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Christian Reuter

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Christian Reuter (* 1665 in Kütten bei Zörbig; † ca. 1712 vermutlich in Berlin) war ein deutscher Schriftsteller und wahrscheinlich auch Komponist des Barock.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Zeit

Wenn auch das 19. Jahrhundert als das Zeitalter des Gesamtkunstwerks gilt, gewinnt man mehr und mehr den Eindruck, dass sich bereits im Barock um 1700 Musik und Literatur auf seltsame Weise mischen. Es gibt keinen der bekannten Barockkomponisten, der sich nicht in einer literarischen Produktion gefallen hätte. Umgekehrt enthalten sich aber die Barockdichter gerne jeglichen musikalischen Ausdrucks, obwohl sie sich im Allgemeinen als sehr gebildet profilieren.

So auch Christian Reuter, der in den germanistischen Annalen als Literat geführt wird. Er weist in seiner Biographie alle typischen Merkmale eines Musikers auf, die Musik indessen scheint etwas zu fehlen. Reuters zentraler Roman spielt an wichtigen musikalischen Zentren der Zeit, in Hamburg, dem benachbarten Altona, Stockholm, Amsterdam und Venedig: Die Hochzeit zwischen einem Lord aus London und einem Patrizierfräulein aus Amsterdam bearbeitet das Motiv von der Musikhauptstadt London und deren Vorhof Amsterdam. Das ist von höchster allegorischer Brisanz. Aber Christian Reuter bietet auch eine Fülle von Material einem Leser, der nicht so tief schürfen möchte. Es ist also durchaus lohnend, bei dem barocken Schriftsteller und Dramatiker an der interpretatorischen Oberfläche entlang zu surfen.

[Bearbeiten] Leben

Christian Reuter ist als Literat nur am Berliner Hof um 1703 namhaft. Dort fällt er der germanistischen Forschung als Gelegenheitsdichter ohne Niveau auf. Alle anderen Werke, die qualitätvollen also, erschienen unter verschiedenen Pseudonymen, so dass Reuters Autorschaft erst erschlossen werden musste. Das war nicht schwierig, da Reuter vor allem während seiner Studienzeit in Leipzig vielfach aktenkundig wurde.

Reuter entstammt dem Bauernstand. Die Möglichkeit, mit den seit der frühesten Jugend erworbenen agrartechnischen Kenntnissen zu jeder Zeit den Lebensunterhalt sichern zu können, erklärt durchaus Reuters wenig zielstrebiges Vorgehen in Bezug auf ein städtisch-bürgerliches Vorankommen. Reuters Familie war ursprünglich recht angesehen. Ein Urgroßvater mütterlicherseits war Bürgermeister in Zörbig bei Halle gewesen. Der väterliche Bauernhof hatte in den Wirren des 30jährigen Krieges allerdings an Wohlstand eingebüßt. Reuter wurde 1665 als eines von neun Kindern in Kütten geboren. Urkundlich belegt ist die Taufe am 9. Oktober. Eine bescheidene Grundausbildung in kulturellen Fertigkeiten mag der junge Reuter am elterlichen Hof erhalten haben. Eine Musikkultur außerhalb der Kunstmusik ist für das Barock (im Gegensatz zum Mittelalter und zur Renaissance) nicht zu belegen, und auch die Volksliteratur (Märchen) folgte wohl weitestgehend der Mündlichkeit. Der Hort eines darüberhinausgehenden Unterrichts waren kirchliche Instanzen, etwa das Kantorat.

Von der ihm zugedachten Schulbildung am Domgymnasium in Merseburg und an der Universität Leipzig wusste Reuter keinen Gebrauch zu machen. Es ist anzunehmen, dass er eher als Musiker und Hauslehrer seinen Unterhalt bestritt, als sich dem eigenen Lernen zu widmen. Nachdem in alter Zeit die Alphabetisierung der Bevölkerung noch nicht so entwickelt war wie heute, darf man sich vorstellen, dass es zu den Aufgaben Gebildeter gehörte, beim Abfassen von Schriftstücken behilflich zu sein, Arbeit an der philosophisch-literarischen Basis. Verhungert ist der arme Poet jedenfalls nicht. In diesem Kontext sind auch die höchst originellen Komödien und der Schelmuffsky-Roman aus Reuters Feder zu sehen.

1700 ging Reuter nach Dresden, wo er eine letzte Komödie Graf Ehrenfried verfasste. Letztmalig ist Reuter am 11. August 1712 namhaft. Er lässt in der Berliner Schlossgemeinde einen Sohn taufen. Es ist also nicht bekannt, ob er vielleicht die Ausgabe seines Schelmuffsky-Romans von 1750 noch erlebt hat. Auszuschließen ist dies nicht. Im Nachwort zur modernen Reclam-Ausgabe ist auch von einer Oper Seigneur Schelmuffsky die Rede, die Reuter wohl selbst komponiert hat.

