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Expansives Lernen

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Expansives Lernen bezeichnet in der Kritischen Psychologie eine Form des selbstbestimmten Lernens (selbstbestimmtes Lernen), bei dem das Subjekt lernend seine Handlungsfähigkeit erweitert und, weil es so weniger an andere ausgeliefert und fremdbestimmt ist, seine Lebensqualität erhöht. Klaus Holzkamp entwickelte diesen Begriff im Rahmen seiner Lerntheorie anhand einer Kritik der Institution Schule, in der durch die autoritäre Vermittlung des von außen in Lehrplänen festgelegten Wissens an die SchülerInnen ein defensives oder widerständigem Lernen vorherrscht.

Die Kritische Psychologie will den Menschen eine Theorie an die Hand zu geben, mit der sie eigene Lernerfahrungen und -schwierigkeiten besser verstehen können. Deshalb versucht Holzkamps Lerntheorie, den Standpunkt der lernenden Subjekte einzunehmen. Dieser subjektwissenschaftliche Lernansatz grenzt sich vor allem gegen zwei Aspekte anderer Ansätze ab. Zum einen wendet er sich gegen die "Entöffentlichung des Lernsubjekts" in pädagogischen Theorien, Konzepten und Diskursen (prominent v.a. im Lehr-Lern-Kurzschluss), zum anderen gegen die Praxis des "subjektlosen Lernens", das heißt, gegen die vielfältig hergestellten Nötigungen, Menschen ohne eine eigene Lernproblematik zum Lernen zu bringen.

"Lernen" allgemein bedeutet in der Kritischen Psychologie die Aneignung einer Gegenstandsbedeutung durch ein lernendes Subjekt. Lerngegenstände können nicht nur konkrete Dinge und Werkzeuge sein, etwa wenn ein Kind die Bedeutung (und damit auch die Benutzung) eines Löffels lernt, sondern auch abstrakte und symbolische Zusammenhänge (Musik etwa). Die Gegenstandsbedeutungen sind laut dieser Lerntheorie gesellschaftlich vorstrukturiert und festgelegt. Um innerhalb einer Gesellschaft handlungsfähig zu sein, müssen Menschen sich diese Bedeutungen aneignen. Allerdings können sie sich immer kritisch zu diesen Gegenstandsbedeutungen verhalten, etwa einen Stuhl mit der Gegenstandsbedeutung "Zum Sitzen" auch zum Draufstellen benutzen etc.

Beim expansiven Lernen stößt die lernende Person von sich aus auf Grenzen in ihrem Handeln, etwa kann sie sich in einer fremden Sprache nicht verständigen. Aus dieser Handlungsproblematik wird eine Lernproblematik, wenn die Person aus ihrem eigenen Interesse heraus nun zu einer Lernhandlung übergeht und sich die fremde Sprache als Lerngegenstand erschließt - etwa durch einen Sprachkurs. Ist die Lernschleife erfolgreich vollzogen, hat die lernende Person durch ihre neuen Kenntnisse an Handlungsfähigkeit gewonnen, also expansiv ihre eigenen Handlungsspielräume erweitert. Da das Konzept des expansiven Lernens vom begründeten Eigeninteresse des lernenden Menschen ausgeht, wendet es sich gegen die vorherrschenden Motivationstheorien, die eine fremdbestimmte Motivierung von außen anstreben. Expansives Lernen ist nur möglich, wenn der oder die Lernende die Sinnhaftigkeit des Lernziels einsieht und für sich übernimmt.

[Bearbeiten] Expansives Lernen in der kulturhistorischen Tätigkeitstheorie

In der Tätigkeitstheorie des finnischen Pädagogen Yrjö Engeström gibt es ebenfalls einen Begriff des expansiven Lernens. Engeströms Theorieentwicklung schließt teilweise an Holzkamps Grundlegung der Psychologie (1983) an (vgl. Engeström 1987/1999, 32-34). In seiner Dissertation von 1987, "Lernen durch Expansion", wird bereits der Ausdruck des "expansiven Lernens" eingeführt, also bevor ihn Holzkamp subjektwissenschaftlich ausarbeitet.

