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Vollschwingen-BMW

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Granada-rote BMW R 60/2
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Granada-rote BMW R 60/2
Einzylinder BMW R 27 mit Hochlenker und Doppelsitzbank
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Einzylinder BMW R 27 mit Hochlenker und Doppelsitzbank
BMW RS 54
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BMW RS 54

Die Ära der sogenannten „Vollschwingen-BMWs“ war eine Epoche des deutschen Motorradbaus in schwieriger werdender Zeit. Die Neukonstruktion des Fahrwerks, erstmals mit einer geschobenen Langschwinge vorn und einer Hinterradschwinge, daher der Name „Vollschwinge“, erschien 1955 für zwei Baureihen: für die großen Zweizylinder mit 500 und 600 cm³ und für die Einzylinder mit 250 cm³.

Die Ära des Motorrads als Transportmittel der „kleinen Leute“ neigte sich zunächst kaum merklich dem Ende zu. Der Trend bei Käufern individueller Mobilität ging zum Dach über dem Kopf und somit weg vom Motorrad. Die heutige Funktion eines Motorrads als Teil der Freizeitgestaltung war in jener Zeit noch weitgehend unbekannt. Ein Motorsport-Wettbewerbseinsatz der Vollschwingen-BMWs war zweitrangig; es ging um Solidität, Zuverlässigkeit, höchstwertige Verarbeitung. Die von der Verarbeitung her ohnehin immer schon hochkarätigen Maschinen aus München waren noch stabiler und wuchtiger geworden. Wiederum waren die Motorräder auch wahlweise für den Gespannbetrieb ausgerüstet, zumeist mit serienmäßig vorhandenen Vierpunkt-Befestigungen für die Seitenwagen, die nach Hubraum- und Gewichtsgrößen passend vorzugsweise aus dem Katalog von Steib hinzubestellt oder auch nachgerüstet werden konnten. Hierzu konnte der Gespannfahrer gleich eine passende Sekundärübersetzung ordern: die Achsübersetzungen des Kardanantriebs sind für den gewichtsnachteiligen Beiwagenbetrieb um ca. 20 % kürzer. Die Höchstgeschwindigkeit sinkt im Gespannbetrieb, Zugkraft und Beschleunigungsvermögens leiden jedoch weniger.

Lange vor der Einführung von Allrad-PKW waren damals schwere Motorradgespanne die beste Art, im Winter mobil zu sein. Wenn der Gespannfahrer sich an die Asymmetrie der Fahreigenschaften gewöhnt hatte, gab es zu jener Zeit kein schnelleres und sichereres Fortbewegungsmittel auf Eis und Schnee als ein großes Gespann – jedoch waren die berühmten Wehrmachtsgespanne mit Rückwärtsgang und zuschaltbarem Seitenradantrieb nicht mehr in Produktion. Die BMW-Zweizylinder dieser Ära gelten – nachdem Zündapp 1957 die Produktion des Baumusters „KS 601“ eingestellt hatte – als Krönung des Serienmotorradbaus für Gespannzwecke, und seitenwagentaugliche Motorräder von Moto Guzzi kamen erst in den späteren 1960er Jahren. Bei allen Nachfolgemodellen verzichtete BMW dann darauf, die Motorräder in der Serie für einen Gespanneinsatz freizugeben; solche Solo-Rahmen waren leichter und billiger zu bauen.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Geschichte

Die frühen 1950er Jahre waren gekennzeichnet durch den Versuch, vor Neuentwicklungen noch eine Weile lang die Technik der Vorkriegs-Ära weiterzunutzen. Mit einer Neukonstruktion des Zweizylindermotors und einer Leistungssteigerung des 600er Motors in der BMW R 68 auf 35 PS war jedoch schon vor der Mitte der 1950er Jahre klar geworden, dass BMW fahrwerksmäßig etwas unternehmen musste, um den englischen Wettbewerbern von Triumph, BSA und Norton mit ihren meist niedrigeren Preisen Paroli bieten zu können: Das alte BMW-Fahrwerkslayout mit vorderer Teleskopgabel und vor allem der Geradweg-Federung am Hinterrad, mit sehr kleinen Federwegen und schlechter Dämpfung, wurde zu Recht scharf kritisiert. Insbesondere beim sportlichen 600er Modell R 68 setzte sich BMW in die unabweisbare Kritik, einen nunmehr deutlich zu schnellen Motor in ein „zu langsames“ Fahrwerk eingebaut zu haben. Diese Kombination überforderte etliche Fahrer; infolge der Fahrwerksschwächen und fehlender Erfahrung gab es eine Vielzahl von Unfällen mit diesen Maschinen.

