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Generationengerechtigkeit

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Im Kontext des Begriffes Generationengerechtigkeit (oder unter dem Synonym intergenerative Gerechtigkeit) werden derzeit eine Vielzahl politischer und gesellschaftlicher Themen kontrovers diskutiert - darunter die Forderung nach einer Rentenreform oder gar nach einer möglichen Bevölkerungspolitik, die Tatsache einer Altersdiskriminierung in unserer Gesellschaft, z.B. bei der Jobsuche, ebenso wie die hohe Jugendarbeitslosigkeit sowie auch die Problembereiche Umweltschutz und Staatsverschuldung.

Eine Möglichkeit, das Prinzip der Generationengerechtigkeit auf einen Nenner zu bringen, lässt sich folgendermaßen formulieren:

Generationengerechtigkeit ist erreicht, wenn die Chancen zukünftiger (nachrückender) Generationen auf Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse mindestens so groß sind wie die der heutigen Generation (ihnen vorangegangenen Generationen)

Die Intergenerativen Belastungsrechnungen (generational accounting) stellen Instrumente zur Messung der Generationengerechtigkeit bereit.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Begriffsdefinition

Der Begriff Generationengerechtigkeit setzt sich aus den Einzelwörtern Gerechtigkeit und Generation zusammen. Von diesen beiden Bestandteilen ist ‚Gerechtigkeit’ mit Sicherheit schwieriger zu definieren, aber auch der Begriff ‚Generation’ wird in unterschiedlichen Zusammenhängen gebraucht und ist mehrdeutig. Es lassen sich vier unterschiedliche Gebrauchsweisen des Begriffes unterscheiden:

1. Chronologische (temporale) Generation, enger Begriff

Nach dieser Definition leben stets mehrere Generationen gleichzeitig. Grundlage der Zuordnung ist das aktuelle Alter und damit ein bestimmter Geburtsjahrgang. In Deutschland gebären heute Frauen durchschnittlich das erste Kind mit knapp 30 Jahren. Daraus abgeleitet werden die Jahrgänge, die zu einem bestimmten Zeitpunkt die Unterdreißigjährigen stellen, als die junge, die 30-60jährigen als die mittlere und die Übersechzigjährigen als die alte bzw. ältere Generation bezeichnet. In der Bevölkerungswissenschaft werden auch kleinere Abschnitte (Jahre, Jahrfünfte, Jahrzehnte) unterschieden.

2. Chronologische (intertemporale) Generation, weiter Begriff Zweitens wird das Wort ‚Generation’ verwandt, um die Gesamtheit der heute lebenden Menschen zu bezeichnen. In diesem Sinn lebt jeweils nur eine Generation zur gleichen Zeit.

3. Soziale Generation Neben seinen beiden chronologischen Bedeutungen bezeichnet der Ausdruck ‚Generation’ drittens eine Gruppe von Menschen, deren Einstellungen, Orientierungen und Verhaltensweisen weitgehend homogen sind. Sie sind häufig durch ähnliche Schlüsselerlebnisse sozialisiert worden und/oder drücken einer zeitlichen Epoche den Stempel auf. So gibt es z.B. die Bezeichnungen 68er-Generation, 89er-Generation und Generation Golf.

4. Familiäre Generation Schließlich gibt es auf der Mikroebene die familiäre oder ‚familiale’ Bedeutung des Generationenbegriffs. Familiäre Generationen bezeichnen die Glieder der Abstammungslinie. Im Rahmen der Verwandtschaftsbeziehungen gehören Väter einer anderen Generation an als ihre Söhne. Man spricht vom familiären Generationenkonflikt, wenn es z.B. um die Probleme der Ablösung der Kinder von ihren Eltern geht.


Obwohl der soziale Generationenbegriff im allgemeinen Sprachgebrauch sehr weit verbreitet ist, kann er im Rahmen von Untersuchungen über ‚Generationengerechtigkeit’ nicht benutzt werden, da seine Zuordnungen zu unbestimmt und zu umstritten sind. Für Vergleiche zwischen Generationen im Rahmen von Gerechtigkeitsuntersuchungen braucht man einen Generationenbegriff, der nicht überlappend ist und auf einem unveränderlichen, unkontroversen Merkmal basiert. Geburtsjahrgänge sind als solche Merkmale geeignet, Prägungen nicht. Deutlich ist auch, dass „Gerechtigkeit für kommende Generationen“ mit Gewissheit kein sinnvolles Konzept ist, wenn man soziale Generationen im Sinn hat. Schließlich weiß man überhaupt nicht, ob eine zukünftige soziale Generation als ‚2010er’ oder ‚2020er’ tituliert werden wird. Auch der familiäre Generationenbegriff ist für Untersuchungen über Generationengerechtigkeit auf der gesellschaftlichen Ebene kaum relevant. Wenn beispielsweise ein 28jähriger beklagt, dass es ungerecht gegenüber seiner Generation sei, dass die amtierenden Politiker es unterlassen, Umwelt und Natur zu schützen, so ist es irrelevant, ob dieser selbst schon Vater ist oder nicht.

