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Kurt Gerstein

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Kurt Gerstein (* 11. August 1905 in Münster (Westfalen); † 25. Juli 1945 in Paris) war als SS-Obersturmführer einer der Abteilungsleiter im Hygieneinstitut der Waffen-SS. Im August 1942 wurde Gerstein auf einer Inspektionsreise, die Verfahren für eine Verbesserung der Massentötungen in den Lagern der Aktion Reinhard herausfinden sollte, Augenzeuge der Vorgänge und des Massenmordes an Menschen in Belzec und Treblinka. Hierüber fertigte er in US-amerikanischer und französischer Internierung im Sommer 1945 drei ausführliche Berichte an, die 1945/46 als "Gerstein-Bericht" in die Dokumentensammlung des Nürnberger Prozesses gelangten.

Inhaltsverzeichnis

Lebenslauf

Sein erstes Studium schloss Gerstein 1931 mit dem Grad eines Diplom-Ingenieurs ab. Während des Studiums war er wie alle übrigen männlichen Gersteins Mitglied des Corps Teutonia Marburg. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde er Bergassessor im Staatsdienst der nationalsozialistischen Regierung. Mitglied in der NSDAP war Gerstein seit März 1933. Als evangelischer Jugendführer, Mitglied der Bekennenden Kirche und des CVJM sowie Mitarbeiter in Bibelkreisen kam er in Konflikt mit der religiösen Bestrebungen misstrauisch gegenüberstehenden NSDAP. Am 24. September 1936 wurde er das erste Mal in Saarbrücken verhaftet und saß bis zum 18. Oktober in Schutzhaft. Daraufhin wurde er aus der Partei ausgeschlossen, womit auch seine Betätigung im Staatsdienst ihr Ende fand. Am 14. Juli 1938 wurde er in Tübingen ein zweites Mal verhaftet, aber sechs Wochen später, am 28. August, wieder freigelassen, weil man Anschuldigungen gegen ihn nicht aufrecht erhalten konnte. Dennoch bemühte sich Gerstein bis 1944 immer wieder um eine neue Aufnahme in die NSDAP, mit deren antisemitischen Zielen er sich offen identifiziert hat.

Im Dezember 1937 begann Gerstein sein Medizinstudium in Tübingen. Anfang 1941 meldete er sich als Freiwilliger bei der SS und trat im März 1941 in die Waffen-SS ein. Nach dem Krieg erklärte er seinen Eintritt folgendermaßen:

Als ich von der Umbringung der Geisteskranken in Grafeneck und Hadamar und anderenorts hörte, beschloss ich auf jeden Fall den Versuch zu machen, in die Öfen hineinzuschauen, um zu wissen was dort geschieht.
Kurt Gerstein am 4. Mai 1945

Seine militärische Ausbildung erfolgte in Hamburg, Arnheim und Oranienburg. Aufgrund seiner medizinischen Kenntnisse wurde er schließlich zum Hygiene-Institut der Waffen-SS versetzt. Dort avancierte er bereits im Januar 1942 zum Chef der Abteilung Gesundheitstechnik, zuständig für den technischen Desinfektionsdienst und somit beteiligt an der Beschaffung von Zyklon B, welches er für die Desinfektionsanlagen benötigte, die er entwickelte.

Im August 1942 erhielt Gerstein den Auftrag, in den Konzentrationslagern Belzec und Treblinka den Massenmord an Menschen mittels Abgasen zu beobachten und Verfahren für eine Verbesserung zu entwickeln. Hierbei wurde er Zeuge, wie Menschen in Gaskammern mit Dieselmotorabgasen umgebracht wurden. Seine Aufgabe war es zu prüfen, ob die Vergasungsanlagen von Diesel auf Zyklon B umgerüstet werden könnten. Seiner späteren Darstellung (Juni 1945) zufolge war er über das, was er gesehen hatte, so erschüttert, dass er auf der Zugrückfahrt von Treblinka am 20. August 1942 dem schwedischen Gesandtschaftsrat Göran von Otter seine Erlebnisse erzählte mit der Bitte, diese an das Ausland weiterzugeben. Auch unternahm er einen Versuch, in gleicher Absicht den Apostolischen Nuntius in Berlin zu treffen, was jedoch scheiterte. Diese Versuche sind durch Nachkriegsaussagen von Zeitzeugen, nicht aber durch zeitgenössische Quellen belegt.

Als ihn im Februar 1943 sein holländischer Freund Ubbink besuchte, erzählte er auch ihm, was er gesehen hatte, und drängte ihn, die Informationen über die Massentötungen in den Konzentrationslagern an "holländische Widerstandskreise" weiterzugeben, damit sie per Funkspruch London erreichten, was auch geschah. Auch diese Aussage ist nach dem Krieg durch einen Zeitzeugen belegt.

Im Laufe der Zeit wurde Gerstein immer weiter in die Vernichtungsmaschinerie hineingezogen, da er im Rahmen seines Dienstes auch Blausäure, die für die Tötung von Menschen bestimmt war, beschaffen musste. Er forderte von der Degesch eine Sonderform des Zyklon B an, das keinen Warn- und Reizstoff enthielt. Allerdings will er diese Lieferungen dann als überlagert und verdorben erklärt oder nur zur Bekämpfung von Läusen verwendet haben.