Diese Kritik wurde in eine komplette Neukonstruktion des Doppelschleifen-Rohrrahmens (analog dem „Federbett“-Rahmen des englischen Konkurrenten Norton) mitsamt Schwingenführungen für Vorder- und Hinterrad umgesetzt. 1955 erschienen mit dieser Rahmenkonstruktion drei neue Modelle:

  1. als 250er Nachfolger der Einzylinder R 25/3 kam die R 26 heraus mit einem von 12 auf 15 PS/11 kW leistungsgesteigerten Motor,
  2. als 500er Nachfolger der Zweizylinder R 51/3 erschien die R 50 mit von 24 auf 26 PS angehobener Motorleistung, und
  3. als 600er Nachfolger der R 67/2 erschien die R 60 bei unverändertem Motor mit 28 PS.

1955 erschien die R50 + R69. Die R60 als Nachfolger der R67/3 kam 1956 auf den Markt. Kurz darauf erschien im Schwingenrahmen auch ein „Sportmodell“ mit dem 35-PS-Motor der R 68, das nun R 69 genannt wurde. Dieses Sportmotorrad konnte damals in der exzellenten Kombination von starkem Motor und stabilem Schwingenfahrwerk abseits der wenigen Autobahnen auch von teils stärkeren englischen Motorrädern nicht geschlagen werden: das Fahrwerk wurde von der Fachwelt bei seinem Erscheinen in den höchsten Tönen gelobt. Das Doppelschleifen-Rohrrahmen-Layout profitiert von oval gezogenen Rohren, deren lastbezogene Profilausrichtung bei gleichem Gewicht eine höhere Stabilität als die gängigen Rundrohre aufweist.

In den USA, wohin über 80 % der Zweizylinder gingen, fuhr John Penton mit einer BMW R 69 in Rekordzeit von New York nach Los Angeles, in 53 Stunden und 11 Minuten. Der bisherige Rekordhalter hatte 77 Stunden und 53 Minuten auf einer 750er Harley-Davidson benötigt.

Fünf Jahre nach der Einführung der Schwingenmodelle gab es eine kleine Modellpflege. Beim Einzylinder wurde das Modell R 27 eingeführt, das sich mit 18 PS durch drei zusätzliche PS und nun auch durch eine komplett elastische, extrem schwingungsarme Aufhängung der Motor-Getriebe-Einheit auszeichnete. Bei den Zweizylindern wurde der Rahmen an wenigen Stellen verstärkt; die Modellbezeichnungen änderten sich bei den Tourenmodellen zu R 50/2 und R 60/2.

Das Modell R 69 erfuhr bei der Überarbeitung eine gravierende Leistungssteigerung von 35 auf 42 PS und erhielt die Typbezeichnung R 69 S. Die Leistungserhöhung sollte jedoch bald für einigen Ärger sorgen: Infolge der beibehaltenen Rollenlagerung der Kurbelwelle, der gestiegenen Mitteldrücke und höherer Drehzahlen des Sportmotors häuften sich Schwingungsprobleme, die in manchen Fällen zum Bruch der Kurbelwelle unter Vollast führten, mitsamt Abriss eines Zylinders, Motorgehäusebruch und totalem Motorschaden. BMW reagierte und verbaute kurze Zeit später als erster Serienhersteller überhaupt unter einer geänderten vorderen Motorabdeckung einen Schwingungsdämpfer an dem der Kupplung gegenüberliegenden Ende der Kurbelwelle: High Tech der 1960er Jahre. Dieser Schwingungsdämpfer erforderte eine Anpassung der Vorderradschwinge, indem der untere Schutzblechträger-Rohrbogen eine Abflachung bekam, um der Gabel zum Durchschwenken Platz zu lassen. Parallel wurde auch ein 500er „Sportmodell“ eingeführt, die heute extrem seltene R 50 S, von der nur 1634 Exemplare gefertigt wurden, die bis auf den kleineren Hubraum identisch mit der R 69 S ist und ohne Schwingungsdämpfer auskam.

All diese Maßnahmen konnten jedoch nicht verhindern, dass in der deutschen Motorradkrise und gerade auch beim Premium-Hersteller BMW die Absatzzahlen immer weiter sanken, da das kaufkräftige Publikum PKW fahren wollte und ein neuer VW Käfer nicht viel teurer war als eines der aufwendig und hochklassig gefertigten schweren BMW-Motorräder. 1965 gab es bei den zum USA-Export vorgesehenen Schwingen-BMW noch einen Facelift. In den Staaten begann sich damals bereits das Motorradfahren als Freizeitvergnügen und Hobby zu etablieren. BMW ersetzte für den Export die schwere Vorderschwingenkonstruktion durch eine leichtere Teleskopgabel des gleichen Typs, die dann in den Folgemodellen der sogenannten „Strich-Fünfer Serie“ ab 1969 zum Serieneinsatz kam. Wahlweise gab es nun auch eine elektrische Anlage mit 12 Volt.