In der Debatte um Generationengerechtigkeit sind also vor allem die chronologischen Bedeutungen 1.) und 2.) relevant. Um zwischen diesen beiden Bedeutungen in der Diskussion um Generationengerechtigkeit unterscheiden zu können, ist es notwendig, für die beiden Bedeutungen von Generation zwei unterschiedliche Bezeichnungen und damit auch zwei unterschiedliche Bezeichnungen von Generationengerechtigkeit zu formulieren. Bislang existiert in der wissenschaftlichen Diskussion allerdings keine eindeutige Begriffsgebung für diese Unterscheidung. Eine Möglichkeit der Unterscheidung, die von Peter Laslett gebraucht wird, ist die Verwendung der Bezeichnung „intergenerationell“ für das Verhältnis heutiger und zukünftiger Generationen und der Bezeichnung „intragenerationell“ für das Verhältnis von unterschiedlichen zur gleichen Zeit lebenden Generationen. Laslett bezieht sich auf den weiteren Generationsbegriff. Allerdings ist der Begriff ‚intragenerationell’ aufgrund der weit verbreitenden Verwendung des engeren Generationsbegriffes irreführend, da die Vorsilbe ‚intra’ ‚innerhalb’ bedeutet und man so unter Bezugnahme auf den engeren Generationsbegriff annehmen könnte, dieser Begriff bezeichne die Beziehung innerhalb einer Altersgruppe, beispielsweise die Gerechtigkeit innerhalb der Gruppe der unter-30jährigen. Sinnvoller erscheint die Verwendung der Bezeichnungen ‚intertemporale’ und ‚temporale’ Generation und Generationengerechtigkeit. Temporale Generationengerechtigkeit ist also die Gerechtigkeit zwischen jungen, mittelalten und älteren heute lebenden Menschen. Intertemporale Generationengerechtigkeit wird definiert als die Gerechtigkeit zwischen Menschen, die früher lebten, die heute leben und die zukünftig leben werden. Das Prinzip Intertemporale Generationengerechtigkeit kann folgendermaßen formuliert werden: „Generationengerechtigkeit ist erreicht, wenn die Chancen zukünftiger Generationen auf Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse mindestens so groß sind wie die der heutigen Generation“ In der Definition für „temporale Generationengerechtigkeit“ muss man „zukünftige Generationen“ durch „nachrückende Generationen“ und „heutige Generation“ durch ihnen vorangegangene Generationen (womit die heute mittlere und ältere Generation gemeint ist) ersetzen: „Generationengerechtigkeit ist erreicht, wenn die Chancen nachrückender Generationen auf Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse mindestens so groß sind wie die der ihnen vorangegangen Generationen“

Offensichtlich werden im Konzept der Generationengerechtigkeit Vergleiche zwischen Generationen gezogen. Häufig geschieht dies in der wissenschaftlichen (und erst recht in der öffentlichen) Debatte jedoch unsachgemäß. Grundsätzlich ist zwischen direkten und indirekten Vergleichen zu unterscheiden. Im direkten Vergleich werden heutige ‚Junge’ und ‚Alte’ verglichen, z.B. indem man den Prozentsatz von Angehörigen der zweiten Generation (31-60jährige) und der dritten Generation (0-30jährige), die Sozialhilfe beziehen, zeitpunktbezogen (z.B. im Jahr 2005) vergleicht. Bei einem indirekten Vergleich wird dagegen Alter mit Alter (bzw. Jugend mit Jugend) verglichen. Dabei untersucht man z.B. den Anteil der Jugend an allen Sozialhilfeempfängern im Jahr 2005 und im Jahr 1975. Die Unterscheidung zwischen direkten und indirekten Vergleichen ist nur beim temporalen Generationenbegriff möglich. Intertemporal wird ja innerhalb der Gruppen der heute Lebenden, nicht zwischen Altersgruppen unterschieden, also können in dieser Hinsicht auch keine Vergleiche gezogen werden.

