Privacy Policy Cookie Policy Terms and Conditions Bianca Castafiore - Wikipedia

Bianca Castafiore

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Bianca Castafiore ist eine Figur aus den Abenteuern Tim und Struppi des Belgiers Hergé.

Schon von der üppigen, vollaufragenden Gestalt her ist sie als Opernsängerin zu erkennen. Das längliche Gesicht mit der Hakennase und die meist helmartigen Frisuren und Hüte tun ein Übriges zur Betonung der Senkrechten und ihres großen Selbstbewusstseins. Sie hält sich immer gerade, der riesige Busen gibt ihr minoische Masse (unten schmal, oben breit). Selbstverständlich ist sie immer der Mittelpunkt. Keine noch so gefährliche Situation kann ihr Angst machen, so wird sie etwa in einer (wie stets bei Hergé fiktiven aber sehr kenntlichen) Diktatur zu lebenslänglicher Haft verurteilt, herrscht aber noch im Kerker den Wächter an, weil die Spaghetti nicht „al dente“ sind.

Sie ist offensichtlich Mitglied des Ensembles der Mailänder Scala, welches wir allerdings in allen Bänden des Comics nur in Form von ihr selbst kennen lernen. Immer und immer singt sie dieselbe Arie, die sogenannte Juwelenarie aus Gounod’s Oper Faust: „Ah, je ris, de me voir si belle dans ce miroir!“, zu Deutsch: „Oh, wie schön, mich zu sehn, so schön!!“, was oberflächlich wiederum ihre Egozentrik herausstellt. Werden wir uns aber klar, dass Gretchen, Fausts Geliebte, dies singt, als sie die ihr von Mephisto untergejubelte Perlenkette anlegt und sich im Spiegel wie eine Prinzessin sieht, wird auch die Brechung und Ambivalenz dieses Bewusstseins deutlich.

Ebenso, wenn wir uns daranmachen würden, den Wortsinn ihres Namens herauszufinden: der ist nämlich „die weiße, keusche Blume“. (Ein mittelalterliches provencalisches Ritterepos heißt „Flos und Blankflos“ = Bianca… Fiore…, darin landet Blankflos als Gefangene oder gar Sklavin im Morgenland, bis ihr Geliebter und Bräutigam Flos sie unter abenteuerlichen Umständen befreit). Könnte die Mailänder Diva also einen Künstlernamen, der zugleich ihr Wesen charakterisiert, tragen? Wir wissen es nicht.

Doch zurück zu unserer Sängerin, die im Übrigen den Spitznamen „die Mailänder Nachtigall“ trägt. Tintins treuer Begleiter, Kapitän Haddock, ist ihr in ganz besonderer Hassliebe verbunden. Er leidet immer entsetzlich, sobald er sie singen hört. Auch andere scheinen ihre Arie nicht zu goutieren, so etwa Hund Struppi. Nur Tintin bleibt immer neutral und höflich. Andererseits eilen die beiden Abenteurer ihr auch zu Hilfe und befreien sie sogar aus dem Kerker. Madame Castafiore wiederum verunstaltet bei jeder Gelegenheit Haddocks Namen. „Ist das nicht dieser Leutnant Bardock?“ So sind Bianca Castafiores Auftritte mehr als nur running gags. Eines der Abenteuer Tintins trägt sogar ihren Namen und stellt sie ins Zentrum: Die Juwelen der Sängerin.

Zum ersten Mal aber begegnen wir ihr in dem Band König Ottokars Zepter (verfasst 1948), den Hergé im Jahre 1939 zeichnete und schrieb. Danach wäre die Diva etwa um 1900 geboren. Auch dies wissen wir nicht genau. In ihren Auftritten bleibt sie von nun an zeitlos und nicht alternd. Heute, mehr als 60 Jahre nach dem Erstdruck, ist sie uns noch immer dieselbe.

Doch zurück zur Handlung. Tim begegnet ihr erstmals, als er auf dem Weg nach Klow (Syldavien) zu Fuß ein waldiges Gelände durchquert. Sie nimmt ihn in einem blauen Wagen mit Kennzeichen PN – 12811 mit. Außer dem Chauffeur sitzt noch ihr Klavierbegleiter Igor Wagner im Auto. Bianca trägt Persianermantel und blauroten Hut. Sie singt. Die Hasen und Igel laufen davon. Tim steigt in ЗЛУП aus. Er wird verhaftet und eingesperrt. In der Zelle hört er aus dem Radio des Reviers: „Hier Radio Klow. Sie hören als Direktübertragung aus dem Kursaal ein Konzert mit Bianca Castafiore von der Mailänder Scala“, dann ertönt die besagte Arie. Schnitt zum Konzert: Sie trägt ein lila Kostüm, einen helmartigen Hut und lange blonde Zöpfe, eine lange Perlenkette und ein Handtäschchen. Einige Tage später. Wiederum ein Konzert, diesmal im Königsschloss vor den Majestäten und dem ganzen Hof. Sie singt geschlossenen Auges. Da zerbirst klirrend die Fensterscheibe und Tim birst herein. Sie öffnet die Augen, fällt sogleich in Ohnmacht. Igor, ihr Begleiter, kümmert sich um sie, auch eine grüne Hofdame aus der zweiten Reihe.

