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Chaosmagie

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Chaosmagie ist eine relativ junge Form der Magie, die Wert auf magische Paradigmenwechsel sowie Rituale ohne Verwendung von Paraphernalia legt und darauf abzielt, den Willen durch verschiedenste Techniken zur Überwindung des wachen Bewusstseins zu fokussieren. Die Anhänger der Chaosmagie bezeichnen sich als „Chaosmagier“, häufig auch „Chaoten“, und glauben, die Wirklichkeit magisch beeinflussen zu können.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Geschichte

In den Jahren nach dem Tod Aleister Crowleys wurde die von der immer noch dünn gesäten okkulten Szene Großbritanniens praktizierte Magie experimenteller, persönlicher und löste sich immer mehr von den magischen Traditionen etablierter magischer Orden. Die wichtigsten Gründe dafür sind möglicherweise die Veröffentlichung zuvor geheimen magischen Wissens – insbesondere in den Werken Aleister Crowleys und Israel Regardies –, die radikal unorthodoxe Magie von Austin Osman Spares „Zos Kia Cultus“, die durch den Erfolg des Wicca-Kultes wachsende Popularität der Magie und der Gebrauch halluzinogener Drogen.

Der Begriff der Chaosmagie tauchte erstmals in gedruckter Form in dem sehr einflussreichen Buch „Liber Null“ (1978) von Peter Carroll auf. Darin formulierte Carroll verschiedene Ideen über Magie, die sich radikal von dem unterschieden, was man in den Tagen Aleister Crowleys als magische Mysterien bezeichnet hatte. Dieses Buch, zusammen mit „Psychonaut“ (1982) vom selben Autor, ist noch immer die wichtigste Grundlage dieser Bewegung.

Carroll war auch einer der Gründer des „Magischen Paktes der Illuminaten von Thanateros“ (kurz: „Illuminaten von Thanateros“, oder auch „IOT“, „Illuminates of Thanateros“), einem magischen Orden, der die Lehre und Entwicklung der Chaosmagie bis heute fortsetzt. Die meisten Autoren und sonstigen bekannten Chaosmagier erwähnen eine Zusammenarbeit mit ihm. Abgesehen von diesem Orden ist die Chaosmagie jedoch einer der am wenigsten organisierten Bereiche der Magie.

Der Name „Chaos“ und das dazugehörige Symbol, der achtstrahlige Stern (auch „Chaossphäre“ genannt) wurden von Carroll allem Anschein nach aus einem Fantasyroman entlehnt: Michael Moorcocks „Elric von Melniboné – Die Sage vom Ende der Zeit“. Carroll verwies jedoch nirgends auf den Ursprung seiner Symbolik. Der Tradition, aus Fantasybüchern zu borgen, blieb Carroll auch später treu: In seinem späteren Werk „Liber Kaos – Das Psychonomikon“ (deutsch 1994) stellte er ein achtfaches System der Magie vor, das an Terry Pratchetts „The colour of magic“ (1983) angelehnt ist. Diesmal verwies er jedoch in einer Fußnote und der Literaturangabe auf den Ursprung.

[Bearbeiten] Magischer Paradigmenwechsel

Das vielleicht auffälligste Merkmal der Chaosmagie ist das Konzept des magischen Paradigmenwechsels. Indem er einen Begriff vom Philosophen Thomas Kuhn entlehnte, machte Carroll die Technik, das eigene Magiemodell (oder -paradigma) willkürlich zu wechseln, zu einem Grundgedanken der Chaosmagie. Ein Beispiel für einen magischen Paradigmenwechsel wäre es, zuerst ein Ritual aus dem „Necronomicon“ und anschließend einen Runenzauber durchzuführen. Diese zwei magischen Paradigmen sind voneinander sehr verschieden; während der Chaosmagier jedoch eines von ihnen verwendet, ist er von diesem vollkommen überzeugt. Das beinhaltet, dass alle jeweils anderen magischen Paradigmen (die sich häufig gegenseitig ausschließen) in diesem Moment ignoriert werden. Diese Technik hat seither ihren Weg in die magische Arbeit von Anhängern vieler anderer magischer Traditionen gefunden, die Chaosmagie ist jedoch weiterhin der Bereich, in dem sie am weitesten entwickelt ist.

Die Grundidee ist die, Glaube sei ein Werkzeug, das sich bewusst einsetzen lässt, statt nur unwillkürlich verwendet zu werden. Manche Chaosmagier sind der Auffassung, dass es an sich lohnend sei, ungewöhnliche und oftmals bizarre Überzeugungen auszuprobieren, und halten Flexibilität des Glaubens für eine Form von Macht oder Freiheit im kybernetischen Sinne.

