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Politische Theologie

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Für Politische Theologie gibt es folgende Definitionen:

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Politische Theologie als „theologia civilis“

Einige Interpretatoren verbinden mit dem Begriff der Politischen Theologie eine Hinterlassenschaft aus dem philosophiegeschichtlichem Übergang vom Mythos zum Logos im alten Rom, als Varro mit dem Begriff „theologia civilis“ die den Kaiserkult legitimierende „Bürgerliche Theologie“ von der „theologia mythica“ („mythische Theologie“) und „theologia naturalis“ („natürliche Theologie“) abgrenzte. In der Übersetzung wurde dieser Begriff dabei meist als „Politische Theologie“ wiedergegeben. Dabei handelt es sich aber aufgrund der damaligen Begriffsbedeutung von Theologie aus heutiger Sicht theoretisch weiterhin um politisch verzweckte „Mythologie“ bzw. praktisch ausgeübt um „politischen Mythos“ (Ernst Cassirer) bzw. „politische Religion“ (Eric Voegelin). In dem Maße als im Mittelalter oder in der Neuzeit versucht wurde, diese „theologia civilis“ in welcher Form und Absicht auch immer wiederzubeleben, wird heute von der „Politischen Theologie“ bestimmter mittelalterlicher und neuzeitlicher Autoren gesprochen, meist in Abgrenzung zum Begriff „Politische Philosophie“. Auch dabei handelt es sich aber nicht um Theologie im Sinne eines Reflektierens über Gott, sondern um eine Benutzung theologischer Gehalte zur Legitimierung politischen Verhaltens.

[Bearbeiten] Erledigungsthese Erik Petersons

In diesem Sinne erklärt Erik Peterson in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts die antike „politische Theologie“ zu Recht mit dem Christentum für im Grunde erledigt, und gleichzeitig alle seitherigen und zeitgenössischen Versuche, diese wiederzubeleben. Dabei führt er ausdrücklich den Namen des Verfassungsrechtlers Carl Schmitt an. Hans Maier dehnt die Erledigungsthese nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil auf die sogenannte „neue“ Politische Theologie um den Münsteraner Theologen Johann Baptist Metz aus. Tatsächlich sind mit Carl Schmitt und Johann Baptist Metz die bekanntesten Protagonisten benannt, denen heute im deutschen wissenschaftlichen Diskurs noch Bedeutung zukommt.

[Bearbeiten] Politische Theologie Carl Schmitts

Der heutige Begriffsgebrauch wurde tatsächlich von Carl Schmitt in seinen Büchern „Römischer Katholizismus und politische Form“ sowie „Politische Theologie“ geprägt. Er verarbeitet darin (beschreibend, aber auch polemisch) die theologiegeschichtliche Entwicklung der Neuzeit im Blick auf politische, staatliche und staatskirchenrechtliche Fragestellungen. Geprägt von der Philosophie der Scholastik und Hegel orientiert er sich an den Autoren der katholischen Restauration (z.B. Donoso Cortés). Er versucht, aus diesem Verständnis heraus, die politische Verfassung der Weimarer Republik zu kritisieren und schlägt sich von 1933 bis 1936 (zum Teil aus opportunistischen Gründen, zum Teil aus Überzeugung, zum Teil wegen strategischer Hoffnungen, aber zum Teil auch mit antisemitistischer Attitüde) auf die Seite der Nationalsozialisten, als deren „Kronjurist“ er bald gilt. Diese haben ihn dann aber bald als „zu katholisch“ fallen gelassen. Gemeinsam u.a. mit dem Kirchenrechtler Hans Barion und dem Theologen Karl Eschweiler bildet er somit die erste Richtung „politischer Theologie“, die sich innerkirchlich schließlich gegen das II. Vatikanische Konzil (als zu progressiv) wenden wird (vgl. Thomas Marschler, Kirchenrecht im Bannkreis Carl Schmitts. Hans Barion vor und nach 1945, Bonn 2004).

[Bearbeiten] Politische Theologie Johann Baptist Metz'

Gegen diese aus seiner Sicht „alte“ Politische Theologie wendet sich Johann Baptist Metz nach dem Zweiten Weltkrieg mit seiner alsbald auch selbst so benannten „neuen“ Politischen Theologie. Faktisch knüpft er damit aber an die Vertreter des katholisch modifizierten Sozialismus (bspw. Heinrich Mertens, Walter Dirks, Ernst Michel) an, bei denen die „neue“ Politische Theologie bereits grundgelegt ist. Metz selbst und seine Schüler sprechen im Blick auf ihre Politische Theologie von einer Neuschöpfung des Begriffs, da es ihnen um eine „theologische Politische Theologie“ (T. R. Peters) gehe. Tatsächlich neu ist, dass Metz, beeinflusst von der Frankfurter Schule, insbesondere von Walter Benjamin und Theodor W. Adorno, seine politische Theologie als eine Theologie „nach Auschwitz“ ausgearbeitet hat. Weniger politisch argumentierende Theologen halten schon das für „untheologisch“; zuzubilligen ist freilich, dass dieses Fazit des totalitären Autoritarismus das Weltbild der „rechten“ politischen Theologie erschüttert hat. Unter anderem im Bereich der Liberalismuskritik gibt es aber nach wie vor viele Parallelen „rechter“ wie „linker“ politischer Theologen.