Lernen geschieht für Engeström nicht nur in der Form, dass Menschen Wissen in sich aufnehmen, sondern auch in der tätigen Veränderung ihrer Umwelt und ihrer Lebensbezüge. In Forschungsprojekten, die eine Art Handlungsforschung darstellen, wird "expansives Lernen" in institutionellen oder betrieblichen Zusammenhängen zu fördern versucht. Ein institutioneller oder betrieblicher Zusammenhang wird als "Tätigkeitssystem" verstanden, in welchem die Subjekte mit Hilfe von Artefakten, Medien, Werkzeugen, Maschinen oder anderen Instrumenten auf ihre Welt einwirken, wobei sie dies nicht einfach als isolierte Individuen tun, sondern als Mitglieder einer bestimmten Gemeinschaft, die ihre Regeln und bestimmte arbeitsteilige Strukturen hat. Um Tätigkeitssysteme neu zu entwerfen oder bestehende weiterzuentwickeln, wird das "expansive Lernen" in acht Schritten modelliert (vgl. Engeström 2005, S. 84):

  1. Aufwerfen von Fragen (Questioning, Need State)
  2. Analyse der Vergangenheit
  3. Analyse der aktuellen Situation (die beiden hier genannten Analysen sind in Engeström 2005, S. 84 in a) und b) unterteilt. Man kann also streng genommen sagen, dass es nur sieben Schritte sind.)
  4. Modellierung gemeinsamer Lösungen
  5. Testen des neuen Modells
  6. Besprechung weiterer Widersprüche
  7. Gemeinsame Reflexion des Prozesses
  8. Festigung der neuen Praxis


[Bearbeiten] Zusammenfassung

Sowohl Holzkamps Lerntheorie als auch Engeströms Ansätze berufen sich auf die Arbeiten der sogenannten kulturhistorischen Tätigkeitstheorie einem psychologischen Ansatz der in den 20er Jahren in der Sowjetunion von Forschern wie Lew Semjonowitsch Wygotski, Alexander Romanowitsch Lurija und Alexej Leontjew begründet wurde. Während das Engeström-Schema stark auf Optimierung bestehender Abläufe zielt, hat die Holzkampsche Lerntheorie einen stark gesellschaftskritischen Anspruch, der auf die Emanzipation des Einzelnen gegenüber fremdbestimmten Lernanforderungen abzieht. Holzkamp besteht darauf, dass gesellschaftliche Umwälzungen nicht vom Einzelnen, sondern nur kollektiv geleistet werden können, das also nicht jede Handlungsbeschränkung durch expansives Lernen aufgehoben werden kann. Allerdings eröffnet der Begriff den Weg zu einer an Selbstbestimmung orientierten Pädagogik, die den Lernenden nicht als Objekt, sondern als Subjekt fasst.

[Bearbeiten] Literatur

  • Klaus Holzkamp: Lernen. Subjektwissenschaftliche Grundlegung. Frankfurt am Main: Campus, 1995, ISBN 3-593-35317-2
  • Yrjö Engeström: Lernen durch Expansion Internationale Studien zur Tätigkeitstheorie. Marburg: BdWi-Verlag, 1999 ISBN 3-924684-75-8 (Englische Originalausgabe von 1987)
  • Yrjö Engeström: Developmental Work Research. Expanding Activity Theory In Practice. Berlin: ICHS, 2005 ISBN 3-86541-069-3
  • Ines Langemeyer: Contradictions in expansive learning. Towards a critical analysis of self-dependent forms of learning in relation to contemporary socio-technological change. Forum Qualitative Sozialforschung, Vol. 7, Nr. 1, Art. 12, 2006: "Learning at Risk" [1]

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