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Schulprogramm (historisch)

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Dieser Artikel befasst sich mit dem Schulprogramm als historischer Publikation. Für den Begriff in der gegenwärtigen Bildungsdiskussion siehe Schulprogramm.
Titelblatt eines Schulprogramms aus Culm von 1854, zweisprachig
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Titelblatt eines Schulprogramms aus Culm von 1854, zweisprachig
Einladung zu einer Lehrveranstaltung des Königlichen Gymnasiums in Altona, 1740
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Einladung zu einer Lehrveranstaltung des Königlichen Gymnasiums in Altona, 1740
Tabelle der Lektionen des Königlichen Gymnasiums in Altona, 1777
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Tabelle der Lektionen des Königlichen Gymnasiums in Altona, 1777
Ankündigung der Lehrveranstaltungen eines Direktors und Bibliothekars, 1792
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Ankündigung der Lehrveranstaltungen eines Direktors und Bibliothekars, 1792

Ein Schulprogramm war im 19. und frühen 20. Jahrhundert eine von einer höheren Schule jährlich herausgegebene gedruckte Veröffentlichung, die den Jahresbericht der Anstalt in der Regel mit einer wissenschaftlichen Abhandlung verband und durch Austausch unter den Schulen verbreitet wurde. Die Schulprogramme stellen in Deutschland für die Erforschung der Entwicklung des Schulwesens eine einzigartige und herausragende Quelle dar.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Entstehung

Die Schulprogramme gingen aus den Einladungen von Lehranstalten zu den alljährlichen Prüfungen und Vorträgen, den Vorläufern des Abiturs, hervor. Solche gedruckten Einladungsschriften sind bereits aus dem Ende des 16. Jahrhunderts bekannt.[1] Im 18. Jahrhundert wurde es darüber hinaus zunehmend üblich, dass ein Gymnasium Academicum die Einladungen auch zu einzelnen besonderen Lehrveranstaltungen drucken ließ, da diese nicht selten öffentlich waren. Das Lehrprogramm des jeweiligen Schuljahres wurde in gedruckten Heften tabellarisch aufgeführt und mit Erläuterungen versehen. Oft wurden diese Veranstaltungskalender auch durch lateinisch abgefasste Abhandlungen ergänzt, in denen die Professoren sich mit den Gegenständen ihrer Lehre befassten und ihre wissenschaftliche Exzellenz zu zeigen trachteten. Diese Publikationen wurden gesammelt und, in chronologischer Folge gebunden, als Opusculi Professorum aufbewahrt.

1824 machte ein Erlass des Kultusministeriums, die Gymnasial-Prüfungsprogramme betreffend, für alle preußischen Gymnasien zur Pflicht, regelmäßig Rechenschaft über die geleistete Arbeit, die Inhalte der Lehre und die Prüfungen abzulegen in Form von Programmen, die einmal im Jahr veröffentlicht werden sollten. Kurz darauf wurde ein landesweiter Austausch organisiert, dem sich schon 1831 die Freien Städte Frankfurt am Main und Lübeck, 1836 Sachsen und weitere Staaten anschlossen.

Die Programme dienten dem gegenseitigen Wissens- und Erfahrungsaustausch und der Fortbildung. Außerdem waren sie ein Mittel der Öffentlichkeitsarbeit. Daneben konnte die preußische Schulaufsicht durch sie eine gewisse Vereinheitlichung erreichen.

[Bearbeiten] Aufbau

In den folgenden Jahrzehnten erhielten die Schulprogramme einen einheitlichen Aufbau, der für Preußen folgendermaßen vorgegeben war:

  • Abhandlung über ein wissenschaftliches Thema vom Direktor oder einem Mitglied des Lehrkörpers (bis 1872 verpflichtend, dann fakultativ als Beilage)
  • Schulnachrichten
I. Lehrverfassung;
A. Lehrplan für das Schuljahr;
a. Allgemeiner Lehrplan;
b. Verteilung der Fächer auf die einzelnen Lehrer
c. Spezieller Lehrplan der Klassen
B. Übersicht über die erlassenen Verfügungen von allgemeinem Interesse
II. Chronik des verflossenen Schuljahres
III. Statistische Nachrichten
A. Curatorium und Lehrer-Kollegium der Anstalt
B. Frequenz der Anstalt / Namen der Abiturienten
C. Stand des Lehrapparates
D. Etat der Anstalt
IV. Stiftungen der Schule
V. Besondere Mitteilungen an die Eltern[2]

