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Verrückter Wissenschaftler

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Verrückter Wissenschaftler
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Verrückter Wissenschaftler

Der verrückte Wissenschaftler (engl. mad scientist) ist eine literarische Figur, ein Rollenfach oder Stereotyp der Popkultur. Er tritt in Romanen, Comics, Filmen, Fernsehserien und Computerspielen auf.

Der „verrückte Wissenschaftler“ weicht im Allgemeinen erheblich von der gesellschaftlichen Norm ab.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Typen

Verrückter Wissenschaftler ist ein Sammelbegriff. Im Folgenden wird eine qualitative Unterscheidung zwischen „bösen“ und „guten verrückten Wissenschaftlern“ getroffen und eine quantitative, die sich am Ausmaß der Verrücktheit orientiert.

[Bearbeiten] Gut und Böse

Da gut und böse keine objektiven Eigenschaften sind, liegt diese Zugehörigkeit streng genommen im Auge des Betrachters. So könnte ein Wissenschaftler, den einige als „gut“ ansehen, von anderen als „böse“ betrachtet werden. Da der verrückte Wissenschaftler jedoch kein realer Mensch ist, sondern eine auf Erkennbarkeit ausgelegte fiktive Gestalt, treten solche Zuordnungsschwierigkeiten selten auf.

[Bearbeiten] Mittel

Gute verrückte Wissenschaftler besitzen in aller Regel Eigenschaften, die der durchschnittliche Leser/Zuschauer als sympathisch empfindet, während böse verrückte Wissenschaftler mit unsympathischen Merkmalen ausgestattet sind. Solche Merkmale können anatomischer, charakterlicher oder verhaltensspezifischer Natur sein.

[Bearbeiten] Anatomie

Anatomische Indikatoren für die Qualität „guter verrückter Wissenschaftler“ wären etwa ein wohlwollend-großväterliches (Q in den James Bond-Filmen), ein sympathisch-zerstreutes (Professor Bienlein in den Tim und Struppi-Comics) oder – sehr selten – ein strahlend-jugendliches, attraktives Erscheinungsbild (z.B. Adam Strange in der Sci-Fi-Comicreihe desselben Namens).

Anatomische Indikatoren für die Qualität „böser verrückter Wissenschaftler“ wären etwa körperliche Behinderungen oder Entstellungen, z. B. ein Buckel, abstoßende Narben (Bloefeld in James Bond) oder Verbrennungen (besonders in der Gesichtspartie), eine schiefe oder raubtierhafte Zahnstellung, eine Augenklappe, das Gefesselt-Sein an den Rollstuhl (Dr. Seltsam in Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben) oder allgemein auffallende Disproportionen.

[Bearbeiten] Charakter

Charakterliche Indikatoren für den guten verrückten Wissenschaftler wären sympathisch wirkende Schrullen wie etwa kindliche Naivität und Verspieltheit insbesondere auch im Umgang mit der eigenen Arbeit (vgl. Daniel Düsentrieb in Micky Maus), Vergesslichkeit, Zerstreutheit und allgemein ein hilfsbereites und zuvorkommendes Wesen.

Charakterliche Indikatoren für den bösen verrückten Wissenschaftler wären ein erkennbarer Sadismus (etwa Freude am Leiden von Versuchspersonen oder –tieren, Freude am Foltern von Menschen, die seiner Gewalt ausgeliefert sind), Größenwahn, Prahlsucht (vgl. etwa Zyklotrop in der Comic-Serie Spirou und Fantasio).

[Bearbeiten] Verhalten

Verhaltensindikatoren für den guten verrückten Wissenschaftler sind etwa ein leicht seniles, kicherndes, aber nicht wahnhaftes Lachen, zerstreutes Suchen nach Unterlagen oder Erfindungen (Durchwühlen von Papier- oder Gerümpelbergen, z. B. Daniel Düsentrieb).