[Bearbeiten] Der gnostische Zustand

Eine andere wichtige, von Carroll eingeführte Idee ist der gnostische Zustand, ein besonderer Bewusstseinszustand, der in seiner Magietheorie zur Ausführung der meisten Formen von Magie notwendig ist. Das ist eine Abwendung von älteren Ideen, die Energien, Geister oder symbolische Handlungen als Quellen magischer Kraft beschrieben hatten. Ein Vorläufer dieser Idee ist das buddhistische Konzept des Samadhi, das im westlichen Okkultismus durch Aleister Crowley bekannt gemacht wurde und welches sich, jedoch ohne Bezüge auf das Yoga, auch in den Werken von Austin Osman Spare finden lässt.

Der Gnostische Zustand wird erreicht, indem das Bewusstsein auf einen einzigen Punkt, Gedanken oder ein einziges Ziel fokussiert wird und alle anderen Gedanken ausgeschlossen werden. Ziel ist es, das bewusste, diskursive Bewusstsein auszuschalten und dadurch Zugriff auf das Unterbewusstsein zu bekommen. Dabei können die Techniken, die zum Erreichen der Gnosis führen, in zwei grobe Kategorien eingeteilt werden, die von Peter Carroll vorgeschlagen werden:

Dämpfungsgnosis (“inhibitory gnosis”)
Diese Techniken arbeiten mit der Beruhigung beziehungsweise Ausschaltung der Sinne. Dazu gehören zum Beispiel alle Arten der (aktiven) Meditation, Gebete, Drogen, Konzentration auf nur einen Sinn oder auch die sogenannte „Todesstellung“, bei der der Magier versucht, mit verbundenen Augen, Ohrenstöpseln, verschlossener Nase und Mund mit leeren Lungen (ausgeatmeter Zustand) möglichst lange liegenzubleiben, bis der Überlebensinstinkt seines Körpers die Kontrolle übernimmt und er mehr oder minder panisch nach Luft schnappt – genau in diesem Augenblick ist das wache Bewusstsein ausgeschaltet (es geht nur ums Überleben), und die Gnosis ist erreicht.
Erregungsgnosis (“excitatory gnosis”)
Diese Techniken versuchen, das Wachbewusstsein durch Überreizung der Sinne auszuschalten. Wie zum Beispiel: Laute Musik, ekstatisches Tanzen, intensives körperliches Training. Auch hier tritt durch die Überreizung der Sinne ein Zustand ein, der das wache, denkende Bewusstsein ausschaltet und das Tor zum Unterbewusstsein öffnet. In diesen Momenten richtet man sich ganz nach seinen Instinkten und ignoriert störende körperliche Signale wie Schmerzen oder Freuden. Nur noch auf das Ziel konzentriert, ohne Gedanken an mögliche Folgen, ist es, als „leite einem eine fremde Macht“.

Eine dritte, von Phil Hine vorgeschlagene Kategorie der Gnosistechnik ist die:

Gleichgültige Leere (“indifferent vacuity”)
Sie wird dann erreicht, wenn man die beabsichtigte Wirkung des Zaubers gewissermaßen gelangweilt, „im Vorbeigehen“, visualisiert oder in Zeichenform bringt (Sigille). Wichtig ist hierbei – wie auch bei allen anderen Magietechniken – schnellstmöglich zu vergessen oder zu verdrängen, dass man überhaupt eine magische Tätigkeit ausgeführt hat.

Chaosmagier entwickeln jeweils ihre eigenen Methoden, diesen Zustand zu erreichen. Alle diese Methoden gründen auf der Auffassung, dass ein einfacher Gedanke oder eine einfache Anweisung im Gnostischen Zustand erlebt und danach schnell vergessen wird, in das Unterbewusstsein eintritt und dort mittels Fähigkeiten umgesetzt wird, die dem bewussten Denken nicht zugänglich sind.

[Bearbeiten] Chaosmagier

Wer Chaosmagie praktiziert, versucht, außerhalb aller Kategorien zu stehen. Weltbilder, Theorien, Glaubenssätze, Meinungen, Gewohnheiten und sogar Persönlichkeiten sind für die Chaosmagier nur Werkzeuge, die willkürlich gewählt werden können, um die Welt, die sie um sich sehen und erschaffen, zu verstehen und zu gestalten. Chaosmagier werden oft als lustig, extrem und sehr individualistisch beschrieben. Sie betrachten sich auch als außerordentlich tolerant, denn ihrer Ansicht nach sind alle Dinge, über die man sich streiten könnte, ohnehin nur Meinungen und somit beliebig austauschbar. Wichtige Vertreter der Chaosmagie sind oder waren: Peter Carroll, Jan Fries, Jaq D. Hawkins und Ray Sherwin.