Nach der Einführung der neuen Modelle 1969 mit bis zu 50 PS trauerten viele der alten „gusseisernen“ Motorradfahrer den Schwingenmodellen nach, hegten und pflegten ihre älteren Schätzchen und vesorgten sich mit preiswerten Teileträger-Maschinen, um den Wechselfällen älter werdender Motorräder vorzubeugen. BMW gab in Fällen von Motorschäden auch die anschlussmaßgleichen neueren, nun gleitgelagerten Triebwerke zum Einbau in die Vollschwingenrahmen frei. Zunächst lag die Leistungsgrenze hierfür bei den 50 PS der neuen R 75/5, jedoch wurden mit einer anderen Vorderrad-Bremsanlage später auch noch stärkere Motoren zum Einbau in den Schwingenrahmen zugelassen, oft unter Verzicht aufs Gespannfahren und mit Einsatz der neueren Telegabel. Das Baukastensystem von BMW machte diese Umbauten technisch weitgehend unproblematisch.

[Bearbeiten] Kauf und Restaurieren einer Schwingen-BMW

Das Baukastenkonzept macht es auch über 35 Jahre nach Produktionsende der Maschinen möglich, mit kalkulierbarem, wenn auch nicht kleinem Geld eine Maschine zu restaurieren. Die Spitzenmodelle der Jahre ab 1960 sind extrem teuer; für eine originale R 69 S mit „matching numbers“ (übereinstimmende Rahmen- und Motornummern) werden in ladenneuem Zustand schon mal mehr als 20.000 Euro gefordert. Sehr viele Maschinen sind umgebaut, mit anderen Motoren ausgerüstet. Das Baukastensystem erleichtert dies sehr, und wirklich originale Maschinen sind daher selten. Unter den Umbauten gibt es üble Fälle. Man muss somit sorgsam achtgeben beim Kauf und sich gut beraten lassen, um nicht einem Blender aufzusitzen.

Einige Händler, vorzugsweise im süddeutschen Raum, sind auf die Vollschwingen-BMWs spezialisiert, handeln mit Maschinen, Ersatz- und Zubehörteilen. Sie kaufen Restbestände von internationalen Polizei- und Behördenflotten auf; die französische Polizei hielt Tausende von Schwingen-BMWs im Bestand. Kleinere Flotten waren nach Südafrika und nach Südamerika gegangen und werden heute im Container „heimgeholt“. Man kann die Behördenmaschinen gelegentlich an Tank-Einbauten für den Funk erkennen; es fehlt dann ein Fassungvermögen von ca. drei Litern am Tankinhalt. Anstelle dessen findet sich obenauf eine zusätzliche Werkzeugfachklappe, unter der früher ein Funkgerät arbeitete.

[Bearbeiten] Heutige Wahrnehmung von Eignern der Vollschwingen-BMW

Nunmehr sind die BMW-Motorräder der Vollschwingen-Ära zwischen 35 und 50 Jahre alt und begehrte Oldtimer-Motorräder geworden. Umbauten werden nicht mehr goutiert: die Eingeschworenen achten auf Originalität. Es sind oft sehr selbstbewusste ältere Herren in klassisch schwarzledernem Motorradfahrer-Outfit, die ihre zumeist schwarzen „Gummikühe“ bewegen, mit dem Harro-Tankrucksack obenauf und oft mit dem zeitgemäßen doppeltgroßen Hoske-Tank darunter. Der weiße Halbschalenhelm vervollkommnet das Bild eines anti-modischen Ritters der schwarzledernen Zunft aus den 1960er Jahren.

All diese Dinge gehören einer Zeit Jahre an, von denen die älteren BMW-Fahrer noch schwärmen, wenn einer die Worte „Vollschwingen-BMW“ in den Mund nimmt. Diese Freude war eine recht exklusive Freude; die meisten Motorsportfans waren in jenen Jahren des Niedergangs der westdeutschen Motorradindustrie lange bereits Autokunden geworden. Nur ein Häuflein Aufrechter pflegte weiterhin das sportliche Motorradfahren. Sie nannten sich – sofern BMW-fahrend – „Die Gusseisernen“. Ihr bekanntester Exponent war der langjährige Redakteur der Zeitschrift „Das Motorrad“ Ernst Leverkus.

[Bearbeiten] Links

BMW-Vollschwingen-Motorräder
Englischsprachige Seite eines amerikanischen Enthusiasten

[Bearbeiten] Siehe auch

Liste der BMW-Motorräder.

[Bearbeiten] Literatur

  • Hans-Joachim Mai: 1000 Tricks für schnelle BMWs. BMW-Zweizylinder-Motorräder ohne Geheimnisse. Stuttgart: Motorbuch-Verlag, 1971.

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