Die Auseinandersetzung zwischen der alten und der neuen politischen Theologie versucht Jürgen Manemann, einer der profiliertesten Vertreter der neuen politischen Theologie, weiterzuentwickeln und für den gegenwärtigen demokratietheoretischen Diskurs fruchtbar zu machen. Die wichtigsten theologisch-politischen Debatten werden gegenwärtig im „Jahrbuch Politische Theologie“ geführt.

[Bearbeiten] Erledigungsthese des Kritischen Rationalismus

In diese Diskussion greift nun aus wissenschaftstheoretischer Sicht in den siebziger Jahren der deutsche Kritische Rationalismus (Hans Albert, Hans Blumenberg) ein, der sich dabei formal auf die Seite der Erledigungsthese schlägt, dabei aber aus agnostischen bis atheistischen Motiven die theologische Erledigungsthese selbst „miterledigt“. Die so gen. „Offene Gesellschaft“ duldet keine Inspiration aus religiöser Richtung, da der kritische Rationalismus jedes religiöse Vorverständnis missbilligt. Aus katholischer Sicht liegt hier jedoch eine Verwechslung zwischen naturalistischer Zivilreligion und christlicher Offenbarung vor. Den Anspruch des Katholizismus, sichtbar im Papsttum, „über der Politik“ zu stehen, verwirft der kritische Rationalismus als indiskutabel.

[Bearbeiten] Notwendigkeit und Grenzen Politischer Theologie

Infolge all dieser Auseinandersetzungen wurde dabei aber die Frage nach dem eigentlichen Ort einer neuzeitlichen Politischen Theologie nicht mehr gestellt. Sie wurde erst wieder durch Ernst-Wolfgang Böckenförde gestellt, als er von den Voraussetzungen des Staates sprach, die er selbst nicht herstellen bzw. gewährleisten kann (sog. Böckenförde-Diktum). Diese Voraussetzungen seien faktisch auch religiös bedingt.

So verstanden ist die eigentliche Aufgabe Politischer Theologie, die Voraussetzungen der Politik einer theologischen Reflexion und Kritik zu unterziehen, eben damit theologische Gehalte nicht zur Legitimierung von politischen Zuständen – sei es des Status-Quo, sei es von „konservativen“ bzw. „progressiven“ Revolutionen – bestimmt werden. In diesem Sinn ist Politische Theologie notwendig. Die weitergehende Frage gilt daher den Grenzen und den Methoden.

Manche Theologen bevorzugen daher, den Anwendungsbereich eigentlich „politischer“ Theologie darauf zu beschränken, dass die Theologie als Wissenschaft sich ihrer Situation innerhalb der politischen Diskussion selbstkritisch bewusst ist. Politische Wirkung wird zunehmend als Aufgabe angesehen, die von „Laien“ (im Sinne von nicht theologisch „studierten“ Gläubigen) in ihren Lebensbereichen zu leisten ist. Jede unmittelbare Übersetzung von theologischen Forschungsergebnissen und Lehrsystemen in (an die Politik adressierte) Forderungen setzt sich, ob nun „links“ oder „rechts“ positioniert, dem Verdacht aus, Religion durch Politik ersetzen zu wollen. Typische Beispiele für eine „rechtslastige“ Modernität politischer Theologie war in Frankreich die Action Francaise, im Deutschen Reich die Bewegung Deutsche Christen und in Spanien bestimmte Bestrebungen, das Staatskirchentum unter Franco weiterhin für zukunftsweisend zu erachten. Beispiele für eine „linkslastige“ politische Theologie waren europäische Erscheinungen der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts, etwa die „Friedenspriester“ in den Ostblockstaaten oder auch die Befreiungstheologie. Kennzeichnend für alle diese Entwürfe ist, dass sie regelmäßig kaum breitere Wirksamkeit im Kirchenvolk erzielen.

[Bearbeiten] Alternative politische Theologie (Romano Guardini)

Aus diesen Beweggründen hat zum Beispiel der Religionsphilosoph Romano Guardini versucht, gegen die hegelianisch geprägten Politischen Theologien eine alternative politische Theologie zu entwickeln. Kern ist dabei die 1925 veröffentlichte Gegensatzlehre, die statt der hegelianischen Dialektik von Widersprüchen (These-Antithese), die sich in Synthesen hinein auflösen, echte Widersprüche von polaren Gegensätzen streng unterscheidet und letztere im Sinne einer personalistischen Dialogphilosophie als lebendig-konkrete Spannungseinheit darstellt. In diesem Sinne ist sein Ansatz als Politische Theologie des „Menschlich-Unerlässlichen im Neuen“ zu verstehen.

Es bleibt abzuwarten, ob diese Initiative im 21. Jahrhundert wieder aufgegriffen werden kann. Unbestritten steht die Weltpolitik vor Herausforderungen, die wohl kaum bezwungen werden können, wenn sich die Vertreter christlicher Kirchen dem Dialog mit dem jeweiligen Gegenüber in Politik und Gesellschaft entziehen. In diesem Sinne hat sich auch Papst Benedikt XVI. in seiner ersten Enzyklika bereits geäußert (Nr. 26 ff.).

[Bearbeiten] Literatur

  • Heinrich Meier: Was ist Politische Theologie?, Carl Friedrich von Siemens Stiftung 2006, ISBN 3938593032
  • Thomas Marschler: Kirchenrecht im Bannkreis Carl Schmitts. Hans Barion vor und nach 1945, Bonn 2004, ISBN 3936741212

[Bearbeiten] Weblinks

  • Literatur über Politische Theologie in Bibliothekskatalogen: DNB GBV

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