten sich vor den Auswirkungen der Krise schützen oder ihre Auswirkungen abfedern.

Stiglitz führt die fehlerhaften Ratschläge auf eine ausschließlich marktzentrierte Politik des IWF zurück, der die Entwicklungs- und Transformationsländer nötigte, ihre Finanzmärkte übereilt zu liberalisieren und alle Kapitalverkehrskontrollen abzuschaffen. Diese Maßnahmen sollten schnellere Investitionen erleichtern, erleichterten jedoch vor allem Kapitalflucht und Devisenspekulation. Mit den liberalisierten Finanzmärkten hätten sich die Staaten vollständig dem Weltmarkt ausgeliefert – wollten sie Kapitalflucht bei einer Krise verhindern oder ihre Währung gegen Spekulationen schützen, so könnten sie dieses nicht durch gesetzliche Regelungen, sondern nur durch eigenes Agieren am Markt, etwa durch Stützungskäufe für die eigene Währung, erreichen. Um diese Stützungskäufe zu tätigen, waren sie wiederum auf die Gnade des IWF angewiesen. Der band seine Kreditzusagen an Bedingungen, die auf rein fiskalischen Kriterien beruhten, nämlich der Geldwertstabilität (keine Inflation), dem Vorrang der Schuldentilgung und ausgeglichenen Handelsbilanzen. So wurden Länder gezwungen, beispielsweise Investitionen ins Bildungssystem zu unterbrechen oder Subventionen für Grundnahrungsmittel einzustellen, um dem IWF einen ausgeglichenen Staatshaushalt präsentieren zu können. Soziale Unruhen wie etwa in Indonesien waren die Folge.

Stiglitz wendet sich auch gegen die These, Subventionsabbau und andere Maßnahmen des IWF seien notwendige Einschnitte, um die Volkswirtschaften zu stabilisieren und langfristig auch den Wohlstand der Bevölkerungen zu sichern. Besonders am Beispiel Russlands und der vom IWF empfohlenen Schocktherapie, das heißt der schnellstmöglichen und mehr oder weniger unkontrollierten Privatisierung der sowjetischen Wirtschaft, weist er den Misserfolg der IWF-Rezepte nach.

Die Wirtschaft wurde privatisiert, bevor auch nur annähernd die Rahmenbedingungen einer Marktwirtschaft geschaffen waren. Stiglitz nennt hier vor allem Rechtssicherheit, ein funktionierendes Steuersystem, Vertrauen der Bürger in demokratische Institutionen, funktionierende Kontrollinstanzen für Banken und Unternehmen. Die hastige Privatisierung der Staatsbetriebe in Russland und die liberalisierten Kapitalmärkte ermöglichten es dagegen den neuen „Besitzern“ der ehemaligen Kollektive diese zu zerschlagen, die einzelnen Bestandteile zu verkaufen und die Erträge ins Ausland zu schaffen. Ökonomische Anreize für produktive Nutzung der alten Staatsbetriebe existierten nicht, die Abwicklung dagegen versprach sofortige Milliardengewinne.

Diese konnten dann dank der liberalisierten Kapitalmärkte sofort in Dollar umgetauscht werden, der Rubel sank an Kaufkraft und die Inflation galoppierte.

Die Schadensbegrenzung des IWF wiederum bestand darin, immer neue Milliardenkredite (sogenannte „Bail-Outs“) zu gewähren, mit denen die Jelzin-Regierung den Rubel stützen und die Raubprivatisierung weitertreiben konnte. Das ersehnte wirtschaftliche Gleichgewicht stellte sich bis heute nicht ein, und die Kredite verschwanden ebenso wie die Privatisierungserlöse auf den Schweizer Konten einer neuen Oligarchenclique.

Stiglitz wendet sich allerdings gegen die Ansicht, der im wesentlichen von den USA abhängige IWF hätte diese ökonomische Demontage Russlands zynisch und absichtlich betrieben; er führt die verfehlte Politik vielmehr auf das zur Ideologie erstarrte Interesse der Finanzwelt an niedriger Inflation und der Furcht vor einem Staatsbankrott bzw. einer kontrollierten Insolvenz zurück. Stiglitz bezeichnet den IWF ganz offen als von den Interessen der Finanzwelt dominiert, die WTO hingegen als Organ der Handelsinteressen.

Mit den vom IWF mehrheitlich vertretenen Interessen des Finanzkapitals erklärt er dessen einseitige, immer gleiche Empfehlungen in jeder Wirtschaftskrise, für jede Volkswirtschaft: Inflationseindämmung um jeden Preis, Vermeidung der Staatsinsolvenz, weitere Privatisierungen. Denn für das Finanzkapital gebe es kein schlimmeres Schreckgespenst als Inflation und Staatsbankrott, die stets Milliardenverluste für die Gläubiger bedeuten (der Gesamtwirtschaft allerdings unter Umständen förderlich sein könnten) – während Privatisierungen in der Regel staatlich gesicherte und garantierte Erlöse abwerfen. Gepaart mit den falschen Empfehlungen des IWF trieben dessen Bail-Outs und Stützungskredite die Entwicklungs- und Transformationsländer also immer tiefer in die Schuldenkrise, anstatt diese einzudämmen.