Verhaltensindikatoren für den bösen verrückten Wissenschaftler wären ein kehliges oder donnerndes Lachen aus Freude über eigene (böse) Pläne oder Taten oder aus Freude über die eigene Schlechtigkeit, ein fies kicherndes, hämisches In-Sich-Hinein-Lachen (z.B. Professor Sivana in The Power of Shazam), unnötige Grausamkeit gegen schutzlos Ausgelieferte (z. B. Gefangene), schikanöser Umgang mit Untergebenen und Helfershelfern.

[Bearbeiten] Ziele

Gute verrückte Wissenschaftler verfolgen Ziele, die vom durchschnittlichen Zuschauer befürwortet werden, während die Ziele der bösen verrückten Wissenschaftler als verwerflich gelten. So streitet der gute verrückte Wissenschaftler für die Wohlfahrt und das Glück der Menschheit, indem er sie mit segensbringenden oder zumindest gut gemeinten Erfindungen versorgt, vor Gefahren warnt (etwa Naturkatastrophen), Helden mit Gimmicks ausstattet (z.B. Dr Bakterius bei Clever und Smart, Q bei James Bond oder Daniel Düsentrieb) oder allgemein den „Guten“ mit Rat und Tat zur Seite steht.

Der böse verrückte Wissenschaftler ist in verwerfliche oder kriminelle Machenschaften verstrickt, dezidiert mit dem Wunsch, anderen zu schaden, oder monomanisch auf ein Ziel fokussiert, ohne Rücksicht auf das Leid, das er anderen zufügt oder zufügen muss. Der böse verrückte Wissenschaftler entwickelt beispielsweise Maschinen, die ihm helfen sollen, Straftaten zur Befriedigung der eigenen Profitgier (z.B. Taddaeus Killgrave in Superman, Dr. Hugo Strange in Batman, Dr. Octopus in Spiderman) zu begehen oder gar die Weltherrschaft an sich zu reißen (z.B. Lex Luthor in Superman, Hugo Drax oder Stavro Bloefeld in James Bond).

Als Zuschauer sollte man bedenken, dass es nicht darum geht, wie man eine Figur subjektiv empfindet, sondern wie sie auf einen wirken soll. So mag ein einzelner Zuschauer den diabolisch gezeichneten Doktor in Kubricks Dr. Seltsam sogar sympathisch finden. Er wird aber unabhängig von seinem persönlichen Empfinden erkennen, dass die Figur böse wirken soll. Meistens wird ein verrückter Wissenschaftler vom Autor/Regisseur auf eine so suggestive Weise porträtiert, dass jedem klar ist, welcher Kategorie er zuzuordnen ist. Als Maßstab gilt dabei das Durchschnittsempfinden der Masse.

Gründe für das Auseinanderklaffen von Wirkungsabsicht und tatsächlicher Wirkung können u. a. sein: schlechte handwerkliche Realisierung (ein Schauspieler versucht krampfhaft, einen sympathischen Wissenschaftler darzustellen, wird aber aufgrund fehlenden Könnens als enervierend empfunden) und vor allem ein Wandel in der Umwelt, innerhalb derer der porträtierte Wissenschaftler rezipiert wird. So kann eine Wissenschaftler-Figur aus einem Stummfilm der 1920er Jahre, die damals als „böse“ empfunden wurde, heute beinahe sympathisch wirken, weil man mehr Toleranz oder ein höheres Maß an Zynismus besitzt.

[Bearbeiten] Zugehörigkeit

Der verlässlichste Indikator für die Zuordnung ist eine Gruppenzugehörigkeit innerhalb des Geschehens, in dem die Figur auftritt. Da sich in fiktiven Handlungen üblicherweise zwei antagonistische Parteien gegenüberstehen, lässt sich die Einstufung eines verrückten Wissenschaftlers leicht bewerkstelligen, wenn man weiß, ob die Seite, der er angehört, die "gute" oder die "böse" ist. So lassen sich z. B. die beiden Wissenschaftler Q und Dr. No in den James-Bond-Filmen sehr einfach zuordnen: Da der Q auf der Seite des Helden steht, muss er ein „Guter“ sein, während der Dr. No als Antagonist des Helden ein „Böser“ sein muss.