[Bearbeiten] Die Schlampampe-Fehde

Der Streit zwischen dem homo literaticus und seiner Leipziger Zimmervermieterin Rosina Müller beruht wohl weniger auf persönlichen Animositäten als vielmehr auf dem uralten Stadt-Land-Konflikt. Die Ausgangssituation ist aus dem Märchen von der Stadtmaus und der Feldmaus bekannt. Dazu kommt der Konflikt zwischen dem Künstler und einem ganz und gar unmusischen Menschen. Der Komödienzyklus "Honnete femme" (die genauen Titel möge man sich aus den einschlägigen Publikationen heraussuchen - sie tun nicht viel zur Sache) ist daher auch eher die soziokulturelle Hinrichtung einer Persönlichkeit, die hergebrachte Techniken nicht mehr beherrscht und die Errungenschaften der Zeit ablehnt. Eine harmlose Satire ist die Darstellung einer solchen Persönlichkeit und ihrer Familie jedenfalls nicht.

So wie sich Reuter gerne auf französische Quellen beruft, werden die Schlampampe-Kömödien als Übersetzungen von Werken Molières ausgegeben. Das trifft allerdings nur auf den erste Komödie zu, die in etwa Molières Precieuses ridicules entspricht. Nicht einmal der Tod der Rosina Müller kann Reuters Angriffe beenden. 1696 erscheint sogar ein Drama, das Krankheit und Tod der Wirtin thematisiert, diesmal ohne erkennbare Vorlage. Reuter vermerkt zwar im Titel, es handle sich um eine (modern ausgedrückt) Tragikomödie. Ohne eine konkrete Aufführungssituation ist das allerdings nicht zu verifizieren.

Bei den Schlampampe-Dramen handelt es sich im Wesentlichen um reine Literatur (Lesedramen), die der Aufführung nicht bedürfen. Bezüglich des Begriffs der Satire ist dies ein scharfes Schwert, etwa vergleichbar mit der Eingabe Johann Sebastian Bachs an den Rat von Pleißen (um hier mal Reuters Bezeichnung für Leipzig zu verwenden) keine 40 Jahre später, in welcher die musikalischen Zustände in der Stadt angeprangert werden. Hier rätselt nun die Musikwissenschaft nach dem warum, waren doch die beschriebenen Widrigkeiten allgemein bekannt. Setzt man den Sachverhalt allerdings mit Reuter in Beziehung, wird er schon klarer. Der große Thomaskantor zieht die musikalische Nulloption und verfasst Literatur.

[Bearbeiten] Schelmuffsky

Schelmuffsky ist Schlampampes ältester Sohn und der Ich-Erzähler eines Romans. Die Germanistik ist sich nicht ganz schlüssig, ob es sich um einen Picaro-, Abenteuerroman oder eine Münchhausiade handelt. Für letztere sind Schelmuffskys Übertreibungen viel zu plump. Das Problem der Einordnung tritt hinter der überaus komplexen Erzählsituation zurück. Ein veritabler Ich-Erzähler liegt nur dann vor, wenn er übertreibt, und er übertreibt nur Fakten, mit denen er meint, Eindruck schinden zu können, im Wesentlichen Fressen, Saufen und Sich-Übergeben. Ansonsten handelt es sich eher um einen personalen Erzähler. Er ist in dieser Eigenschaft eine Art Kamera, die ungefiltert mancherlei Eindrücke wiedergibt. Auf diese Weise charaktersiert sich der Erzähler selbst, ohne sich dessen bewusst zu sein. Das trifft vor allem auf Schelmuffskys offensichtliche homophilen Neigungen zu, die bewirken, dass er die aufrichtigen Absichten der Servante übersieht.

Die Szene, in der die Servante Schelmuffsky zur Femme charmante geleitet, hat durchaus etwas Rührendes und weist auf die weinerliche Literatur der Hochaufklärung voraus. Bestimmend für den Fortgang der Handlung sind die "Rattenepisode" und die ständige Redewendung "Der Tebel hohl mer".

[Bearbeiten] Musikalische Werke

Durch die Opernbearbeitung erscheint Schelmuffsky in einem etwas milderen Licht als seine Mutter. Opern in deutscher Sprache sind eine Rarität und werden von den beteiligten Wissenschaften gesucht.