[Bearbeiten] Politische Diskussion

Zunächst war der Begriff Generationengerechtigkeit in der Literatur über die Zukunft des Sozialstaates, insbesondere der Rentenversicherung zu finden, ab Mitte der 1990er Jahre zusätzlich im Kontext des Verhältnisses von Alt und Jung bzw. bei der Beschreibung von Generationenkonflikten. Mit dem Beginn des Nachhaltigkeits-Diskurs erlangte der Begriff „Generationengerechtigkeit“ auch in diesem eine zentrale Rolle. Inzwischen ist Generationengerechtigkeit dabei, die politische Agenda zu erobern. Aktuell ist eine institutionelle Verankerung von Generationengerechtigkeit in der politischen Diskussion. Einige überwiegend jüngere Abgeordnete, haben vor, einen Antrag auf grundgesetzliche Verankerung von Generationengerechtigkeit in den Bundestag einzubringen. Die Forderung nach einer solchen institutionellen Verankerung kann mit einem Defizit der Demokratie, einer strukturbedingten Gegenwartspräferenz, begründet werden: Wenn Politiker wiedergewählt werden sollen, müssen sie zunächst die Interessen heutiger Generationen berücksichtigen. Dadurch wird ein falscher Anreiz gesetzt, nämlich für eine Politik der „Verherrlichung der Gegenwart und Vernachlässigung der Zukunft“ (Richard von Weizsäcker). Bei der Beschaffung heutiger Mehrheiten können die Individuen, die in Zukunft geboren werden, nicht mitwirken. Sie tauchen im Kalkül des Politikers, der seine Wiederwahl organisiert, nicht auf. Dies kann man dem einzelnen Politiker nicht zum Vorwurf machen, denn die Rahmenbedingungen selbst schreiben es ihm vor. Wahlperioden können nicht allzu lang sein, ohne den Einfluss des Wählers zu weit zurückzudrängen und damit das Wesen der Demokratie an sich zu gefährden. Der technische Fortschritt sorgt jedoch dafür, dass die Auswirkungen gegenwärtigen Handelns weit in die Zukunft hineinreichen und die Lebensqualität zahlreicher zukünftiger Generationen tiefgreifend negativ beeinflussen können. Könnten zukünftige Generationen ihre Interessen im politischen Entscheidungsprozess geltend machen, so wären die Mehrheitsverhältnisse bei wichtigen politischen Entscheidungen anders. Beispiel Energiepolitik: Die heutige Form der Energiegewinnung mit dem Schwerpunkt auf fossilen Energieträgern ermöglicht derzeit einen einmalig hohen Lebensstandard, nimmt aber dafür gravierende Nachteile in der mittelfristigen Zukunft in Kauf. Beispiel Finanzpolitik: Die Finanzierung des heutigen Konsums durch Schulden verschiebt Lasten in die Zukunft und verringert die Freiheit kommender Politikergenerationen, selbst gestaltend Politik zu machen. Das Grundgesetz bietet bislang wenig Hilfestellung, da unsere Rechtsordnung derzeit v.a. die Rechte gegenwärtiger Individuen (Rechtssubjekte) schützt. Aus diesen Gründen wird sich eine ökologisch nachhaltige bzw. generationengerechte Gesellschaft nur erreichen lassen, wenn die ökologischen Ansprüche der Zukünftigen institutionell verankert werden.

Daher ist es notwendig, durch eine Veränderung des Grundgesetzes oder der Arbeitsweise des Parlaments eine Vertretung kommender Generationen zu schaffen. Gleichartige Initiativen wurden beispielsweise in Israel, der Schweiz (Die Vereinigung aktiver Senioren- und Selbsthilfe-Organisationen der Schweiz ), Ungarn bereits umgesetzt oder sind im parlamentarischen Entscheidungsprozess.

[Bearbeiten] Literatur:

  • Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen (Hrsg.): Handbuch Generationengerechtigkeit. München 2003.
  • Birnbacher, Dieter: Verantwortung für zukünftige Generationen. Stuttgart 1995.
  • Jonas, Hans: Das Prinzip Verantwortung. Frankfurt 1979.
  • Laslett, Peter/ Fishkin, James (Hrsg.): Justice between Age Groups and Generations. New Haven 1992
  • Unnerstall, Herwig: Rechte zukünftiger Generationen. Würzburg 1999
  • Börsch-Supan, Axel (MEA_Mannheim): Zum Konzept der Generationengerechtigkeit. In: Zeitschrift für Wirtschaftspolitik (2003), Band 2 2003, S. S. 221-226. Siehe [1], Volltext: [2]

[Bearbeiten] Weblinks

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