[Bearbeiten] Hintergrund

[Bearbeiten] Genese

Thales von Milet, der in einen Brunnen fällt (Platon, Theaitetos, 174), oder Diogenes von Sinope, der angeblich in einer Tonne lebte, sind antike Beispiele von zerstreuten Philosophen. Sie können nach der Poetik des Aristoteles keine "besseren Menschen" sein, taugen also nicht zur Tragödie.

In eine ähnlichen Umbruchszeit fallen die Ursprünge des "wahnsinnigen" Wissenschaftlers. Die moderene Wissenschaft hat ihre Wiege in der Renaissance, in einer Zeit als wiederum die Macht der Religion -- der katholischen Kirche -- kritisch hinterfragt wird. Die Gelehrten als "Ersatzpriester" können sich aber nicht auf göttliche Unterstützung ihrer Stellung berufen und werden Zielscheiben von Verzerrung und Karikatur. So geht in dieser Zeit Erasmus von Rotterdam mit den Gelehrten seiner Zeit in der "Lob der Torheit" schwer ins Gericht und bezichtigt sie der Weltfremdheit, Unfähigkeit und Eigenbrödelei. Foucault ortet in dieser Zeit die Entstehung eines "klugen Wahnsinns" von Wissenschaftlern, im Gegensatz zum "wahnsinnigen Wahnsinn" der Ungebildeten (Foucault, Wahnsinn u. Gesellschaft).

Die Entwicklung der Figur des verrückten Wissenschaftler aus dem Archetyp des Magiers und Zauberers lassen sich kaum verleugnen. Vor allem in der populären Science-Fiction und in den Comicwelten wird er zwar im Prinzip ohne magische Kräfte gezeichnet, seine Fähigkeiten, die er aber mittels aberwitziger Erfindungen und Gimmicks besitzt, grenzen an Magie und sind kaum davon zu unterscheiden. Dies trifft übrigens auch näherungsweise auf die Wahrnehmung der Wissenschaft in der realen Welt zu, man vergleiche dazu A. Clarkes "drittes Gesetz", wonach "jede hinreichend fortgeschrittene Wissenschaft nicht mehr von Magie zu unterscheiden ist". Ein gutes Beispiel für die Affinität zur Magie ist auch der Prototyp des verrückten Wissenschaftlers, Goethes "Faust". Das historische Vorbild, Johannes Faustus war Magier, in Goethes Drama wird er ein viel studierter Gelehrter, doch die Anklänge an esoterische Praktiken sind offensichtlich (Pentagramm). Das faustische Element, sich über herkömmliche Konventionen hinwegzusetzen, um nach höheren Zielen zu streben, ist bis heute noch ein gern benutztes Versatzstück, um den (meist bösen) Wissenschaftler zu charakterisiern, der Allmachtsphantasien hegt und die Weltherrschaft anstrebt (z.B. Blofeld aus James Bond, Lex Luthor aus Superman, und als Parodie der Brain aus "Pinky und der Brain").


[Bearbeiten] Entwicklung seit 1945

Nach dem Zweiten Weltkrieg liess sich ein beträchtlicher Zuwachs in der Verwendungshäufigkeit des Figurentypus des verrückten Wissenschaftlers beobachten. Die bestialischen medizinischen Experimente in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern, sowie überhaupt die Ideologisierung der Wissenschaft (Schaffung einer "deutschen Physik“!) durch die totalitären Staaten riefen bei weiten Teilen der Bevölkerung Skepsis und Misstrauen gegen das Arbeitsgebiet „Wissenschaft“ und die in diesem Arbeitsgebiet Tätigen hervor. Die Erfindung und der Einsatz der Atombombe – zu dem es kam, obwohl die Erbauer der Bombe es für möglich hielten durch die Zündung der Bombe die gesamte Erdatmosphäre in Brand zu setzen – schürten dieses Unbehagen weiter. In nuce, der Argwohn und die Furcht vor der Wissenschaft und denen, die sie betrieben, hatte neue, bisher unbekannte Ausmaße erreicht.

