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Dienstleistungsgesellschaft

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Der Begriff Dienstleistungsgesellschaft beruht auf der Drei-Sektoren-Hypothese von Jean Fourastié.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Begriffsbestimmung

Der Begriff "Dienstleistungsgesellschaft" zielt auf den gesellschaftlichen Strukurwandel, der sich beginnend in den 1970er Jahren auf unterschiedliche Weise in allen westlichen Industriestaaten vollzogen hat. Im Industriesektor wurden auf Grund von Automatisierung und Produktivitätssteigerung immer weniger Arbeitsplätze angeboten und gleichzeitig konnte die Nachfrage nach Industrieprodukten immer kostengünstiger befriedigt werden, so dass der Dienstleistungssektor einerseits immer mehr Arbeitskräfte und andererseits immer mehr Kaufkraft an sich binden konnte. Wer das Ergebnis dieses wirtschaftlichen Strukturwandels als "Dienstleistungsgesellschaft" charakterisiert, hat dabei neben veränderten materiellen Grundlagen auch eine Veränderung im normativen Überbau der Gesellschaft vor Augen. Dienstleistungsgesellschaft meint die Veränderung gesellschaftlicher Werte, Normen und Habitus in Abhängigkeit vom ökonomischen Strukturwandel (Tertiarisierung).

[Bearbeiten] Entwicklung

An der Anzahl der Erwerbstätigen oder dem Anteil am BSP (Bruttosozialprodukt) lässt sich ablesen, dass Deutschland bis Ende des 19. Jahrhunderts eine Agrargesellschaft, bis in die 70er des 20. Jahrhunderts eine Industriegesellschaft war. Der expansive tertiäre Sektor überholte dann in den 1970ern den sekundären Sektor und man kann seitdem in der BRD von einer Dienstleistungsgesellschaft sprechen.

[Bearbeiten] Ursachen

Durch die Produktivitätssteigerung in den ersten beiden Sektoren wurden Arbeitskräfte frei und der Dienstleistungsbereich diente als „Auffangbecken“ für die freien Arbeitskräfte. Zudem trennen sich im Rahmen des Outsourcing Unternehmen von Aktivitäten, die nicht zu den Kernkompetenzen gehören und kaufen diese Leistungen bei spezialisierten Dienstleistern ein. Beispiele: Instandhaltung, EDV, Wachdienst.

In jüngerer Zeit hat der technische Fortschritt (vgl. Digitale Revolution) aber auch im Dienstleistungssektor zu erheblichen Produktivitätssteigerungen und hiermit verbunden zu Personalfreisetzungen geführt und wissenschaftliche Kritik an der zugrunde liegenden Theorie ausgelöst.

Der Theorie nach existiert durch steigende Realeinkommen eine beachtliche private, kaufkräftige Nachfrage nach Dienstleistungen, unter Umständen verstärkt durch die Veränderungen in den Lebensbedingungen (sinkende Arbeitszeit führt zu Nachfrage nach Freizeitangeboten) und in der Bevölkerungsstruktur (Alterung der Bevölkerung führt zu einem erhöhten Bedarf an Pflegediensten).

Reallohnerhöhungen der 50er bis 80er Jahre haben den o. a. Prozess vorangetrieben. Seit etwa Mitte der 1990er Jahre ist in der Bundesrepublik jedoch eine Stagnation bzw. eine tendenziell rückläufige Entwicklung der Reallöhne (sinkende Reallöhne)zu beobachten.

Zusätzlich gibt es einen erhöhten Bedarf im Bereich der Planung und Durchführung der Güterproduktion und der Verteilung der Güter nach Dienstleistungen innerhalb der produzierenden Gewerbe. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einer industriellen Dienstleistungsgesellschaft in den Industrieländern.

Eine weitere Ursache dafür ist die wachsende Komplexität sozialer und ökonomischer Systeme. Dabei steigt der Bedarf an Regelung, Vermittlung und Steuerung. Insgesamt führt die Entwicklung also zu weiter verstärkter Arbeitsteilung; zugleich kommt es zu vermehrter Bürokratisierung der Gesellschaft.

[Bearbeiten] DDR

Die DDR hatte zum Zeitpunkt des Mauerfalles (1989) die gleiche sozioökonomische Struktur wie die BRD um 1965. Die Ursachen dafür liegen in der niedrigen Produktivität und der Vernachlässigung des Dienstleistungssektors durch die sozialistische Wirtschaftsplanung. Es waren zu viele Menschen in den ersten beiden Sektoren beschäftigt. Der Einsatz und Arbeitsumfang von Dienstleistungen ist schwer im Voraus planbar. Außerdem wurde der Dienstleistungssektor als Bereich angesehen, der Volkseinkommen verzehrt; er passte dementsprechend nicht in die Ideologie des Arbeiter- und Bauernstaates. Nach der Wiedervereinigung haben die neuen Bundesländer sich schnell zu einer Dienstleistungsgesellschaft entwickelt. Dies ist vor allem auf die Deindustrialisierung zurückzuführen.