[Bearbeiten] Stiglitz' Empfehlungen

Stiglitz empfiehlt eine Rückbesinnung des IWF auf seine eigentliche Aufgabe: die Intervention bei Krisen der Weltwirtschaft. Die zwangsweise Liberalisierung der Kapitalmärkte als Bedingung für erhaltene Kredite und andere Eingriffe in die innere Wirtschaftsverfassung der Entwicklungsländer lehnt er ab, sie widersprächen demokratischen Prinzipien und dienten meist nur den Interessen der Gläubiger in den Industrieländern. Ein wichtiger Schritt auf diesem Weg ist für ihn deshalb die Abschaffung der strengen politischen Konditionen, mit denen der IWF seine Kredite verknüpft. Sie seien das zentrale Instrument zur Durchsetzung der IWF-Agenda und setzten die Souveränität und die demokratische Kontrolle der abhängigen Staaten faktisch außer Kraft. Die Konditionen sollen durch selektive Kredite ersetzt werden: Länder mit erfolgreichen eigenen Stabilisierungskonzepten erhalten Unterstützung, die Initiative bliebe vor Ort.

Sei die Krise nicht mehr abzuwenden, sollten verstärkt Moratorien und Insolvenzen zum Einsatz kommen, anstatt durch weitere Kredite die Krise aufzuschieben und letztendlich den nationalen Schuldenberg zu erhöhen. Um die sozialen Folgen der Schuldenkrisen abzumildern, fordert Stiglitz zudem die Hilfe der Industrieländer beim Aufbau funktionierender sozialer Sicherungssysteme in den ärmeren Regionen der Welt sowie einen Schuldenerlass für überschuldete Staaten.

[Bearbeiten] Kritik an Stiglitz Thesen

Stiglitz Thesen und Lösungsvorschläge berufen sich im wesentlichen auf eine Reaktivierung der Lehre von John Maynard Keynes. Kapitalismuskritische und marxistische Wissenschaftlerinnen verschiedener Strömungen, die schon Keynes Theorie selbst kritisch gegenüberstanden, haben ähnliche Einwände gegen Stiglitz' Neokeynesianismus.

So wird zum Beispiel die Geschichtslosigkeit des Buches kritisiert. Stiglitz Sicht der Wirtschaftsentwicklung reduziere sich auf die letzten 15 Jahre. Die grundlegende Transformation der Weltwirtschaft seit der Lösung der Goldpreisbindung des Dollars, der ersten Ölkrise und vor allem der Aufkündigung des Bretton-Woods-Systems der festen Wechselkurse in den 70er Jahren kämen nicht in den Blick. Die freien Wechselkurse und das damit verbundene Risiko für kleinere Nationen nähme er als gegebenes Übel hin. Eine neue Fixierung der Kurse fordert er nicht, sondern Interventionen im konkreten Fall mit jeweils eigenen Maßnahmen. Stiglitz untersucht also nicht die Ursachen für den Zerfall des Bretton-Woods-Systems, sondern zählt nur eine Reihe von Abweichungen auf. Ursachen für diese Abweichungen und Fehler nennt er nicht.

Das grundsätzliche Problem der Globalisierung sei damit nicht einmal analysiert, geschweige denn reguliert. Es sei bezeichnend, dass Stiglitz trotz der häufigen Benutzung des Begriffes Globalisierung keine Definition des Wortes anbiete. Er betreibe im Grunde eine Kritik der Politik des IWF, aber keine Analyse der Globalisierung, geschweige denn Globalisierungskritik.

Mit Begriffen wie Postfordismus oder „High-Tech-Kapitalismus“ (geprägt durch Wolfgang Fritz Haug) versuchen sich dagegen VertreterInnen der Regulationstheorie, AnhängerInnen der auf Antonio Gramsci basierenden Hegemonietheorie wie etwa Robert Cox sowie klassische Marxisten, aber auch reformistisch orientierte Politikwissenschaftler wie Elmar Altvater seit Jahrzehnten an der Analyse einer neuen globalen Produktionsweise - eine Debatte, die Stiglitz in keiner Weise berücksichtigt.

Im Lichte dieser Debatten erscheint Stiglitz' Werk theorieblind, Stiglitz akzeptiert letztendlich die grundsätzlichen Ziele und Motive der Bretton-Woods-Institutionen, eine kritische Reflexion nicht nur der Politik des IWF, sondern auch der dahinterstehenden Ideologien und Interessen fehlt weitgehend. Im Fall Osteuropas und der ehemaligen Sowjetunion geht es Stiglitz etwa einzig darum, die Einführung des Kapitalismus und der marktwirtschaftlichen Institutionen effizient und sozial zu gestalten – eine Alternative jenseits von staatlicher Kommandowirtschaft und Kapitalismus, etwa genossenschaftliche Produktion, Demokratisierung der Wirtschaft, etc., gibt es bei ihm nicht. Die Gleichsetzung von Marxismus mit dem Staatssozialismus folgt bei Stiglitz letztendlich der gescheiterten marxistisch-leninistischen Parteiideologie und verstelle den Blick auf weniger autoritäre Formen des Wirtschaftens. Gleichzeitig idealisiert er die USA und Europa als demokratische Nationen mit freier Presse und funktionierender Kontrolle der öffentlichen Institutionen – obwohl ja gerade das unkontrollierbare Gebaren der G7-Finanzminister und der nicht demokratisch legitimierten Zentralbankpräsidenten dieser Nationen laut seiner Analyse für die Politik des IWF verantwortlich sind.

[Bearbeiten] Weitere Werke von Joseph Stiglitz

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