Der nukleare Rüstungswettlauf der beiden Weltblöcke während des Kalten Krieges, der nach der Strategie der MAD – Mutual Assured Destruction (wechselseitige sichere Vernichtung) – betrieben wurde, wurde unter dem vielsagenden Namen „Gleichgewicht des Schreckens“ zum ständigen Symbol des Gefahrenpotentials, das von der Wissenschaft ausging. Insbesondere das Weiterrüsten der Weltmächte USA und UdSSR trotz des Erreichens der sogenannten „Overkill-Kapazitäten”, also dem Potential, die Weltbevölkerung durch die bereits existierenden Vernichtungswaffen gleich mehrfach auszulöschen, illustrierte in den Augen vieler Miterlebender auf eindrückliche Weise die Widervernunftmäßigkeit des wissenschaftlichen Forschens.

Der Film Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben von Stanley Kubrick mit Peter Sellers in der Titelrolle, spiegelt stellvertretend für viele andere Erzeugnisse die Furcht vor der destruktiven und devastierenden Macht der Wissenschaft wieder, die sich im verrückten Wissenschaftler verkörperte.

Mit dem allmählichen Ausklingen des Kalten Krieges in den 1980ern und seiner definitiven Beendigung 1990 mit dem Zerfall des Ostblocks trat die Bedrohung der Menschheit durch die Wissenschaft in den Hintergrund. Dementsprechend machte der verrückte Wissenschaftler für andere Schurkentypen Platz, die der gewandelten Weltsituation angemessener waren. Im Zeitalter der Globalisierung und Medialisierung ist insbesondere der Typ des machtgierigen Geschäftsmannes (oder Geschäftsfrau), der seine düsteren Machenschaften hinter einer Fassade von Kultiviertheit und Respektabilität kaschiert, an die Stelle des verrückten Wissenschaftlers als dominierender Schurken-Typus getreten.

Symbolträchtig hierfür wäre etwa Geheimagent James Bond, der in den 1960er Jahren noch Wissenschaftler-Schurken wie Dr. No und Ernst Stavro Blofeld bekämpfte, in den 1990er Jahren nahezu ausschließlich auf Gegenspieler wie den Medienmogul Elliott Carver oder die Industrielle Elektra King verwiesen war. Ein anderes Beispiel für den „Trend“ vom verrückten Wissenschaftler zum maliziösen Wirtschaftsmenschen wäre Supermans ewiger Erzfeind Lex Luthor: dieser wurde von einem archetypischen Mad Scientist in den 1980er Jahren in das korrupte Oberhaupt eines international operierenden Mammutkonzerns umgewandelt, der seinen Einfluss und seine finanziellen Ressourcen für allerlei fragwürdige Händel nutzt.

[Bearbeiten] Vorbilder in der realen Welt

Der geniale russische Mathematiker Grigori Perelman verkörpert in seiner Medienscheu und durch seine spleenigen Angewohnheiten den Typus des verrückten Wissenschaftlers, der zu außerordentlichen wissenschaftlichen Leistungen fähig ist.

[Bearbeiten] Literatur

  • Haynes, Roslynn Doris (1994). From Faust to Strangelove: Representations of the Scientist in Western Literature. Baltimore: Johns Hopkins University Press. ISBN 0-8018-4801-6.
  • Christopher Frayling - Mad, Bad and Dangerous?: The Scientist and the Cinema (Reaktion Books, 2005) ISBN 1-86189-255-1
  • Junge, Torsten; Doerthe Ohlhoff (2004). Wahnsinnig genial: Der Mad Scientist Reader. Aschaffenburg: Alibri. ISBN 3-932710-79-7.
  • Tudor, Andrew (1989). Monsters and Mad Scientists: A Cultural History of the Horror Movie. Oxford: Blackwell. ISBN 0-631-15279-2.

[Bearbeiten] Weblinks

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