Im Gegensatz zum heutigen so genannten Schulprogramm sind die Programme des 19. Jahrhunderts nicht Zielvorstellungen und Profilbeschreibungen für die zukünftige Entwicklung einer Schule, sondern Rechenschaftsberichte über das zurückliegende Schuljahr; allerdings ist auch auf diese Weise das Schulprofil deutlich erkennbar. Am ehesten sind die Schulprogramme noch mit den Yearbooks amerikanischer Schulen und Colleges vergleichbar.

Seit 1899 hießen die Programme offiziell nur noch Jahresberichte, eine Namensänderung, die sich nur langsam durchsetzte, allerdings den Begriff Schulprogramm für diese Berichte bis heute nicht hat verdrängen können. Auch die weit älteren Vorlesungsanzeigen werden in der Literatur längst als Schulprogramme geführt.

[Bearbeiten] Erfolg und Krise

Die Idee zur Vereinheitlichung und zum Austausch der Schulprogramme war ihr Segen und Fluch zugleich.

Schon 1860 nahmen 350 Anstalten am Austausch teil; 1869 verzeichneten manche Schulen schon 10.000 Exemplare. Obwohl 1872 die bis dahin geltende Pflicht zur Abhandlung in die Möglichkeit ihrer Beigabe umgewandelt wurde, waren die Behörden mit dem Austausch zunehmend überfordert. Daher wurde der Austausch 1876 dem Verlag Teubner in Leipzig übergeben, der ihn mit großem logistischen Einsatz bis 1916 weiterführen konnte. Um diese Zeit waren, so schätzt C. Struckmann, bei kontinuierlicher Sammeltätigkeit „an einer preußischen Schule maximal 50000 Programme vorhanden“.[3]

In dieser gewaltigen Menge ging der ursprüngliche Ansatz, nämlich eine Plattform für Fortbildung und Unterrichtsphilosophie zu schaffen, schlicht unter. Hinzu kamen Probleme bei der Archivierung und Katalogisierung. Während diese in einigen Schulen nach den Schulorten (Provenienzprinzip) erfolgte, geschah dies andernorts nach den Themen der Abhandlungen (Pertinenzprinzip), was die Geschlossenheit der Überlieferung zerstörte. Einige Schulen verzichteten ganz auf Katalogisierung, was das gesamte Material unzugänglich machte.

In vielen Fällen wurde dieser Altbestand zunehmend als Belastung empfunden. Eine Verordnung von 1943 erklärte die Schulprogramme für „zweifellos meistens entbehrlich“ und ordnete die Überweisung in die Altmaterialsammlung an.[4]

Was diese Aussonderung überlebte, landete allzu oft in den 60er Jahren im Müll oder im antiquarischen Buchhandel. Die heute umfangreichste Sammlung an Schulprogrammschriften in der Justus-Liebig-Universität Gießen entstand durch den Ankauf von 12.000 Exemplaren aus dem Antiquariatshandel im Jahre 1969.

Schulprogramm des Gymnasiums zu Memel, 1866; Titelblatt
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Schulprogramm des Gymnasiums zu Memel, 1866; Titelblatt

[Bearbeiten] Bedeutung

Bedingt auch durch die schlechte bibliographische Zugänglichkeit, setzte sich die Einsicht in die Bedeutung der Schulprogramme als Quelle erst nach und nach durch. Im Vorwort zum Katalog der Sammlung in der Lübecker Stadtbibliothek heißt es dazu, Schulprogramme seien „eine der vornehmsten Quellengattungen für Forschungen auf den Gebieten Schulgeschichte, Geschichte der Pädagogik, historische Bildungssoziologie, Schulvolkskunde und Ideologiegeschichte“.[5]

