Lesebuch
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Der Ausdruck Lesebuch bezeichnet eine Zusammenstellung von Texten oder Textabschnitten zum Zwecke des Lesenlernens und der Beschäftigung mit literarischen Texten.
[Bearbeiten] Schullesebuch
Das Schullesebuch kam bereits in den Lateinschulen des Mittelalters auf, das christlich-theologische Texte vermittelte. Im 15./16. Jahrhundert gesellte sich das Realienbuch mit Stoffen aus Natur und Umwelt hinzu. Die reformatorisch geprägte Neuzeit unterscheidet in der Schullektüre vom Lesebuch weiterhin Bibel, Katechismus sowie die Fibel zur Vermittlung des Alphabets (ABC-Buch).
Das Lesebuch als pädagogisches Medium mit moralischer Zielstellung entstand exemplarisch in Eberhard von Rochows Kinderfreund 1776, das mit Beispielgeschichten die Sozialisation in die Gesellschaft zu erreichen suchte. In Anlehnung an den Katechismusunterricht war der Text zu verstehen und seine Bedeutung zusammenfassend auswendig zu lernen.
Im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert wandten sich die Lesebücher von den aufklärerischen Wurzeln ab und dem wachsenden Nationalismus zu. Suchte man zunächst die Gesinnungsbildung durch Dichtung („deutsche Chrestomathie“) zu vermitteln, setzte man z. B. seit dem Deutschen Lesebuch Philipp Wackernagels 1843 bewusst auf die nationale Bildung und Erziehung, die etwa im Rückgriff auf das Mittelalter ein angebliches „deutsches Wesen“ idealisierte und in moralisierenden Exempeln die Haltung zu Kirche, Kaiser und Familie, zu Arbeit und Gehorsam erzog. Dazu dienten neben Originaltexten Sprüche, Parabeln oder Fabeln.
Der Nationalsozialismus versah die Lesebücher unter Rückgriff auf romantisierendes Blut-und-Boden-Gedankengut mit rassistisch-völkischen Ideen.
Während die Lesebücher in den Anfangsjahren der BRD einen Rückzug in eine unpolitische Heimatlichkeit antraten (Sieben Ähren oder Silberfracht), setzte man in den Lesebüchern der DDR bei Rückgriff auf progressive Literaturtraditionen einerseits auf eine konsequente Abrechnung mit dem Faschismus, andererseits mit dem Kalten Krieg auf die Abgrenzung vom Westen und eine ideologische Integration in das Lager des „real existierenden Sozialismus“.
Nach der Kritik über den Provinzialismus der bisherigen Lesebücher entstanden in den 1970ern in der BRD eine Vielzahl unterschiedlicher Lesebücher, etwa das Literarische Arbeitsbuch, das von konservativer Seite heftig attackiert wurde.
Durch die wachsende Medienvielfalt im Schulunterricht ist die Debatte um das Lesebuch verebbt. Seine hohe Bedeutung bleibt unter den vielen Schulmedien erhalten.
[Bearbeiten] Anthologie
Der Ausdruck Lesebuch hat sich auch für die literarische Anthologie für ein breiteres Lesepublikum erhalten.
Zu Bekanntheit kamen dabei u. a.
- Deutsches Lesebuch (Hofmannsthal), Hg.: Hugo von Hofmannsthal, 1922/23
- Deutsches Lesebuch. Von Luther bis Liebknecht, Hg.: Stephan Hermlin, 1976
[Bearbeiten] Literatur
- Swantje Ehlers (Hrsg.): Das Lesebuch. Zur Theorie und Praxis des Lesebuchs im Deutschunterricht. (= Diskussionsforum Deutsch; Bd. 12). Schneider Verlag Hohengehren, Baltmannsweiler 2003, ISBN 3-89676-724-0
- Brigitte Hauschild: Eine Lesebuch-Ausstellung in der Universitätsbibliothek Gießen. (= Berichte und Arbeiten aus der Universitätsbibliothek Giessen; 24/1975). Universität Gießen, Gießen 1975 (Digitalisat)
- Hermann Helmers: Geschichte des deutschen Lesebuchs in Grundzügen. Klett, Stuttgart 1970, ISBN 3-12-923540-X
- Walther Killy: Zur Geschichte des deutsche Lesebuchs. In: Eberhard Lämmert (Hrsg.): Germanistik, eine deutsche Wissenschaft. Suhrkamp, Frankfurt/Main 1967
- Hermann Korte, Ilonka Zimmer (Hrsg.): Das Lesebuch 1800–1945. Ein Medium zwischen literarischer Kultur und pädagogischem Diskurs. Vorträge des 2. Siegener Symposions zur Literaturdidaktischen Forschung. (= Siegener Schriften zur Kanonforschung; Bd. 3). Lang, Frankfurt am Main u. a. 2006, ISBN 3-631-55874-0
- Peter Martin Roeder: Zur Geschichte und Kritik des Lesebuchs der höheren Schule. (= Marburger Pädagogische Studien; Bd. 2). Beltz, Weinheim/Bergstraße 1961
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