Wir begegnen ihr wieder in Die sieben Kristallkugeln. Tim und Kapitän Haddock sind von Mühlenhof aus ins Varieté gegangen, um den Zauberer Bruno zu sehen. Aber außerdem bewundern sie den Fakir Ragdalam mit seiner schönen Assistentin Madame Yamilah und dann den Messerwerfer Ramon Zarate, welcher ihnen sehr bekannt vorkommt. Tatsächlich handelt es sich um General Alcazar, den ein Putsch aus seinem Präsidentenamt vertrieben hat. Endlich tritt sie auf: die italienische Nachtigall!

„Ha, welch Glück,
mich zu sehn, so schön
Bist du es, Margarete?
Gib Antwort, schnell, oh gib Antwort!
-Tintins Hund Struppi jault-
Nein, nein, du bist es nicht!“

Das nächste Zusammentreffen unserer Protagonisten geschieht in Szohôd, der Hauptstadt Borduriens. Im Hotel Zsnôrr trifft Bianca zeitgleich mit Haddock und Tim ein. „Hallo! Ist das nicht Tim? Guten Abend, lieber Freund, wie schön…. Kleiner Schmeichler… Sie sind gekommen, mich zu beglückwünschen, nicht wahr? Sie und dieser Fischer, Herr … ähh, Paddock?“ Wir erleben das Abenteuer Der Fall Bienlein (1956). Auch in der bordurischen Metropole gastiert die Castafiore in der Oper. Anschließend versteckt sie Tintin und Haddock, die von der Obrigkeit verfolgt werden, in ihrer Garderobe, genauer gesagt in den Kostümschränken, und sie rettet sie, indem sie Oberst Sponsz mit ihrem Lächeln und ihren ständigen Deklamationen verstört und ablenkt.

Das nächste Rendezvous mit Bianca Castafiore findet im Band Kohle an Bord (1958) statt. Die Luxusyacht Scheherazade nimmt drei Schiffbrüchige an Bord, unsere beiden Helden und Pilot Klap. Der Bösewicht Rastapopoulos alias Marquis de Gorgonzola gibt darauf eben ein Kostümfest, an dem auch die Mailänder Nachtigall teilnimmt. „Per la Madonna! Das ist doch… Das ist doch Tintin und sein Freund, der Fischer Murdock! Ich muss sie begrüßen. Die Kunst schließt das Abenteuer in die Arme! Im Namen des Marquis di Gorgonzola: Herzlich willkommen an Bord, carissimi miei!“ Sie ist sich keine Sekunde lang bewusst, dass sie damit die Aufmerksamkeit des Schurken, der natürlich ihr Gegner ist, auf die beiden lenkt. Haddock widersetzt sich einer Umarmung mit Hinweis auf das Seuchengesetz. Sie: „Aber ich bin doch nicht krank!“ Diese Episode bildet wohl die Grundlage für die Vermutung, Castafiore sei der Callas nachempfunden – die Yacht, der ölige Milliardär –, ansonsten hat die Callas ein völlig anderes Wesen. Bianca Castafiore eignet sich eben für jegliche Identifikation. So haben schwule Leser auch behauptet, sie sei ein Transvestit

Fünf Jahre danach (1963) erschien Die Juwelen der Sängerin (französisch: les Bijoux de la Castafiore), ein Kammerspiel, das ganz ihr gewidmet, so gut wie die ganze Tintin-Familie auf Haddocks Landsitz Mühlenhof versammelt. Äußerlich geschieht so gut wie nichts, aber das sehr dramatisch. Ein jeder ist damit beschäftigt, die verschwundenen – oder nur verlegten – Juwelen der Diva zu suchen, ein jeder ist verdächtig, sie entwendet zu haben. Haddock sitzt als Folge eines Sturzes im Rollstuhl, Bianca schiebt ihn durch den Park, die Reporter von Paris-Flash erdichten daraufhin eine Verlobung der beiden. Professor Bienlein (übrigens der einzige, der Castafiores Gesang schätzt, aber er ist taub bzw. nach eigenem Bekunden "ein klein wenig schwerhörig") verliebt sich in die Sängerin und züchtet eine neue weiße Rose, der er ihren Namen gibt. Der Schmuck wurde am Ende von einer Elster stibitzt. Dies ist der Anlass, zu erfahren, dass Bianca Castafiore zuweilen auch Rossinis La gazza ladra zum Besten gibt.