Obwohl die Chaosmagie etwas von der Popularität verloren hat, die sie im Großbritannien der Achtziger hatte, ist sie weiterhin aktiv und einflussreich. Es ist zu beobachten, dass ihre Ideen besonders im modernen Schamanismus aufgegriffen werden und in okkulten Webforen geläufig sind. Befürworter sehen in der zunehmenden Individualität des Okkultismus informeller, oft netzbasierter Kreise eine unmittelbare Wirkung des Erfolgs der Chaosmagie, während Kritiker einwenden, dass diesem informellen Okkultismus oft ein tieferes Verständnis für Gnosis und Paradigmenwechsel fehlt, und er deshalb nicht mit Recht als Chaosmagie zu bezeichnen sei.

[Bearbeiten] Symbole und Gottheiten

Der „Chaosstern“ (auch „Chaossphäre“ genannt) ist das populärste Symbol der Chaosmagie und existiert in einer Vielzahl von Varianten.
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Der „Chaosstern“ (auch „Chaossphäre“ genannt) ist das populärste Symbol der Chaosmagie und existiert in einer Vielzahl von Varianten.

Die Chaosmagie unterscheidet sich von allen anderen magischen Traditionen darin, dass sie keinem Symbol und keiner Gottheit besondere Bedeutung zuschreibt. Wicca und Thelema zum Beispiel sind ohne die Göttin beziehungsweise ohne Horus nicht denkbar. Im Gegensatz dazu können Chaosmagier nach Belieben Ideen oder Ideengebäude wählen, die sie anbeten, invozieren oder evozieren.

Ein chaosmagischer Ansatz ist die Verwendung von Farben, um die hinter den im Ritual verwendeten „Göttern“ stehenden Kräfte zu systematisieren. Diese farbliche Zuordnung orientiert sich an der vom Golden Dawn und anderen Organisationen verwendeten Form der Kabbalah. Im Liber Kaos stellt Peter Carroll diese Zuordnung folgendermaßen dar:

  • Violett oder Silber: Sexualmagie
  • Grün: Liebesmagie
  • Orange: Denkmagie
  • Gelb: Egomagie
  • Rot: Kriegsmagie
  • Blau: Vermögensmagie
  • Schwarz: Todesmagie
  • Oktarin: Reine Magie

Die Farbe Oktarin wird dabei als "persönliche Note" verstanden, welche dem Wesen des Ausübenden entspricht. Die übrigen sieben Farben, welche den sieben Planeten der klassischen Astrologie entsprechen, sollen für die Prägung durch Umwelt und Kultur stehen.

Getreu der Vorstellung, dass alles Bedeutung und magische Kraft besitzen kann, gibt es chaosmagische Rituale, um so verschiedene Konzepte wie die Farbe Oktarin (siehe: Scheibenwelt), getragene Socken oder Harpo Marx. In manchen Fällen haben sich diese rituellen Verwendungen zu kurzlebigen, aber komplexen Kulten entwickelt, die als Parodien geordneterer magischer Traditionen oder der Ordnung im Allgemeinen gesehen werden können. Außerdem sind mit dem Chaos assoziierte traditionelle Gottheiten wie Tiamat, Loki und Hun Dun beliebt, wie auch die im Necronomicon beschriebenen Wesen.

Der achtstrahlige Chaosstern, ursprünglich den Fantasy-Romanen von Michael Moorcock entnommen, wird häufig von Chaosmagiern verwendet. Diese Vorliebe wird jedoch nicht von allen geteilt und entspringt möglicherweise einzig der halboffiziellen Verwendung dieses Symbols durch die „Illuminaten von Thanateros“. Die meisten Chaosmagier entwerfen selbst regelmäßig neue magische Symbole für den persönlichen Gebrauch – siehe: Sigillenmagie.

[Bearbeiten] Chaosmagie in der Popkultur

In den 1990ern ist gelegentlich in Marvel-Comics und „Buffy“ von Chaosmagie gesprochen worden, jedoch ohne Ähnlichkeiten zur hier beschriebenen Bewegung. Der Chaosmagier Grant Morrison hat die Chaosmagie in seinem Comic-Epos „The Invisibles“ sachlich richtig dargestellt.
In Clive Barkers Verfilmung „Hellraiser – Das Tor zur Hölle“ öffnet der Protagonist Frank mit einem Zauberwürfel („LeMarchand Configuration“, oft einfach als „die Box“ bezeichnet) einen Durchgang in eine alternative Wirklichkeit. Der Würfel lässt sich durch einen puzzleartigen Vorgang zu einem dem Chaosstern ähnlichen Gebilde formen.
In den von Games Workshop herausgebrachten Tabletopspielen Warhammmer Fantasy und Warhammer 40k spielt Chaosmagie ebenfalls eine Rolle.

[Bearbeiten] Literatur

  • Jaq D. Hawkins: Chaosmagie. Grundlagen und Hintergründe. Edition Esoterick, 2005. ISBN 3936830134
  • Peter J. Carroll: Liber Kaos. Das Psychonomicon. Edition Ananael, 2005. ISBN 3901134050
  • Peter J. Carroll: Liber Null & Psychonaut. Samuel Weiser, 1987. ISBN 0877286396

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