Die Abhandlungen geben einen reichen Einblick in die weitgestreuten wissenschaftlichen Interessen des Lehrpersonals. Sie machen deutlich, welchen hohen Anspruch vor allem die Gymnasien vertraten. Doch boten sie ebenso oft – vor allem bevor es dementsprechende Zeitschriften gab – eine Plattform z. B. für lokalhistorische und pädagogische Abhandlungen und spiegeln zeitgemäße Bewegungen in der Wissenschaftslandschaft wider, so etwa den rasanten Aufstieg der Naturwissenschaften in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.[6]

Einige Schulprogramm-Abhandlungen haben unterdessen sogar besondere wissenschaftliche Bedeutung erlangt, etwa wenn sie zwischenzeitlich nicht ersetzte Editionen entlegener, auch literarischer Texte enthalten.

Die eigentlichen Jahresberichte sind eine Fundgrube für sonst nur schwer erhebbare Daten und Fakten und gewährleisten für einige Schulen, beispielsweise für die der deutschen Ostgebiete, nach Kriegszerstörung deren einzige Überlieferung, insbesondere durch die von den preußischen Instrukteuren in den Schulprogrammen geforderten chronistischen Anteile. In einigen glücklichen Fällen, die indes im wesentlichen westdeutsche Anstalten sind, konnten nach dem Ende der Rechenschaftspflicht die Chroniken der Schulen und die Berichte über das Geleistete in anderen Publikationen weiter geführt werden, z. B. in den Veröffentlichungen von Freundes- und Fördervereinen der Gymnasien.

[Bearbeiten] Überlieferung

Umfangreiche Bestände an Schulprogrammen finden sich neben den schon erwähnten Sammlungen in Gießen und Lübeck vor allem in der zentralen preußischen Sammlung der früheren Reichsstelle für Schulwesen in Berlin, seit 1997 in der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung, sowie in der Bibliothek der Franckeschen Stiftungen in Halle (Saale).

Eine Reihe von Schulprogrammen liegt mittlerweile auch digitalisiert vor.

[Bearbeiten] Literatur

  • Siegrid Kochendörfer, Elisabeth Smolinski, Robert Schweitzer: Katalog der Schulprogrammsammlung der Stadtbibliothek Lübeck. Bibliothek der Hansestadt Lübeck, Lübeck 2000 (Veröffentlichungen der Stadtbibliothek Lübeck: Reihe 3; 12: Verzeichnisse), ISBN 3-933652-10-3.
  • Franz Kössler: Verzeichnis von Programm-Abhandlungen deutscher, österreichischer und schweizerischer Schulen der Jahre 1825–1918 : alphabetisch geordnet nach Verfassern. 5 Bände, Saur, München/London/New York/Paris 1987–1991, ISBN 3-598-10665-3.
  • Freidank Kuchenbuch: Über alte Stendaler Schulprogramme. In: 600 Jahre Gymnasium zu Stendal 1338–1938. Festschrift 1938; S. 149ff. (Mit einer Bibliographie Stendaler Schulprogramme vom 17. Jahrhundert bis 1825) (Digitalisat).
  • Richard Ullrich: Programmwesen und Programmbibliothek der Höheren Schulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz: Übersicht der Entwicklung im 19. Jahrhundert und Versuch einer Darstellung der Aufgaben für die Zukunft. Weidmann, Berlin 1908. (Erweiterter Abdruck aus der Zeitschrift für das Gymnasialwesen Bd 61 1907) (Digitalisat).

[Bearbeiten] Weblinks

Commons: Schulprogramme (historisch) – Bilder, Videos und/oder Audiodateien

[Bearbeiten] Anmerkungen

  1. vgl. Kuchenbuch (1938) S.149
  2. nach: Michael Morkramer: Ostendorf-Gymnasium Lippstadt: 150 Jahre Lippstädter Schulprogramme. Digitalisat
  3. Caspar Struckmann: Schulprogramm und Jahresprogramme: Zur Geschichte einer wenig bekannten Schriftenreihe (Dgitalisat), S. 6.
  4. Struckmann, S. 6
  5. zitiert nach der Rezension des Katalogs
  6. Einen tabellarischen Überblick über behandelte Themen bietet Struckmann, S. 4
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