Synode von Estinnes

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Die Synode von Estinnes fand am 1. März 743 statt und diente dazu, auch für Neustrien eine Kirchenreform im Sinne des Bonifatius durchzuführen, wie sie bereits 742 (743?) auf dem Concilium Germanicum vereinbart worden war.

Der Ort der Synode, die karolingische Pfalz villa listinas, entspricht dem heutigen Estinnes bei Binche im Hennegau. Auf dem Programm stand nicht zuletzt die Kirchenorganisation in den Machtbereichen der Hausmeier Pippin der Jüngere und Karlmann. Beide Gebiete sollten je zwei Erzbischöfe erhalten: In Karlmanns Bereich Bonifatius in Germanien und Grimo in Rouen und in Pippins Bereich Abel in Reims und Ardobert in Sens. Treibende Kraft hinter der Reform war Bonifatius, der auf diese fränkischen Reichssynoden bestand, da entsprechende Versammlungen seit vielen Jahrzehnten nicht mehr einberufen worden waren. Entsprechende Missstände waren eingerissen und Bonifatius fand sehr harte Worte gegen den in seinen Augen stark verweltlichten und heruntergekommenen Klerus (so wetterte er gegen Kleriker, die seit ihrer Jugend immer in Unzucht, immer in Ehebruch und immer in allerlei Schmutzereien gelebt haben. ... Sie haben vier oder fünf oder nochmehr Beischläferinnen im Bett und empfinden weder Scham noch Furcht beim Verlesen des Evangeliums.) Ganz ohne Eigennutz ging allerdings auch Bonifatius nicht vor, dem daran lag, Erzbischof von Köln zu werden. Stattdessen wurde er mit dem Mainzer Stuhl abgefunden - dessen Besitzer sich einer Blutrache schuldig gemacht hatte und für Bonifatius das Paradebeispiel eines verkommenen Bischofs war - und er durfte den Erzbischofstitel nur ad personam tragen.

Richtig war allerdings, dass Bildung und katholische Lehre vielerorts im argen lagen. So wundert es nicht, dass auch falsche Propheten wie Adalbertus auftraten, der die Priester schmähte, die Sakramente als wertlos erachtete und erklärte, er habe seine Lehre durch Briefe von Jesus erhalten. Natürlich wurde Adalbert von der Synode verdammt, ebenso seine Engellehre, der der Papst etwas später seine Lehre von den drei Erzengeln entgegenstellte.

Geregelt wurde außerdem, dass Klerikern ein Waffenverbot auferlegt wurde, ebenso ein Verbot zu jagen. Am problematischsten erwies sich allerdings das Verhältnis zwischen Kirche und Staatsgewalt, zumal wenn es um konkrete Rechte ging wie den Kirchenbesitz. Dieser wurde ja von Karl Martell zu großen Teilen an dessen Anhänger vergeben, um diese im Rahmen des entstehenden Feudalsystems einzubinden und ihre Leistungskraft für die staatliche Gewalt nutzbar zu machen. Begründet wurden derartige "Zwangsenteignungen" zu Lasten der Kirche mit zu großem Unabhängigkeitsstreben einiger Kirchenfürsten und mit dem höheren Zweck, die Christenheit mit Waffengewalt, also mit kampffähigen Rittern, zu verteidigen. Die Kirche vertrat dagegen die Position, dass solche Enteignungen einem Rechtsbruch gleichkämen und auch gegen Kirchenrecht verstießen. Die Synode von Estinnes versuchte hier einen Kompromiss: Den enteigneten Kirchen stand eine Entschädigung, zu zahlen von den neuen Besitzern, von 12 Denaren je Hofstätte zu, wobei das Ganze in der Rechtsform der Prekarie organisiert wurde. Die Hausmeier waren aber auch weiterhin auf die Heranziehung von Kirchengütern angewiesen und die Bekräftigung, diese Güter würden mit Gottes nachsichtiger Duldung (nur) für einige Zeit zurückbehalten, konnte den Klerus kaum zufriedenstellen, da Enteignungen nur dann unzulässig sein sollten, wenn das betroffene Bistum dadurch in extreme Armut gestürzt würde. In einigen Punkten konnte Bonifatius wohl sowohl Kirchendisziplin, wie Kirchenorganisation und Dogmatik durchsetzen, insgesamt traf er aber auf eine Opposition, gerade auch bei den Bischöfen (allen voran Bischof Milo von Trier), die ihm das Leben schwerzumachen verstand.