Dem ersten Teil des Schlampampe-Komplexes von 1695 sind zwei kurze Intermedien in gebundener Sprache beigegeben. Sie werden als Singspiel bezeichnet. Ob zu Harlekins Hochzeits- und Kindbetterinschmaus je Musik existiert hat, ist ungewiss (E.T.A. Hoffmann schrieb zu eigenen Texten keine Musik!). Indessen verweisen diese Intermedien auf die bekannteren von Giovanni Battista Pergolesi (1710 - 1736).

Christian Reuter könnte sich hinter dem Musikerpseudonym A. H. Schultze (= Alter Hilarius aus der Sippe des Bürgermeisters) verbergen. Die sechs unter diesem Namen erschienenen Blockflötensonaten wurden 1703/4 veröffentlicht. Charakteristisch ist auch der französische Titel. Reuter wirkte zu der fraglichen Zeit in Berlin und könnte dort eine Fehde mit dem Komponisten Gottfried Finger (1660 - 1730) angestrebt haben, der soeben in London gescheitert war und eine Serie von 10 höchst zweifelhaften (von Londoner Verlegern unzensierten) Sonaten in Amsterdam herausgegeben hatte.

Ein weiteres auf Reuter weisendes Pseudonym ist Johann Christoph Faber. Unter diesem Namen existieren fünf musikalische Werke in der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel. Auch Faber bevorzugt französische Titel. Der Name (lat. "Handwerker, Zimmermann") verweist zudem auf Marc-Antoine Charpentier (um 1636 - 1704), in diesem Zusammenhang vor allem als den Komponisten der Bühnenmusik zu Molières "Der eingebildete Kranke". Fabers Musik mag um 1710 entstanden sein, erscheint etwas historisierend, weist gleichzeitig auf Formen ohne Bass (Georg Philipp Telemann) voraus. Ein konkreter Anlass ist nicht zu erschließen.

[Bearbeiten] Wirkungsgeschichte

Reuters Kammermusik, sofern sie auf ihn zurückgehen sollte, ist im Wesentlichen den Blockflötisten vorbehalten. Ein experimentelles Konzert mit diesen Werken (Der Autor dieser knappen Darstellung kennt die "Parties sur les Fleut dous" von Faber) und den literarischen Texten erscheint ausgesprochen reizvoll.

Indessen bestreitet die Germanistik jede zeitgenössische Wirkung des Schelmuffsky-Romans, obwohl doch bekannt sein sollte, dass historische Auflagen bisweilen ausgesprochen klein sind. Immerhin stand das Werk auf dem päpstlichen Index. Man sollte sich auch klar darüber werden, dass Christian Reuter Zeitgenosse von Daniel Defoe (1660 - 1731) und Jonathan Swift (1667 - 1745) war. Sowohl der Robinson Crusoe von Defoe als auch Gullivers Reisen von Swift erschienen aber Jahrzehnte später als der Schelmuffsky. Es ist davon auszugehen, dass der Schelmuffsky-Roman unter Fachleuten bekannt war. Besteht ein Zusammenhang, ist die These kaum zu halten, Robinsons Zurechtfinden in der Einsamkeit sei eine aufklärerische Errungenschaft und das Auftreten von Freitag ein Lapsus. Vielmehr ist Freitag der Ausdruck des polysexuellen Ideals der späten Barockzeit. Die Weltsicht des Jonathan Swift bleibt hinter diesen Ansprüchen weit zurück.


[Bearbeiten] Werke (Auswahl)

  • 1695 L'honnête femme oder Die ehrliche Frau zu Plißine
  • 1696 Der ehrlichen Frau Schlampampe Leben, Krankheit und Tod
  • o.J. (1696) Le jouvenceau charmant seigneur Schelmuffsky
  • 1696/97 Schelmuffskys warhafftige curiöse und sehr gefährliche Reisebeschreibung zu Wasser und Lande
  • 1697 Letztes Denck- und Ehren-Mahl der weyland gewesenen ehrlichen Frau Schlampampe
  • 1700 Graf Ehrenfried, in einem Lust-Spiele
  • 1708 Paßions-Gedancken (Oratorium, Musik von Johann Theile)
  • Christian Reuters Werke in einem Band. Weimar: Nat. Forschungs- u. Gedenkstätten 1965

[Bearbeiten] Literatur (Auswahl)

  • Gunter E. Grimm: "Kapriolen eines Taugenichts. Zur Funktion des Pikarischen in Christian Reuters <Schelmuffsky>", in: Chloe 5 (1987), 127-149
  • Wolfgang Hecht: Christian Reuter. Stuttgart: Metzler 1966 (Sammlung Metzler M46)
  • Simone Trieder, Gefährliche Reisebeschreibung. Christian Reuter & Schelmuffsky [1] zu Leben und Werk Reuters

[Bearbeiten] Werk- und Literaturverzeichnis

[Bearbeiten] Weblinks


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