In diesem Band kommt zudem eindrucksvoll das ambivalente Verhältnis der Sängerin zur Presse zum Ausdruck. Einerseits ist sie entzückt über einen Artikel der Zeitschrift "Paris Flash", der ihre baldige Hochzeit mit Captain Haddock ankündigt. Dass es sich um eine Falschmeldung handelt, kümmert sie dabei nur wenig. Wörtlich erwidert sie: "Die Zeitungen haben mich nacheinander mit dem Maharadscha von Gopal, mit Baron Koks, mit dem Protokollchef von Syldavien, mit Oberst Sponsz und mit dem Marquis die Gorgonzola verlobt. Mir macht das längst nichts mehr aus..." Hingegen hasst sie die "Tempo di Roma", welche nicht davor zurückschreckt, heimlich und gegen ihren Willen einen Fotografen ins Schloss Mühlenhof zu schmuggeln. Auch der Umstand, dass der Artikel dieser Zeitung deutlich seriöser als die Meldung der "Paris Flash" ist, kann ihre Wut auf das Blatt nicht mildern.

Hergés letzter vollständig fertiggestellter Band Tim und die Picaros (1976 – seit fast fünfzig Jahren singt sie nun: „Ach, wie schön…“) zeigt Bianca Castafiore als Gefangene eines südamerikanischen Diktators, des Generals Tapioca. Haddock und später auch Tintin brechen auf, sie zu befreien. Sie landen zuvor im Urwald bei den Picaros, die von ihrem alten Bekannten General Alcazar kommandiert werden, helfen diesem bei einer unblutigen Revolution. Die Diva bedankt sich für ihre damit verbundene Befreiung (ich vermute mit einer Arie?) bei ihrem „Captain Hemlock“, Tapiocapolis wird in Alcazaropolis umbenannt….

Letzte Neuigkeiten über Bianca Castafiore erfahren wir im unvollendeten Tim und die Alphakunst (1983), in dem sich der Opernstar als Liebhaberin der abstrakten Kunstwerke Ramo Nashs zeigt. Die Mailänder Sängerin begegnet Captain Haddock, der sich eigentlich auf der Flucht vor ihr befindet, in Nashs Galerie. In gewohnt charmanter Art begrüßt sie den Seebären: „Das hätte ich nie gedacht... daß ein einfacher, ungebildeter Fischer in den Bann der Kunst geraten kann, das ist ein Wunder!“

Vom weiteren Erdenleben Bianca Castafiores ist uns nichts mehr überliefert.

[Bearbeiten] Literatur (in Auswahl)

  • Pierre Assouline: Hergé, Plon 1996
  • Jean Marie Apostolides: Les Métamorphoses de Tintin, Seghers 1984
  • Pierre-Ives Bourdil: La Naissance du Capitaine Haddock, Tiposkript des Autors
  • Aymar du Chatenay: Tintin était-il fasciste?, in: L’évenement du jeudi 1992
  • Michel David: Tintin à la lumière de Lacan, La Méridienne 1994
  • Benoît Denis: Les avatars de Tintin, Université de Liège, Vorlesung 1991-92
  • Marguerite Duras: L’Internationale Tintin, France-Observateur 1957
  • Joël Kotek: Tintin, un mythe belge de remplacement, in: Morelli, Anne, Les Grandes Mythes de l’histoire de la Belgique, Vie Ouvrière 1995
  • Thomas Kutzli: Bianca Castafiore, La vie et vice versa, Tiposkript des Autors
  • Dominique Manaud: Un regard sur la folie à travers les aventures de Tintin, Université de Bordeaux, Medizinische Dissertation 1990
  • Edgar Morin: Tintin, le Héros d’une Géneration, La nef 1958
  • Cyrille Mozgovine: De Abdallah à Zorrino, Dictionnaire des noms propres de Tintin, Tournai 1992
  • Pascal Ory: Mickey go home! La désamericanisation de la bande dessinée, Vingtième siècle 1984
  • Théo Pirard: Comment Tintin a-t-il pu précéder Armstrong sur la Lune?, Athena 1991
  • Michel Serres: Tintin et le picaresque aujourd’hui, Critique 1977
  • Frédéric Soumois: Dossier Tintin, Editions Jacques Antoine 1987
  • Thomas Sertillanges: La vie quoditienne à Moulinsart, Hachette 1995
  • Tschang au pays du Lotus bleu, Séguier, anonyme, 1990
  • Harry Thomson: Tintin. Hergé and his creation, Hodder and Stoughton 1992
  • Serge Tisseron: Tintin chez le psychanalyste, Aubier 1985
  • Olivier Todd: Tintin, Milou and European Humanism, The Listener 1957
  • Pol Vandromme: Le Monde de Tintin, Gallimard 1959

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