[Bearbeiten] Folgen der Tertiarisierung

Arbeitsmarkt insgesamt: Die Berufe mit den höchsten Beschäftigungszuwächsen sind etwa: Bürokräfte, Pflegeberufe und Datenverarbeitungsfachleute. Die Anforderungen an die Arbeitnehmer steigen vor allem im Bereich der fachlichen und inhaltlichen Qualifikation und der sozialen Kompetenzen (zum Beispiel Teamfähigkeit und Eigenständigkeit).

Die über Jahrhunderte bedeutende Schicht der Bauern verlor immer mehr an Bedeutung. Heute sind sie in der EU mit weniger als 1 Prozent Anteil an allen Erwerbstätigen eine zu vernachlässigende Größe. Die Bauern verfügen über erhebliche Vermögenswerte, aber ihre finanzielle Situation ist häufig sehr angespannt. Bei einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 59 Stunden ist das durchschnittliche Nettohaushaltseinkommen pro Kopf sogar niedriger als das eines Arbeiters.

Seit der industriellen Revolution im 18. Jhd. war die Arbeiterschaft eine dominierende Schicht bis sie Ende der 70er Jahre (des 20. Jhd.) von den Beamten und Angestellten abgelöst wurden. Im Zuge des Wirtschaftswunders ist die zahlenmäßig schrumpfende Arbeiterschaft sozial aufgestiegen. Sie erreichte einen höheren Lebensstandard und eine bessere soziale Absicherung, doch ihre schwere physische Belastung blieb.

Kinder aus Arbeiterfamilien haben immer noch schlechtere Bildungschancen und das Arbeitermilieu bleibt unter sich. Menschen, die der Arbeiterschaft angehören, haben im Allgemeinen ein niedrigeres soziales Ansehen. Die Gefahr, arbeitslos zu werden, ist für Menschen aus dieser Gesellschaftsschicht höher.

Angestellte und Beamte: Heute ist die größte Gruppe in der Mitte der Gesellschaft die der Angestellten. Diese gesellschaftliche Schicht tritt erstmals um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert in Erscheinung. Bis heute ist ihr Anteil an den Erwerbstätigen bis auf 50 Prozent gestiegen.

Man kann ihre Tätigkeiten in drei klassische Bereiche gliedern: Kaufmännische Tätigkeiten, technische Tätigkeiten und Büro- und Verwaltungstätigkeiten. Viele Angestellte finden sich aber auch in den Berufsfeldern Verkehr, Kommunikation und Information. Die meisten Angestellten finden sich im tertiären Sektor. Seit der Tertiarisierung des sekundären Sektors gibt es außerdem eine zunehmende Zahl von Angestellten in der Industrie.

Die typischen Berufe der Dienstleistungsgesellschaft gelten als rationalisierungsresistent, da oft die Qualität der Arbeit von ihrer Quantität abhängt.

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Weitere Informationen

  • Clark, Colin (1940): The Condition of Economic Progress. London: Macmillan
  • Baethge, Martin / Wilkens, Ingrid (2001): Die große Hoffnung für das 21. Jahrhundert. Perspektiven und Strategien für die Entwicklung der Dienstleistungsbeschäftigung. Opladen: Leske + Budrich
  • Baumol, William J. (1967): Macroeconomics of Unbalanced Growth: The Anatomy of Urban Crisis, In: Amarican Economic Review 57, S. 416 – 426
  • Bell, Daniel (1985): Die nachindustrielle Gesellschaft. Frankfurt a.M./New York: Campus
  • Fisher, Allan G.B. (1939): Production – Primary, Secondary and Tertiary. In: The Economic Record 15, June, S. 24-38
  • Fourastié, Jean (1954): Die große Hoffnung des zwanzigsten Jahrhunderts. Köln: Bund-Verlag
  • Gartner, Alan / Riessmann, Frank (1978): Der aktive Konsument in der Dienstleistungsgesellschaft. Zur politischen Ökonomie des tertiären Sektors. Frankfurt a.M.: Suhrkamp
  • Geißler, Rainer: Die Sozialstruktur Deutschlands. Bonn 2002. Westdeutscher Verlag GmbH. 197 ff.
  • Gershuny, Jonathan I. (1981): Die Ökonomie der nachindustriellen Gesellschaft. Produktion und Verbrauch von Dienstleistungen. Frankfurt a.M./New York: Campus
  • Handwerger, Manfred (He): Die Gesellschaft der BRD. Bamberg 2003. Buchners Verlag. 87 ff.
  • Häußermann, H., Siebel, W.: Dienstleistungsgesellschaften, Frankfurt am Main, 1995.
  • Marien, Michael (1977): The Two Visions of Post.Industrial Society. In: Futures, S. 415 - 431
  • Verster, Geiling u.a.: Soziale Milieus im gesellschaftlichen Strukturwandel - Zwischen Integration und Ausgrenzung, Frankfurt a.M., suhrkamp, 2001

[Bearbeiten] Weblinks

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