Seine Verstrickung und das Wissen darum, was in den Konzentrationslagern geschah, führte ihn (angeblich) in immer tiefere Depression und Verzweiflung. Trotzdem versuchte er weiter, vom Regime bedrohten Menschen zu helfen. Zum Beispiel verteilte er gefälschte Ausweise, die den Träger als Angestellten der SS auswiesen, womit er sich selbst in Gefahr brachte.
Am 22. April 1945 stellte sich Gerstein in Reutlingen der französischen Armee und wurde in Gefangenschaft genommen. Er schrieb den "Gerstein-Bericht", angeblich in dem Bewusstsein, damit ein wichtiges Zeugnis zu den Geschehnissen in den Vernichtungslagern abzugeben. Am 25. Juli 1945 wurde er in seiner Zelle im Pariser Militärgefängnis Cherche-Midi erhängt aufgefunden. Es ist bis heute - v. a. aufgrund von Aktenverlusten - umstritten, ob er Selbstmord begangen hat oder ermordet wurde.

Historische Bewertung

Dieser Artikel oder Abschnitt ist nicht oder unzureichend durch Quellenangaben (Literatur, Webseiten usw.) belegt, wodurch eine Löschung der Passage(n) droht.

Es ist schwierig, anhand der vorhandenen, meist autobiographischen Quellen eine eindeutige Kategorie für den Widerstand Kurt Gersteins zu finden. Sein Charakter war voller Widersprüche, die Quellen, zumeist Briefe, sprechen keine einheitliche Sprache.

Auch stand Kurt Gerstein nicht in prinzipieller Opposition zu Nationalsozialismus und NS-Staat. Gerstein erlangte erst allmählich Einsicht in die Taktik, Strategie und Ziele des NS-Regimes, in den Totalitätsanspruch des Nationalsozialismus und dessen grundlegende Gottferne. In der Bekennenden Kirche wirkte er eher am Rande, seine Sorge galt dem Erhalt der kirchlichen Jugendarbeit und war ein Kampf um die verfasste Kirche.

Die Erlebnisse in der SS führten Gerstein dann zu einem verdeckten, wenngleich aktiven Widerstand, den er bis zum Schluss durchhielt: als SS-Offizier, der kriegswichtige Arbeit tat, aber gleichzeitig sabotierte und informierte. Mehr konnte er nicht tun; „was er tat, blieb weitgehend folgenlos“ (Bernd Hey). Gerstein versuchte, Zyklon-B-Lieferungen, die er über sich selbst leitete, unbrauchbar zu machen oder sie für die eigene Entwesungsarbeit zu verbrauchen. Tatsache ist jedoch, dass Gerstein bis Kriegsende beim Hygiene-Institut gearbeitet hat und seine persönlichen Kenntnisse über den Massenmord in Belzec und Treblinka vor dieser Zeit nicht an die Öffentlichkeit gedrungen sind.

Literarisch wurde die Figur des Kurt Gerstein in einer Szene des Dramas "Der Stellvertreter" (1963) von Rolf Hochhuth verarbeitet. Sehr ausführlich tritt Gerstein aber erst in der erfolgreichen französischen Verfilmung des Werkes durch Constantin Costa-Gavras aus dem Jahre 2002 hervor, die ihn ganz in den Mittelpunkt des Dramas stellt.

Literatur

Sachbuch

  • Gräbner, Dieter und Weszkalnys, Stefan: Der ungehörte Zeuge. Kurt Gerstein - Christ, SS-Offizier, Spion im Lager der Mörder. Saarbrücken: Conte Verlag, 2006. 170 S., 60 Abbildungen, Paperback ISBN: 3-936950-45-8
  • Schäfer, Jürgen: Kurt Gerstein - Zeuge des Holocaust. Ein Leben zwischen Schülerbibelkreisen und SS (Beiträge zur Westfälischen Kirchengeschichte, Bd. 16), Bielefeld: Luther-Verlag 1999, ISBN ISBN 3785804075.
  • Hey, Bernd u.a.: Kurt Gerstein (1905 - 1945). Widerstand in SS-Uniform. Bielefeld, 2003. ISBN 3895344869.

Belletristik

  • Joffroy, Pierre: Der Spion Gottes. Berlin: Aufbau, 2002. ISBN 3746680174.
  • Hochhuth, Rolf: Der Stellvertreter. ISBN 3499109972. ("Christliches Trauerspiel" über Kurt Gerstein und die Rolle des Vatikans während des Holocaust)

Quellen

Archivalische Unterlagen von und über Kurt Gerstein befinden sich u.a. in der Sammlung Kurt Gerstein (Bestand 5.2) des Landeskirchlichen Archivs Bielefeld. Dabei handelt es sich zum einen um eine dokumentarische Sammlung von Originalen und Fotokopien über das Leben und die Tätigkeit von Kurt Gerstein, zum anderen um Korrespondenz der Ehefrau Elfriede Gerstein mit Herbert Weißelberg (Kurt-Gerstein-Haus Berchum).

Weblinks

Siehe auch

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